Der Ende 1992 geschlossene so genannte Kulturvertrag hatte zum Ziel, die Finanznot der Landeshauptstadt Hannover zu dem Zeitpunkt zu mildern, um im gemeinsamen Interesse von Stadt und Land liegende Kultureinrichtungen finanziell zu sichern und Wirtschaftunternehmen wie die Messe AG und die Flughafen Hannover-Langenhagen GmbH zu fördern und mit dem erforderlichen Eigenkapital auszustatten. Das war der historische Zusammenhang 1992. Zu diesem Zweck sollte die Landeshauptstadt Hannover eine nachhaltige Haushaltsentlastung von jährlich 50 Millionen DM erhalten. Die Entlastung sollte durch die Übernahme der städtischen Anteile an der Niedersächsischen Staatstheater GmbH, beim kommunalen Finanzausgleich sowie bei der Wohnungsbaufinanzierung erbracht werden. Es sind also drei Blöcke zusammengeführt worden.
Unter Berücksichtigung der Übernahme von Kulturzuschüssen durch die Landeshauptstadt Hannover ergab sich eine Gesamtentlastung von rund 55 Millionen DM. Dieser Betrag überstieg nach den damaligen Berechnungen die landesseitig politisch gewollte finanzielle Entlastung von 50 Millionen DM um 5 Millionen DM. Daher wurde in § 6 Abs. 3 des so genannten Kulturvertrages für die nächsten fünf Jahre eine von der Landeshauptstadt an das Land jährlich zu entrichtende Interessenquote von 5 Millionen DM fest vereinbart. Dieser Betrag diente gleichzeitig als pauschale Abgeltung der bevorstehenden Investitionslasten für die Sanierung der Bühnentechnik im Opernhaus sowie zur Absicherung des Spielbetriebs im Ballhofkomplex.
Bei der Interessenquote handelt es sich nicht um einen kulturpolitisch begründeten anteiligen Finanzierungsbetrag Hannovers zur Niedersächsischen Staatstheater Hannover GmbH, sondern um eine schlichte Gegenrechnung, um die seinerzeit angestrebte Gesamtentlastung herzustellen. Dies wird
Nach dem Vertrag sind die Vertragsparteien seit 1998 berechtigt, über die Höhe der Interessenquote neu zu verhandeln. Die Landeshauptstadt Hannover hat von der Revisionsklausel Gebrauch gemacht und den Wegfall der Interessenquote verlangt. Hannover hat aufgrund des 1992 geschlossenen so genannten Kulturvertrages einen Anspruch auf Neuverhandlung - nicht auf ein Ergebnis. Die Landesregierung erachtet den Wunsch nach Neuverhandlung des so genannten Kulturvertrages als legitim, da die ab 1993 angestrebte dauerhafte Entlastung des städtischen Haushalts nicht in dem vorgesehenen Umfang eingetreten ist. Die Verhandlungen des Finanzministeriums über eine Änderung des so genannten Kulturvertrages sind bislang nicht abgeschlossen. Der Landtag wird rechtzeitig vor In-Kraft-Treten einer Änderung des so genannten Kulturvertrages beteiligt werden.
Bei der Haushaltsaufstellung hat das Kabinett die grundsätzliche Bereitschaft bekundet, über die Aufhebung zu verhandeln, dies aber mit der Erwartung verbunden, dass die Landeshauptstadt den gewonnenen finanziellen Spielraum für Aufgaben nutzt, die auch im Landesinteresse liegen.
Im Rahmen der Neuverhandlung des so genannten Kulturvertrages hat die Landeshauptstadt die Landesregierung von ihrer Absicht unterrichtet, auf dem EXPO-Gelände eine Medienberufsschule einzurichten. Dies entspricht den Interessen des Landes.
Ein wichtiges Ziel der Politik der Niedersächsischen Landesregierung ist die Stärkung der Wirtschaftsstruktur im Bereich der Informations- und Kommunikationswirtschaft am Standort Hannover. Dabei setzt eine erfolgreiche Ansiedlungspolitik ein großes Potential an qualifizierten Fachkräften voraus.
Das Land trägt hierzu im Rahmen der Nachnutzung des EXPO-Geländes mit der Ansiedlung der Mediengesellschaft an der EXPO-Plaza sowie der Konzen- tration von medienbezogenen Studiengängen bei. Die so genannte Medienberufsschule der Landeshauptstadt ergänzt die Bemühungen des Landes und der Industrie- und Handelskammer, auf dem EXPO-Gelände ein umfangreiches Qualifizierungsangebot für diese neuen Techniken vorzuhalten. Durch die Medienberufsschule wird die
zersplitterte Beschulung der zurzeit rund 1.000 Auszubildenden in vier Berufsschulen beendet und entsteht der von der Wirtschaft geforderte leistungsfähige Gesamtansprechpartner für alle Beteiligten. Die räumliche Anbindung an andere Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie entsprechender Betriebe des IT- und Medienbereichs wird darüber hinaus zu Synergieeffekten führen, die durchaus gewollt sind.
In der niedersächsischen Wirtschaft steht die Region Hannover im IT- und Medienbereich an erster Stelle. Mit der Bündelung bestehender Betriebe sowie Aus- und Weiterbildungseinrichtungen entsteht eine völlig neue Gesamtstruktur. Wissenschaftliche Studien sowie die Erfahrung aus anderen Bundesländern zeigen, dass mit einem solchen Kristallisationspunkt ein wesentlicher Standortfaktor für das ganze Land und somit für die Ansiedlung weiterer Unternehmen aus den genannten IT- und Medienbereichen in ganz Niedersachsen entsteht.
Zu 1 und 2: Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Eine finanzielle Beteiligung des Landes an der geplanten Medienberufsschule ist nicht beabsichtigt. Der von Ihnen angesprochene klein gedruckte Hinweis, Herr Golibrzuch, ist nach meinem Kenntnisstand im Zuge der Haushaltsberatungen herausgenommen worden, sodass die unmittelbare Verknüpfung zur Förderung nicht mehr besteht.
Zu 3: Es ist selbstverständlich, dass das Land als alleiniger Gesellschafter seit der Neuordnung der Beteiligungsverhältnisse durch den so genannten Kulturvertrag im vollem Umfang die Finanzierung der Niedersächsischen Staatstheater GmbH übernimmt. Diese Gesellschafterstellung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Landesregierung in der Landeshauptstadt ein im bundesweiten Vergleich angemessenes und damit größeres kulturelles Angebot erwartet als in den anderen Städten des Landes. Hierzu leistet auch die Landeshauptstadt Hannover selbst einen ganz wesentlichen Beitrag, indem sie im Interesse des ganzen Landes zahlreiche kulturelle Einrichtungen von über die Stadt hinausgehender, zum Teil internationaler Bedeutung vorhält und damit verbundene finanzielle Belastungen trägt. Genannt seien beispielsweise die Herrenhäuser Gärten, das Sprengel Museum und das Historische Museum. Ein auf den Theaterbetrieb beschränkter isolierter Vergleich
des jeweiligen kommunalen Finanzierungsanteils würde hier der Komplexität der Sachverhalte nicht gerecht werden.
Im Übrigen, meine Damen und Herren, verhält sich der Bund im Verhältnis zur Bundeshauptstadt Berlin oder verhielt sich die alte Bundesregierung im Verhältnis zur damaligen Bundeshauptstadt Bonn exakt so. Die Bundeshauptstadt wie die Landeshauptstädte in anderen Ländern auch haben eben einen gewissen Hauptstadtbonus.
Herr Minister, in Ihrer Vorbemerkung erwähnten Sie, dass damals - 1992 - beim Abschluss des so genannten Kulturvertrages eine Entlastung um 50 Millionen DM politisch gewollt war. In welcher Weise sind damals diese so genannten Sonderlasten einer Landeshauptstadt ermittelt worden? Inwieweit ist da ein Abgleich mit anderen Städten des Landes erfolgt? Es wäre ja auch denkbar, dass bei einer Neuverhandlung des Kulturvertrages - -
Eine besonders schwierige finanzielle Situation hat sich seinerzeit u. a. aus der Neustrukturierung des Finanzausgleichs und seiner Wirkung ergeben. Die Landeshauptstadt Hannover ist praktisch von einem Jahr auf das andere in ein tiefes finanzielles Loch gefallen.
Die Landespolitik hat sich verpflichtet gesehen, im Zuge des kommunalen Finanzausgleichs nach einem Instrumentarium zu suchen, diese Härtesituation zu überwinden, und hat aus diesem Grunde das von Ihnen immer wieder als Kulturvertrag bezeichnete, aber wohl nur als Arbeitstitel so zu verstehende Instrumentarium entwickelt. Um der zukünftigen Entwicklung Rechnung zu tragen, ist
dann die Revisionsklausel hinzugefügt worden, um nach fünf Jahren den Sachverhalt zu überprüfen und in eine Neubewertung einzubeziehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, der Ministerpräsident hatte sich vor einiger Zeit - auch presseöffentlich - gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt Hannover dazu geäußert, dass Land und Stadt gemeinsam die am Kronsberg geplante Medien-BBS tragen und finanzieren wollen. Er hat es als gemeinsames Projekt dargestellt. Sie haben hier heute gesagt,
dass das Land keine finanzielle Förderung der Medien-BBS beabsichtigt. Ist das jetzt das letzte Wort? Kann sich die Stadt darauf verlassen?
Frau Kollegin, die Landesregierung hat ihre Vorstellungen im Haushaltsplanentwurf dargestellt. Darauf hat Herr Golibrzuch abgehoben. Aber das ist Geschichte. Der Landtag hat inzwischen über den Einfluss der SPD-Landtagsfraktion den Haushaltsvermerk aus dem Haushalt herausgenommen und damit die unmittelbare Verknüpfung der 5 Millionen DM mit der Medienberufsschule aus dem Haushalt herausgelöst. Damit ist dieser Sachverhalt - jedenfalls haushaltspolitisch - klar. Die Landesregierung hält sich natürlich an die Vorgaben aus dem Haushalt.
Es gilt aber auch: Die Landesregierung - das ist insbesondere auch das Interesse des Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel - will die IT- und Medientechnologie in Niedersachsen zu einem der zentralen Investitions- und Entwicklungsschwerpunkte machen und weiter fördern. Da diese Schwerpunktbildung sinnvollerweise dort stattfindet, wo
schon erste Anzeichen von Entwicklung sind, bieten sich das EXPO-Gelände und das Umfeld des EXPO-Geländes in Hannover an, um dort weitere Aktivitäten zu entwickeln.
Es macht Sinn, dass die gemeinsamen Interessen der Stadt Hannover, dargestellt durch den Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg, und des Landes Niedersachsen, vertreten durch den Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel, zu einer strategischen Allianz zusammengeführt werden, um an der EXPO-Plaza den Medien- und IT-Standort weiterzuentwickeln. Wenn vorhandenes Geld, über dessen Verwendung neu verhandelt wird, bei diesen beiden interessenidentischen Vorstellungen an dieser Stelle eingesetzt werden kann, sollte sich das gesamte Land freuen, weil, von diesem Nukleus von IT- und Medienpolitik ausgehend, natürlich alle anderen Regionen auch profitieren können.
Herr Minister, Sie haben interessanterweise ausgeführt, dass der Kulturvertrag besondere Härten beim Finanzausgleich ausgleichen soll. Ich frage Sie: Gibt es auch andere Städte in Niedersachsen, die ob ihrer verfassungswidrigen Haushalte und ob der verfassungswidrigen kommunalen Finanzausgleichsmaßnahmen solche Maßnahmen nötig haben?
Herr Kollege, es mag Ihnen entgangen sein, dass die finanzielle Härte bei der Stadt Hannover im Jahre 1992 bestanden hat. In der Zwischenzeit sind wir im Jahr 2000 und haben einige Änderungen im System des kommunalen Finanzausgleichs gehabt. Das jetzige Finanzausgleichssystem sorgt dafür, dass alle Städte und Gemeinden im Sinne der Vorstellung des kommunalen Finanzausgleichs angemessen mit Finanzen ausgestattet sind. Das in
Verbindung gesetzt mit der Revisionsklausel, die ab 1998 greift, macht uns in dem von der mündlichen Anfrage behandelten Feld handlungsfähig.
Herr Minister, damals haben die Auswirkungen des kommunalen Finanzausgleichs und die Finanznot der Stadt Hannover dazu geführt, dass nicht besondere Hauptstadtkriterien angelegt werden mussten, sondern dass die Auswirkungen des Finanzausgleichs ausreichten, zu diesem Kulturvertrag zu kommen, in diesem Falle mit der Begründung „Hauptstadt Hannover“. Ich frage Sie: Wären Sie bereit, in allen anderen Bereichen, wo Kassenkredite über das Jahr hinaus aufgenommen werden müssen, um Haushalte auszugleichen, beispielsweise mit der Begründung „Stärkung der Regionsmetropole“ oder mit anderen Begründungen, auch zu einem Kulturvertrag oder zu ähnlichen Verträgen zu kommen? Wie die dann heißen, ist ja letztlich egal. Man braucht dann ja nur eine Begründung, warum man das macht.
Herr Rolfes, ich habe die Frage verstanden. Der entscheidende Punkt ist, dass Sie zwei Dinge miteinander vermischen, die nicht miteinander vermischt werden dürfen. Das eine war die seinerzeit eindeutige Feststellung, dass aufgrund der Wirkung des kommunalen Finanzausgleichs die Stadt Hannover im Vergleich zu dem übrigen Land eine unangemessene Härte hat hinnehmen müssen, berechnet in einer Größenordnung von rund 50 Millio-nen DM. Diesem Umstand sollte durch ein Bündel von Maßnahmen Rechnung getragen werden, in das u. a. auch kulturpolitische Überlegungen eingeflossen sind. Ich habe auf die Messe und ähnliche Gesichtspunkte hingewiesen, die es in anderen Teilen des Landes in dieser Form nicht gibt. Ich glaube nicht, dass in Ihrem Wahlkreis auch die Hannover-Messe oder der Flughafen Hannover-Langen-hagen angesiedelt sind. Das sind Landesgesellschaften, bei denen das Land
Niedersachsen natürlich virulentes Interesse hat, dass sie nicht durch den anderen Partner, der ja auch Gesellschafter ist, nämlich die Stadt Hannover, und dessen Finanznot beeinträchtigt werden. Das ist der eine Punkt.
Der andere Punkt ist die verkürzte Darstellung dieses Gesamtwerkes als Kulturvertrag. Deshalb habe ich im Unterschied zum Fragesteller auch nicht von Kulturvertrag, sondern von dem so genannten Kulturvertrag gesprochen, weil sich in der historischen Entwicklung aus diesem speziellen Gebilde zur Unterstützung Hannovers sprachlich, aber nicht inhaltlich der Kulturvertrag entwickelt.