Protocol of the Session on September 13, 2000

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Kollegin Mundlos.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur kurz einige kleine Punkte ergänzen. In der Großen Anfrage kommt mir insbesondere die Kinderbetreuung an den Hochschulen zu kurz. Die Liste, die dort aufgeführt ist, bezieht sich nur auf das, was vorhanden ist. Überlegen wir einmal, um welch großen Apparat es im gesamten Hochschulbereich in Niedersachsen geht. Wir können nur feststellen, dass dazu wenig gesagt wird. Es heißt, es gebe keine Initiativen für mehr Kinderbetreuung. Das heißt noch lange nicht, dass

kein Bedarf da ist. In dem Punkt kann ich Ihnen jetzt schon ankündigen, dass wir nacharbeiten werden.

Wenn man über Frauenförderung spricht, ist man so lange parteiübergreifend im Konsens, solange man im Allgemeinen bleibt und sagt, es geht um Förderung und Chancengerechtigkeit. Wenn man aber ins Detail geht, wird es gleich erheblich schwieriger. Wenn ein Minister nunmehr zwei Jahre lang verkündet, dass gerade Frauenförderung im Hochschulbereich ein sehr wichtiges Anliegen für ihn ist, dann muss man sich hier und da auch einmal konkrete Beispiele herauspicken.

Ich will Ihnen nur eines nennen, Herr Minister, auch wegen der Kürze der Zeit. Da soll eine Professorenstelle besetzt werden. Das Berufungsverfahren läuft. Eine Frau wird auf Platz 1 gesetzt, als kompetent anerkannt. Kein Gremium widerspricht, alle sind begeistert und blicken gespannt auf den zuständigen Minister, der nun anerkennend nicken könnte. Macht der aber nicht. Er verzögert, bremst, hält an und lässt dann prüfen, ob die Dame, die aus dem europäischen Ausland kommt, sprich aus Dänemark, ihre Vorlesungen auch in einem angemessen guten Deutsch halten kann. Sie muss dann eine extra Vorlesung halten, um das noch einmal zu belegen.

Herr Minister, ich frage Sie da allen Ernstes: Wie viel Männer in der Situation mussten eine solche Vorlesung halten?

(Beifall bei der CDU)

Hätten Sie gesagt, sie soll belegen, dass sie wegen der Internationalität Englisch kann, hätte ich vielleicht noch Verständnis dafür gehabt.

(Frau Pawelski [CDU]: Ausländer- feindlich!)

Aber das ist ohnehin gängige Sprache im Wissenschaftsbereich. Auch das wäre dann kritisch zu hinterfragen gewesen.

Da klaffen also Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Um mit Herrn Golibrzuch zu schließen, kann ich nur sagen: Wäre es in der Tat so, wie Sie im zweiten Absatz von Niedersachsen sagen, nämlich bundesweit wegweisend in diesem Bereich, dann wäre die zweite Frage, wie Niedersachsen im Ländervergleich dasteht, in der Tat auch beantwortet worden. Es gibt aber lediglich eine Tabelle mit Bundesvergleichen, also Vergleichen

zum Bundesdurchschnitt. Ein Länder-Ranking haben Sie gescheut. Die Antwort fehlt. Ich frage mich: Warum? - Wir können uns die Antwort sicherlich selbst geben.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Herr Minister Oppermann hat jetzt das Wort. Bitte sehr!

(Frau Pawelski [CDU]: Der Frauen- feind! - Mühe [SPD]: Hast du gehört? Die hat "Frauenfeind" gesagt!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich über die sachliche Debatte zu diesem Thema. Besonders freue ich mich natürlich über das Lob von Herrn Golibrzuch und Frau Andretta, auch wenn das rot-grüne Erbe, das wir da übernommen haben, Herr Golibrzuch, nun schon 6 1/2 Jahre zurückliegt. In der Zwischenzeit ist eine Menge passiert, wie Sie wissen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Nachhal- tig!)

- Von daher war das offenbar nachhaltig, in der Tat. Es ist tatsächlich so, dass die NHG-Novelle von 1993 den Grundstein für die Erfolge gelegt hat, die wir jetzt haben.

Frau Mundlos und Frau Vogelsang, ich habe ja Verständnis dafür, dass Sie da so kleine Stellen heraussuchen,

(Zuruf von der CDU: Kleine Stellen?)

wo man Widerspruch konstruieren kann. Das hätte ich an Ihrer Stelle auch getan. Sie müssen als Opposition zeigen, dass noch nicht alle Probleme gelöst sind. Da stimme ich Ihnen ja zu. Aber Sie haben es mit etwas zu kleiner Münze hier vorgetragen, Frau Mundlos.

Gerade im Interesse der Realisierung von mehr Chancengleichheit für Frauen wäre es, wenn man die unbestrittenen Erfolge denn auch kenntlich macht, weil man nur dann weiß, welches die nächsten politischen Schritte sein sollen, um weiter voranzukommen. Wir brauchen schon eine gemeinsame Basis, auf die wir uns verständigen

müssen. Wenn Sie damit Schwierigkeiten haben, dann erinnern Sie sich mal an 1990, als der Regierungswechsel war. Nachdem Sie 14 Jahre regiert hatten, hatten wir auf 100 C 4-Professuren in Niedersachsen - wir hatten insgesamt mehr - ganze 2,4 % Frauen. Sie müssen sich einmal vorstellen, was das für eine Situation war!

(Zuruf von der CDU)

- Das ist doch jetzt ein alberner Einwurf.

(Frau Zachow [CDU]: Aber richtig!)

Wenn Sie bei dem Thema schon einen Zwischenruf machen, Herr Kollege, dann, finde ich, sollten Sie sich qualifiziert äußern. Dann bekommen Sie von mir auch eine Antwort.

(Zustimmung bei der SPD - Unruhe bei der CDU)

Lassen Sie doch diese Albernheiten!

(Busemann [CDU]: Dafür können Sie jetzt zur Sache kommen! - Unruhe)

Wir haben Erfolge, aber immer noch - das müssen wir feststellen - sind die Hochschulen Männerbastionen; daran hat sich in der Tat noch nichts geändert.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Deshalb sind sie auch so schlecht!)

Deshalb brauchen wir Instrumente, mit denen wir diese Situation ändern.

Ich will noch einmal grundsätzlich auf die Frage eingehen, warum „mehr Frauen an Hochschulen“ eine richtige Forderung ist. Drei wesentliche Gesichtspunkte sind zu nennen:

(Frau Pawelski [CDU]: Weiterblät- tern! Das wissen wir alle!)

Erstens ist das eine Frage unserer Verfassung. Unsere Verfassung gebietet Chancengleichheit und Gleichstellung. Wir haben einen Verfassungsauftrag zu erfüllen.

Zweitens ist das eine Frage der Qualität. Frauen haben in vielerlei Hinsicht besondere Qualitäten,

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Vorsichtig! Vorsichtig!)

meistens mehr soziale Intelligenz, andere Sichtweisen in der Wissenschaft. Deshalb sind jetzt

auch Gender Studies, ist Frauenforschung ein wichtiges Thema; Frau Dr. Andretta hat darauf hingewiesen. Also müssen diese Sichtweisen auch in der Wissenschaft, insbesondere in der Forschung, ihren Niederschlag finden.

Der dritte Gesichtspunkt ist letztlich volkswirtschaftlich. Wir können es uns in der Wissensgesellschaft nicht leisten, ein so ungeheures Kreativitäts- und Qualifikationspotential, wie es Frauen darstellen, zu ignorieren und zu vernachlässigen. Dass von den mehr als 50 % weiblichen Studierenden am Ende nur so wenige auf Professurenstellen kommen, ist eine ungeheure Verschwendung von Ressourcen, eine Verschwendung von Humankapital.

Meine Mitarbeiter haben einmal aufgeschrieben, wie das aussieht, wenn man Jahrgangskohorten im Zeitverlauf betrachtet. Nehmen wir als Beispiel den Abiturjahrgang 1983 als Basisjahr für eine heute zu berufende Person, die 37 Jahre alt wäre. Das ist schon interessant.

Im Jahre 1983 stellten Frauen 45 % derjenigen, die Abitur gemacht haben, aber nur 38 % derjenigen, die ein Studium begonnen haben. Da ist sozusagen der erste Abfall. Bei einer durchschnittlichen Studiendauer von fünf Jahren machen sie 1988 Examen; der Anteil der Absolventinnen beträgt nur noch 35 %. Angenommene vier Jahre später, 1992 - Abschluss der Promotion -, liegt der Frauenanteil nur noch bei 29 %. Schließlich die Habilitationsquote: 15,3 % im Jahr 1998. Bei normalem Lauf der Dinge hätte der Anteil der Frauen bei den Habilitationen 45 % betragen müssen. Deshalb müssen wir fragen, woran das liegt. Es liegt natürlich nicht daran, dass sie weniger begabt sind, sondern es liegt letztlich an strukturellen Defiziten, die systematisch aufgespürt werden müssen.

Das haben wir hier in Niedersachsen getan, auch in einer parteiübergreifenden Debatte, und haben doch ganz beachtliche Erfolge erzielt: Bei den C 3Stellen stieg der Frauenanteil von 5,3 % in 1990 auf 13,8 % in 1998; bei den C 4-Stellen stieg er von 2,4 % in 1990 auf 5,7 % in 1998.

(Zuruf von Frau Vogelsang [CDU])

- Sie dürfen nicht nur die absoluten Zahlen betrachten. Wenn sich die Gesamtzahl der Professuren verändert, kommt es, wenn man das unter dem Blickwinkel der Realisierung von Chancengleichheit betrachtet, darauf an, wie das Verhältnis ist, Frau Vogelsang. Im Übrigen: Die Zahlen, die Sie

genannt haben, treffen nicht zu. Wir haben nicht weniger Frauen auf C 3-Stellen, sondern mehr Frauen auf C 3-Stellen, auch in absoluten Zahlen.

Besonders deutlich ist die Steigerung des Frauenanteils bei den C 2-Professuren an Fachhochschulen, nämlich von 6,7 % auf 20 %.

Das Entscheidende ist, dass wir im letzten Jahr eigentlich so etwas wie den Durchbruch erzielt haben, und zwar bei den Neuberufungen. Die Berufungsquote war 1990 8,6 %; die lag also auch schon über der Zahl von 2,4 % Gesamtanteil. Wir haben 1999 eine Neuberufungsquote von 24,7 %. Das ist, finde ich, eine beachtliche Zahl. Mittlerweile wird jede vierte Professur mit einer Frau besetzt. Mit dieser Zahl, Frau Vogelsang, sind wir bundesweit spitze. Das hat noch kein anderes Land geschafft. Den Vergleich lege ich Ihnen gern auch noch schriftlich vor; Sie können mich dann beim Wort nehmen.

(Frau Mundlos [CDU]: Prima!)