Protocol of the Session on September 13, 2000

dass man eigentlich eine ganze Stunde bräuchte, um sie im Einzelnen auseinander zu nehmen.

Ich werde mich deshalb auf einige Besonderheiten und Ungereimtheiten beschränken.

Erstens. Die Frage der Präsenz von Frauen. Die Hochschulen haben sehr ausdifferenzierte Statistiken erarbeitet. Eine Materialbewertung durch das Ministerium fehlt in der Antwort völlig. Das Ministerium beschränkt sich darauf, den prozentualen Anstieg der weiblichen Studierenden im Land darzustellen, ohne z. B. darauf einzugehen, weshalb im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften zwar 46,6 % Studienanfängerinnen sind, aber letztlich nur 35 % Frauen den Abschluss schaffen.

Vom Ministerium erwarte ich keine Auflistung und Schönfärbereien, Herr Minister Oppermann, sondern ehrliche Antworten auf Fragen, um zielgerichtet planen zu können, was besser gemacht werden soll.

Beim nicht-wissenschaftlichen Personal haben Sie gar nicht erst nach Hierarchieebenen - d. h. einfacher, mittlerer, gehobener Dienst usw. - unterschieden. Dabei gibt es gerade in dem Bereich, in dem im Verwaltungsbereich 80 % und im technischen Bereich 60 % der Arbeitsplätze Frauenarbeitsplätze sind, eine strukturelle Ursache für die Missstände und Benachteiligungen. Gerade in diesem Bereich könnte man durch ganz gezielte Weiterbildungsmaßnahmen und durch Coaching einiges vorantreiben.

Aus gutem Grund hat Ihr Haus wahrscheinlich auch bei den Professoren sowohl die C 2-Stellen ausgeklammert, weil dort von 1990 bis jetzt der Anteil der Frauen von 32 auf 18 gesunken ist, als auch die C 3-Stellen ausgeklammert, weil der Anteil von Frauen von zehn auf sieben gesunken ist. Man erkennt aber, dass man durch Prozentzahlen eine Menge kaschieren kann. Es ergibt sich ein ganz anderes Bild, wenn man dann sieht, welche Personen und Stellen sich dahinter verbergen.

(Bontjer [SPD]: Hoffentlich machen Sie das nicht!)

- Sie wissen, dass ich das gerne besser machen würde, sobald wir Gelegenheit haben!

Nun wende ich mich der Frage der gezielten Frauenförderung im Studium zu. In der Beantwortung der Anfrage wird ausführlich das Graduiertenförderungsgesetz erklärt. Es wird berichtet, dass 3,7 Millionen DM für 160 Stipendien zur Verfügung stehen. Es fehlt aber jede geschlechtsdifferenzierende Darstellung bezüglich der Vergabe der 160 Stipendien. Was ist denn mit den Frauen bezüglich der 50-prozentigen Beteiligung? - Kein Wort. Ich hätte schon gern etwas dazu gehört. Ich hätte auch gern etwas über die Evaluationsbemühungen in diesem Bereich gehört.

(Beifall bei der CDU)

Wie steht es mit den monoedukativen und koedukativen Angeboten an den Hochschulen? - Wir haben vor fast drei Jahren die Hochschule in Wilhelmshaven besucht und haben uns von den großartigen Auswirkungen der Einführung der reinen Frauenstudiengänge im Bereich der Ingenieurwissenschaften überzeugt. Es ist nun einmal nicht zu leugnen, dass Jungen und Mädchen, Männer und Frauen andere Zugänge zu technischen und naturwissenschaftlichen Sachverhalten haben. Ich halte es schon für notwendig, dass in beiden Bereichen zumindest zum Teil von der Koedukation abgewichen wird. Ich würde mir nur wünschen, dass insbesondere im Bereich der sozialen und pflegerischen Angebote Ähnliches auch für Männer vorgehalten würde, so wie es da im Bereich der Ingenieurwissenschaften für Frauen geschehen ist.

Ich will mich relativ kurz fassen. Bei der Beantwortung der Frage hinsichtlich der Frauen- und Geschlechterforschung ist mir sehr klar geworden, dass hier sehr viel vom persönlichen Engagement einzelner Frauen abhängt. Das Lehrangebot selbst wird nicht umfassend, nicht an allen Standorten

durch Studienordnungen, Prüfungsordnungen oder dafür vorgesehene Stellen abgesichert. Wenn wir Frauen- und Geschlechterforschung bejahen - das wollen wir gemeinsam; gerade die Regierung und die SPD sind dabei sehr schnell zur Stelle, dies zu bejahen -, dann müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen und muss ein solches Vorhaben entsprechend untermauert werden, Herr Minister.

(Beifall bei der CDU)

Nun lassen Sie mich den Punkt ansprechen, an dem man am deutlichsten veranschaulichen kann, dass die Regierung und die SPD, die diese Regierung trägt, sehr große Defizite haben.

(Frau Dr. Andretta [SPD]: Etwas kon- kreter bitte!)

In § 99 NHG steht - Frau Dr. Andretta ging vorhin darauf ein -, dass die Frauenbeauftragten zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu allen Sitzungen der Gremien und Kollegialorgane wie Mitglieder zu laden sind, dass sie Antrags- und Rederechte und teilweise sogar ein Vetorecht, allerdings kein Abstimmungsrecht haben. Diese Vorschriften werden aber, wie wir deutlich gesehen haben, im Wesentlichen am Landtag vorbei total ausgehebelt. Das finde ich katastrophal. Ich will Ihnen das an einem Beispiel verdeutlichen.

Ich meine das Gesetz zur Errichtung der Fachhochschule Oldenburg, Ostfriesland und Wilhelmshaven und zur Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes vom 11. November 1999. Durch dieses Gesetz ist ein neues Organ geschaffen worden, das erhebliche Mitwirkungsrechte bei der Führung der neuen Hochschule hat. Ich erinnere daran, dass dieses Gesetz gegen den Willen aller Betroffenen auf den Weg gebracht worden ist.

(Dr. Domröse [SPD]: Ich empfehle Ihnen dringend, einmal das Gesetz nachzulesen und sich die Rede des Abgeordneten vor Ort durchzulesen!)

Sehr verehrter Herr Domröse, nach § 149 des Gesetzes ist ein Kuratorium mit zwölf stimmberechtigten Mitgliedern eingerichtet worden. Diese männliche Formulierung hat man auch sehr ernst genommen. Es sind nämlich tatsächlich zwölf Männer vorgeschlagen worden: sechs vom Ministerium, sechs von den einzelnen Hochschulstandorten bzw. den Senaten. Ich finde, dass es Sie,

wenn Sie es wie ich ehrlich meinen, tieftraurig stimmen muss und dass Sie es für einen Skandal halten müssten, dass selbsterlassene Rechtsgrundlagen nicht eingehalten werden. Ich finde, dass das ein Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten ist.

(Frau Zachow [CDU]: Ist aber doch nichts Neues! - Dr. Domröse [SPD]: Ist nicht wahr!)

- Ich weiß, das ist nichts Neues. - Es wird deutlich, dass die Marketingthese, die Sie in Ihrer Frage anwenden, wonach Niedersachsen bundesweit als wegweisend in der Politik für Frauen an Hochschulen gelte, einmaliger Hohn ist, wenn ich die Entwicklung an dieser Fachhochschule betrachte. Nach unserer Vorstellung ist das das Ergebnis von völlig veralteten parteipolitisch motivierten Gesetzen und von großen Ungereimtheiten. Sie haben ja deshalb nicht von ungefähr von etlichen Männern einen Korb bekommen, die in das Kuratorium berufen werden sollten. Frauen haben Sie diese Chance erst gar nicht gegeben.

Die CDU erwartet von der Landesregierung, der dieser demaskierende und blamable Sachverhalt seit langem genau bekannt ist, aber auch von der SPD-Fraktion, dass sie Korrekturen an dem Gesetz vornehmen und endlich dazu beitragen, dass Lösungen gefunden werden, die den selbst gesteckten Rahmen ausfüllen.

Wir meinen, dass ein neues Kuratorium gewählt werden muss, in dem in der Tat Männer und Frauen in gleichem Maße vertreten sind. Es kann nicht sein, dass das bestehende Kuratorium in eigener Selbstherrlichkeit entschieden hat, dass die Frauenbeauftragte nicht einmal ein Mitspracherecht bekommt und zu den Sitzungen nicht ständig eingeladen wird, sondern nur auf besonderen Wunsch und nach hoheitlicher Entscheidung des Kuratoriums dazugeladen werden soll. Ich finde, dass das eine Katastrophe ist, und bedauere es außerordentlich, dass die Frauenministerin jetzt nicht hier ist, denn dann würde ich ihr jetzt dringend empfehlen, ihre frauenpolitischen Aktivitäten und die Aktivitäten für mehr Gleichberechtigung bei dem Mann anzusetzen, der es offensichtlich am meisten braucht, und das ist der Herr Minister.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Herr Golibrzuch hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde die These, dass Niedersachsen bei der Frauenförderung an Hochschulen Maßstäbe setzt, ja gerne unterschreiben. Ich wäre dann allerdings dankbar dafür, wenn bei dieser Vielzahl von Anlagen, die wir mit der Antwort auf die Große Anfrage bekommen haben, wenigstens eine Tabelle beigefügt wäre, die einen Ländervergleich anstellte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das kann ja so schwer nicht sein. Ich vermute, dass das Ministerium solche Tabellen anfertigen würde, wenn Niedersachsen insoweit tatsächlich vorne läge.

Richtig ist, dass sich die Anteile von Frauen auf allen Ebenen der Hochschulen nach oben entwickelt haben. Leider fehlt in den angehängten Tabellen die Übersicht darüber - vielen Dank für den Hinweis, Frau Vogelsang -, wie viele der gerade von Frauen besetzten Stellen lediglich befristet sind und auf welchen Hierarchiestufen sich diese Stellen befinden. Ich vermute einmal, dass sich insoweit im Vergleich zu den Vorjahren nicht sehr viel verändert haben wird, sodass Frauen im Vergleich zu Männern immer noch - leider - die eher niedrig dotierten Besoldungsgruppen besetzen. Wenn es dennoch an anderer Stelle durchaus positive Entwicklungen im Bereich der Professuren, der Habilitationen und des wissenschaftlichen Mittelbaues gibt, dann ist das in der Tat speziellen Förderprogrammen des Landes zu verdanken gewesen, wie dem Programm zum Wiedereinstieg in ein Promotionsvorhaben und dem Dorothea-Erxleben-Programm zur Qualifizierung für eine Professur an Universitäten und Fachhochschulen. Vor allem hat dies aber neben diesen speziellen Fachprogrammen des Landes die Arbeit, die die Frauenbüros und die Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten an den Hochschulen des Landes geleistet haben, bewirkt. Ich glaube, dass die den größten Anteil daran haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Herr Oppermann, deshalb ist es uns auch ein besonderes Anliegen, die Arbeit dieser Frauenbüros

durch die große NHG-Novelle unter den Bedingungen eines Globalhaushaltes an den Hochschulen abzusichern. Ich will nicht verhehlen, dass wir Zweifel haben, ob der Ansatz ausreichend ist, ein Prozent der nach leistungsbezogenen Kriterien zu vergebenden Mittel an Gleichstellungs- und Frauenförderzielen zu orientieren. Ich meine damit nicht einmal so sehr die Höhe dieser Quote, sondern es geht mir dabei auch um das Instrument.

Ich habe mit Interesse der Antwort auf die Große Anfrage entnommen, dass es dazu im MWK zumindest noch zwei Auffassungen gibt. Auf Seite 15 schreiben Sie zur Frage der Ausstattung der Frauenbüros, also auch der Vergütung der Kräfte, die dort beschäftigt werden, dass diese Ausstattung in den Zielvereinbarungen abgesichert werden soll. Zehn Seiten weiter wird dann geschrieben, dass die angestrebten Ziele der Frauen- und Förderpolitik im Rahmen der Mittelbemessung hinreichend gefördert würden, was durch ein entsprechendes Controlling zu überprüfen sei, im Übrigen aber Vereinbarungen im Rahmen der Zielvereinbarung zwischen Hochschule und Staat entbehrlich seien. Das muss man erst einmal schaffen, auf zehn Seiten 180° voneinander entfernte Äußerungen zu dokumentieren.

Aber es macht natürlich auch ein bisschen Hoffnung, dass sich vielleicht doch die erste Position in Ihrem Hause durchsetzen wird. Wir wollen, dass die Arbeit der Frauenbüros durch Zielvereinbarungen abgesichert wird, um daran überhaupt keinen Zweifel zu lassen. Wir haben kein Interesse daran, in einem Feldversuch auszuprobieren, ob es vielleicht auch anders geht. Bitte verschonen Sie uns nach Ihren Experimenten zur Softwareeinführung jetzt auch noch mit einer Analogie sozusagen im Bereich der Frauenförderung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass die Absicherung der Arbeit der Frauenbüros erforderlich ist, Herr Kollege Domröse, zeigen ja gerade die jüngsten Erfahrungen an der Universität Hannover. Herr Schätzl hat es ja zwei Bewerberinnen um Habilitationsstellen, die meines Wissens sogar einstimmig von der zuständigen Senatskommission vorgeschlagen worden waren, durch eine willkürlich gesetzte Altersgrenze - nämlich 34 Jahre und nicht älter - unmöglich gemacht, sich auf diese Stellen erfolgreich zu bewerben. Ich halte das einerseits natürlich für einen Skandal, sich über ein solches Votum hinwegzusetzen. Zum anderen zeigt es aber auch, dass die Hochschulen bei aller

Eigenverantwortung und bei allem Zutrauen, das zu regeln, vielleicht doch besser bedient sind, wenn man in Zielvereinbarungen so etwas absichert.

Ich will Ihnen aber auch sagen, ich halte es auch wissenschaftspolitisch für falsch, was Schätzl hier macht - ich weiß nicht, ob er da die Rückendeckung des Ministers hat -, mit solchen Altersgrenzen ausschließlich auf Jugendlichkeit zu setzen. Angesichts der Pensionierungswelle brauchen Sie bei den anstehenden Berufungsverfahren für Professoren auch eine gesunde Mischung. Sonst werden Sie mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung ein ähnliches Problem bekommen wie die Grünen, dass Sie sozusagen nur noch Vertreter einer Generation vorfinden. Das kann doch auch nicht im Sinne des Erfinders sein.

Wir werden Ihren Gesetzesvorschlag an der Stelle mindestens um einen Punkt ergänzen. Wir wollen die Arbeit der Frauenbüros absichern. Wir wollen die Arbeit aber auch ausweiten, weil wir schon meinen, dass es bei der Vielzahl der anstehenden Berufungsverfahren für Professuren auch nötig ist, dass nicht nur die Frauenbeauftragte, sondern auch ihre Stellvertreterin oder ihre wissenschaftliche Mitarbeiterin mit gleichen Rechten ausgestattet wird und an dem Berufungsverfahren teilnehmen kann.

Insgesamt dokumentiert in der Tat die Antwort auf die Große Anfrage eine sehr positive Entwicklung. Manches stellt sich vielleicht auch besser dar, als es tatsächlich ist. Damit meine ich den sehr starken prozentualen Anstieg des Frauenanteils an den C 2-Professuren. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass im Rahmen des Hochschulstrukturkonzepts sehr viele Stellen gestrichen worden sind. Dann geht natürlich der relative Anteil nach oben. Absolut sieht das dann schon etwas weniger steil aus.

(Glocke des Präsidenten)

Besonders unterstützen - lassen Sie mich das noch sagen, Herr Präsident -, möchten wir monoedukative Ansätze, die wir in Wilhelmshaven und neuerdings auch in Hannover haben. Wir halten sie in besonderer Weise für geeignet, auch ein besonderes Standortprofil einer Hochschule herauszuarbeiten. An der Stelle ist es ausdrückliche Aufgabe einer Hochschulentwicklungsplanung, darauf zu achten, dass derartige Ansätze nicht überall in gleicher Weise kopiert und vom MWK genehmigt

werden. Das könnte wiederum zur Folge haben, dass eine Hochschule in geografischen Randlagen wie Wilhelmshaven unter Druck gerät, weil die Originalität eines solchen Angebotes dann verloren ginge und sich Studierende dann alle Mal lieber für urbane Zentren als Studienort entscheiden würden.

Trotz solcher Hinweise und Einschränkungen und auch dieser Vielzahl von Kritikpunkten meinen wir, dass insgesamt doch die Situation der Gleichstellungs- und Frauenförderung an niedersächsischen Hochschulen auf einem guten Weg ist. Wir sehen die Vorarbeit dafür auch durch Ihre Vorgängerin Frau Schuchardt und insbesondere durch die rot-grüne Landesregierung 1990 bis 1994 geleistet. Sie haben, Herr Oppermann - -

Herr Kollege, das muss es jetzt aber gewesen sein.

Wenn ich einmal die Landesregierung lobe - -

Nein, nein, Sie können sie dann draußen beim Kaffeetrinken loben.

Sie haben bei diesem Punkt ein sehr reiches Erbe der rot-grünen Regierung angetreten. Wir hoffen sehr, dass Sie es mit der großen NHG-Novelle nicht verschenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)