Protocol of the Session on September 12, 2000

Was hat das Land denn seit 1998 getan, Herr Ministerpräsident? Was hat das Land aus diesen Erkenntnissen von damals gelernt? - Letztendlich ist es jetzt nach zwei Jahren schlimmer geworden, als damals befürchtet wurde. Sie haben uns 150 DM Schulden für jeden Niedersachsen als EXPO-Last hinterlassen. Haben Sie die Besucherprognosen selber überprüft? Haben Sie die Erlebnisqualität bei den von der EXPO selbst verkündeten 400.000 Tagesbesuchern in irgendeiner Weise auch überprüft und für nachvollziehbar gehalten?

(Zuruf von der SPD: Die stehen leider nicht zur Verfügung, die 400.000!)

Bei der EXPO ist es ja noch viel schlimmer. Nicht nur, dass der Ministerpräsident jetzt das von Minister Fischer im Juni noch weiter hochgehaltene Milliardenplus an Steuermehreinnahmen, um die Verhandlungsposition gegenüber dem Bund und der Öffentlichkeit zu verbessern. auf 1,5 Milliarden DM, auf ein realistisches Niveau, herunterholt hat, nein, bei der EXPO geht es auch nach dem Motto: Die Kleinen hängt man, und die Großen lässt man laufen.

Wir haben in der Wirtschaft, in der Region, vor allen Dingen in der Gastronomie jede Menge Pleiten. Dagegen müssen wir uns von der EXPO

Geschäftsführung anhören, dass sich die Zahlungen der großen Konzerne, die Weltpartner sind, aufgrund der geringeren Besucherzahlen um mehrere hundert Millionen DM reduzieren. Ich meine, das ist offensichtlich ein Geschäftsgebaren der EXPO, das in keiner Weise mit einer sozialdemokratischen Landesregierung in Einklang zu bringen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch da fordere ich Hilfen für die regionale Wirtschaft und ein entschiedenes Vorgehen gegenüber den Vertragsbildungen, die bei der EXPO offensichtlich mit zweierlei Maß messen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat nun Herr Wulff.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt doch mal mein Unverständnis äußern. Herr Hagenah, wenn Sie eine Hochzeitsfeier ausrichten, wenn Sie einen Geburtstag feiern, und da geht etwas schief, dann führen Sie doch die Debatte darüber, was schief gegangen ist, nicht während der Feier, sondern das machen Sie anschließend, um es beim nächsten Mal besser zu machen;

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

es sei denn, Sie sind als Wollsockenpartei gar nicht in der Lage, mal fröhlich zu feiern und einfach mal einen drauf zu machen und die Welt zu Gast zu haben.

(Beifall bei der CDU und bei Abge- ordneten der SPD - Heiterkeit)

Ich selber bin jedenfalls froh und glücklich darüber, dass wir in diesen Tagen über 100.000 Menschen pro Tag auf unsere Stadt Hannover, auf unsere Landeshauptstadt, auf unser Land aufmerksam machen, dass 96 % bis 99 % derer, die kommen, begeistert sind von dem, was sie dort sehen.

(Zuruf von der SPD: Eben!)

Ich sage Ihnen, Herr Hagenah, wenn Sie die glänzenden Schüleraugen und Schülerinnenaugen dort

auf der EXPO für das Thema "Mensch, Natur, Technik" sehen,

(Lachen bei den GRÜNEN)

dann haben die für Ihre beckmesserischen Einlassungen hier überhaupt kein Verständnis mehr; und Sie verlieren eine ganze Generation.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Wir haben eine Weltausstellung in unseren Stadtmauern, hier in der Landeshauptstadt, die weltweit - nicht in allen Teilen, aber in vielen Teilen der Welt - Furore macht, die ein anderes Bild von Deutschland zeigt, besonders auch fremdenfreundlich, ausländerfreundlich, weltoffen, fröhlich. Dieses Bild von Deutschland wollen wir auch die nächsten zwei Monate weiterhin zeigen.

Natürlich hat es ein paar Dinge gegeben, über die zu reden sein wird. Aber dieser volkswirtschaftliche Effekt an Begeisterung, an Aufbruch, an Zukunftsoffenheit, das ist etwas, über das wir uns im Landtag freuen sollten, auch wenn im Moment weniger kommen, als wir kalkuliert hatten.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herr Finanzminister Aller!

Herr Hagenah, was Sie hier machen, würde ich als bewusste Geschäftsschädigung bezeichnen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Jawohl!)

Mitten in der Veranstaltung, mitten in dem Aufwärtstrend setzen Sie an der Debatte an, die Sie schon vor der EXPO geführt haben.

(Zuruf von Frau Pawelski [CDU]: Ja, hier!)

Man hat das Gefühl, Sie sind ärgerlich gewesen, dass die EXPO so hervorragend gestartet ist.

(Lachen bei den GRÜNEN - Schröder [GRÜNE]: Das ist ein Rohrkrepierer!)

Sie haben vorher Prognosen in die Welt gesetzt über Preissteigerungen bei den Mieten, über Ver

kehrschaos zur EXPO, über Probleme bei der Auslastung der Hotels. Sie haben davon geredet, dass die Infrastruktur in dieser Region zerbrochen würde. Das war vor der EXPO. Dann haben Sie erst einmal beobachtet. Mittendrin, nachdem das alles nicht eingetroffen ist, was Sie vorausgesagt haben, nachdem sich die positiven Merkmale der EXPO, wie von Herrn Wulff eben dargelegt, darstellen lassen, fangen Sie sechs Wochen vor Ende der EXPO an und versuchen, die Debatte für die Zeit nach der EXPO vorzubereiten.

Es gibt offensichtlich zwei unterschiedliche Umgehensweisen mit diesem Projekt. Da gibt es diejenigen, die sich der Verantwortung stellen, die sich ableiten lässt aus der Beschlusslage der Bundesrepublik Deutschland mit der Stadt Hannover und mit Unterstützung der Landesregierung des Landes Niedersachsen, die EXPO hier für Deutschland auszurichten. Eindeutige Beschlusslage! Sie wollten das nicht. Die Mehrheit in diesem gesamten Land und die Mehrheit in Niedersachsen und Hannover wollten das. Dass sich Herr Hagenah als Hannoveraner hier nun hinstellt, der die EXPO ja als Hannoveraner wollte, und sie kritisiert, ist besonders makaber, weil jeder weiß, dass Hannover der große Gewinner dieser EXPO ist. Das kann überhaupt keiner begreifen, Herr Hagenah.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Was Sie auch vor große Probleme stellt, ist, dass alle, die zur EXPO gehen, die EXPO ausdrücklich gut finden und sich im krassen Gegensatz zu Ihrer Politik stellen, die Sie hier machen. Sie werden Probleme haben, jeden, der zur EXPO gegangen ist, mit Ihren blödsinnigen Argumenten zu erreichen. Das heißt nicht, dass sich an dieser Stelle irgendjemand der Verantwortung entziehen will, die im Zusammenhang mit der EXPO natürlich zu tragen ist. Da ist das Planungsrisiko gewesen. Die Vorbereitungen - das ist eindeutig so gewollt worden - sind von einer privatwirtschaftlich organisierten Gesellschaft gemacht worden, mit Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Gesellschaftern. Gesellschafter ist auch das Land Niedersachsen. Wir haben natürlich unsere Vertretung in den Aufsichtsgremien wahrgenommen und als Gesellschafter auch im Hintergrund beobachtet, wie die Entwicklung ist. Anders ist auch gar nicht zu erklären, wie es seit 1994 bis zu der Notbewilligung, die wir jetzt gemacht haben, Schritt für Schritt unter Berücksichtigung der Prognosen der Einnahmesituation im Abgleich mit der Realität gelaufen ist.

Anders ist es nicht zu erklären, dass wir den Bürgschaftsrahmen letztlich auf 1,77 Milliarden DM erhöht haben - unter der Ansage, dass die beiden Hauptgesellschafter, Land und Bund, jeweils zur Hälfte für ein entstehendes Defizit eintreten. Mit Unterstützung des Landtags haben wir schon im Voraus einen Verlust in Höhe von 400 Millionen DM erwartet und in den Bürgschaftsrahmen eingerechnet. Mithin ist die Entwicklung nicht nur im Aufsichtsrat, nicht nur bei der Geschäftsführung oder bei den Gesellschaften, sondern auch für den Landtag immer sehr wohl nachvollziehbar gewesen.

Die Rechnung, die Herr Möllring aufgestellt hat, hätte jeder jeden Tag aus Angaben aus der Zeitung aufmachen können, hätte auch politisch aktiv werden können. Die Grünen hätten im Landtag auch einen Antrag stellen können, die EXPO mittendrin abzubrechen. Das haben sie nicht getan.

Der entscheidende Punkt ist: Wann hat sich die Lage so zugespitzt, dass das Land als Gesellschafter zusammen mit dem Bund in der kritischen Situation der Liquiditätsprobleme und der Überschuldung tätig werden musste? - Sie wissen - ich habe im Haushaltsausschuss darüber berichtet; Herr Hagenah, da müssen Sie einmal mit Ihrem Kollegen Golibrzuch sprechen -, wie sich die Situation zugespitzt hat. Dann hat das Land mit dem Bund reagiert.

Nun zu der Mär, die Verhandlungsposition Niedersachsens habe sich dadurch verschlechtert, dass wir in dieser konkreten Situation eine Beschlussfassung auf der Basis der Aufteilung 50 : 50 herbeigeführt haben. - Die Verhandlungen mit dem Bund, zwischen Ministerpräsident Gabriel, dem Kanzleramt, dem Finanzminister Eichel und mir, laufen. Es ist verabredet und auch sicher, dass die Aufteilung im Verhältnis von 50 : 50 zugunsten des Landes verändert wird. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen hier in Niedersachsen, Sie können eine Menge dafür tun, dass Niedersachsen bei der Aufteilung günstiger abschneidet. Sorgen Sie dafür, dass die Grünen im Bund dann, wenn es zum Schwur kommt, die Haushaltsmittel beim Bund erhöhen, damit sie bei uns gesenkt werden können! - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Harms!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das sind ja merkwürdige Höhenflüge in dieser Debatte um die EXPO heute. Das Thema „Wollsocke“ habe ich schon lange nicht mehr gehört. Da es ausgerechnet hier zur Sprache kommt, muss ich als Vertreterin dieser Wollsockenpartei natürlich etwas dazu sagen.

Ich trage die ganz gerne, und zwar dann, wenn es angesagt ist. Sie, Herr Wulff, haben auch manchmal kalte Füße - das könnte ich mir jedenfalls vorstellen -; also machen Sie die Wollsocken nicht schlechter, als sie sind.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Wir machen es nur nicht zum Parteiprogramm!)

Nun zum Thema Geburtstagsfeier und dazu, die Grünen könnten nicht feiern, weder Geburtstage noch Hochzeiten. - Vielleicht sollten wir Sie einmal einladen.

(Schröder [GRÜNE]: Lieber nicht! Dann geht die Stimmung in den Kel- ler!)

Wir feiern sehr gern, sehr viel, oft auch sehr opulent, aber was wir uns nicht nehmen lassen, ist, unsere Feste selber zu bezahlen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das machen wir auch!)

Wir haben das in diesem Landtag oft debattiert. Ich glaube nicht, dass Sie das ändern wollen.

Aber nun Scherz beiseite - so ernst war das alles von Ihnen vielleicht auch nicht gemeint, Herr Wulff -: Ich glaube, dass wir unabhängig von dieser Debatte hier heute in Zukunft noch so manche ernste Diskussion darüber führen werden, wie denn dieses 2,4-Milliarden-DM-Defizit zu schultern sein wird. Ich glaube, dass so mancher Mensch in Niedersachsen, sei es ein Schüler oder sei es eine alte Frau, der es nicht gut geht, oder sei es sonst wer, über Kürzungen im Landeshaushalt, über Einsparungen noch heftig klagen wird. Dann werden Sie natürlich wieder losgehen und sagen: Das alles war ein schönes Fest. Wir haben doch alle mitgefeiert.

(Wegner [SPD]: Nicht reden, handeln, Frau Harms!)