Protocol of the Session on June 22, 2000

Durch Protest der Wohlfahrtsverbände und der Oppositionsparteien im Niedersächsischen Landtag konnte letztendlich auch mit Zustimmung der SPD-Fraktion dieses Vorhaben zunächst bis zum 1. August 2000 hinausgeschoben werden. Die Landesregierung wälzt das Problem der Ausbildungsfinanzierung für die Altenpflegeberufeausbildung auf die ausbildenden Einrichtungen ab, die sich mit den Pflegekassen bezüglich der Erhöhung der Pflegesätze auseinander setzen müssen. Dies ist zwar nach dem Bundessozialhilfegesetz zulässig, verzerrt aber den Wettbewerb. Innerhalb der zwölf Monate, die die Landesregierung den bisher ausbildenden Pflegeeinrichtungen Zeit gelassen hat, dieses Problem zu regeln, hat sich die Situation katastrophal entwickelt. Viele Einrichtungen lehnen es zwischenzeitlich ab, Ausbildungsplätze für das Praktikum zur Verfügung zu stellen, sodass

die Anzahl der Ausbildungsplätze in diesem Jahr drastisch zurückgeht.

Ich frage die Landesregierung:

1. Werden Einrichtungen, die ihre Pflegesätze auf Grund der Aufhebung der Umlagefinanzierung nach Verhandlungen mit den Pflegekassen erhöht haben, weiterhin ausbilden?

2. Wie viele 1999 noch besetzte Ausbildungsplätze werden zum 1. August 2000 in Niedersachsen nicht wieder besetzt?

3. Ist der Landesregierung bekannt, dass Träger der Altenpflegeschulen beabsichtigen (oder in wel- chem Umfang), für den Ausbildungsjahrgang 2000, also ab 1. August 2000, keine Klassen mehr zu eröffnen?

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Die Antwort wird von Frau Ministerin Merk gegeben. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst gilt es, zu Ihrer Kleinen Anfrage, Frau Jahns, einiges klarzustellen.

(Zustimmung bei der SPD)

Im Jahre 1996 hat das Parlament einstimmig ein gut durchdachtes Altenpflegegesetz verabschiedet. Das Parlament war damals davon ausgegangen, dass sich die Einrichtungsträger von Alten- und Pflegeheimen solidarisch an der Finanzierung der Ausbildungsvergütung für Altenpflegeschülerinnen und Altenpflegeschüler in der Form der Umlagezahlung beteiligen würden. Viele der Einrichtungsträger haben aber nicht mehr die Umlage gezahlt, wollten aber unverändert gut ausgebildete Altenpflegerinnen und Altenpfleger einsetzen. Sie haben gegen die Umlagebescheide massenhaft Widerspruch eingelegt und Klage erhoben. Es geht inzwischen um einige Tausend. Das Land ist dann seit 1996 eingesprungen und wird bis Ende des Jahres 2000 trotz der gesetzlichen Verpflichtung der anderen rund 25,5 Millionen DM zugeschossen haben, um die Liquidität der Umlagestelle sicherzustellen. Bis zum Auslaufen der letzten umlagefinanzierten Ausbildung im Jahr 2002 werden es sogar rund 31 Millionen DM sein.

Bereits im vergangenen Jahr wollten wir das Umlageverfahren aussetzen - das ist richtig -, haben das aber dann wegen der genannten Umstellungsschwierigkeiten und auch im Zusammenhang mit Ihrer Debatte auf den 1. August 2000 verschoben. Wir waren uns im Landtag alle darüber einig - ich habe die Protokolle noch einmal nachgelesen -, dass ein Jahr ausreichen muss, um diese Umstellung zu bewerkstelligen. Ich habe auch damals schon gesagt, dass ich den Verdacht habe, dass es nicht allein eine Frage der Zeit ist, sondern dass es an dem Ausbildungswillen einiger ganz erheblich fehlt. Wir waren uns alle darüber einig, dass wir denen nichts unterstellen wollen, schon gar nichts Böses, sondern dass wir ihnen, weil sie gesagt haben, dass sie es nicht schaffen, dieses eine Jahr geben. Dann aber - hierüber waren wir uns einig geht das seinen Gang. Das war die einhellige Meinung des gesamten Parlaments.

Da es nach Bundesrecht zur Finanzierung der Ausbildungsvergütungen nur zwei Möglichkeiten gibt und das Umlageverfahren wie beschrieben vielfach boykottiert wurde, verblieb nur die Finanzierung über die Pflegesätze der ausbildenden Einrichtungen als zwangsläufige Folge. Ich habe deshalb mit der freien Wohlfahrtspflege, den Verbänden der privaten Pflegeeinrichtungen, den kommunalen Spitzenverbänden, den gesetzlichen Pflegekassen, den Kirchen und der Arbeitsgemeinschaft der Altenpflegeschulen in Niedersachsen intensive Gespräche über die Situation in der Altenpflegeausbildung nach Beginn der Aussetzung des Umlageverfahrens für neue Ausbildungsverhältnisse ab 1. August 2000 geführt, zuletzt am 14. Juni 2000. Wir sind bei diesen Gesprächen übereingekommen, bei den Pflegeeinrichtungen intensiv um die Bereitstellung von Praxisplätzen zu werben. Heute startet deshalb mit einem gemeinsamen Aufruf der Träger der Pflegeeinrichtungen eine Ausbildungsoffensive, um den in Zukunft absehbar steigenden Bedarf an gut ausgebildetem Fachpersonal gerecht zu werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu Frage 1 und 2: Nach einer Umfrage der Arbeitsgemeinschaft der Altenpflegeschulen in Niedersachsen stehen für Ausbildungen, die in der Zeit vom 1. August 2000 bis zum 31. Dezember 2000 beginnen werden, 541 verbindlich zugesagte Praxisplätze zur Verfügung. Über weitere 323 Praxisplätze wird derzeit noch verhandelt. Dem stehen zurzeit 806 fest angemeldete Schülerinnen und

Schüler gegenüber. Die Angaben beziehen sich auf den Stand vom 31. Mai 2000. Differenzierte Angaben, welche Einrichtungen die Praxisplätze zur Verfügung stellen, liegen mir nicht vor.

Um den Stand von 806 notwendigen Praxisplätzen erreichen zu können – vor allem im Hinblick auf die in Verhandlung befindlichen Praxisplätze – und dem zukünftig zu erwartenden Bedarf an Fachkräften gerecht zu werden, haben die eingangs erwähnten Beteiligten u. a. den bereits genannten gemeinsamen Aufruf an die Pflegeeinrichtungen und Altenpflegeschulen verfasst.

Zu Frage 3: Der Landesregierung sind solche Absichten nicht bekannt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Aufnahmeverfahren in den Schulen noch in vollem Gange sind. Schulschließungen zum jetzigen Zeitpunkt wären somit auf andere Gründe als die Aufhebung der Umlagefinanzierung zurückzuführen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Wortmeldungen für Zusatzfragen liegen mir nicht vor. Damit ist die Frage 2 beantwortet.

Ich rufe nunmehr auf

Frage 3: Fortführung des Radweges an der Landesstraße 862

Sie wird vom Kollegen Decker gestellt. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat seit 1993 die Mittel für den Radwegebau an den Landesstraßen von 31 Millionen DM auf 17 Millionen DM jährlich gekürzt. Um auch künftig trotz sinkender Finanzmittel den Bedarf an neuen Radwegen in Niedersachsen decken zu können, hat Wirtschaftsminister Peter Fischer so genannte Gemeinschaftsradwege ins Leben gerufen. Hierbei handelt es sich um Radwege an Landesstraßen, die je zur Hälfte von den Kommunen und dem Land Niedersachsen finanziert werden. Nach diesem Modell sollen bereits in diesem Jahr 70 % der veranschlagten 17 Millionen DM verteilt werden, der

Rest geht an vollständig vom Land bezahlte Projekte.

Inzwischen wurde von der Landesregierung das Bauprogramm 2000 für Landesstraßen freigegeben. Nach Presseberichten der „OstfriesenZeitung“ vom 26. April 2000 werden entlang der L 17 und der L 14 mehrere Radwegelücken geschlossen. Die Kosten werden zu 100 % vom Land übernommen. Gleichzeitig wurde der dringend notwendige Weiterbau des Radweges von der Kreuzung Wilhelmshavener Straße/Jaderberger Straße nach Jaderberg entlang der Landesstraße 862 nicht berücksichtigt. Dieser ca. 2 km lange Weiterbau wird vor allem aus Gründen der Verkehrssicherheit für erforderlich und sinnvoll gehalten. Besonders in Anbetracht des geplanten Wesertunnels ist mit einer erheblich höheren Verkehrsbelastung zu rechnen, sodass diese Baumaßnahme erhöhte Priorität genießen muss.

Ich frage dazu die Landesregierung:

1. Nach welchen Kriterien werden Radwege ausgewählt, die zu 100 % vom Land finanziert werden?

2. Gibt es eine Prioritätenliste? Wenn ja, an welcher Position sind die Teilstücke entlang der L 14, L 17 und L 862 eingruppiert?

3. Gibt es aufgrund der Bedenken des Landesrechnungshofes gegenüber der bestehenden Praxis beim Bau und der Finanzierung von so genannten Gemeinschaftsradwegen bei der Landesregierung Bestrebungen, künftig alle neuen Radwege an Landesstraßen zu 100 % zu finanzieren? Wenn nein, wie beurteilt sie die Position des Landesrechnungshofes zur Finanzierungspraxis beim Bau von Gemeinschaftsradwegen?

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister Fischer freut sich schon, die Anfrage beantworten zu können, wie ich seinem Gesicht entnehme. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Decker, ich habe es bereits gestern gesagt: Mit insgesamt rund 12.000 km hat Niedersachsen das umfangreichste straßenbegleitende Radwegenetz in der Bundesrepublik. Bundesweit liegt etwa

ein Drittel aller Radwege an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen in Niedersachsen.

Was die Landesstraßen betrifft, die Sie hier besonders angesprochen haben, ist zu erwähnen, dass bereits fast 50 % der niedersächsischen Landesstraßen mit Radwegen ausgestattet sind. Ich meine, darauf können wir besonders stolz sein.

Damit wollen wir uns aber keinesfalls begnügen. Wir wollen auch in den kommenden Jahren das Radwegeprogramm des Landes fortführen. Um trotz der begrenzten finanziellen Mittel auch künftig möglichst viele Radwege bauen zu können, habe ich in der Tat die so genannten Gemeinschaftsradwege ins Leben gerufen. Damit können wesentlich mehr Kilometer Radweg pro Jahr gebaut werden als nach dem herkömmlichen Schema. Nur durch ein derartiges finanzielles Engagement der Kommunen ist eine zeitgerechte Realisierung der vor Ort geforderten Radwege möglich.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Der Radwegebedarf wird nach landeseinheitlichen Kriterien ermittelt. Dabei fließen drei unterschiedliche Gruppen von Kriterien in die Bewertung ein, und zwar erstens Verkehrskriterien, wie z. B. die Verkehrsmenge und die Fahrbahnbreite, zweitens Unfallkriterien, wie z. B. Sachschäden, die Zahl von Verletzten und Todesfällen bei Unfällen mit Fahrradfahrern und Fußgängern, und drittens Strukturdaten, wie z. B. die Zahl von Schülerinnen und Schülern, das Vorhandensein zentraler Einrichtungen, die mit Fahrrad– und Fußgängerverkehr einhergehen, oder von Einrichtungen, die Radausflugs- und Radwanderverkehr mit sich bringen. Diese Kriterien werden von der Straßenbauverwaltung, der Polizei bzw. den Kommunen ermittelt und anschließend einer zusammenfassenden Bewertung unterzogen. Wenn die Summe der Bewertungspunkte die Zahl 30 übersteigt, dann wird der Radweg zu 100 % vom Land finanziert.

Zu Frage 2: Nein. Anhand der ermittelten Kriterien wird lediglich eine Unterscheidung in „dringlichen Bedarf“ und „nachrangigen Bedarf“ vorgenommen. Die Radwegeabschnitte an der L 14, der L 17 und inzwischen auch an der L 862 haben danach eine Punktzahl von 30 in der Radwegebedarfsermittlung überschritten und können daher zu 100 % vom Land finanziert werden.

Zu Frage 3: Ebenfalls nein. Die Landesregierung hält das von ihr geschaffene Institut der so genannten Gemeinschaftsradwege für einen geeigneten Weg, den Ausbau des Radwegenetzes auch künftig zügig fortzusetzen.

Der Landesrechnungshof hat im Übrigen seine Bedenken zurückgestellt, weil vorgesehen ist, die Baulastregelung im Niedersächsischen Straßengesetz bei der nächsten Änderung des Gesetzes an die derzeitige Praxis anzugleichen.

Vielen Dank, Herr Minister. - Der Kollege Decker hat eine weitere Frage. Bitte schön!

Herr Minister, Sie sagten, nach der Prioritätsermittlung an der L 862 sei der Wert von 30 Punkten dort überschritten. Wann ist mit dem Bau, der Realisierung dieses Radweges zu rechnen?

(Beckmann [SPD]: Vielleicht sollte jeder hier mal einen Radweg abfra- gen!)

Herr Minister!

Aufgrund von Hinweisen aus der Region hat es hierzu im Mai dieses Jahres eine Überprüfung durch das Straßenbauamt Oldenburg gegeben. Dabei ist festgestellt worden, dass die Punktzahl von 30 überschritten ist. Jetzt wird das Niedersächsische Landesstraßenbauamt dem Straßenbauamt Oldenburg den Auftrag zur Anfertigung der Planung erteilen. Wenn die Planung fertig ist und dann auch entsprechende Mittel zur Verfügung stehen, kann das gebaut werden. Wann das sein wird, kann ich Ihnen zurzeit leider noch nicht sagen.

Vielen Dank. - Der Kollege Pörtner hat eine Zusatzfrage.

Herr Minister, können Sie mir sagen, wie viele Anträge im Rahmen des Projekts „Gemeinschaftsradwegebau“ der Landesregierung zurzeit konkret vorliegen und ob es auf Landesebene entsprechend den Kriterien, die Sie eben vorgetragen haben, so etwas Ähnliches wie eine Ranking-Liste gibt?

(Beckmann [SPD]: Das hat er eben gesagt, dass es so etwas nicht gibt!)

Vielen Dank. - Herr Minister, Sie können das vielleicht kurz wiederholen.

Die genaue Zahl kann ich aus dem Stand nicht nennen, Herr Pörtner, aber ich kann Ihnen das gern schriftlich nachliefern.

(Pörtner [CDU]: Dafür wäre ich Ihnen dankbar!)

Eine Ranking-Liste gibt es nicht.