Auch in diesem Vermittlungsverfahren ist völlig unstrittig, dass wir uns über die Frage unterhalten werden, wie und ob Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalbeteiligungen zu besteuern sind. Ich sage Ihnen: Die Frage ist so hoppladihopp nicht zu entscheiden. Wer die Grenze falsch zieht, wird
hinnehmen müssen, dass die Unternehmen möglicherweise noch mehr bevorteilt werden, weil ihre Betriebsausgaben und andere Aufwendungen plötzlich wieder anrechnungsfähig werden. Da werden wir sehr sorgfältig hinschauen müssen. Wir Niedersachsen haben auch hierzu sehr konkrete Vorschläge unterbreitet. Wir haben gesagt, dass wir grundsätzlich ohnehin nur von strategischen Beteiligungen in einer Größenordnung von etwa 20 % ausgehen und eine zeitliche Festlegung dazu haben wollen, wann diese Veräußerungen stattfinden dürfen.
Wenn Sie Steuer freistellen, dann ist mit Anrechnen nichts mehr zu machen. Das ist ganz einfach. Wenn Sie keine Steuern mehr zahlen, dann können Sie auf die Steuern nichts mehr anrechnen.
(Möllring [CDU]: Ist es nicht viel- leicht für das Unternehmen günstiger, keine Steuern zu zahlen, als Steuern zu zahlen und darauf Abschreibungen vorzunehmen?)
- Da muss man eben genau rechnen. Sie wollen ja steuerlich entlasten und in Kauf nehmen, dass Anrechnungen unter Umständen möglich werden.
(Ein Vertreter des MF tritt an das Rednerpult heran und gibt dem Fi- nanzminister einen Hinweis - Lachen bei der CDU - Wulff (Osnabrück) [CDU]: Sie können sich ja einen Moment beraten! Wir warten dann! - Eveslage [CDU]: Schicken Sie doch Ihren Berater an das Pult!)
- Das war sehr hilfreich von Herrn Brandenburg. Ich habe Betriebsausgaben und anderes gemeint. Aber es geht natürlich um die Verlustzuweisungen und die Teilwertabschreibungen. Ich kann Ihnen ja noch ein wenig mehr sagen, als er mir zugeflüstert hat. Aber die Lampe leuchtet schon.
Sie wissen, dass sich die Addition der steuerlichen Vergünstigungen plus gesenktem Steuersatz für den öffentlichen Teil negativer und für das Unternehmen positiver auswirken würden, als wenn Sie steuerfrei stellen.
(Möllring [CDU]: Aber Sie geben zu, dass Betriebsausgaben und Verlust- zuweisungen ein Unterschied sind!)
Ich finde das ja ganz spannend; bloß die Leute da hinten können gar nichts verstehen. - Bitte fahren Sie fort, Herr Aller.
Mittelständische und kleine Unternehmen: Sie, Herr Wulff, wissen genau, dass wir durch unseren Ansatz, die Gewerbesteuer als Kernbestand derzeit nicht anzufassen und im Interesse der Kommunen in einer Größenordnung von 50 Milliarden DM neutral zu stellen, einen Weg gefunden haben,
zwei Ziele zu erreichen: die kleinen und mittelständischen Unternehmen da zu entlasten, wo sie gewerbesteuerpflichtig sind,
indem die Gewerbesteuer zusammen mit der Einkommensteuer angerechnet werden kann, und gleichzeitig den Kommunen diesen ihnen zustehenden Steuertatbestand zu erhalten.
Dieser Weg ist insoweit revolutionär, als wir zwei Ziele miteinander vereinbaren. Das wird auch von allen Fachleuten anerkannt. Wir werden ihn beibehalten.
Ich sage in aller Deutlichkeit: Herr Golibrzuch, wir müssen uns, was den Zeitablauf und die Abstimmung im Landtag angeht, darauf verständigen, ob die Grünen im Niedersächsischen Landtag die Landesregierung in dem Bemühen unterstützen, der Bundesregierung bei der Durchsetzung eines in sich geschlossenen Gesamtkonzeptes den Rücken zu stärken, und zwar im Landesinteresse; da haben Sie uns an Ihrer Seite. Aber wenn wir das tun wollen, dann müssen Sie die Abstimmung in diesem Haus rechtzeitig zustande gekommen, damit wir eine Orientierungshilfe - keine Vorgabe bekommen, nämlich in dem Sinne, dass aus Niedersachsen ein Signal gegeben wird. Denn der Zeitplan ist eng. Sie wissen, dass Bundestag, Bundesrat und letztlich der Vermittlungsausschuss dieses Thema mit verkürzten Fristen beraten. Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will gerne auf das eingehen, was Herr Wulff ausgeführt hat. Ich stimme Ihnen zu, Herr Wulff, dass bezüglich der Frage, wie es unbürokratischer, einfacher und leichter handhabbar für die betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch für die Finanzverwaltung gestaltet werden kann, nachzu
arbeiten ist. Ich glaube, dass das Halbeinkünfteverfahren durchaus eine Verkomplizierung darstellt. Es ist aber unvermeidlich, wenn man nicht eine Benachteiligung ausländischer Investoren haben will. Vermeidbar ist aber - da bin ich ganz leidenschaftslos; das war auch nie eine Idee der Grünen das so genannte Optionsmodell. Ich verstehe gar nicht, wieso Kollege Knebel das für die SPD noch verteidigt. Die Auffanglinie im Bundesrat ist längst gebildet. Es gibt Anträge. Ich glaube, Brandenburg hat sozusagen die Urheberschaft daran. Aber es gibt Gott sei Dank auch den gemeinsamen Antrag von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen von Mitte März, der alternativ zum Optionsmodell vorschlägt, ein so genanntes Rücklagemodell für die betroffenen Unternehmer zu prüfen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die CDU ebenso wie die SPD im Bundesrat keine qualifizierte Mehrheit hat. Das ist ein möglicher Kompromiss, der auch in unserem Sinne zu einer Vereinfachung führt, der aber auch die Finanzverwaltung entlastet, der im Ergebnis jedoch keine zusätzlichen Einnahmeausfälle für die öffentlichen Haushalte bedeutet. Das ist für uns ein ganz wichtiger Gesichtspunkt.
So weit stimme ich Ihnen zu. Ich glaube aber, dass doch weite Bereiche der Betroffenheit der kleinen mittelständischen Unternehmen, so wie Sie sie hier skizziert haben, eher eine Phantomdebatte sind. Ich glaube das deswegen, weil über 80 % der Unternehmen Personenunternehmen sind und von diesen Personenunternehmen wiederum 78 % mit einem Gewinn von 100.000 DM im Jahr ausgestattet sind.
Wenn man jetzt die nächste Stufe bis 250.000 DM anschaut, so kann man feststellen: 95 % aller Personenunternehmen erhalten durch diese Unternehmenssteuerrechtsreform bis 2005 eine Entlastung über den Einkommensteuertarif zwischen 15 % und 25 %. Das ist ein Pfund, mit dem sie wuchern können und das bei weitem die Belastungen übersteigt, die durch eine Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen angehäuft werden.
(Laute Geräusche von der Regie- rungsbank - Zurufe von der CDU: Jetzt ist der Europaminister vom Stuhl gefallen!)
Gesetzentwurf nicht nachvollziehen. Ich finde aber, dies ist eine Kritik, mit der man umgehen kann, über die man diskutieren kann. Über ideologiebeladene Argumente, wie sie hier von der SPDFraktion vorgetragen werden, kann man allerdings schwerlich diskutieren.
Nun ist es ja richtig, gerade die verkrusteten Strukturen im Beteiligungsbesitz von Banken und Versicherungskonzernen aufzubrechen. Aber erklären Sie doch einmal einem Menschen draußen im Lande oder hier im Plenum, warum heute das Argument lautet:
Die Besteuerung ist so hoch - irgendwo bei 50 % -, dass es für Unternehmen unattraktiv ist, sich von solchem Beteiligungsbesitz zu trennen. Warum muss man dann auf 0 % heruntergehen und auf jede Einnahme für die öffentlichen Haushalte verzichten? Das ist pure Ideologie.
Der Finanzminister macht es ja ganz anders als Sie. Das haben Sie nur noch nicht mitbekommen. Er sagt im Bundesrat: Dann muss man eben auch prüfen - das hat er vorhin, als Herr Brandenburg ihm beisprang, versucht zu erklären -, ob man solche Veräußerungserlöse aus Beteiligungsbesitz weiterhin als Betriebsausgaben absetzen kann. Sie forderten die Bundesregierung völlig zu Recht auf, dies in einem Gesamtpaket zu verknüpfen, sodass am Schluss eine pauschale Besteuerung der Kapitalgesellschaften herauskommt. Das ist eine Angleichung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften, die wir uns - übrigens gemeinsam mit Christine Scheel und der GrünenBundestagsfraktion - vorstellen können und die im Ergebnis dazu führt, dass die Länder wieder etwas mehr Geld in der Tasche haben und nicht weniger.
Das wollen wir, und darin sind wir überraschenderweise eher mit der CDU als mit dieser SPDLandtagsfraktion einig.
Vielen Dank. - Für das Protokoll halte ich fest, dass der Europaminister ohne Zutun der Opposition gestürzt ist.
(Heiterkeit bei der CDU - Minister Senff: Herr Präsident, es war nur die Schublade! - Zuruf von der CDU: Selbst von einem überflüssigen Stuhl kann man herunter fallen!)