Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der heute von der SPD-Fraktion vorgelegte Antrag ist ein Dokument später Einsicht. CDU und Grüne haben sowohl bei der Beratung des Ausführungsgesetzes als auch im letzten Jahr mit eigenen Anträgen auf die sich in diesem Bereich abzeichnenden Probleme hingewiesen. Die Landesregierung dagegen hat im gesamten Jahr 1999 alle Probleme geleugnet. Herr Minister Weber hat in einer Pressemitteilung vom 1. September 1999 behauptet, die neue InsO habe sich bewährt. Die Landesregierung hat sogar beschlossen, die soziale Schuldnerberatung zum 31. Dezember 1999 auslaufen zu lassen bzw. sie nicht weiter zu finanzieren. Erst der Druck aus der Opposition und den Verbänden hat dazu geführt, diese meiner Meinung nach katastrophale Fehlentscheidung quasi in letzter Minute zu korrigieren.
Meine Damen und Herren, was ist nun die Situation ein Jahr nach dem In-Kraft-Treten der neuen Insolvenzordnung und all der Erwartungen, die damit verbunden waren? Wir haben das Fazit gezogen: Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Für die 2,5 Millionen überschuldeten Haushalte - das sind mehr als 3 Millionen Menschen - gibt es in Deutschland nach wie vor keine ausreichende Beratungsinfrastruktur. Auch in Niedersachsen haben wir bei den Schuldnerberatungsstellen Wartezeiten von bis zu neun Monaten. Die Finanzierung der sozialen Schuldnerberatung ist über das Jahr 2000 hinaus eben nicht abgesichert. Die Fallpauschalen für die Insolvenzberatung sind völlig unzureichend. Nach Expertenschätzung fehlen bundesweit 2.300 Fachleute für eine kompetente Beratung. Die nahe liegende Folge: gute Zeiten für private, gewerbliche, teure und häufig unseriöse Schuldenregulierer.
Wer dieses Nadelöhr passiert hat, der steht - abhängig vom Wohnort - immer noch vor dem Problem der fehlenden Prozesskostenhilfe; denn der betroffene Personenkreis ist gerade nicht in der Lage, im Durchschnitt 2.500 DM bis 3.000 DM Prozesskosten aufzubringen, um sich langfristig von der Schuldenlast befreien zu können.
Notwendig ist deshalb - wie es im Antrag richtigerweise angesprochen worden ist - eine gesetzliche Klarstellung zur Prozesskostenhilfe. Notwendig ist auch das, was wir schon lange gefordert haben, nämlich eine Gläubigermitfinanzierung, eine Mitfanzierung durch die Wirtschaftsbranchen, die durch ihr Geschäftsverhalten zum Entstehen von Überschuldung beigetragen haben, getreu dem Motto: „Kaufe heute, zahle morgen.“ - Beide Punkte sind in dem Antrag enthalten. Deshalb: Späte Einsicht ist auch gute Einsicht.
Ich möchte aber noch einige Sätze zu dem sagen, was im Antrag meiner Auffassung nach fehlt und worüber wir im Ausschuss noch reden müssten.
Erstens glaube ich, dass wir den Ressortkonflikt bei der Zuständigkeit für die außergerichtliche Schuldnerberatung und bei der Zuständigkeit für das gerichtliche Insolvenzverfahren endgültig beenden müssen. Beide Zuständigkeiten muss in einem Ressort zusammengefasst werden. Die Erfahrungen des letzten Jahres zeigen, dass die Aufteilung auf zwei Ministerien völlig kontraproduktiv ist. Das muss in einer Hand liegen.
Zweitens sind die Beratungshonorare völlig unzureichend. 660 DM für Verhandlungen mit 20 bis 30 Gläubigern decken mal eben die Kosten für Briefmarken und Telefon, aber nicht mehr. Beispielhaft ist hier meiner Auffassung nach der Weg Bayerns. Die Bayern haben die Beträge praktisch verdoppelt. Die Vergütung ist dort erfolgsunabhängig. Man bekommt also nicht mehr, wenn es eine außergerichtliche Regulierung gibt. Allerdings hängt sie davon ab, wie hoch die Zahl der Gläubiger ist. Wer mit 20 Gläubigern verhandeln muss, der bekommt eben mehr als derjenige, der nur mit zwei Gläubigern verhandelt. Dieses Verfahren ermöglicht Vergütungen von bis zu 1.320 DM pro Fall. Ich glaube, diesbezüglich können wir von Bayern einiges lernen, zumal die Beträge, die wir im Haushalt vorgesehen haben, bei weitem nicht in Anspruch genommen werden konnten.
Außerdem muss meiner Auffassung nach in diesem Bereich auch die Prävention einen anderen Stellenwert bekommen. Das bedeutet, dass z. B. in den Schulen intensiver über die Entstehung von Überschuldung und ihre Verhinderung gesprochen werden muss. In einer Situation, in der Kreditinstitute, aber auch andere - denken Sie z. B. an die
Handy-Schulden von Jugendlichen - Jugendliche sehr intensiv umwerben, muss dies Teil des Lernprozesses, Teil der Lernpläne sein.
Schließlich brauchen wir über die Interimslösung hinaus eine langfristige Absicherung der sozialen Schuldnerberatung.
Wenn wir diese Punkte in geeigneter Form mit einbringen können, werden wir, Frau Kollegin, sicherlich zu einer guten gemeinsamen Lösung kommen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Heinemann, kurz daneben ist auch vorbei. Ich möchte Ihren Redebeitrag dahin gehend korrigieren, dass es richtig ist, das wir im Jahr 1994 gemeinsam dafür gestimmt haben. Sie verschlucken dabei aber vier Jahre. In den darauffolgenden vier Jahren haben wir versucht, diese InsO anzuhalten, weil wir erstens die finanzielle Komponente - also die Problematik Bund/Land nicht hinreichend beleuchtet und zweitens die Inhalte moniert haben. Insofern möchte ich das korrigieren und darauf hinweisen, dass wir das Problem der Prozesskostenhilfe wahrlich gesehen haben.
Ich möchte noch einen zweiten Punkt ansprechen. Herr Kollege Schröder, Sie haben völlig Recht. Die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen MFAS und MJ ist in der Tat unglücklich. Wir sind mit Ihrem Vorschlag d’accord. Punkt 4 des Antrags enthält eine entsprechende Forderung. Das steht in dem Antrag also schon drin.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir werden noch aus den verschiedensten Anlässen heraus Gelegenheit haben, uns dieses Themas weiterhin anzunehmen. Eine solche Gelegenheit wird z. B. dann bestehen, wenn der Bund eine entsprechende Novellierung dieser Regelungen vorlegt. Das Bedürfnis nach einer Klarstellung in Sachen Prozesskostenhilfe wird von niemandem bestritten, auch nicht von der Bundesregierung. Ich denke also, dass wir in absehbarer Zeit einen entsprechenden Vorschlag auf dem Tisch haben werden.
Herr Heinemann hat dankenswerterweise schon erwähnt, dass es auch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu diesem Thema gibt. Dort wird unter maßgeblicher Mitarbeit Niedersachsens gearbeitet. Deshalb können wir erwarten, dass unsere landesspezifischen Interessen in die Diskussion Eingang finden werden.
Das sind aber nicht die Gründe, aus denen ich mich zu Wort gemeldet habe. Ich habe mich vielmehr an einem Wort gestoßen, das Herr Schröder gesagt hat. Er hat gesagt, die Landesregierung habe die Probleme, die mit der Insolvenzordnung verbunden sind, ständig geleugnet. Ich hätte dies noch im vergangenen Jahr so gesagt.
Wissen Sie, Herr Schröder: Ich lasse mir in diesem Zusammenhang ja eine ganze Menge vorhalten. Aber dass nun ausgerechnet ich als Person diese Probleme geleugnet haben soll, entspricht einfach nicht den Tatsachen.
Das Auslaufen der Förderung der sozialen Schuldnerberatung ist wiederholt Gegenstand meiner Bemühungen gewesen. Gerade die Vereinbarung mit dem Sparkassen- und Giroverband und die Aufgabenlastverteilung zwischen den Sparkassen - da hätten wir gerne auch noch die Privatbanken gesehen - sind zustande gekommen, weil ich mich - damals noch als Sozialminister - mit dem Sparkassen- und Giroverband - sogar unter Abschluss eines kleinen Vertrages - ins Benehmen gesetzt habe.
250 Stellen im Haushalt, was die gerichtliche Insolvenzberatung angeht, wenn man das einmal so nennen will, Haushaltsvorsorge für die zugegeben großen Summen bei den Veröffentlichungskosten, die Mitwirkung auf der Bundesebene und
im Übrigen auch die Vorlage des Ausführungsgesetzes zur Insolvenzordnung zeigen nun nicht gerade, dass wir Probleme, die dabei entstehen, geleugnet haben, sondern zeigen, dass wir sie ständig begleitet haben. Das schließt ein eine, wenn ich mich recht erinnere, sogar relativ heftige Debatte in diesem Hohen Hause darüber, ob es denn richtig war, die Zeitpunkte so zu wählen, wie die damalige Bundesregierung sie gewählt hat: Verhandlungen bis zur letzten Minute, bis in den Mai des damaligen Jahres hinein, mit Arbeitsgruppengesprächen, mit intensiven Beratungen zwischen Bundesjustizministerium und den Ländern und dann zu guter Letzt keine Einigung, sondern eine abschließende Entscheidung, die Sie doch veranlasst hat, die Debatte hier unter dem Tenor aufzugreifen, wir seien zu langsam gewesen.
Meine Damen und Herren, von einem Leugnen der Probleme kann also überhaupt nicht die Rede sein. Wenn wir den Entschließungsantrag zum Anlass nehmen, auch die Landesbemühungen um Vereinheitlichung und Verschlankung des Verfahrens ernst zu nehmen, wird darüber niemand glücklicher sein als der Justizminister.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Weber, ich will durchaus zugestehen, dass auch ich die Vokabel „leugnen“ für übertrieben halte, aber ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass man Ihnen - nicht Ihnen als Person, sondern Ihnen als Landesregierung durchaus angemerkt hat, dass es ein gewisses Unwohlsein gab, als damals das Thema im Rechtsausschuss erstmalig diskutiert worden ist und als im Rechtsausschuss im Grunde über alle Fraktionsgrenzen hinweg die Probleme angesprochen worden sind. Letztlich haben wir alle dann ja gesagt: Gut, in Anbetracht der schwierigen Haushaltssituation probieren wir einmal diesen Weg aus und gucken, ob er zum Erfolg führt. - Jetzt stellen wir fest, dass dieser Weg eben nicht erfolgreich gewesen ist.
Ich hätte es als konsequent empfunden - das muss ich nun allerdings ehrlich sagen -, wenn Sie angesichts dessen heute erklärt hätten: Dann ziehen wir
daraus auch die richtige Schlussfolgerung. - Die richtige Schlussfolgerung kann im Grunde nur sein, dass erstens die Förderung über das Jahr 2000 hinaus fortgesetzt wird und dass zweitens - da setzt meine eigentliche Kritik an - das Land auch seiner Verantwortung für die Finanzierung gerecht wird und sie nicht, wie in diesem Antrag vorgesehen, nach Berlin abschiebt. Sie wollen jetzt ja den Bund auffordern, dafür Sorge zu tragen, dass irgendjemand gefunden wird, der dafür eintritt.
So geht es nicht! Verantwortlich dafür ist das Land. Wenn wir gemeinsam der Auffassung sind, dass der bisherige Weg in eine falsche Richtung geführt hat, dann müssen wir daraus auch die Konsequenzen ziehen. Wenn Sie das tun wollen, dann haben Sie dabei die Unterstützung der Opposition.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Weber, es tut mir Leid, wenn Sie sich durch meine Formulierung persönlich angegriffen fühlen. Nur: Ich kann mich noch gut an die öffentliche Beratung des Ausführungsgesetzes erinnern, bei der Sie trotz aller Hinweise von Opposition und Verbänden den Ausstieg aus der Schuldnerberatung zugunsten der neuen Insolvenzberatung ziemlich deutlich angekündigt haben. Ich kann mich gut entsinnen, dass Sie am 1. September eine Pressemitteilung herausgegeben haben mit dem Inhalt, die neue InsO habe sich bewährt, obwohl da schon bekannt war, dass es keine ausreichenden Beratungsmöglichkeiten für alle Betroffenen gibt. Ich kann mich auch gut erinnern, dass die Landesregierung beschlossen hat, aus der sozialen Schuldnerberatung auszusteigen und diesen doch relativ läppischen Betrag von 700.000 DM nicht weiter zu zahlen, sehr wohl in dem Wissen, dass dies in der Trägerstruktur zu erheblichen Einbrüchen führen würde. Ich kann das nicht anders als mit dem Wort „leugnen“ bezeichnen, und ich glaube, dass dieser Begriff durchaus angemessen ist.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, meine Damen und Herren. Darum schließe ich die Beratung zu diesem Antrag.
Ich bitte Sie um Ihr Handzeichen, wenn Sie den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen mit der federführenden Beratung und Berichterstattung und die Ausschüsse für Wirtschaft und Verkehr, für Sozial- und Gesundheitswesen und für Haushalt und Finanzen mit der Mitberatung beauftragen wollen. - Stimmt jemand dagegen? - Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist auch nicht der Fall. Dann haben Sie einstimmig so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung: Erhaltung der Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe (GA) „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1392
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Agenda 2000 hatte vier Hauptziele: erstens die Reform der Institutionen und der Finanzverteilungssysteme, zweitens die Vorbereitung der Erweiterung nach Mittel- und Osteuropa, drittens die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik und viertens die Reform der Strukturförderung.
Bei der Reform der Strukturförderung sind Förderziele zusammengefasst und neue Förderschwerpunkte gebildet worden. Die Gebietskulissenförderung in der Regionalförderung ist auf nationale Fördergebiete - GA-Gebiete - abzustimmen. Die bisherige Ziel-5b-Förderung - immerhin sind in Niedersachsen 17 Landkreise mit bis zu 1 Milliarde DM gefördert worden - läuft aus und soll in ihrem regionalen Förderansatz von der neuen Ziel2-Förderung ersetzt werden.
gionen angelegt, und somit geht der bisher eigenständige Förderansatz für den ländlichen Raum und die ländliche Regionalentwicklung verloren. Das haben wir wiederholt kritisiert.