Protocol of the Session on February 17, 2000

Es gibt keine Verabredungen zwischen Landesregierungen und Bundesregierung, weil die Bundesregierung, was ich nachvollziehen kann, im Vorfeld von oder parallel zu Konsensgesprächen nicht mit Teilbeteiligten Verabredungen trifft und sich

den Handlungsspielraum in Konsensgesprächen verengt. So politisch ungeschickt kann in der Tat niemand sein. Deshalb können wir nicht anders, als alle Gelegenheiten zu nutzen, unsere Belange einzubringen.

Meine Damen und Herren, wir wollen uns doch nichts vormachen: Die Frage der Restlaufzeiten ist vielleicht noch eine, die national homogen diskutiert wird, aber die Frage eines zukünftigen Entsorgungskonzepts wird allemal unter dem Gesichtspunkt von regionalen Betroffenheiten diskutiert. Was ich feststelle - das gilt für die SPD, das gilt für die Grünen, und das würde auch für die CDU gelten; da interessiert es im Moment nur nicht so stark -: Immer dann, wenn es um Standorte für Entsorgungsanlagen geht, sind alle außerhalb von Niedersachsen heilfroh, dass wir das Thema an den Hacken haben. Das ist die Situation, mit der wir uns leider zu befassen haben.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Harms [GRÜNE]: Also ist das Prob- lem doch nicht Herr Trittin! - Zuruf von Eppers [CDU] - Unruhe bei der CDU)

- Herr Eppers, da haben Sie völlig Recht: Das ist überhaupt nicht neu.

(Unruhe)

Aber es ist ein immer währender Kampfauftrag für diese Landesregierung, dafür zu sorgen, dass es einen gerechten Lastenausgleich gibt.

(Frau Harms [GRÜNE]: Ja, bitte!)

Da hätte ich die CDU gern an meiner Seite,

(Beifall bei der SPD - Frau Harms [GRÜNE]: Genau!)

stelle aber fest, dass Ihnen das augenscheinlich völlig egal ist.

(Zurufe - Unruhe)

Herr Kollege Dr. Stumpf hat das Wort.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Jetzt müsst ihr aufpassen! Jetzt kommt nämlich die Frage, auf die ihr keine Antwort wisst! - Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ja, jetzt kommt die Kernfrage. - Herr Minister, sagen Sie doch bitte einmal: Welche Auswirkungen, inhaltlich und zeitlich, hat nach Ihrer Auffassung das In-Kraft-Treten der neuen Strahlenschutzverordnung, was am 13. Mai oder etwas später der Fall sein wird?

Herr Jüttner!

Die Planfeststellungsbehörde hat im Bereich des Strahlenschutzes das zugrunde zu legen, was die Rechtslage in Deutschland ist, also die heute geltende Strahlenschutzverordnung. Aufgrund der Tatsache, dass seit 1996 ein neues, verschärftes europäisches Recht gilt und rechtlich absolut unstreitig ist, dass dieses europäische Recht bis Mai 2000 in deutsches Recht umzusetzen ist oder materiell unmittelbar wirkt, hat die Planfeststellungsbehörde im Bereich des Strahlenschutzes zugrunde gelegt, was Inhalt der EU-Richtlinie ist, mit Ausnahme jener Stellen, in denen das bisherige deutsche Recht - das ist in einigen Kleinigkeiten der Fall - inhaltlich schärfer ist als das, was die EURichtlinie fordert. Wir haben also das Recht, das kommt, zur Grundlage für dieses Verfahren gemacht.

Es ist aber nicht auszuschließen, Herr Stumpf, dass die Richtlinie auch in anderen Punkten, die bisher nicht Teil der Debatte von Wissenschaft und Technik waren, in deutsches Recht umgesetzt werden könnte. Das ist rein theoretisch möglich und wird an einer Stelle - hinsichtlich der Störfallplanungswerte - zurzeit auch unter Fachleuten diskutiert.

Diese höheren Anforderungen ergeben sich nicht aus der EU-Richtlinie. Sollten sie - wie es ein Referentenentwurf in Bonn bzw. Berlin vorsieht im deutschen Strahlenschutzrecht rechtswirksam werden, dann müsste für den Fall, dass das Planfeststellungsverfahren Schacht Konrad bis zum 14. Mai nicht abgeschlossen ist, in der Tat eine Integration der neuen Rechtsgrundlagen des Strahlenschutzrechts in das Genehmigungsverfahren vorgenommen werden.

Wir haben also, wenn man so will, vorsorglich gearbeitet, aber nur an den Stellen, die auch rechtlich erkennbar waren. Möglicherweise ist das hinreichend, aber ausschließen kann ich nicht, dass

für den Fall, dass das europäische Recht über das deutsche Strahlenschutzrecht hinausgeht, noch Nacharbeit nötig ist.

(Dr. Stumpf [CDU]: Was würde das zeitlich bedeuten? Das war der andere Teil der Frage!)

- Das kann ich Ihnen nicht beantworten, weil es davon abhängt, was sich Bund und Länder in Deutschland im Strahlenschutzrecht auf den Buckel laden.

Die nächste Frage stellt Herr Kollege Behr, und dann kommt Herr Möllring zu seiner zweiten Frage.

Herr Minister, ich frage Sie vor dem Hintergrund, dass die bisherigen Bauarbeiten für Schacht Konrad mindestens 1,4 Milliarden DM verschlungen haben, die letztlich vom Stromkunden zu bezahlen sind, und vor dem Hintergrund, dass bei Nichtgenehmigung von Schacht Konrad Regresszahlungen in ähnlicher Größenordnung zu leisten wären - ob nun vom Bund oder Land, ist dabei gleichgültig, letztlich sind sie vom Steuerzahler zu bezahlen -: Wie bewerten Sie die Tatsache, dass der Bürger damit zweimal zur Kasse gebeten wird?

(Frau Harms [GRÜNE]: Das passiert dem Bürger öfter so bei den Atom- stromkonzernen!)

Herr Jüttner!

Herr Behr, ich habe schon darauf aufmerksam gemacht, dass die Frage der Entschädigungsfreiheit von mir anders gesehen wird. Für den Fall - das ist meine Einschätzung -, dass die sachlichen Grundlagen für eine Genehmigung von Schacht Konrad aus Gründen der Planrechtfertigung nicht gegeben sind,

(Möllring [CDU]: Dann müssen Sie die Genehmigung verweigern!)

dürften sich daraus keine Entschädigungsprobleme ergeben.

(Frau Tinius [SPD]: Jawohl!)

Das hieße allerdings in der Tat, dass an dieser Stelle eine Investitionsruine entstünde. Das ist überhaupt keine Frage.

Aber jetzt kommen wir zu einer zweiten Frage. Wir diskutieren über eines der brisantesten Themen, mit denen sich die Politik überhaupt auseinandersetzt: Wie gehe ich mit einer Entwicklung um - -

(Frau Zachow [CDU]: Seit 18 Jah- ren!)

- Natürlich; Sie sind ja unheimlich schlau!

(Frau Zachow [CDU]: Eingeleitet hat das noch die Regierung Schmidt und kein anderer!)

- Sie haben 16 Jahre lang die Atompolitik laufen lassen, ohne die Voraussetzungen für eine angemessene Entsorgung zu schaffen!

(Beifall bei der SPD)

Das haben wir doch miteinander diskutiert.

(Möllring [CDU]: Aber Sie sind es doch, die jetzt herumeiern!)

Sie haben jahrelang ein Entsorgungskonzept zugrunde gelegt, das in vielfacher Hinsicht obsolet war.

Jetzt komme ich auf den zweiten Teil Ihrer Frage, Herr Behr, zurück. Wenn es hier um so brisante Dinge wie um die Frage geht, wie ich für die nächsten Jahrtausende mit atomarem Müll umgehe, steht für mich die Frage der Sicherheit im Vordergrund.

(Beifall bei der SPD)

Wer über das Thema Gorleben unter dem Gesichtspunkt diskutiert, dass dort 2 Milliarden DM verbaut worden sind - das ist eine Menge Knete; das räume ich gern ein -, dem sage ich: Wir reden hier über eine Branche, in der jedes Jahr zig Milliarden DM umgesetzt werden. Bei der Frage der Sicherheit diskutiere ich aber bei dem Thema „Gorleben“ und „Endlager“ nicht zuerst darum, ob da schon ein paar Mark investiert worden sind. Wenn Sie in den letzten Jahren nach dieser Logik verfahren sind, dann wird Ihre ganze Debatte, dass dort erkundet wird, aber dass ergebnisoffen erkun

det wird, geradezu zu Makulatur. Das ist doch eine groteske Debatte, die wir dann bekommen.

(Beifall bei der SPD - Frau Harms [GRÜNE]: Das heißt, Sie sind gegen den entschädigungsfreien Ansatz!)

- Ich bin für den entschädigungsfreien Ansatz, weil ich ihn für organisierbar halte. Man kann in der Tat darüber reden, ob die Koalition gut beraten war, sich in diese Zwangssituation, in der sie sich jetzt augenscheinlich selber sieht, zu bringen. Das ist in der Tat eine spannende Frage; das bestreite ich überhaupt nicht.

So, jetzt komme ich zur zweiten Frage. Es gibt Prognosen für den Endlagerbetrieb, der frühestens 2030 notwendig wird, bis zum Jahr 2080 - jetzt unabhängig von den Fragen der Sicherheit -, wirtschaftliche Überlegungen zu den Kosten der Endlagerung über einen Zeitraum von 50 Jahren hinweg.

Bei mir im Ministerium ist durchgerechnet worden, dass das Ein-Endlager-Theorem unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten um Milliarden DM günstiger ist als die Fortsetzung der Entsorgungskonzeption von 1979, die vollständig überflüssig, die vollständig obsolet ist. Ich stelle Ihnen das einmal an einem Beispiel dar.

(Wojahn [CDU]: Sie haben aber kein neues Konzept! Das ist der Punkt!)

- Entschuldigen Sie bitte, die Bundesregierung sitzt doch genau daran! Sie sind doch vor einigen Wochen eingeladen gewesen und haben selber erklärt, das sei doch ein interessanter Ansatz, mit dem die dort jetzt anfangen.