Protocol of the Session on February 16, 2000

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Litfin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein etwas unübliches Verfahren, in einer Aktuellen Stunde zu einem Thema zu reden, zu dem derzeit mindestens zwei Anträge beraten werden. Zu diesen Anträgen werden wir schließlich Anhörungen durchführen, in denen wir Experten und Betroffene fragen, ob die vorgeschlagenen Lösungen in die richtige Richtung gehen. Aber manchmal gibt es ja nichts, was so ganz aktuell ist, und dann ist es auch schön, wenn wir wieder einmal darüber geredet haben.

Ich will einmal versuchen, Ihnen die Schwierigkeiten, die es mit dem Modernisierungskonzept des Kultusministeriums geben wird, anschaulich zu erläutern.

Dieses Modernisierungskonzept sieht vor, dass die berufsbildenden Schulen über ihre eigenen Angelegenheiten in Zukunft sehr viel stärker eigenverantwortlich entscheiden können. Das ist gut und richtig. Nur, vor dem Hintergrund, dass bis 2003 an den berufsbildenden Schulen 11.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler zu beschulen sein werden, gleichzeitig aber keine nennenswerte Aufstockung beim Lehrerpersonal erfolgen wird, wird das Ganze hoch problematisch, und zwar insoweit, als das Konzept vorgibt, nicht nur die Finanzmittel, die die Schulen bekommen, sondern auch die Lehrerinnen- und Lehrerstunden zu budgetieren. Damit wird, wie wir es bei den allgemein bildenden Schulen in den vergangenen Jahren bereits beobachtet haben, das Prinzip aufgegeben, zugewiesene Unterrichtsstunden an die Person der Schülerin oder des Schülers zu binden. Vielmehr werden die Unterrichtsstunden eher an das System gebunden.

Das heißt, Eckhard Fasold, dass wir im ländlichen Bereich erhebliche Schwierigkeiten bekommen werden. Was kann denn eine berufsbildende Schule im ländlichen Bereich dafür, dass es in ihrer Region nur acht Auszubildende z. B. in Metallberufen gibt? - Diese Metaller kann sie nicht mit Bäckern und Konditoren in eine Klasse packen, das ist absolut unmöglich. Für eine kleine Klasse mit Metallern aber bekommt sie kaum Ressourcen.

Wenn dieses Konzept verwirklicht würde - Frau Vockert, vielleicht haben wir ja die Chance, das gemeinsam mit den berufsbildenden Schulen zu verhindern -, müssten die berufsbildenden Schulen langfristig Standorte verlegen und untereinander Verträge darüber schließen, wer etwa alle Bäcker und wer im Gegenzug etwa alle Metaller ausbilden soll. Damit würden wir mit den ausbildenden Betrieben Probleme bekommen, die es natürlich nicht klasse fänden, wenn ihre Auszubildenden weit fahren müssten, um den Berufsschulunterricht, der ihnen zusteht, auch zu bekommen.

Das vorliegende Konzept stimmt also hinten und vorne noch nicht. Ich wäre glücklich, wenn es nach der Anhörung, in der die Verbände und Schulen die Kritik, die hier von der Opposition geäußert worden ist, sicherlich bestätigen werden, noch

einmal überdacht werden könnte. Vielleicht sind wir dann auch einmal gemeinsam in der Lage, ohne eine drastische Aufstockung der Ressourcen - denn das kann leider auch die Opposition nicht versprechen; drastisch mehr Lehrerinnen und Lehrer werden wir für den berufsbildenden Bereich aus diesem desolaten Haushalt einfach nicht herausschneiden können -, aber doch mit einer ausreichenden Steigerung der Ressourcen Konzepte zu entwickeln und mit zu tragen, die den berufsbildenden Schulen vor Ort weiterhelfen und die sie insbesondere darauf vorbereiten, immer mehr Jugendliche ausbilden zu müssen, die nicht in Ausbildungsbetrieben sind, sondern die vollzeitschulische Berufsausbildungen durchlaufen müssen, weil wir leider immer noch zu wenig Lehrstellen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Jetzt spricht der Abgeordnete Fasold für die SPDFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Anfang Ihrer Ausführungen, Frau Vockert, glaubte ich wirklich, mich in der Tagesordnung geirrt zu haben und bei einem falschen Tagesordnungspunkt zu sein.

(Frau Vockert [CDU]: Das glauben Sie öfter! - Klare [CDU]: Das ist bei Ihnen anscheinend schon Normalität!)

Später haben Sie dann allerdings marginal das gestreift, was Sie mit dem Begriff „Bildungsabbau“ beschimpfen, nämlich das Modernisierungskonzept 2000. Mir ist doch noch erkenntlich geworden, dass Sie sich das hier vorgenommen haben.

Frau Litfin hat darauf hingewiesen, dass wir es für außerordentlich unglücklich halten und auch nicht nachvollziehen können, dass Sie jetzt während eines laufenden Verfahrens - die öffentliche Anhörung läuft, wir haben auch im Ausschuss mehrere Schritte, bis hin zur öffentlichen Anhörung verabredet - im Wege einer Aktuellen Stunde vorstellig werden. Damit werden Sie nach meiner Auffassung der Sache nicht gerecht.

Ich habe den Begriff „Bildungsabbau“ auch mehr als polemischen Ausdruck verstanden, denn es geht ja bei dem Konzept tatsächlich nicht um Einschränkungen oder Abbau, sondern um die Sicherung, die Öffnung, die Stärkung der schulischen Selbständigkeit, um Perspektiven - z B. in der Weiterbildung - und damit um die Modernisierung eines wichtigen Teils unseres Schulwesens.

(Frau Vockert [CDU]: Und alles ohne Stellen! Das ist gut!)

Nicht eine einzige Stelle wird gekürzt.

(Klare [CDU]: 800! - Frau Vockert [CDU]: Bei steigenden Schülerzah- len!)

- Nicht eine einzige Stelle wird gekürzt. Unterricht im Umfang von mehr als 200 Stellen - das macht ein Finanzvolumen von knapp 17 Millionen DM aus - wird zusätzlich zur Verfügung gestellt.

(Frau Vockert [CDU]: Bei steigenden Schülerzahlen!)

Wir haben das Arbeitszeitkonto verabredet, mit dem in Zukunft ein Anstieg der Schülerzahlen aufgefangen werden soll. Das ist doch nicht „Abbau“; das ist eine Stärkung, im Grunde genommen auch in der Unterrichtsversorgung.

Die berufsbildenden Schulen werden ihre pädagogische und fachliche Kompetenz künftig auch in die Weiterbildung - wir nehmen das wirklich ernst: Hilfe zu lebenslangem Lernen - einbringen können. Auch das ist nicht Abbau oder Modernisierung, ist aber eine ganz substantielle Frage des Konzepts. Zusätzliche Qualifikationen für viele junge Menschen, die in der allgemein bildenden Schule den eher theorieorientierten Lernanforderungen nicht gerecht werden konnten und die deswegen ohne Abschluss blieben, werden ermöglicht.

Die Schärfung der Qualität der Abschlüsse durch Leistungsüberprüfung, Standardsicherung, Erweiterung der Leistungsbeschreibung für die einzelne Persönlichkeit: Auch das kann ich nicht mit dem Begriff - mit dieser billigen Münze im Grunde genommen - „Abbau von Bildung“ in Verbindung bringen. Außerdem kann es ja wohl nicht Abbau sein, wenn wir die Vermittlung der allgemeinen Hochschulreife über die Berufsoberschule und damit die Erfüllung der jahrzehntealten bildungspolitischen Forderung nach der Herstellung der

Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung ermöglichen.

Wir stellen auch dar - darauf haben Sie fast ausnahmslos Bezug genommen -, wie wir unserer Verantwortung für die Sicherung der Unterrichtsversorgung in den nächsten Jahren gerecht werden wollen. Wir wollen da auch Transparenz schaffen und Berechenbarkeit in unsere Planungen bringen:

(Frau Vockert [CDU]: Wann? Wo?)

mehr Personal - ich sagte das schon

(Frau Vockert [CDU]: Konkret: Wann, wo?)

durch eine Ressourcenanpassung dort, wo bisher mehr als unbedingt erforderlich - ich nenne einmal den Vollzeitschulbereich - an Unterrichtsstunden investiert wurde. Die Anpassung an KMKvereinbarte Stundentafeln kann doch wohl kein Abbau sein. Sie können eine solche bundesweite Abstimmung auf KMK-Ebene und die Anpassung der darüber hinausgehenden Unterrichtsstunden bei uns doch nicht zum Bildungsabbau erklären.

(Frau Körtner [CDU]: Wenn Sie das selber glauben!)

Auch die nachdrückliche Erwartung - jetzt komme ich zu dem, was Sie praktisch in den Mittelpunkt Ihrer Erörterungen gestellt haben -, dass die vorhandenen Lehrerstunden noch effektiver als bisher eingesetzt werden, dass unsere Schulen noch wirtschaftlicher als bisher mit Klassen- und Gruppenbildung umgehen, vor allem aber, dass regional die standorteigenen Bildungsangebote mit den benachbarten Standorten auch unter ökonomischen Gesichtspunkten besser abgestimmt werden, als es in der Vergangenheit der Fall war, werden wir im Ausschuss noch im Einzelnen diskutieren.

Zusammengefasst sage ich: Es wird nicht eine Unterrichtsstunde aus finanzpolitischen Gründen gekürzt. Der ortsnahe Berufsschulunterricht wird wie in der Vergangenheit gewährleistet, wobei noch zu klären ist - wir sind in diesem Verfahren noch offen -, wie wir diesem Anspruch - der ortsnahe Unterricht wird ja über einen 25-prozentigen Zuschlag privilegiert - tatsächlich gerecht werden können.

Das ganze Konzept befindet sich in der Anhörung. Wir als SPD-Fraktion haben uns vorgenommen, die Anhörung und die sich daraus ergebenden Erörterungen wirklich ernst zu nehmen und auf

Anregungen, die sich daraus ergeben, auch tatsächlich einzugehen. Damit beantworte ich gleichsam auch schon die Frage, die Frau Litfin gestellt hat: Wir müssen im Einzelnen überprüfen - und zwar sehr sorgfältig überprüfen -, ob das Konzept die Ziele, die es sich selbst gesetzt hat, auch tatsächlich erfüllen kann.

Ich hoffe, dass wir uns die Zeit dafür nehmen und dass Sie sich vor allem auch vornehmen, mit uns in der Sache darüber zu sprechen, um zu der bestmöglichen Lösung zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Noch einmal für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Voigtländer das Wort.

(Busemann [CDU]: Er muss das jetzt erst einmal richtig stellen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Busemann, dies ist für Sie jetzt eine Möglichkeit, etwas dazuzulernen. Hören Sie gut zu!

(Frau Vockert [CDU]: Da spricht wieder der Oberlehrer!)

Sie sind ja der selbst ernannte oberbildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion.

(Busemann [CDU]: Nicht der „selbst ernannte“!)

Also noch einmal - für die Opposition und für die vielen, die für den Berufsbildungsbereich bei Ihnen sprechen -: Es gibt im Modernisierungskonzept der SPD - sowohl der Fraktion als auch der Landesregierung - drei wesentliche Gesichtspunkte, auf die es ankommt:

Erstens: Ressourcensicherung. Wir brauchen in Zukunft mehr Lehrerinnen und Lehrer, und wir bekommen sie auch.

(Frau Vockert [CDU]: Wann denn?)

Diejenigen, die auf Drei-Viertel-Stellen eingestellt worden sind, werden in Zukunft auf volle Stellen umgesetzt.

(Frau Vockert [CDU]: Schön! Das begrüßen wir! Unsere Forderung!)

Diejenigen, die in Zukunft eingestellt werden - das sind in den nächsten Jahren 900 neue Lehrerinnen und Lehrer -, werden ebenfalls auf vollen Stellen eingestellt werden. - Soweit zum Stichwort der Ressourcensicherung.

Zweitens. Wir wollen, dass es regionale Kompetenzzentren gibt. Damit ist vor allen Dingen die Ausweitung in Richtung Weiterbildung verbunden. Es reicht nicht aus, dass sich der berufsbildende Bereich auf den Kernbereich der Bildung beschränkt, sondern Weiterbildung dürfte in Zukunft - weil flexibler gehandhabt - vermutlich einen bedeutsameren Stellenwert haben, als es derzeit der Fall ist. - Das ist eigentlich das Wesentliche zu den Kompetenzzentren. Man könnte noch erwähnen, dass auch die Personalkostenbudgetierung und die Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer aus der Schule selbst heraus durchaus eine größere Veränderung bedeutet.

Drittens. Die Qualität an der Schule muss gesteigert werden. Sie reicht in der jetzigen Form nicht aus. Dafür gibt es eine Fülle von verschiedensten Maßnahmen. Ich zähle einige auf: Es gibt Leistungsüberprüfungen, wie sie nicht nur von Lehrerinnen und Lehrern und von Eltern, sondern vor allen Dingen von den Betrieben gefordert werden. Auch soll das Arbeits- und Sozialverhalten beschrieben werden. Man kann Schlüsselqualifikationen im Unterricht nicht nur anstreben, sondern man muss sie auch kontrollieren und beschreiben können.