Protocol of the Session on January 28, 2000

Meine Damen und Herren, ich stelle hiermit die Beschlussfähigkeit des Hauses für den heutigen Tag fest. Wir kommen zu

noch

Tagesordnungspunkt 2: 19. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben Drs. 14/1311 - Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1341 und Drs. 14/1343

Über die Ausschussempfehlungen zu den Eingaben in der Drucksache 1311, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen, haben wir bereits in der 41. Sitzung am 26. Januar 2000 entschieden. Wir beraten jetzt nur noch über die Eingaben aus der

Drucksache 1311, zu denen die genannten Änderungsanträge vorliegen.

Zu dem Änderungsantrag in der Drucksache 1341, in dem u. a. die Eingabe 631/02/14 strittig gestellt wird, weise ich darauf hin, dass in dem Ihnen vorliegendem Vorabdruck aufgrund eines Versehens nur der dritte Folgesatz der Eingabe erwähnt wird. Wir stimmen jedoch - wie üblich - über alle drei Eingabesätze ab.

Für die Beratung sind die Redezeiten wie üblich vereinbart: SPD bis zu zehn Minuten, CDU bis zu zehn Minuten, Grüne bis zu fünf Minuten und Landesregierung bis zu fünf Minuten.

Zunächst hat sich der Abgeordnete Wenzel gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die Eingabe zum Thema Y-Trasse strittig gestellt und möchten Sie um Zustimmung für die Überweisung an die Landesregierung als Material bitten. Der Bau einer neuen Bahnstrecke zwischen Hannover, Hamburg und Bremen ist, wie Sie wissen, in der Region hoch umstritten. Dort hat man den Eindruck, dass über die Köpfe der Menschen hinweg geplant wird und dass das Ergebnis nur den großen Städten zugute kommt. Leider hat die Deutsche Bahn AG diesen Befürchtungen immer wieder Nahrung gegeben, indem man nur den Geschäftsbereich Fernverkehr planen ließ und wenig bis gar kein Verständnis für Probleme im Nahverkehr und im Güterverkehr zeigte. Gleiches gilt im Prinzip auch für die Landesregierung.

Mittlerweile fordern die Kreisverbände, zum Teil auch die Bezirksverbände, von SPD, CDU und Grünen in der Heide den Abbruch des Raumordnungsverfahrens. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich halte die Forderung nach einem Abbruch des Verfahrens vor dem Hintergrund der Entwicklung zwar für verständlich, aber inhaltlich nicht für richtig,

(Zustimmung von Oestmann [CDU])

weil ich die Gefahr sehe, dass die Diskussion um eine Verbesserung des Schienennetzes in Norddeutschland damit für lange Zeit zum Erliegen käme. Ich sage dies vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache, dass durch die Brücken in Skandinavien und durch die Osterweiterung der EU erhebliche zusätzliche Verkehre zu erwarten sind. Ich

will, dass diese Verkehre so weit wie irgend möglich über die Schiene abgewickelt werden, und ich sehe das Problem, dass wir schon heute im Korridor zwischen Hamburg und Hannover erhebliche Kapazitätsprobleme auf der Schiene haben. Diese Probleme werden sich mit einer leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe, die wir im Bund durchsetzen wollen, zusätzlich verschärfen. Für die schnelle Bahnverbindung über Uelzen und Stendal nach Berlin und für den Nahverkehr brauchen wir, abgesehen von dieser Diskussion, in jedem Fall schon kurzfristig das dritte Gleis von Hamburg nach Uelzen.

Deshalb sage ich ganz deutlich meine Prämisse: So viel Ausbau wie möglich und sinnvoll, aber wo das nicht reicht, halte ich auch Neutrassierungen für notwendig, wo und wenn entsprechende Kapazitäten erforderlich sind. Das Raumordnungsverfahren muss deshalb genutzt werden, um eine möglichst objektive Klärung über die notwendige Infrastruktur für die nächsten Jahrzehnte herbeizuführen. Wir haben wiederholt gefordert, dass die Landesregierung eine computergestützte Analyse der Bahninfrastrukturplanung durchführt. Eine solche moderne Verkehrsplanung, die erst seit wenigen Jahren zur Verfügung steht, ermöglicht die Simulation verschiedener Verkehrsentwicklungsszenarien und vor allem die Berücksichtigung von Fern-, Nah- und Güterverkehr. Mit Hilfe einer solchen Analyse müssen wir die aktuellen Planungen auf Kompatibilität prüfen und eine objektive Diskussionsgrundlage auch für die Region schaffen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was die Deutsche Bahn AG und das Wirtschaftsministerium in den letzten zwei Jahren gemacht haben, ist jedoch nicht geeignet, Vertrauen in eine sinnvolle Lösung zu schaffen. Die Rotenburger mussten die Gutachten, die die befürchteten Verschlechterungen im Nahverkehr untersuchten, selber bezahlen. Die Soltauer müssen zusehen, wie die Heidebahn vergammelt: alte Züge, mehr gebrochene Verkehre, immer neue Langsamfahrstellen. Mehr als anderthalb Stunden Fahrzeit von Soltau nach Hannover für 65 km. Auf der Strecke nach Göttingen braucht man dafür eine Viertelstunde. Und die Frage, ob auf der Strecke ein Haltepunkt entsteht, verkam vollends zum Spielball: keine klare Aussage in mehr als drei Jahren.

Ich werde mich deshalb für ein Junktim einsetzen, und ich hoffe auf Unterstützung in dieser Frage auch von den anderen Fraktionen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Das Junktim heißt: keine Planung über die Köpfe der Menschen hinweg, sondern eine objektive Planungsgrundlage und ein attraktives Bahnangebot für die Menschen in der Heideregion auf der einen Seite und eine möglichst konstruktive Auseinandersetzung bei der Planung einer möglichst leistungsfähigen und schnellen Bahninfrastruktur für Fernverkehr und Güter auf der anderen Seite. Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der CDU)

Zunächst hat sich Herr Hogrefe gemeldet. - Zur selben Eingabe?

(Möllring [CDU]: Wir beraten doch nur über eine!)

Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einlassungen von Herrn Wenzel klangen eben sehr vernünftig. Deshalb werden wir uns auch dem Votum der Grünen anschließen.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Deshalb haben Sie das schon aufge- schrieben! Das ist unglaublich!)

- Herr Plaue, seit einem halben Jahr ist eine ganze Region in der Westheide, aber auch im Bereich Harburg und der Wedemark in Aufruhr. Hunderte von Veranstaltungen von Parteien, Verbänden und Bürgerinitiativen haben stattgefunden. Die kommunalen Gebietskörperschaften haben Beschlüsse gefasst, und alles unter einem enormen Zeitdruck. Es geht den betroffenen Petenten und auch den vielen anderen Menschen um ihre Heimat.

(Zuruf von Beckmann [SPD])

- Hören Sie doch bitte erst einmal zu!

(Plaue [SPD]: Wir hören mit großem Interesse zu!)

Ich möchte Ihnen sagen, dass z. B. erst am letzten Sonnabend fast 3.000 Menschen eine Lichterkette gebildet haben. Das sind Menschen, die noch niemals zuvor in ihrem Leben gegen irgendetwas protestiert haben, die aber jetzt das Anrecht haben, mit ihren Argumenten im Parlament ernst genommen zu werden. Darum geht es uns.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es geht den Menschen um ihre Heimat, um die Erhaltung der Landschaft und der Natur. Es sind weitgehend Erholungslandschaften, die jetzt beplant werden. Die Menschen befürchten, dass Lärm vor ihrer Haustür einkehrt. Es gibt viele Eigenjagdbesitzer,

(Ah! bei der SPD)

die darum fürchten, dass ihr Hof, der seit 400 Jahren in Familienbesitz ist, zerschnitten wird.

(Plaue [SPD]: Von Sayn-Wittgen- stein!)

Ihnen und auch den möglicherweise von Lärmeinwirkungen Betroffenen hat bisher niemand gesagt, was denn eigentlich an Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen oder beispielsweise an Flurneuordnungsmaßnahmen vorgesehen ist. Das ist doch das Hauptproblem bei diesem Verfahren. Deshalb kritisieren wir auch, dass der Antragsteller, die Bahn AG, und auch die Landesregierung, die dies befürwortet, sowie viele andere, die hinter dem Projekt stehen, bisher zu wenig unternommen haben, um die Betroffenen darüber aufzuklären, was auf sie zukommt und wie das Verfahren eigentlich abläuft.

(Zustimmung von Möllring [CDU] - Plaue [SPD]: Mit euch ist Zukunft nicht zu machen!)

Meine Damen und Herren, es geht hier um ein Zukunftsprojekt für ganz Norddeutschland. Das Bauvolumen wird sich zwischen 3 Milliarden DM und 5 Milliarden DM bewegen. Aber nicht nur wir, sondern auch die Betroffenen wissen, dass die Finanzierung bisher völlig in den Sternen steht. Trotzdem wird jetzt völlig übereilt ein Raumordnungsverfahren durchgeführt.

Am 9. Juni des letzten Jahres hat die Bahn bei der Bezirksregierung den Antrag gestellt. Sie alle wissen, dass die Regierung nach den gesetzlichen Vorgaben verpflichtet ist, einen solchen Antrag

innerhalb eines halben Jahres zu bearbeiten. Bei dieser Antragstellung hatte die Bezirksregierung - sehr löblich - die Abgeordneten der Region zu einem Gespräch eingeladen. Alle Fraktionen waren vertreten, sowohl was die Bundes- als auch was die Landesebene anbelangt. Kollege Oestmann und ich und auch Mitglieder der SPD-Fraktion haben z. B. den Vertreter der Bahn, den Antragsteller, gefragt: Warum kommen Sie mit diesem Antrag jetzt direkt vor der Sommerpause? Die kommunalen Gebietskörperschaften tagen doch nicht im Juli und August. Trotzdem verlangen Sie, dass die Stellungnahmen bis Mitte September vorliegen. Ist das nicht eine Überrumpelungstaktik? - Wir hatten auch den Eindruck, dass die Bezirksregierung sehr wohl damit einverstanden gewesen wäre, wenn der Vertreter der Bahn gesagt hätte: Okay, wir ziehen den Antrag erst einmal zurück, und wir stellen ihn in drei Monaten erneut. Damit geben wir allen Betroffenen und den kommunalen Gebietskörperschaften Gelegenheit, in Ruhe eine Stellungnahme zu erarbeiten.

Das ist leider nicht passiert. Die Bahn ist starr geblieben, obwohl der Vertreter der Bahn - sozusagen im Vieraugengespräch - gesagt hat: Sie müssen uns doch verstehen. Wir wollen das Projekt jetzt durchziehen, wir haben lange daran gearbeitet, und wir wollen jetzt die landesplanerische Feststellung. - Da entstand schon der Eindruck einer Überrumpelungstaktik. Das haben die Bürgerinnen und Bürger natürlich auch gespürt, und selbst die Gebietskörperschaften, die nicht grundsätzlich gegen die Verbesserung der Schieneninfrastruktur sind, haben gesagt: Wir brauchen eine Verlängerung des Verfahrens. - Dies ist aber nur um 14 Tage verlängert worden. Das gilt für rot-grün regierte Landkreise wie Verden genauso wie für schwarz regierte Landkreise wie beispielsweise Rotenburg oder Soltau-Fallingbostel.

Meine Damen und Herren, wir möchten, nachdem wir uns noch einmal genau mit dem Inhalt der Petition befasst haben,

(Beckmann [SPD]: Haben Sie das vorher nicht gemacht?)

dass der Regierung die Petition und auch die drei Petitionen, die noch ausstehen und die sehr ausführlich gehalten sind, als Material überwiesen werden. Damit möchten wir der Regierung und auch dem Antragsteller, der Bahn, Gelegenheit geben, nun offensiv einen Bürgerdialog einzuleiten. Es kann doch nicht angehen, dass man wacke

re Abgeordnete wie Bodo Räke und Heiner Ehlen in der Region alleine lässt und ihnen sozusagen die Aufklärung überlässt. Dann entbrennt noch ein Parteienstreit darüber. In erster Linie sind aber der Antragsteller und die Regierung, die dahinter steht, gefordert, den Bürgerdialog zu führen. Dann würden sich die Menschen in der Region auf ernst genommen fühlen.

Wir haben dafür ein gutes Beispiel. Dabei ging es um die Elbvertiefung. Auch das war zunächst sehr umstritten. Dann hat insbesondere die Bezirksregierung sehr sachlich über die wirtschaftlichen Folgen des Verzichts auf diese Maßnahme hingewiesen. Schließlich hat die betroffene Bevölkerung entlang der Unterelbe gesagt: Wir müssen das wohl erdulden, obwohl wir um die Deichsicherheit fürchten; denn es geht hier um Arbeitsplätze, um Wirtschaftsentwicklung und um soziale Sicherheit für die Region.

Wenn man auch bei dem Thema der Y-Trasse eine solche Linie der Aufklärung und des Dialogs führte, dann entstünde nach meiner Überzeugung in der Region zumindest Verständnis für die geplante Maßnahme. Uns geht es jedenfalls darum, dass die Anliegen der betroffenen Menschen ernst genommen werden.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Biel [SPD]: Herr Hogrefe, man muss auch einmal den Mut haben, den Bürgern die Wahrheit zu sagen!)

Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Schurreit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu den gleichen Petitionen sprechen. Hierbei handelt es sich um eine Sammlung von 37 Petitionen gleich lautenden Wortlauts, eingereicht von Leuten, die die Realisierung einer Y-Trasse in der Region im Prinzip ablehnen. Das ist der Inhalt der Petitionen.

Im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr haben wir gemeinsam mit der CDU