Protocol of the Session on January 23, 2003

Minister für Wissenschaft und Kultur Staatssekretär Dr. R e i n h a r d t , O p p e r m a n n (SPD) Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur

Umweltminister Staatssekretärin W i t t e , J ü t t n e r (SPD) Niedersächsisches Umweltministerium

Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten S e n f f (SPD)

Beginn: 9.01 Uhr.

Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsi- dent!)

Ich eröffne die 128. Sitzung im 48. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 14. Wahlperiode.

Die Beschlussfähigkeit werde ich zu gegebener Zeit feststellen.

Geburtstag hat heute die Abgeordnete Frau Hemme.

(Beifall)

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 23, den Dringlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 18.30 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst - bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr - wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Guten Morgen! Es haben sich für heute entschuldigt von der Fraktion der SPD die Herren Glogowski und Wendhausen.

Meine Damen und Herren, bevor ich die Dringlichen Anfragen aufrufe: Mir liegt eine Meldung zur Geschäftsordnung vor. Herr Kollege Schünemann!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beantrage, die Tagesordnung um einen wichtigen Punkt zu erweitern.

Herr Innenminister Bartling hat in der Sendung „Wahlhearing“ am Montag behauptet, dass die Kriminalitätsentwicklung in Niedersachsen rückläufig sei.

Heute muss ich der Presse entnehmen, dass diese Mitteilung eine - um es vorsichtig auszudrücken gewagte Behauptung ist. Es ist zu lesen, dass es im Jahr 2002 einen dramatischen Anstieg gegeben hat - um wohl 13,5 % -, und das gerade in den Feldern, die das Sicherheitsbedürfnis der Menschen besonders berühren: im Bereich Sexualdelikte um 22,5 %, im Bereich Körperverletzung um 14,8 %, im Bereich Diebstahl aus Autos um 16,4 % und im Bereich schwerer Diebstahl um 15,8 %.

Meine Damen und Herren, ich meine, die Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf, über die wahre Kriminalitätsentwicklung in Niedersachsen informiert zu werden.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD - Frau Merk [SPD]: Scharfma- cher! - Plaue [SPD]: Lufthoheit über den Stammtischen!)

Aus dem Grunde beantrage ich, dass die Tagesordnung um den Punkt „Unterrichtung der Landesregierung über die Kriminalitätsentwicklung in Niedersachsen“ erweitert wird.

(Beifall bei der CDU - Adam [SPD]: Das ist der CDU so wichtig, dass noch nicht einmal 20 Leute da sind!)

Ebenfalls zur Geschäftsordnung hat sich der Kollege Möhrmann gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt nach unserer Auffassung keinen Anlass, die heutige Tagesordnung zu erweitern;

(Beifall bei der SPD)

denn den Streit, Herr Schünemann, den Sie hier führen wollen, führen wir eigentlich in jeder Plenarsitzung.

Meine Damen und Herren, die Zahlen liegen alle auf dem Tisch. Von daher sieht die SPD-Fraktion keine Notwendigkeit, die Tagesordnung zu erweitern. Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nach den Regeln der Geschäftsordnung ist eine Änderung der Tagesordnung möglich, sofern nicht eine Fraktion widerspricht. - Das ist geschehen. Insofern ist eine Änderung der Tagesordnung abgelehnt worden.

(Beifall bei der SPD - Schünemann [CDU]: Das ist ja unglaublich!)

Wir sind damit bei

Tagesordnungspunkt 23: Dringliche Anfragen

Es liegen drei Dringliche Anfragen vor: a) Pflege in Niedersachsen - Niedersachsen ein Pflegefall? Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 14/4088 -, b) Waffen- und Militariabörsen in Niedersachsen verhindern - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/4089 - und c) Abrechnungsbetrug in Niedersachsen - Anfrage der Fraktion der SPD Drs. 14/4091.

Nach § 48 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung darf jeder Abgeordnete nur bis zu zwei Zusatzfragen stellen. Zu zählen sind die einzelnen Fragen. Die Zusatzfragen müssen knapp und sachlich sein. Sie müssen zur Sache gehören und dürfen die Frage nicht auf andere Gegenstände ausdehnen. Sie dürfen nicht verlesen werden.

Ich rufe auf

a) Pflege in Niedersachsen - Niedersachsen ein Pflegefall? - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 14/4088

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Kollegin Schliepack.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Unantastbarkeit der Menschenwürde entsprechend Artikel 1 des Grundgesetzes gilt für alle Menschen, auch und besonders für jene, die wegen ihres Alters oder infolge von körperlicher, geistiger, seelischer, psychischer Behinderung oder schwerer Krankheit ambulant oder stationär gepflegt werden. Dieser Anspruch beinhaltet das Recht auf ein Leben in Selbstbestimmung und Würde, d. h. auf

lebenserhaltende und -gestaltende Maßnahmen, auf Lebensqualität sowie auf Unterstützung und Förderung bei der Entwicklung bzw. dem Erhalt der personalen Identität und Integrität. Erforderlich sind dafür umfassende Lösungsansätze und ein Grundverständnis von Pflege, das Pflege als ganzheitlichen Prozess von Menschenwürde und Lebensqualität akzeptiert und umsetzt.

Im gesamten Pflegebereich Niedersachsens häufen sich die Probleme. Der Landesregierung fehlt es an Strategien, die finanziellen Probleme im stationären und ambulanten Bereich zu lösen und dem absehbaren Fachkräftemangel Einhalt zu gebieten.

Trotz der Erhöhung der Vergütung für ambulante Leistungen um 2 % durch die Pflegeversicherung und der 0,8-prozentigen Erhöhung bei der häuslichen Krankenpflege schreibt eine Vielzahl der ambulanten Pflegedienste rote Zahlen. 81 % der ambulanten Diakonischen Pflegedienste können keine ausgeglichenen Haushalte mehr ausweisen, 30 % sind von Insolvenz bedroht.

Die Altenhilfeeinrichtungen setzen seit Jahren ihre restlichen Betriebsmittel ein, um die in den Pflegesätzen nicht ausreichend refinanzierten Personalkosten auszugleichen.

Die Schülerzahlen an den Schulen für Alten- und Krankenpflege sind rückläufig, weil die Ausbildungsfinanzierung nicht gesichert ist. Eine wirksame Imagecampagne für die Pflegeberufe fehlt.

Die Folgen des Pflegenotstands führen vor allem in der stationären Altenpflege zu erheblichen Defiziten, wo notwendige Leistungen wie Betreuung, Lebens- und Sterbebegleitung, soziale Integration und vor allem auch die Betreuung und Beaufsichtigung demenzkranker alter Menschen nicht in dem erforderlichen Umfang abgedeckt werden können.

Auch wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Heimen ihr Bestes geben, bleibt festzuhalten: Eine Pflege im Minutentakt verhindert, dass in angemessener Weise auf die individuellen Bedürfnisse der zu pflegenden Menschen eingegangen werden kann.

Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen diese Defizite und Missstände zu regelmäßigen inneren Konfliktsituationen und oft zu einem permanent schlechten Gewissen sich selbst und den alten Menschen gegenüber.

Um eine menschenwürdige, ganzheitliche Pflege und Betreuung alter und/oder kranker Menschen zu gewährleisten, sind seitens des Landes Niedersachsen eine andere Kostenverteilung und Prioritätensetzung dringend erforderlich.

In Niedersachsen waren Anfang des Jahres 2002 insgesamt rund 200 000 Menschen pflegebedürftig, davon lebten etwa 65 000 in Pflegeheimen. Der Anteil alter Menschen an der Bevölkerung nimmt stetig zu, gleichzeitig können immer weniger Familien ihre Angehörigen pflegen. Deshalb müssen jetzt dringend Lösungen für die Zukunft der Pflege aufgezeigt werden.

Wir fragen daher die Landesregierung:

1. Wie schätzt sie die prozentuale Steigerung des Pflegebedarfs bei ambulanter und stationärer Versorgung in den nächsten zehn Jahren ein?

2. Welche Maßnahmen hat sie bisher ergriffen, um den steigenden Bedarf an Pflege durch mehr qualifiziertes Personal auszugleichen?