Protocol of the Session on January 23, 2003

Ansonsten wird man zur Betonung der häuslichen Pflege ganz grundsätzliche Fragen an das System der Pflegeversicherung zu stellen haben. Auch dies sind Fragen, die im Rahmen der RürupKommission zurzeit behandelt werden, sodass ich davon ausgehe, dass sich der Paradigmenwechsel von der Einrichtung hin zur Unterstützung der häuslichen Pflege in den Reformvorschlägen niederschlagen wird.

(Beifall bei der SPD)

Es folgt Herr Hepke. Dann Frau Albrecht zu ihrer zweiten Frage.

Frau Ministerin, wie viele stationäre Pflegeeinrichtungen mussten in Niedersachsen bisher wegen Zahlungsunfähigkeit aufgeben?

(Frau Schliepack [CDU]: Das haben wir schon vor zehn Minuten gefragt!)

- Entschuldigung, das war die Frage nach den ambulanten Einrichtungen. Ich habe jetzt nach den stationären gefragt.

(Frau Elsner-Solar [SPD] – zur CDU -: Sie haben nicht zugehört!)

Frau Ministerin!

Über Aufgaben wegen Zahlungsunfähigkeit liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Trotzdem kann man sich fragen, ob es Indizien für das Wegbrechen von stationären Pflegeeinrichtungen gibt. Ich habe mir deshalb hilfsweise die Pflegestatistik zur Hand genommen und festgestellt, dass in der Zeit vom 15. Dezember 1999 bis zum 15. Dezember 2001 die Zahl der stationären Pflegeeinrichtungen um 36 gestiegen ist und in allen Einrichtungen zusammengenommen ein Anstieg um über 4 000 Plätze zu verzeichnen ist. Das heißt schlicht und ergreifend: Wenn der Markt so wäre, dass er zu vielen Insolvenzen, zu vielen Konkursen führen würde, würden sich die vielen Anbieter, gerade die privaten Anbieter, dieses Marktes nicht mehr bedienen. Fakt ist aber, dass es sich um einen

sich stetig ausweitenden Markt handelt. Das macht deutlich: Offensichtlich stimmen die Verhältnisse dort noch.

Frau Albrecht hat nun das Wort zu ihrer zweiten Frage. Danach folgt Herr Raske.

Frau Ministerin, wie schätzen Sie die Finanzierungslücken im Bereich der ambulanten und der stationären Pflege hinsichtlich der Betreuung und Pflege der alten Menschen ein?

(Plaue [SPD]: Man sollte das in einer Großen Anfrage machen! – Dr. Winn [CDU]: Das würde sich lohnen!)

Frau Trauernicht!

Ich habe großes Verständnis dafür, dass man, wenn man nicht so tief in diese Materie einsteigt, eine Frage so formuliert, als gäbe es Finanzierungslücken. Wer sich aber vertieft mit diesem Thema befasst, stellt natürlich fest, dass es keine Finanzierungslücken gibt. Vielmehr gibt es nach dem Gesetz ein leistungsrechtes Entgelt bzw. eine leistungsgerechte Vergütung - so der Fachbegriff. Diese wird zwischen den Leistungsanbietern und den Kostenträgern ausgehandelt. Sie liegt in der Regel - ich erläutere das einmal am Beispiel der stationären Pflege - zwischen 5 500 und 6 000 DM. Die Pflegeversicherung zahlt einen Zuschuss, und die Differenz ist entweder selbst oder vom Sozialhilfeträger zu tragen.

Die Kostenentwicklung der letzten Jahre ist bemerkenswert. Wenn darüber geklagt wird, dass das Geld nicht reiche, stellt sich die Frage, ob es Nullrunden gegeben hat, ob es nicht weitergegangen ist oder ob etwas anderes passiert ist. Deshalb habe ich mir die Pflegesätze der vergangenen Jahre angeschaut. Es ist festzustellen, dass in Niedersachsen die Pflegesätze im Bereich der stationären Pflege in vier Jahren um 16 %, also im Durchschnitt um 4 % pro Jahr, und bei den Pflegestufen I und II sogar um 20 % gestiegen sind. Das macht deutlich, dass es hier in den letzten Jahren keinen Stillstand gegeben hat, sondern dass im Rahmen

dieser Verhandlungen ein leistungsgerechtes Entgelt vereinbart worden ist.

(Zuruf von der CDU)

- Das ist ein Verfahren aufgrund eines Gesetzes, das wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Ich mache noch einmal deutlich: Wer über diese 16 % hinaus viel mehr Geld verlangt, muss sagen, woher es kommen soll. Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten. Eine Möglichkeit besteht darin, die Sozialversicherungsbeiträge zu erhöhen. Es ist bisher ihre erklärte politische Absicht, dass Sie dies nicht wollen.

(Zuruf von Frau Hansen [CDU])

- Sie können gern sagen, wie Sie das machen wollen. Wer aber die Pflegeversicherungsbeiträge erhöhen will, muss das deutlich sagen.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, die Eigenbeteiligung zu erhöhen und die Betroffenen bzw. deren Angehörige heranzuziehen. Man muss einmal fragen, ob die Bereitschaft besteht, mehr zu zahlen als das, was ohnehin schon aufgebracht werden muss. In anderen Fällen müssten die Sozialhilfeträger herangezogen werden. Das sind die Konstellationen.

(Frau Schliepack [CDU]: Sie sehen also keinen Handlungsbedarf?)

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf eine Presseinformation von Frau von der Leyen. Wenn Sie schon nicht auf mich hören, dann hören Sie in diesem Falle zumindest auf sie. In dieser Frage hat sie nämlich ausnahmsweise einmal Recht. Zum Thema Pflege hat sie ganz deutlich gesagt: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Preis und Qualität der Pflege. Man findet für denselben Preis gute wie auch schlechte Einrichtungen. Deshalb sei das nicht ihr Ansatz, sondern sie würde den Dialog mit allen Beteiligten suchen.

Meine Damen und Herren, das ist wie mit Hase und Igel: Die CDU rennt, wir sind aber schon da.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Frage stellt Herr Raske. Danach hat Herr Dr. Winn das Wort zu seiner zweiten Frage.

Frau Ministerin, welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um das Pflegeleistungsergänzungsgesetz in Niedersachsen zügig umzusetzen, bzw. welche neuen Leistungen können Pflegebedürftige seit der Verabschiedung des Pflegeleistungsergänzungsgesetzes zusätzlich in Anspruch nehmen?

Frau Trauernicht!

Herr Abgeordneter, das Pflegeleistungsergänzungsgesetz beinhaltet zusätzliche Leistungen der Pflegeversicherung für Menschen mit eingeschränkter Alterskompetenz, vor allem altersdemente Menschen. Weil uns die Inhalte dieses Gesetzes politisch so wichtig sind, haben wir unsererseits einiges getan, um es auf den Weg zu bringen. Wir haben den Anspruch der Angehörigen gegenüber der Pflegeversicherung, Geld zu bekommen, um sich selbst von der Betreuung ihrer dementen Angehörigen zu entlasten, durch Verordnung sichergestellt. Wir haben sichergestellt, dass die Anbieter dieser niedrigschwelligen Angebote durch Verordnung anerkannt werden können. Und wir werden durch die Förderung von Anbietern und einer zentralen Koordinierungsstelle einen Anreiz schaffen, niedrigschwellige Betreuungsangebote für die Dementen zu machen. Insofern hat es in der letzten Zeit gerade hierzu erhebliche Aktivitäten gegeben.

Es folgt Herr Dr. Winn mit seiner zweiten Frage. Dann Frau Jahns ebenfalls mit ihrer zweiten Frage.

Schon Ende 2001 hat der Kollege Schwarz die langen Wartezeiten bei der Beantragung von Pflegeleistungen kritisiert; übrigens mit unserer Unterstützung. Ich frage die Landesregierung – Frau Ministerin, Ihr Haus ist Aufsichtsbehörde -: Was haben Sie bisher dagegen unternommen?

Frau Ministerin!

Herr Abgeordneter, auch hier gilt, dass es nach dem Gesetz eigentlich Aufgabe der Selbstverwaltung ist, dafür Sorge zu tragen, dass das Gesetz im Interesse der Menschen reibungslos umgesetzt wird. Aber die Realität ist häufig eine andere. Deshalb auch hier politische Intervention und zahlreiche Gespräche mit den Pflegekassen. Dies hat zu dem Ergebnis geführt, dass in den entsprechenden Diensten mehr Personal eingestellt worden ist. Wir werden mit Nachdruck dranbleiben, damit die Wartezeiten, die regional übrigens sehr unterschiedlich sind, im Interesse der Menschen reduziert werden.

So ist das: Wenn man ein Gesetz auf den Weg bringt, das der Selbstverwaltung aus guten Gründen, nämlich in der Annahme, dass die Menschen mehr Nutzen daraus haben, mehr Möglichkeiten eröffnet, dann kann man nicht die Politik dafür verantwortlich machen, wenn es bei der Umsetzung hapert.

Nichtsdestotrotz: Zuständigkeiten sind nicht mein Thema, sondern mein Thema ist die Durchsetzung im Interesse der Menschen. Deshalb unsere Aktivitäten. Zum Glück gibt es jetzt Mittel für mehr Personal beim Medizinischen Dienst.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Frau Jahns zu ihrer zweiten Frage. Danach Frau Pothmer ebenfalls zu ihrer zweiten Frage.

Frau Ministerin, was hat die Landesregierung unternommen, um die Bereitschaft zur Besetzung aller Ausbildungsplätze zu fördern?

(Frau Merk [SPD]: Alles! Das hat sie gerade erklärt!)

- Sie hat nur Absichtserklärungen gemacht, aber nichts Konkretes gesagt!

(Frau Merk [SPD]: Alles erklärt, und dann wieder die gleichen Fragen!)

Frau Trauernicht!

Ich könnte noch einmal das System erklären. Ich lasse es jetzt aber, weil ich glaube, in Wirklichkeit haben das alle verstanden.

Allerdings verweise ich noch einmal darauf: Die von Ihnen angesprochenen vermeintlichen Lücken, Probleme und Defizite gibt es zum Glück nicht, weil die Leistungsanbieter, die Schulträger und die Kostenträger erfolgreich waren. Ich mache das an Folgendem deutlich: Im Bereich der Altenpflege ist die Zahl der Ausbildungsplätze von 2001 auf 2002 um 250 Personen auf jetzt 4 200 gestiegen. Im Bereich der Altenpflegehilfe hat sich das Ausbildungsangebot mehr als verdoppelt. Das heißt, dass tatsächlich das Potenzial ausgeschöpft ist und es von daher keine Probleme gibt. Es gibt auch einen Anreiz für die Einrichtungen, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, weil sie pro Ausbildungsplatz zusätzlich 12 000 DM erhalten.

(Frau Schröder [CDU]: Euro, nicht DM!)

- Ja, rechnen Sie es um: ca. 6 000 €.

(Frau Jahns [CDU]: Das ist viel zu wenig!)

Insofern ist das eine recht gute Situation. Jetzt kommt es auf jeden an. Bei zahlreichen Besuchen, die ich im letzten Jahr gerade im Bereich der ambulanten und stationären Pflege durchgeführt habe, haben mir die Träger gesagt, wie wichtig es ist, dass sie selbst dafür sorgen, dass das Personal gute Arbeitsbedingungen hat und gut arbeitet. Die Träger, die sich intensiv um ihr Personal bemühen, es in den Einrichtungen halten und auf die Interessen und Belange der Arbeitnehmerinnen - es sind zumeist Arbeitnehmerinnen - eingehen, sind die erfolgreichen. Dort gibt es auch eine große Zufriedenheit bei denjenigen, die von ihnen gepflegt werden. Deswegen ist das der Schlüssel. Ein guter Unternehmer weiß das. Im Sinne des Blüm‘schen Pflegeversicherungsgesetzes ist natürlich auch jeder Träger einer Einrichtung ein Unternehmer. Er hat Sorge dafür zu tragen, dass er den Nachwuchs bekommt. Wenn er keinen Nachwuchs hat, hat er selbst den größten Schaden. Diese Aktivitäten werden von uns unterstützt.

(Beifall bei der SPD)

Es folgt Frau Pothmer zur zweiten Frage. Dann Herr Groth.