Protocol of the Session on January 23, 2003

lichkeiten zu schaffen, dass Streitigkeiten im Rahmen von Schiedsstellen erledigt werden.

Frau Schröder!

Frau Ministerin, wie viele Konkurse oder Rückzüge der ambulanten Pflegedienste sind der Landesregierung bekannt?

Frau Dr. Trauernicht!

Darüber gibt es naturgemäß keine Statistik.

(Zuruf von der CDU: Warum „natur- gemäß“?)

Aber bekannt ist, dass es im Rahmen der ambulanten Pflege am Stichtag 15. Dezember vier ambulante Pflegedienste weniger gegeben hat. Bei einem Bestand von ca. 1 000 Pflegediensten ist bekannt, dass es pro Jahr zu 20 bis 25 Zu- und Abgängen kommt. Wir hatten eine Zeit des rasanten Ausbaus der ambulanten Pflegedienste. Jetzt gibt es offensichtlich eine Art Marktsättigung. Im Rahmen dieser Marktsättigung kommt es auch zu Umschichtungen. Diese 20 bis 25 Zu- und Abgänge sind aber nicht mit Insolvenzen und Konkursen gleichzusetzen, sondern diese entstehen auch dadurch, dass sich Pflegedienste beispielsweise zu größeren Einheiten zusammenschließen oder die Einrichtungen aus anderen Gründen aufgegeben werden. Von einer Entwicklung des Wegbrechens ganzer Pflegedienste kann also überhaupt nicht die Rede sein.

(Zuruf von der CDU: Wie erklären Sie sich dann, dass Sie abgelehnt ha- ben?)

Frau Albrecht! Dann Frau Elsner-Solar.

Frau Ministerin, sind Sie der Auffassung, dass das Pflegequalitätssicherungsgesetz ohne Mehrkosten umzusetzen ist?

Frau Ministerin!

Nein, wir gehen davon aus, dass es zu Mehrkosten kommt. Über die Anerkennung von Qualitätsbeauftragten im Pflegesatz z. B. wird zurzeit vor der Schiedsstelle verhandelt.

Frau Elsner-Solar! Dann Frau Pothmer.

Frau Ministerin, Sie erwähnten vorhin das Pflegenotruftelefon, das von der Landesregierung und vom Sozialverband Deutschland zusammen unterhalten wird. Liegen Ihnen Erkenntnisse darüber vor, welche Erfahrungen damit gemacht worden sind und welche Leistungen die Anruferinnen und Anrufer erwarten können?

Frau Ministerin!

Nach Auskunft des Trägers Sozialverband Deutschland, Verband Niedersachsen, wird das Pflegenotruftelefon gut angenommen. Das hat auch damit zu tun, dass es Tag und Nacht erreichbar ist. Es hat im ersten halben Jahr ca. 600 Anfragen von Bewohnern, von Angehörigen, aber auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtungen gegeben.

Es sind nicht nur Abfragen und Informationen, sondern es finden auch Beratungen statt, sodass ich sagen kann: Die Einrichtung des Pflegenotruftelefons hat sich tatsächlich sehr gelohnt, weil es vielen die Möglichkeit gibt, ihre Informationen erst einmal anonym an jemand heranzutragen und sich über die eigene Einschätzung, über rechtliche

Möglichkeiten, über Standards und über anderes mehr zu vergewissern.

Frau Pothmer! Dann Herr Dr. Winn.

Frau Ministerin, wie steht die Landesregierung vor dem Hintergrund von, wie zumindest ich finde, unbestreitbaren Problemen in der Pflege zu den Bestrebungen der Pflegekräfte, eine Pflegekammer einzurichten, um der Pflege innerhalb des Gesundheitssystems einen größeren Stellenwert zu geben?

Frau Dr. Trauernicht!

Das Engagement, das man in und von einer Pflegekammer erwartet, wird jetzt in der Regel von den Berufsverbänden übernommen. Eine Diskussion darüber lohnt sich im Hinblick auf eine Konzentration des Engagements und auch der Interessenvertretung. Es gibt aber offensichtlich rechtliche Probleme in der Umsetzung. Deswegen sind wir zurzeit darüber im Gespräch. Mein Haus klärt die Voraussetzungen. Wir haben ein Interesse daran, dass es alles, was den Bereich Pflege auch institutionell stärkt, tatsächlich in Niedersachsen gibt. Sobald die rechtlichen Probleme ausgeräumt sind, wird man dieses in Angriff nehmen können.

Herr Dr. Winn! Dann Frau Zachow.

Frau Ministerin, wie beurteilen Sie die Aussage der Enquete-Kommission, dass bei einer beitragsstabilisierenden Anpassung in den Jahren 2000 bis 2040 der Wert in Bezug auf die finanzierbaren Pflegeleistungen etwa um die Hälfte sinkt?

Frau Ministerin, bitte!

Dieser Themenkomplex ist von der Bundesregierung aufgegriffen und zur grundsätzlichen Bewertung durch die verschiedenen Gruppen der so genannten Rürup-Kommission übertragen worden. Dort wird es im Rahmen des Vorschlages für die Zukunftsfähigkeit der Pflegeversicherung auch hierzu eine Einschätzung und eine Antwort geben.

Frau Zachow! Dann Herr Will.

Frau Ministerin, wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die rot-grüne Bundesregierung den von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eingebrachten Gesetzentwurf zum Personalverstärkungsgesetz abgelehnt hat, obwohl die Anforderungen an Qualität und auch der Verwaltungsaufwand ständig steigen und dadurch mehr Personal nötig wäre?

Frau Ministerin, bitte!

Dass es im Bereich der Pflegeversicherung und ihrer Umsetzung in der Praxis Probleme gibt, ist allein daran abzulesen, dass es nach der Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes eine Vielzahl an Reformen gegeben hat, um das Ursprungsgesetz zu verbessern. Das Gesetz ist inzwischen fast unübersichtlich, nur Fachleute verstehen es noch, und es gibt einen großen Widerstand auch aus der Praxis gegen weitere Gesetze dieser Art, zumal beim Thema Personalverstärkungsgesetz natürlich zwei Dinge zu beachten sind. Erstens. Wer mehr Personal in die Einrichtungen geben will, muss sagen, wie er das finanzieren will. Hier steht die Frage der Sozialversicherungsbeiträge, der 1,7-%-Marke, im Raum. Alle sind sich einig, dass dieser Satz nicht steigen kann. Wie also soll man mehr Personal finanzieren?

Zweitens gibt es - das können Sie sicherlich aufgrund vielfältiger Besuche bestätigen - keinen einfachen Zusammenhang zwischen Qualität und Preis. Es ist nicht so, dass, je höher der Preis ist, umso besser auch die Qualität ist. Ich sage aber auch ganz ausdrücklich: Qualität ist nicht für jeden

Preis zu haben. Wir brauchen eine leistungsgerechte Vergütung. Deswegen sind die zurzeit in Gang gesetzten Qualitätsentwicklungsprozesse über Personalentwicklung, Personalpflege und Zertifizierung der richtige Weg, um das zu sichern, was wir alle wollen: ein gutes, verlässliches Angebot mit einer hohen Qualität für die Menschen und nach Möglichkeit auch einer großen Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Träger.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Will! Es folgt Frau Jahns.

Frau Ministerin, trifft es zu, dass sowohl die Heimaufsicht als auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen bei Prüfungen festgestellt haben, dass zwischen der Höhe der Vergütung und der Pflegequalität kein Zusammenhang herzustellen ist?

Frau Ministerin!

Herr Abgeordneter Will, in der Tat, es gibt keinen erkennbaren linearen Zusammenhang. Es ist nicht so, dass die Qualität besser wird, wenn mehr Geld in eine Einrichtung geht. Aber ich sage noch einmal, dass auch der Umkehrschluss nicht richtig ist. Qualität ist nicht für jeden Preis zu haben. Deswegen halte ich das Aushandeln einer leistungsgerechten Vergütung für jede einzelne Einrichtung mit dem Kostenträger und Empfehlungen des Landespflegeausschusses zu Standards für den richtigen Weg. Eventuelle Konflikte einzelner Einrichtungen werden dann in den Schiedsstellen ausgehandelt und nicht immer zum Schaden der Einrichtung. Ich meine, dass das System im Prinzip in Ordnung ist.

Frau Jahns! Dann Frau Schröder.

Frau Ministerin, beabsichtigt die Landesregierung, an der Umlagefinanzierung für die Ausbildungsvergütung in der Altenpflege festzuhalten, oder beabsichtigen Sie eine andere Art der Finanzierung?

Frau Trauernicht!

Sie wissen, Frau Abgeordnete, dass wir hier von der Rechtsprechung abhängig sind. Wir warten die verfassungsgerichtlichen Urteile ab und werden danach unsere Position neu definieren. Wir sind aber auch im Gespräch mit den Trägern, denn alle haben natürlich ein Interesse an einem System, das zu einer ausreichenden Zahl von Auszubildenden führt. Die bisherige Entwicklung ist ausgesprochen positiv. Wir haben entgegen Ihren Aussagen allein im letzten Jahr eine Steigerung in der Altenpflegeausbildung um 200.

(Frau Zachow [CDU]: Nachdem fast nichts war! Das ist doch kein Kunst- stück!)

In den letzten zehn Jahren betrug die Steigerung in der Altenpflegeausbildung über 30 %, nachzulesen in der Antwort auf die Große Anfrage. Im letzten Jahr hat es noch einmal eine Steigerung der Zahl der Auszubildenden um 200 auf 4 250 gegeben,. Im Bereich der Altenpflegehilfekräfte hat sich die Zahl der Auszubildenden mehr als verdoppelt. Das heißt, dass wir mit dem bisherigen System die Herausforderungen in den Griff kriegen. Ich habe das auch deutlich gemacht an der steigenden Zahl der Heimbewohner und der steigenden Zahl der Altenpflegekräfte in diesen Einrichtungen. Aber wir wissen natürlich auch, dass es in einzelnen Regionen zu Engpässen kommen kann. Deswegen gibt es diesen ganzen Strauß von Maßnahmen gemeinsam mit den Trägern, um genügend Personal zu werben. Dazu gehört natürlich auch, dass man insgesamt ein positives Klima schafft, dass von hier ein positives Signal ausgeht, dass Pflege ein wichtiges Zukunftsthema ist, dass es uns politisch um würdige Pflege geht. Wir müssen bei den jungen Menschen für diesen Beruf werben und denjenigen, die sich für diesen schweren Beruf entscheiden, auch Wertschätzung entgegenbringen.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Schröder! Dann Herr Hepke.

Frau Ministerin, was hat die Landesregierung unternommen, um die häusliche Pflege gegenüber der stationären Pflege zu stärken?

(Plaue [SPD]: Das war der Inhalt ei- ner Großen Anfrage! Herr Präsident, darauf muss man lange antworten können!)

Frau Trauernicht!

Sie wissen, dass die Förderung der Investitionskosten im ambulanten Bereich nach unserem niedersächsischen Landespflegegesetz bundesweit beispielhaft ist. Wir haben, wie Sie ja auch, den Vorrang der ambulanten Pflege zu einem politischen Ziel erklärt, weil es den Menschen darum geht, so lange wie möglich in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben. Deswegen gibt es die in der Kleinen Anfrage erwähnten Aktivitäten zur Stärkung der häuslichen Pflege. Alle Qualitätsentwicklungsprozesse und alle Personalgewinnungsprozesse schließen selbstverständlich den Bereich der häuslichen Krankenpflege mit ein.

Wir haben uns gerade wegen der Bedeutung der häuslichen Krankenpflege bei dem Abschluss der leistungsgerechten Entgelte moderierend betätigt. Sie wissen, lange Zeit war eine Nullrunde im Gespräch. Ich hielt dies gerade im Bereich der häuslichen Krankenpflege nicht für akzeptabel. Mein Haus hat sich stark gemacht und durch die Moderation erreicht, dass es zu einer bemerkenswerten und zumindest von den Trägern anerkannten Steigerung gekommen ist. Darüber hinaus tun wir alles, um Menschen, die zu Hause leben, zu entlasten. Ich hatte auf das flächendeckende Netz zur Entlastung von Angehörigen verwiesen, die ihre demenzkranken Angehörigen pflegen. Damit können wir als Land Akzente setzen und deutlich machen, dass es hier einen Vorrang gibt.

Ansonsten wird man zur Betonung der häuslichen Pflege ganz grundsätzliche Fragen an das System der Pflegeversicherung zu stellen haben. Auch dies sind Fragen, die im Rahmen der RürupKommission zurzeit behandelt werden, sodass ich davon ausgehe, dass sich der Paradigmenwechsel von der Einrichtung hin zur Unterstützung der häuslichen Pflege in den Reformvorschlägen niederschlagen wird.