Protocol of the Session on January 23, 2003

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Das muss im Gesetz geklärt werden!)

Ich empfehle Ihnen, diese Mehrheit zu akzeptieren. Lassen Sie unsere Regel über die Erdbestattung im Sarg und auch die Feuerbestattung in einer Urne auf dem Friedhof bestehen. Ausnahmemöglichkeiten gibt es immer, und so soll es auch bleiben.

Was Ihre Anregung unter Ziffer 3 angeht, möchte ich darauf hinweisen, dass wir dieses Thema in mehreren Petitionen behandelt haben. Es ist sicherlich Handlungsbedarf gegeben. Aber wir haben die Petitionen als Material an die Landesregierung überwiesen, sodass damit zu rechnen ist, dass irgendwann einmal eine Aussage dazu kommt. Ansonsten kann ich Ihnen nur sagen, dass mich dieser Antrag sehr tief betroffen gemacht hat. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin Dr. Trauernicht hat sich zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist völlig richtig, dass die

Vorschriften zum Leichen- und Bestattungsgesetz veraltet und novellierungsbedürftig sind. Erlauben Sie auch mir eine persönliche Bewertung: Für mich steht außer Frage, dass die vorgeschriebene Sargpflicht und die Bedürfnisse einer multikulturellen Gesellschaft nicht mehr zusammenpassen. Schon hier gibt es Änderungsbedarf.

(Beifall bei der SPD)

Allerdings, sehr geehrte Frau Abgeordnete Pothmer, gibt es eine ganze Reihe von weiteren Fragen, die sehr sensibel mit den Partnern, mit den Kirchen und den Kommunen zu erörtern sind. Als Beispiele dafür nenne ich die Bestattungsmöglichkeit für Tot- und Fehlgeburten sowie die wichtige und offensichtlich strittige Frage, ab welchem Gewicht oder Schwangerschaftsstadium die Möglichkeit der Beerdigung von Föten eingeräumt werden soll oder ob es gar eine Verpflichtung dazu ab einer bestimmten Größe oder ab einem bestimmten Gewicht geben soll. Dazu sagen Sie in Ihrer Entschließung noch gar nichts. Auch diese Fragen sind zu klären.

Anderer Meinung bin ich allerdings, wenn es um die Aufbewahrung von Urnen geht. Ich persönlich empfinde die Totenruhe als gestört, wenn die Asche bzw. Urne eines Verstorbenen zum Zierrad privater Räume wird.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Ausführungen zeigen bereits eines ganz deutlich: Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Diskussion, denn das Thema bewegt die Menschen. Deshalb möchte ich diese Punkte ausführlich mit den Partnern zusammen diskutieren. Eventuell wird es dann auch zum Thema Aufbewahrung von Urnen einen Weg zwischen ganz oder gar nicht geben.

Außerdem gibt es eine ganze Reihe von Bereichen, die bei einer Novellierung des Bestattungswesens unbedingt zu berücksichtigen sind, die aber in dem Antrag noch nicht benannt worden sind. Es geht z. B. um die Frage, wann Sektionen, die insbesondere im Hochschulbereich von zentraler Bedeutung sind, zulässig sind oder wie der Fall der zweiten Leichenschau bei Feuerbestattungen zu regeln ist.

Ich möchte Sie deshalb ganz herzlich bitten, Frau Abgeordnete Pothmer, nicht im Schnellverfahren in der letzten Plenarsitzung vor der Landtagswahl diesen Antrag aufrechtzuerhalten. Meine Bitte: Ziehen Sie den Antrag zurück; lassen Sie uns in

der nächsten Legislaturperiode gemeinsam eine vollständige Novellierung der Rechtslage in Angriff nehmen. Sollten Sie sich dazu nicht durchringen können, bitte ich die Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages aus den genannten Erwägungen heraus, diesen Antrag heute abzulehnen, auch wenn - das will ich noch einmal ausdrücklich betonen - eine Novellierung ganz ohne Zweifel notwendig ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Schwarz hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fange mit dem Punkt 3 an, der Frage zu Tot- und Fehlgeburten. Wir haben wiederholt Petitionen im Fachausschuss beraten müssen, in denen Eltern den Wunsch geäußert haben, die Fehlgeburt beerdigen zu können. Dies ist am kommunalen Recht gescheitert, weil das eine Frage des kommunalen Satzungsrechtes ist. Wir waren uns seinerzeit im Ausschuss einig, dass den Eltern die Möglichkeit gegeben werden muss, auch wenn es sich um einen Fötus handelt, diesen beerdigen zu können, wenn sie das möchten. Das ist eine ganz wichtige Frage. Hier spielen für mich der Elternwille und der Wille der Hinterbliebenen eine ganz entscheidende Rolle, und der muss eingeräumt werden.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Der zweite Punkt ist die Frage der Sargpflicht. Frau Jahns, ich habe eine andere Meinung als die, die Sie vorgetragen haben. Ich will auch darauf hinweisen, dass unser Grundgesetz Religionsfreiheit garantiert. Wir haben islamische Mitbürgerinnen und Mitbürger, und sie müssen die Möglichkeit haben, im Sinne ihrer Religion eine Beerdigung durchzuführen. Wir können sie nicht in den Konflikt stürzen. Genau wie wir für uns in Anspruch nehmen, nach christlichem Ritus eine Beerdigung durchzuführen,

(Zuruf von der CDU: Wir leben nicht am Hindukusch!)

müssen wir das auch dieser Glaubensrichtung zugestehen. Insofern bin ich an dieser Stelle sehr wohl dafür. Ich meine, das ist ein außerordentlich

ernstes Thema. Vielleicht ist es bei diesem Thema möglich, nicht mit Zwischenrufen zu agieren.

(Frau Jahns [CDU]: Das sollten Sie vielleicht einmal Ihrer Fraktion sa- gen!)

- Nein, ich sage das generell. - Das ist ein Thema, bei dem jeder auf der Basis seiner religiösen und weltanschaulichen Perspektive für sich entscheiden muss, und insofern muss man das hier mit dem notwendigen Ernst diskutieren.

Möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Nein, ich möchte keine Zwischenfrage zulassen.

Die dritte Frage ist die nach dem Friedhofszwang. Ich stelle fest, dass es dazu in unserer Fraktion sehr unterschiedliche Auffassungen gibt. Ich sage Ihnen meine persönliche Auffassung, die offensichtlich mit der Mehrheit in meiner Fraktion übereinstimmt. Ich halte das für eine Frage, die eine reine Gewissensentscheidung erfordert. Jeder muss dabei so entscheiden, wie es seinem Gewissen entspricht. Ich bin der Auffassung, dass der Friedhofszwang nicht aufgehoben werden sollte, und bin der Überzeugung, dass der Gesichtspunkt in Ihrem Antrag, dem Willen des Verstorbenen solle entsprochen werden, zum Teil nur sehr schwer zu realisieren sein wird. Es ist gegebenenfalls in der ersten Generation der Angehörigen diese persönliche Bindung da, es ist vielleicht auch für die erste Generation möglich, den Ort der Stille zu Hause zu finden. Ich frage mich aber: Was passiert mit der zweiten Generation? Was passiert mit den Erben, die überhaupt keine persönliche oder direkte Verbindung mehr zu der oder dem Verstorbenen haben? Ich befürchte, dass es dort zu sehr pietätlosen Veranstaltungen kommt.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Dies ist eine Situation, in der meines Erachtens die Ehre der oder des Toten und die Totenruhe nicht mehr gewährleistet sind. Insofern bin ich wirklich der Auffassung, dass wir an dieser Stelle in aller Ruhe darüber diskutieren müssen - wie über den ganzen Antrag, den man nicht übers Knie brechen soll -, obwohl wir wissen, dass eine Novellierung notwendig ist. Wir sollten das in der nächsten Le

gislaturperiode in aller Ruhe machen und sollten dann sehen, zu welchen Ergebnissen wir kommen. Ich wiederhole noch einmal: Bezüglich des letzten Punktes bin ich der Auffassung - und da spreche ich für die ganze Fraktion -, dass an dieser Stelle Gewissensfreiheit vorgegeben sein muss und auch entsprechend votiert werden muss.

(Beifall bei der SPD - Frau Jahns [CDU]: Das haben wir fraktionsüber- greifend auch so besprochen!)

Frau Pothmer hat noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Jahns, ich war über Ihren Beitrag wirklich etwas schockiert,

(Frau Jahns [CDU]: Ich war scho- ckiert über den Antrag!)

insbesondere über die Stelle, an der Sie noch einmal deutlich gemacht haben, dass Menschen anderer Glaubensrichtungen, wenn sie denn schon bei uns leben wollen, sich dann gefälligst auch unseren christlichen Vorstellungen und Ritualen unterzuordnen haben. Das zeigt sehr deutlich, dass Sie in einer so wichtigen und entscheidenden Frage die Menschen nicht als gleichberechtigte Partner in dieser Gesellschaft akzeptieren. Das finde ich sehr problematisch. Diese Auffassung wird, gepaart mit einem Mangel an Informationen, richtig gefährlich.

Es hat zu diesem Thema bereits eine Anhörung im Landtag in Nordrhein-Westfalen gegeben, und ich kann Ihnen nur die Stellungnahme des Zentralrats der Muslime empfehlen.

(Frau Jahns [CDU]: Die kenne ich, die habe ich gelesen!)

- Wenn Sie die gelesen haben, dann frage ich Sie noch einmal: Wie kommen Sie dann zu der Auffassung, dass die Regelungen, die wir haben, für Menschen anderer Glaubensrichtungen kein Problem darstellen? Da ist das Problem noch einmal ausführlich erörtert worden.

Dann noch einmal zu der Frage, die Sie aufgeworfen haben: Ist es eigentlich verantwortbar, den Umgang mit Urnen freizugeben? Ich will nur darauf hinweisen, dass das derzeit für bestimmte privilegierte Personen schon der Fall ist. Beispiels

weise dem ehemaligen Ministerpräsidenten Albrecht war es möglich, die Urne mit nach Hause zu nehmen und in seinem Garten zu bestatten.

(Frau Jahns [CDU]: Also brauchen wir unsere Kultur nicht mehr, also ge- ben wir unsere Kultur auf!)

Das ist das Problem: Diese Fragestellung wird stark verkürzt auf die Vorstellung, die Urne könnte auf dem Kaminsims stehen. Da gibt es diverse Möglichkeiten. Jemand, der die Urne mit nach Hause nehmen möchte, muss sich klar machen, wo und wie er diese Urne aufzuheben gedenkt. Ich sage noch einmal: Wenn sich jemand dafür entscheidet, zu seinen Lebzeiten schriftlich festzulegen, dass die Urne den Angehörigen ausgehändigt werden soll, dann bin ich mir ganz sicher, dass er sich darüber im Klaren ist, dass das eine andere Art der Totenruhe sein wird, als es sie auf dem Friedhof gibt.

Ich will auch noch einmal auf die Frage der Behandlung der Urne durch die darauf folgenden Generationen eingehen. Wenn Angehörige, die eine Urne mit nach Hause genommen haben und das Gefühl haben, dass die darauf folgende Generation vielleicht nicht mehr entsprechend mit der Urne umgehen wird, haben sie immer noch die Möglichkeit, diese Urne zu bestatten. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die Totenruhe auf den Friedhöfen eine sehr begrenzte Angelegenheit ist. Wir sollten darüber also durchaus etwas differenzierter reden und das nicht nur in Schwarz-Weiß-Kategorien abhandeln.

(Frau Jahns [CDU]: Akzeptieren Menschen muslimischen Glaubens unsere Bestattungskultur in ihren Ländern?)

Ich bin nicht der Auffassung, dass wir jetzt über diesen Antrag abstimmen sollten. Das ist ein Thema, das nicht mit einer kurzen ad-hoc-Beratung abgearbeitet werden kann. Das wäre überhaupt nicht angemessen, und das war nie unsere oder meine Absicht. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun hat der Kollege Dr. Stratmann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Pothmer und Herr Schwarz, Sie sehen an der Tatsache, dass ich mich als Nichtfachmann auf diesem Gebiet zu diesem Thema zu Wort melde, wie mich das Thema auch innerlich erregt. Ich will in aller Ruhe und Sachlichkeit sagen, dass ich es nicht akzeptieren möchte, dass jeder - wie Friedrich der Große gesagt hat - nach seiner Fasson selig wird und jede Religion den Bestattungsritus durchführen darf, den sie möchte.

Ich möchte ausdrücklich ausschließen, dass z. B. hinduistische Mitbürger, die wir in Deutschland haben, nach ihrem Ritus ihre Toten auf ein Floß betten, das dann verbrannt wird. Da ist für mich die religiöse Toleranz am Ende. Da ich aus dem Landtag ausscheide und diese Position in diesem Sinne in Zukunft hier nicht mehr aktiv vertreten kann, wollte ich Ihnen noch einmal zur Mahnung geben, dass wir nicht unsere christlichen Begräbnissitten aufgeben sollen und dürfen.

(Beifall bei der CDU)