Protocol of the Session on December 12, 2002

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, Sie haben eben kritisiert, dass die CDU-Fraktion von „Bandenkrieg“ spricht. Wenn sich zwölf Leute vor der Universität in Hannover gegenseitig beschießen und Sie das noch nicht als „Bandenkrieg“ bezeichnen, frage ich Sie: Erstens. Ab wann würden Sie denn die Bezeichnung „Bandenkrieg“ für gerechtfertigt halten? Zweitens. Welche konkreten Vorstrafen hatten denn die zwölf Täter?

Das waren zwei Fragen. - Herr Innenminister!

Herr Möllring, ich habe die Bezeichnung „Bandenkrieg“ deswegen zurückgewiesen, weil ich den Eindruck hatte, dass damit suggeriert wird, hier passiere jeden Tag so etwas. Ich habe den Eindruck, dass es sich hier um einen Einzelfall handelt, den wir aufklären und bei dem alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden. Wenn man so etwas alle Tage zu gewärtigen hätte, würde ich vielleicht eine solche Wortwahl auch nutzen. Aber da ich wirklich davon ausgehe, dass es sich um einen Vorfall handelt, der sich hoffentlich nicht wiederholt, würde ich den Begriff „Bandenkrieg“ nicht verwenden.

Die zweite Frage: Ich kann Ihnen aus dem Stegreif die einzelnen Vorstrafen nicht nennen. Es gibt eine

Liste. Wenn wir die Liste dabei haben, lese ich sie Ihnen gern vor. Ich kann jetzt nicht beurteilen, inwieweit das personenbezogene Daten sind.

(Möllring [CDU]: Ohne Namen und Geburtsdaten!)

Wenn die Liste vorhanden ist, werde ich sie Ihnen gern vorlesen.

Ist das möglich? Also ohne Nennung von Namen und Daten.

Ich bin gern bereit, Ihnen ohne Nennung von Namen die wesentlichen Erkenntnisse mitzuteilen: diverse Kleinkriminalität, Raubüberfall auf Geldbotin, versuchtes Tötungsdelikt, dann Verdacht eines Tötungsdelikts, Erpressung, schwerer Raub, versuchtes Tötungsdelikt, Haftbefehl - das alles betraf unterschiedliche Personen- , dann Verdacht auf Handel mit Betäubungsmitteln,

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Bei uns kann jeder Idiot bleiben! Unglaublich!)

Tötungsdelikt, Haftbefehl, Menschenhandel, Anstiftung zum Tötungsdelikt, Betrug, Bedrohung, Menschenhandel und Erpressung.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das sind aber alles Allerweltsdelikte?)

- Nein, das sind sie in der Tat nicht. Das ist schon eine ganze Menge, Herr Wulff. Deswegen habe ich ja auch auf die Einzelfälle hingewiesen, bei denen die Voraussetzungen für eine Abschiebung vorliegen. Aber ich habe auch die Fälle genannt, in denen nicht ausgewiesen werden kann. Bei einem ist zu nennen z. B. diverse Kleinkriminalität ohne Verurteilung - das ist auch dabei -, dann versuchtes Tötungsdelikt, weiter gibt es einen Hinweis auf das Bundeskriminalamt, bei einer weiteren Person keine kriminalpolizeilichen Erkenntnisse, bei einer weiteren Person diverse Eigentumskriminalität, Bedrohungen, Handel mit Betäubungsmitteln, schwerer Raub mit Schusswaffe, dann Verurteilung wegen Diebstahls, bei einer weiteren Person diverse Eigentumskriminalität, Brandstiftung, Verdacht auf Schutzgelderpressung, Haftbefehl, bei einer anderen Person Verdacht auf räuberische Erpressung, Handel mit BTM.

Ich habe jetzt nicht vollständig vorgelesen,

(Lachen bei der CDU)

aber das, was ich vorgelesen habe, gibt Ihnen einen Eindruck davon, dass es sich hier nicht um Leute handelt - -

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Sind das Bezieher von Sozialhilfe?)

- Mir ist nicht bekannt, Herr Wulff, ob es Sozialhilfeempfänger sind. Auf jeden Fall haben die Ermittlungen das ergeben, was ich Ihnen dargestellt habe, und wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um diese Menschen zur Verantwortung zu ziehen.

Herr Biallas!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, können Sie uns danach, was Sie eben hier vorgetragen haben, einmal erklären, welche Maßnahmen Sie ergreifen wollen, um Straftäter mit einem derartigen Strafregister möglichst kurzfristig und konsequent abzuschieben?

Herr Bartling!

Herr Biallas, ich habe in dem Text, den ich zur Beantwortung der Frage vorgetragen habe, deutlich gemacht, welche Möglichkeiten der Ausweisung wir haben, die wir auch konsequent nutzen. Diejenigen, die zu einer Strafe von mehr als drei Jahren verurteilt wurden, können ausgewiesen werden. Es gibt einige, die wir nicht ohne weiteres ausweisen können.

(Dr. Stratmann [CDU]: Weil sie die doppelte Staatsbürgerschaft haben!)

Ich darf u. a. auf die drei verweisen, die eingebürgert sind und bei denen es insoweit keine Möglichkeiten gibt. Ich kann nur das wiederholen, was ich eben gesagt habe: Wir nutzen die rechtlichen Möglichkeiten mit aller Konsequenz.

(Dr. Stratmann [CDU]: Das ist ja ein tolles Gesetz gewesen!)

Herr Schröder!

Herr Minister, da Sie vorhin erklärt haben, dass nur ein kleiner Teil von vier Personen bisher vorbestraft ist, frage ich erstens, ob diese eindrucksvolle Liste, die Sie verlesen haben, die Liste der Vorstrafen der Betreffenden war oder ob es sich dabei um Verdachtsgründe der Polizei handelt.

Die zweite Frage: Waren unter den von Ihnen Genannten, die kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten sind, auch deutsche Staatsangehörige?

Herr Bartling!

Es waren vier deutsche Staatsangehörige darunter. Das habe ich vorhin auch schon vorgetragen.

(Zuruf von der CDU: Drei!)

- Oder es waren drei. - Polizeilich in Erscheinung getreten sind sie alle schon. Ich hatte vorhin auch vorgetragen, dass einige von ihnen noch nicht verurteilt worden sind. Das ist die Differenzierung.

Herr Schünemann!

Vor dem Hintergrund Ihrer Schilderungen, die uns alle doch sehr geschockt haben, frage ich Sie: Erstens. Was hat Sie eigentlich bewogen, im Bundesrat der CDU-Initiative nicht zuzustimmen, Straftäter bereits dann abzuschieben, wenn sie zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden sind?

Zweitens. Können Sie uns auch mitteilen, wie viele strafrechtlich verurteilte Ausländer seit 1990 überhaupt in Niedersachsen ausgewiesen worden sind?

Herr Minister!

Herr Schünemann, geben Sie mir ein Stichwort zur letzten Frage!

(Schünemann [CDU]: Wie viele sind tatsächlich ausgewiesen worden?)

- Das müssen wir nachliefern. Die Auskunft kann ich Ihnen zurzeit nicht geben. Die Nichtzustimmung im Bundesrat hatte mit anderen Dingen zu tun. Aber wir wären dieser Fälle auch nicht Herr geworden, wenn wir einer solchen Initiative zugestimmt hätten.

Herr Biallas, Frage zwei!

Herr Minister, da ja allgemein bekannt ist, dass es in der Regel eben nicht zur Abschiebung von kriminellen Ausländern kommt, können Sie einmal vortragen, welche tatsächlichen Hinderungsgründe es eigentlich in der Vergangenheit für die Abschiebung krimineller Ausländer gegeben hat?

Herr Bartling!

Herr Biallas, ein Punkt - den kennen Sie auch - ist natürlich die Genfer Flüchtlingskonvention. Es gibt Abschiebungshindernisse, weil wir in bestimmte Länder nicht abschieben können. In den Fällen haben wir auch die Problematik bei Straftätern. Zu einer solchen Situation kommt es immer wieder, und darauf müssen wir auch Rücksicht nehmen. Die genauen Zahlen kann ich Ihnen, wie bereits gesagt, jetzt aus dem Kopf nicht nennen. Aber es wird abgeschoben, und das wird auch konsequent durchgeführt.

Herr Dr. Stratmann!

Herr Minister, Sie haben eben gesagt, ein Grund für Nichtabschiebung sei die Flüchtlingskonvention. Sie haben aber schon einen zweiten Grund vorgetragen, die doppelte Staatsbürgerschaft. Sie

können also einen, der die deutsche und eine andere Staatsbürgerschaft hat, nicht abschieben, weil er auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Sind Sie immer noch stolz auf dieses tolle Einbürgerungsgesetz?

(Adam [SPD]:Das ist ja peinlich! - Gegenruf von Biallas [CDU]: Das ist euch peinlich!)

Herr Minister!

Herr Stratmann, ich weiß nicht, ob uns die Frage, ob ich stolz bin, viel weiter bringt. Weitere Gründe für die Nichtabschiebung liegen neben der Genfer Flüchtlingskonvention natürlich auch in unserer Ausländergesetzgebung. Aber mit Stolz kommen wir nicht sehr viel weiter. Ich bitte um Nachsicht.

Herr Coenen!

Im Nachhinein ist festgestellt worden, dass bei zwei Personen iranische Pässe vorlagen. Dazu frage ich die Landesregierung: Warum ist dieses im Asylverfahren nicht ermittelt bzw. berücksichtigt worden?