Aber seit 1998 haben wir eine Situation des Umsteuerns. Es wird versucht, sozusagen auf der Basis geologischer Gesichtspunkte und sozialwissenschaftlicher Legitimation, eine Konzeption zu entwickeln, um im Jahre 2030 dann ein Endlager in Betrieb nehmen zu können.
Die Komplikationen der Debatten im Niedersächsischen Landtag haben damit zu tun, dass diese sachfremden Entscheidungen ausschließlich zulasten des Landes Niedersachsen getroffen worden sind. Niedersachsen kann sich zwar sehr wohl in einem Diskurs einbringen, aber wir sehen nicht
Herr Dehde hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir in dieser Frage nicht gerade von Freunden umstellt sind. Frau Harms und ich haben uns 1998 massiv in die Koalitionsverhandlungen eingebracht, um deutlich zu machen, wie eine gerechte Lastenverteilung organisiert werden kann. Deshalb die Überlegungen, wie das mit dem einen Endlager aussieht, und deshalb dieser Antrag, den ich in der Sache uneingeschränkt unterstütze: als Rückenwind für diejenigen, die diesen Umlenkungsprozess von 1998 fortsetzen wollen. Darum geht es.
Herr Jüttner, Sie sprechen über sachfremde Entscheidungen. Gilt das auch für Konrad, das Sie ja genehmigt haben?
Natürlich gilt das auch für Konrad; das ist doch überhaupt keine Frage. Wir führen hier eine politische Debatte über Endlager. Beim Thema Schacht Konrad hat die Planfeststellungsbehörde derartige Vorgaben gehabt, dass sie gar nicht alle sachlichen Gründe in das Verfahren einbeziehen konnte. Der Planfeststellungsbescheid ist rechtlich korrekt - auf der Basis von Einschränkungen, die im Verfahren berücksichtigt werden mussten. Da erzähle ich Ihnen doch nichts Neues. Ich lasse doch nicht zu, dass die Genehmigungsbehörde, die mir untersteht, rechtswidrig arbeitet. Aber ich lasse mir von Ihnen nicht vorschreiben, dass ich hier nicht meine Meinung äußern darf, und die ist nun einmal nicht immer deckungsgleich.
Wenn Sie damit Probleme haben - ich habe die nicht. Das ist ein öffentlicher Diskurs, der über Jahre so läuft. Wir versuchen, die Sachgerechtigkeit und die Rechtslage wieder zueinander zu bringen. Das ist schwierig genug, weil da ganz schnell Entschädigungsfragen und wirtschaftliche Interessen hineinspielen. In dieser Situation stecken wir.
Die Koalitionsvereinbarung in Berlin kann man nun als Fortschreibung der 1998er-Vereinbarung interpretieren. Man kann aber auch böswillig argumentieren und sagen, jetzt müssen wir aufpassen, dass die nicht von der Fahne gehen. Deshalb ist der Antrag absolut richtig. Wir brauchen einen Prozess im Bundestag: Dort müssen rechtliche Grundlagen für eine Endlagerstandortsuche entwickelt werden, auf deren Basis die Endlagerstandortsuche dann auch organisiert werden kann.
Dann wird es auch darum gehen, mit der Energiewirtschaft darüber zu reden, wer wofür verantwortlich ist und wer welche Finanzierung zu übernehmen hat. Ich habe das hier nicht in einer derart scharfen Form wie Frau Harms zum Ausdruck zu bringen. Aber die Logik zwischen Handelsrecht und Atomgesetz hat in den letzten Jahren durchaus zu Wettbewerbsverzerrungen in der deutschen Industrie geführt,
weil der Zwang zu Rückstellungen auf der Basis der Endlagerfrage bestimmten Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschafft hat, die den Prozess der Konzentration in der deutschen Wirtschaft massiv unterstützt haben. Das hat nicht nur Vorteile, meine Damen und Herren, wie wir wissen. Deshalb sind Klagelieder der Energiewirtschaft über zusätzliche Belastungen mit Lockerheit zu ertragen. Auch darauf ist hier hinzuweisen. Wer sich in der internationalen Landschaft gerade die Energieunternehmen verschiedenster Länder zusammenkauft, der hat nicht gute Argumente, wenn es darum geht, zu Hause mal seiner Verantwortlichkeit nachzukommen.
Tränen sind also an dieser Stelle unangebracht, sage ich mal mit aller Deutlichkeit. Deshalb ist es vernünftig, dass der Landtag seine Position hier hält und deutlich macht: Wir wollen, dass ohne Vorgaben Standortsuche stattfindet. Wir wissen, dass auch über Gorleben und Schacht Konrad weiter geredet wird. Das ist so. Aber wir wollen
eine faire Vergleichbarkeit von Standorten. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie das durchsetzt, wenn sie diesen Endbericht jetzt zur Verfügung bekommt, ihn auswertet und daraus die Konsequenzen zieht. Insofern stimme ich völlig damit überein, was Frau Harms zu dem Antrag gesagt hat.
Eine Schlussbemerkung kann ich mir aber nicht verkneifen, Frau Harms. Wenn es uns darum geht, gemeinsam zu unterstützen, dass Atompolitik in Berlin aus einem Guss stattfindet, dann gehört dazu auch die politische Verantwortlichkeit für die Nebenfolgen der Abwicklung einer Technologie. Wenn der Ausstieg aus der Atomenergie mit sich bringt, dass man atomrechtliche Genehmigungen erteilen muss - wie für neue Zwischenlager - und dass zusätzliche Atomtransporte stattfinden müssen, weil man die Materialien aus La Hague zurückholen muss, dann habe ich überhaupt kein Verständnis dafür, dass sich ein herausragendes Mitglied einer Regierungspartei in Berlin, nämlich ein Mitglied des Parteirats der Grünen, hier im Landtag hinstellt und die öffentliche Demonstration bei den Transporten im Wendland als Beitrag zur politischen Kultur ausweist. Das halte ich für unverantwortlich.
Es ist meine und Ihre Aufgabe, der Öffentlichkeit zu erläutern, warum im Zusammenhang mit der Abwicklung der Atompolitik in den nächsten Jahren Atomtransporte notwendig sein werden. Anstatt dafür zu sorgen, dass die Bundesregierung ihre Pflicht übernimmt und die Finanzierung dieser Transporte sicherstellt, und bei anderen Ländern dafür zu sorgen, dass sie im Rahmen der nationalen Verantwortung den niedersächsischen Landeshaushalt für die mehr als 100 Millionen entlasten, die wir allein im letzten Jahr dafür aufgebracht haben, stellen Sie sich hier hin und tragen dazu bei, dass möglichst viele Demonstranten zum nächsten CASTOR-Transport kommen. Das finde ich nicht in Ordnung. Ich sage Ihnen das in aller Deutlichkeit.
Es wäre ganz gut, die Grünen würden mal zu sich finden und in allen Facetten regierungsfähig, die dazu gehören.
Frau Kollegin Harms hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich erteile Ihnen bis zu zwei Minuten, Frau Kollegin Harms.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da musste ja irgendein dickes Ende kommen. Ich muss Ihnen sagen, Herr Minister, ich verstehe die Vorwürfe überhaupt nicht, die Sie hier am Ende vorgetragen haben. Denn bisher ist es ja dem Landtag und der Niedersächsischen Landesregierung nicht geglückt, das Vertrauen in die Durchsetzung einer neuen Suche nach einem neuen Endlagerstandort tatsächlich herzustellen. Ich finde, das gehört dann auch in die politische Kultur, dass man das, was man noch nicht erreicht hat und was nur mit hohem Druck durchzusetzen ist, den Leuten offen sagt. Wenn man sich dieses Kanzlerstück in den Konsensverhandlungen zu Obrigheim anguckt, kann ich Ihnen nur sagen: Mein Vertrauen in die Durchsetzbarkeit der Ausstiegspolitik ist in dieser Situation nicht gewachsen. Ich weiß von den Leuten in LüchowDannenberg, die, so wie ich, immer noch meinen, dass man auch mal auf der Straße Politik machen und vertreten muss, dass es ihnen genau so gegangen ist.
Ich hätte mich im Übrigen gefreut, wenn wir während der Koalitionsverhandlungen in Berlin vielleicht gemeinsam immer mal wieder in Sachen Endlagerung und Entsorgung interveniert hätten. Das war nicht möglich. Ich weiß nicht, woran es lag. Sigmar Gabriel war nicht im Lande, sondern im Nahen Osten. Die Erreichbarkeit derjenigen, die ihn begleitet haben, war auch nicht immer gewährleistet.
Ich würde mich freuen, wenn zumindest Rot und Grün in diesem Landtag tatsächlich in einem Guss für diese neue Endlagersuche eintreten würden, und ich würde mich auch freuen, wenn das nicht nur unter der Bedingung geschähe, dass man sich von denjenigen, die diese politische Arbeit mit ihrem Protest vorangebracht haben, hier distanziert. - Danke.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Wojahn hat um das Wort gebeten. Herr Wojahn, Sie haben noch zweieinhalb Minuten Redezeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man merkt natürlich, dass eine neue Regierung da ist, die in ihrem Koalitionsvertrag in dieser Frage weder die Wünsche der Grünen noch die Wünsche der SPD noch unsere Wünsche erfüllt hat. Man merkt auch, dass der Landtagswahlkampf bevorsteht und dass die Kollegin Harms weder in der Region noch bei den Grünen in Niedersachsen mit dem, was in Berlin passiert, glaubwürdig ist. Das ist völlig klar.
(Zustimmung bei der CDU - Dr. Stratmann [CDU]: Das ist genau der Punkt! - Frau Harms [GRÜNE]: Das werden wir testen!)
Nun müssen wir einen Nebenkriegsschauplatz haben. Ich sage Ihnen: Das macht die CDU nicht mit. Ich denke nicht daran, das mit CASTORDemonstrationen zu verbinden. Wenn die SPD das als Regierungspartei hier in Niedersachsen und als Hauptregierungspartei in Berlin möchte, dann soll sie das gerne tun. Aber dann darf sie nicht beklagen, dass wir im Wendland solche Verhältnisse haben, und dann darf der Innenminister nicht die viele Polizei beklagen. Dann gehört hier auch kein Eiertanz des Umweltministers in Niedersachsen dazu.
Jetzt zum Endlager: Meine Damen und Herren, wir haben keine Einwände gegen die Untersuchung anderer Endlagerstandorte. Wir begrüßen das sogar. Aber wir akzeptieren nicht, dass im gleichen Atemzug, wenn auch nur in der Begründung des Antrages, die Aufgabe von Gorleben und Konrad genannt wird. Das ist nicht die Geschäftsgrundlage, auch nicht der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat im Atomkonsens festgeschrieben, dass es keinen Grund gibt, an der Eignung von Gorleben zu zweifeln. Das steht in diesem Vertrag. Wenn wir andere Endlagerstandorte untersuchen, dann machen wir das parallel zu Gorleben. Dazu sind wir als CDU bereit. Das fordern wir auch. Aber jetzt so zu tun, dass Gorleben - das ist das Problem von Frau Harms und der Grünen - schon weg ist, wenn wir nur andere Standorte untersu
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Dehde hat noch einmal um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Dehde! Sie haben noch acht Minuten Redezeit.
Mal schauen, ob ich sie ausnutzen werden. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es provoziert, wenn hier mit Worten wie „Nebenkriegsschauplatz“ und Ähnlichem argumentiert wird. Ich halte es aus niedersächsischer Sicht, aber auch aus der Sicht der betroffenen Region wirklich für schlimm, hier mit solchen Begriffen zu kommen. Das muss ich ganz deutlich sagen.
In dieser Zeit geht es eindeutig darum, dass wir hier über niedersächsische Interessen in der Entsorgungsfrage sprechen. Deshalb unterstreiche ich noch einmal: Wir stimmen diesem Antrag zu, Frau Harms. Das habe ich hier erklärt. Das wollen wir machen.
Herr Wojahn, zu Gorleben: Wir könnten jetzt sehr lange über Kriterien und anderes mehr diskutieren. Wir beide wissen doch, dass all die Kriterien, die mit Blick auf Gorleben diskutiert worden sind, so nicht eingetreten sind. Ich erinnere nur einmal an das Mehrfachbarrierenkonzept. Wenn wir all diese Dinge aufwerfen, wissen wir: Gorleben ist ungeeignet.
(Voigtländer [SPD]: Endlich sagt das mal einer! - Wojahn [CDU]: Die Bundesregierung hat das anders ge- sagt! - Dr. Stratmann [CDU]: Rot- Grün in Berlin hat das anders gesagt!)
Ich kann das hier klar feststellen. Ich betone noch einmal, dass ich Ihre Aufregung verstehen kann. Herr Wojahn, Sie waren bei diesem Thema ja von Anfang an dabei. Die Positionen, die Sie am Anfang gehabt haben - das gestehe ich Ihnen unumwunden zu -, haben Sie auch heute noch. Das heißt für mich: Sie haben nichts dazugelernt.
Sie sind auf einem alten Stand geblieben, der sich inhaltlich überhaupt nicht rechtfertigen lässt. Deshalb muss ich ganz ehrlich sagen: Lassen Sie solche Begriffe aus der Debatte heraus. Halten Sie sich an der Stelle zurück, und vertreten Sie endlich niedersächsische Interessen, nicht aber womöglich bayerische. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor. Darum schließe ich die Beratung.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat für ihren Antrag in Drucksache 3764 beantragt, die zweite Beratung und damit die Entscheidung über diesen Antrag sofort anzuschließen. Wie Sie wissen, ist das nach § 39 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung möglich. Ich frage entsprechend unserer Geschäftsordnung zunächst, ob Ausschussüberweisung beantragt wird. - Das ist nicht der Fall.
Daher stimmen wir jetzt über den Antrag in Drucksache 3764 ab. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Ich stelle fest, dass der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden ist.