Protocol of the Session on September 25, 2002

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung: Kein Sparzwang beim Verfassungsschutz Sicherheitslücken bei der Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus schließen Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3686

Zur Einbringung dieses Antrags hat sich der Kollege Schünemann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verfassung zu schützen gegen Rechtextremismus, Linksextremismus, gegen Ausländerextremismus und gegen alle Feinde der Demokratie gehört zu den elementaren Aufgaben unseres Staates. Deshalb ist die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz von entscheidender Bedeutung für die Wahrung der inneren Sicherheit in unserem Lande.

Vor diesem Hintergrund ist es unverantwortlich, dass sich der derzeitige Bundesumweltminister bis zum heutigen Tage immer noch dafür rühmt, mit dazu beigetragen zu haben, dass das Landesamt für Verfassungsschutz personell halbiert worden ist und dass es auch materiell starke Einbußen hat hinnehmen müssen. Es ist bedauerlich, dass Sie von der SPD - Sie regieren hier seit 1994 allein diese Politik von Trittin fortsetzen und mit dazu beigetragen haben, dass die Zahl der Mitarbeiter im Landesamt für Verfassungsschutz im Vergleich zum Jahr 1990 halbiert worden ist.

(Beifall bei der CDU - Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Immer noch viel zu viel!)

Wir haben in den letzten Jahren immer wieder Anträge gestellt und gesagt, dass der Verfassungsschutz ein sehr wichtiges Instrument für die Wahrung der inneren Sicherheit ist. Leider Gottes sind all unsere Anträge von Ihnen nicht beachtet worden. Sie haben das Personal immer weiter abgebaut.

Dann kamen der 11. September 2001 und die für uns alle unfassbaren Anschläge in New York und Washington. Nach diesen Ereignissen hat es hier Debatten gegeben. Wir haben große Reden vom Ministerpräsidenten, vom Innenminister und vom Justizminister gehört. Sie alle haben gesagt, dass sie im Bereich der inneren Sicherheit einen Schwerpunkt setzen wollen, dass sie den Verfassungsschutz stärken werden und Stellen schaffen wollen.

Mit dem Haushalt 2002/2003 wurden zehn Stellen bewilligt, und es wurde auch bei der materiellen Ausstattung etwas draufgelegt. Dies haben wir begrüßt. Einschränkend ist zu sagen: Wenn man sich vor Augen führt, wie stark die Verfassungsschutzämter in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind - dort sind bis zu 400 Mitarbeiter beschäftigt; nach dem 11. September 2001 sind 50 Mitarbeiter eingestellt worden -, dann wird klar, dass das natürlich nur ein erster Schritt in die richtige Richtung ist. Aber wir haben dies mitgemacht.

Ein Jahr nach dem Anschlag will die Landesregierung von all dem nichts mehr wissen;

(Biallas [CDU]: Das ist unglaublich!)

denn sie schwächt den Verfassungsschutz mit dem Haushaltsführungserlass stärker, als es vor dem Anschlag am 11. September 2001 der Fall gewesen ist. Das ist unverständlich und aus unserer Sicht unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU)

In dem Haushaltsführungserlass steht, dass Sie elf Stellen streichen wollen. Es wird gesagt, das habe mit Terrorismusbekämpfung überhaupt nichts zu tun. Ich habe eben aufgezeigt, dass der Verfassungsschutz personell sehr schwach besetzt ist. Er hat zahlreiche Aufgaben zu erledigen. Nach dem 11. September 2001 sind neue Aufgaben hinzuge

kommen. Sie sagen jetzt, mit Terrorismusbekämpfung habe dies nichts zu tun; da wollten Sie die Stellen durchaus noch vorhalten. Aber das bedeutet im Umkehrschluss, dass Sie in anderen Bereichen nicht mehr vernünftig arbeiten wollen. Was ist mit dem Linksextremismus? Was ist mit dem Rechtsextremismus? Wollen Sie etwa im Ausländerextremismus nicht mehr die Anstrengungen unternehmen, wie das bisher der Fall gewesen ist? Irgendwo müssen ja Aufgaben abgebaut werden.

Wenn Sie behaupten, wir würden dies nur aus wahlkampftaktischen Gründen sagen, dann kann ich nur das Landesamt für Verfassungsschutz selbst zitieren. In der Neuen Presse ist Folgendes ausgeführt worden:

„Niedersachsens Verfassungsschutz sieht Teile seiner Arbeit gefährdet; denn das Landesamt soll 11,31 Stellen einsparen. Das betätigte gestern Behördensprecher Rüdiger Hesse.“

Dann wird weiter ausgeführt - das ist ein wörtliches Zitat -:

„Wenn das nicht geändert wird, besteht die Gefahr, dass wir möglicherweise auf Aufgaben verzichten müssen.“

Dass es so kommen wird, ist doch logisch, wenn von etwas mehr als 200 Stellen elf abgebaut werden sollen. Es sind doch keine Putzfrauen, die da eingespart werden sollen, sondern das sind Mitarbeiter, die aufklären sollen. Ein Jahr nach dem Attentat von Washington und New York führen Sie die personelle Ausstattung dieses Amtes wieder zurück, und zwar noch stärker, als es vor einem Jahr der Fall gewesen ist. Das ist etwas Ungeheuerliches. So etwas müssen wir deutlich ansprechen.

(Beifall bei der CDU)

Am 24. Oktober 2001 hat der Ministerpräsident eine Regierungserklärung abgegeben. Darin hat er u. a. Folgendes ausgeführt:

„Die Landesregierung wird weitere 148 Stellen im Umfang von 22,1 Millionen DM einrichten. Sie verteilen sich auf den Verfassungsschutz, den Staatsschutz der Polizei, die Staatsanwaltschaften und die Finanzbehörden.“

Wenn Sie sich den Haushaltsführungserlass anschauen, stellen Sie fest, dass lediglich die acht oder neun Stellen beim Staatsschutz der Polizei nicht berührt werden. Aber was ist mit den Staatsanwaltschaften? Was ist mit den Finanzbehörden, mit all den Stellen, die da neu geschaffen worden sind, damit man die Finanzströme besser kontrollieren kann, damit man auch den Geldhahn zudrehen kann? Was ist mit diesen Stellen?

Ich kann Ihnen zumindest sagen, wie das bei den Staatsanwaltschaften ist. Sie werden es auch wissen, wenn Sie Ihren Haushaltsführungserlass richtig gelesen haben. Bei Kapitel 11 04 - Ordentliche Gerichte und Staatsanwaltschaften - ist nach dem Haushaltsführungserlass eine Kürzung um 277,33 Stellen vorgesehen. Ich möchte heute genau wissen, in welchen Bereichen Sie bei den Staatsanwaltschaften Stellen abbauen. Sie werden wahrscheinlich sagen, dass bei der Terrorismusbekämpfung natürlich nicht abgebaut wird. Aber Sie müssen hier sagen, in welchen Bereichen Sie Stellen abbauen; denn irgendwo müssen Sie abbauen, wenn Sie dieses beschließen.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Wahrung der inneren Sicherheit ist eine der wichtigen Aufgaben, wenn nicht die zentrale Aufgabe der Landespolitik. Sie haben bei Verabschiedung des Haushaltsführungserlasses im Kabinett gesagt, der Bereich innere Sicherheit solle nicht tangiert werden. Ich habe Ihnen eben aufgezeigt, dass das doch der Fall ist, es sei denn, Sie sagen, der Verfassungsschutz spiele zur Wahrung der inneren Sicherheit überhaupt keine Rolle. Das aber ist doch etwas, was Sie hier nicht im Ernst behaupten können.

(Beifall bei der CDU)

Angesichts der finanziellen Situation müssen wir Prioritäten setzen; keine Frage. Aber wenn Sie sich ein Jahr nach diesen schrecklichen Attentaten nicht mehr an das erinnern können, was Sie hier gesagt haben, und klammheimlich die Stellen wieder abbauen, die Sie infolge der Attentate extra geschaffen haben, dann ist das ungeheuerlich. Ich fordere Sie auf, dies wieder zurückzunehmen; denn sonst sind Sie in der Frage der inneren Sicherheit wirklich nicht mehr glaubwürdig.

(Beifall bei der CDU - Lanclée [SPD]: Lassen Sie doch endlich einmal das Schüren von Ängsten in der Bevölke- rung!)

Frau Kollegin Wörmer-Zimmermann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Schünemann, Sie haben die folgende Aussage ja schon erwartet: Was Sie hier gemacht haben, ist wirklich Wahlkampfgetöse.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Schünemann [CDU])

Die Bundestagswahl ist doch vorbei. Außerdem hat es Ihnen für die Bundestagswahl überhaupt nichts gebracht. Aber wahrscheinlich gehört das auch zum „Masterplan“, dessen Durchführung Sie sich vorgenommen haben.

(Schünemann [CDU]: Das ist doch nicht unser Zitat!)

Das Landesamt für Verfassungsschutz beteiligt sich wie jede andere Landesbehörde an den Sparbemühungen des Landes; das ist völlig klar. Wichtig ist dabei allerdings, dass der Bereich der Bekämpfung des terroristischen und extremistischen Islamismus von den Einsparungen ausgenommen worden ist.

(Schünemann [CDU]: Wo wollen Sie denn dann einsparen?)

Alle nach dem 11. September für diesen Aufgabenbereich neu geschaffenen Stellen sind längst mit qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt.

(Beifall bei der SPD - Schünemann [CDU]: Wo wollen Sie einsparen?)

Ihre Behauptung ist falsch. Es wurde nichts klammheimlich abgestellt. Es werden auch keine Stellen gestrichen.

(Schünemann [CDU]: Was?)

Es waren einige Stellen nicht besetzt. Dazu wird der Minister sicherlich noch detaillierte Ausführungen machen.

(Adam [SPD]: Herr Schünemann, Sie sitzen doch auch in dem Ausschuss und wissen, dass es falsch ist, was Sie gesagt haben! - Zuruf von Schüne- mann [CDU])

- Herr Schünemann, hören Sie doch einfach einmal zu!

(Schünemann [CDU]: Das ist un- heimlich schwierig!)

Eigentlich müssten Sie auch wissen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Verfassungsschutz Fachleute sind, sodass nicht jede Stelle immer sofort besetzt werden kann. Das ist ein bisschen anders als bei Verkäuferinnen.

(Schünemann [CDU]: Aha!)

Ich meine, das müsste Ihnen bekannt sein. Das ist eben schon angesprochen worden: Ich wundere mich schon etwas darüber, dass Sie Ihre Sorgen in der letzten Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes nicht angesprochen haben. Dann hätten Sie nämlich Informationen bekommen können, und Sie hätten darüber hinaus die Möglichkeit gehabt, sich genau zu informieren. Ihre Presseerklärung mit der Darstellung falscher Sachverhalte wäre völlig überflüssig gewesen.

(Beifall bei der SPD - Schünemann [CDU]: Eben nicht! Das ist doch völ- liger Blödsinn!)

Meine Damen und Herren, der niedersächsische Verfassungsschutz kann seine Aufgaben ohne nennenswerte Einschränkungen wahrnehmen.

(Schünemann [CDU]: Wird nun ein- gespart oder nicht?)