Protocol of the Session on September 24, 2002

Der Deutsche Schäferhund und seine Mischlinge, die eben in keiner Rasseliste auftauchen, die aber unbestreitbar den Beißweltrekord halten, sind der beste Beleg dafür. Auch eine Klassifizierung nach Größe und Gewicht - 40 cm, 20 kg - ist für mich nicht besonders überzeugend. Noch weniger überzeugend ist allerdings die Ansicht, man brauche überhaupt nichts zu tun. Vielleicht kann ja die Anhörung hier zusätzliche Entscheidungshilfe bringen.

Die Veränderung der gekippten Verordnung, die ja darauf hinausläuft, die generelle Erlaubnispflicht für die bisherigen Kategorie-2-Tiere zugunsten einer Einzelfallbeurteilung abzuschaffen, ist für mich eine deutliche Verbesserung und eine vernünftige Lösung.

Als weiteres Kriterium möchten wir eine Harmonisierung auf Bundesebene erreichen. Die Ansätze und die Orientierung an den Ergebnissen der Arbeitsgruppe Tierschutz, der Arbeitsgemeinschaft der Veterinäre und des Arbeitskreises I der Innenministerkonferenz gehen hier in die richtige Richtung. Wir erwarten allerdings von den Antragstellern im Ausschuss noch eine weitere Darlegung in diesem Sinne, insbesondere auch die Prüfung der Frage, welche Bestandskraft wir dem Bundesgesetz zumessen müssen.

Meine Damen und Herren, wenn wir die weitere Diskussion in dem Bewusstsein führen, dass zwar viele Hunde bellen, aber die wenigsten beißen, dass wir aber auch bereit sind, all denen eine deutliche Abfuhr zu erteilen, die erwarten, dass Kinder gefälligst den Umgang mit gefährlichen Hunden zu lernen hätten, damit sie deren aggressivem Rangverhalten nicht in die Quere kommen, dann haben wir die Chance, ein gutes und vernünftiges Gesetz zu machen. - Danke sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Minister Bartels. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass wir hier über die Gefahrtier-Verordnung sprechen, und es ist nicht das erste Mal, dass die CDU-Fraktion eine Kehrtwende macht. Ich habe das schon beim letzten Mal deutlich gemacht.

(Zuruf von Frau Hansen [CDU])

Es ist schon erstaunlich, Frau Hansen: Sie haben uns damals in der ersten Runde hier im Niedersächsischen Landtag zur Eile gemahnt und uns vorgeworfen, wir kämen nicht in die Strümpfe. Dann haben Sie uns einen Entschließungsantrag vorgelegt, aus dem ich einmal zitiere:

(Frau Hansen [CDU]: Können Sie ru- hig!)

„Für bestimmte Hunderassen bzw. bereits aufgefallene Hunde sollte ein generelles Zuchtverbot verhängt werden. Die angekündigte Initiative der Landesregierung, bestimmte Zuchtlinien

der Bullterrierrassen von der Zucht auszuschließen, geht in die richtige Richtung, reicht jedoch nicht aus.“

Wir haben das nun gemacht. Dass wir alle am Ende der gerichtlichen Entscheidung, die es hierzu gegeben hat, schlauer sind, ist völlig klar. Es war uns von Anfang an klar, dass nicht nur die niedersächsische Gefahrtier-Verordnung bestritten würde, sondern natürlich auch die anderer Länder. Ich wäre heilfroh gewesen, wir hätten eine bundeseinheitliche Regelung hinbekommen. Dann hätten wir als Länder nicht tätig werden müssen.

Herr Minister Bartels, möchten Sie eine Frage von Frau Hansen beantworten?

Ich mache das im Moment nicht, Frau Hansen, weil ich weiß, was Sie fragen oder worauf Sie hinweisen wollen. Ich nehme das schon mit auf.

(Frau Hansen [CDU]: Dann hätte ich mich nicht gemeldet, Herr Minister! - Wulff (Osnabrück) [CDU]: Sie haben Angst vor den Fachfragen, die nicht auf Ihrem Sprechzettel stehen!)

Ich weiß natürlich, dass Sie sich durch Aktenstudium eines Besseren haben belehren lassen, dass Sie nämlich der Auffassung sind, die Rasselisten seien nicht das Mittel der Wahl, sondern man müsse anders vorgehen.

(Frau Hansen [CDU]: Wir haben uns belehren lassen!)

Da ich ahne, dass das Ihre Argumentation ist, will ich Ihnen dazu sagen: Kein Gericht in Deutschland hat die Rasselisten gerügt, sondern das Oberverwaltungsgericht hat ausdrücklich gesagt: Es gibt guten Grund, aus einem Verdachtgrund der Regelung eine Rasseliste zugrunde zu legen, weil wir ja prophylaktisch tätig werden wollen und nicht warten, bis ein Beißzwischenfall eingetreten ist. Das Oberverwaltungsgericht hat das in seiner Argumentation ausdrücklich hervorgehoben. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat die Rasselisten nicht kritisiert, sondern lediglich gesagt, dass der Verordnungsgeber damit überfordert sei und das im Rahmen eines Abwägungsprozesses durch ein

Gesetz geregelt werden müsse. Das machen wir jetzt. Es gibt da keine gegenteiligen Aussagen.

Ich will Ihnen durch ein Zitat noch einmal deutlich machen, dass die Wissenschaft nach wie vor der Auffassung ist, dass es durchaus ein aggressives Verhalten bei bestimmten Rassen gibt. Zitat:

„Übersteigertes Angriffs- und Kampfverhalten, das leicht auslösbar und biologisch weder bezüglich Zweck noch Ziel sinnvoll ist, kann grundsätzlich in vielen Rassen oder Zuchtlinien auftreten, zeigt sich jedoch besonders ausgeprägt in bestimmten Zuchtlinien der Bullterrrier, American Staffordshire Terrier und Pitbullterrier.“

Das ist eine ganz klare Aussage. Und noch eine Aussage, weil Sie die Veterinäre zitiert haben, Frau Hansen. Wenn Sie eine Sekunde zuhören, können Sie vielleicht etwas Neues aufnehmen. Die ArgeVet, die Arbeitsgemeinschaft der Veterinäre auf Bund-Länder-Ebene, hat im September letzten Jahres - das ist also nicht lange her - in der Arbeitsgruppe für Tierschutz festgestellt:

„Unter Berücksichtigung insbesondere der verwaltungsgerichtlichen Urteile aus Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein und der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen aus Bayern, Berlin und RheinlandPfalz sind die vier oben genannten Rassen als stets gefährlich einzustufen.“

Ja, wen wollen wir denn noch befragen, wenn uns diese Sachverständigen ganz eindeutig sagen, dass diese Rassen als stets gefährlich eingestuft werden müssen?

Ich bin der festen Überzeugung: Wir tun hier das Richtige, aber wir stützen uns eben nicht allein auf diese Rassen und diese Zuchtlinien ab, sondern wir haben darüber hinaus den Aspekt der Vorsorge auch auf andere Tiere ausgedehnt. Das ist das Neue in dem Vorschlag der SPD-Fraktion. Wir nehmen auch die auffällig gewordenen Hunde, und zwar unabhängig von der Rassezugehörigkeit, mit hinein und sagen aus Gründen der Risikovorsorge, dass sich auch diese Tiere dann, wenn sie nachgewiesenermaßen auffällig sind, einem Wesenstest zu unterziehen haben und die gleichen Regeln, die gleichen Vorgaben, die gleichen Auflagen gelten

wie bei den vier Rassen, die wir aus dem Bundesgesetz übernommen haben. Wir legen die gleichen vier Vorgaben auch bei diesen Hunden an, nämlich Erlaubnisvorbehalt, der hier greifen müsste, und natürlich auch Wesenstest, Leinenzwang sowie Haftpflichtversicherung.

Das alles sind sinnvolle Maßnahmen, die den Aspekt der Prophylaxe eindeutig verstärken. Von daher bin ich der festen Überzeugung, dass wir mit dieser Ihnen jetzt vorgelegten Regelung nicht nur sehr schnell nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gehandelt haben, sondern dass uns die SPD-Fraktion auch einen Regelungsentwurf vorgelegt hat, der dem Ansatz der Prophylaxe in vollem Umfang Rechnung trägt. Gleichzeitig nimmt er alle Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichtes und des Bundesverwaltungsgerichtes so mit auf, dass wir in der Zukunft den hohen Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden weitestgehend sicherstellen können. Ich sage aber ganz deutlich, dass es uns nicht gelingen wird, auszuschließen, dass es Ausreißer gibt. Wir haben aber ein sehr hohes Schutzniveau. Wir haben das ausgereizt, was uns die „Leitplanken“ der gerichtlichen Entscheidungen vorgegeben haben. Darüber sollten wir uns im Ausschuss gemeinsam unterhalten. Ich empfehle aber, nicht andauernd Kurven zu fahren, sondern eine Linie beizubehalten.

Ich bedanke mich bei den Grünen, die während der gesamten zweieinhalb Jahre der Diskussion um die Gefahrtierverordnung eine klare Linie eingenommen haben. Sie haben immer deutlich gesagt, was sie wollen, und nicht ihr Fähnlein in den Wind gehalten, um festzustellen, wo die größere Lobbygruppe ist, für die man noch etwas tun kann. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Hansen hat noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich habe in meiner Rede ausdrücklich gesagt, dass wir uns durch die Anhörung Sachverstand angeeignet haben und unseren damals gestellten Antrag revidieren müssen. Das ist klar. Was heißt hier „die Fahne nach dem Wind hängen“? - Das tun Sie oft genug, je nach Publikum.

(Beifall bei der CDU)

So lasse ich mit mir nicht umgehen. Sie schreiben in Ihrer Begründung nur von Verdachtsmomenten und sagen, es sei wissenschaftlicher Sachverstand eingeflossen. Ich kann an Ihrem Entwurf aber nicht feststellen, dass Sie diesen Sachverstand genutzt haben. Ich möchte noch einmal ausdrücklich klarstellen: Wir stehen dazu, dass wir damals anderer Meinung waren. Die Anhörung haben wir gegen Ihren Willen in eigener Regie durchgeführt. Wir sind zu anderen Meinungen und zu einem anderen Sachverstand gekommen. Heute sagen wir, dass die Rasseliste nicht der geeignete Weg ist. Wenn Sie diesen Weg gehen, prophezeie ich Ihnen, dass es langfristig noch zu vielen Klagen kommen wird.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll sich der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit dem Gesetzentwurf befassen. Die Mitberatung soll in den Ausschüssen für innere Verwaltung und für Rechtsund Verfassungsfragen erfolgen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 9: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des kommunalen Unternehmensrechts - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD – Drs. 14/3720

Der Gesetzentwurf wird vom Kollegen Collmann eingebracht, dem ich das Wort erteile.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorlage dieses Gesetzentwurfes sind unsererseits umfangreiche Beratungen – u. a. mit Regierungsvertretern der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bayern - vorausgegangen. Diese beiden Bundesländer - ebenso wie Rheinland-Pfalz, Berlin, Hamburg und Sachsen-Anhalt - erlauben ihren Kommunen bereits die Bildung kommunaler Anstalten öffentlichen Rechts. Das wollen wir den

Kommunen des Landes Niedersachsen auch gestatten.

Unsere fraktionsinterne Anhörung u. a. der Vorstände kommunaler Unternehmen, die als kommunale Anstalten begründet sind, hat uns überzeugt, dass es Sinn macht, den niedersächsischen Kommunen die Bildung einer kommunalen Anstalt öffentlichen Rechts zu ermöglichen. Die bisher erlaubten Organisationsformen des Regie- und des Eigenbetriebes gewähren unseren Kommunen nicht die erforderliche Selbständigkeit bei ihren wirtschaftlichen Betätigungen. Bei der auch möglichen Form der gemeindeeigenen GmbH beklagen sich Ratsmitglieder bekanntlich oft genug darüber, dass ihre Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten mangelhaft und schlechter seien. Regiebetriebe sind gegenüber der Verwaltung nicht verselbständigt. Sie bilden vielmehr eine Gliederungseinheit innerhalb der Kommunalverwaltung und verfügen nicht über eine selbständige Haushaltsführung. Eigenbetriebe, meine Damen und Herren, verkörpern wirtschaftliche Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit und sind grundsätzlich ein rechtlich unselbständiger Verwaltungsteil der Kommunen.

Die Organe der kommunalen Eigengesellschaften, also der GmbHs, handeln selbständig und in erster Linie unternehmensbezogen. Gemeindliche Gremien verfügen hier über keinen unmittelbaren Einfluss. Indirekten Einfluss kann die Kommune lediglich über die Kontrollgremien der Gesellschaft ausüben.

Kommunale Anstalten öffentlichen Rechts bieten erhebliche Vorteile. Sie sind rechtlich selbständig. Die Kommunen können deren Aufgaben flexibler gestalten - von Einzelaufgaben bis hin zu Aufgabenbündeln. Das Weisungsrecht und die Kontrollmöglichkeit der Gemeindeorgane sowie der Kommunalaufsicht bleiben unangetastet. Kommunale Anstalten sind dienstherrenfähig und können Satzungen erlassen.

Ziel unseres Gesetzentwurfes ist es, die wirtschaftliche Betätigung unserer Kommunen wirtschaftlicher und ertragreicher werden zu lassen. Dass die kommunale Anstalt gegenüber der Eigengesellschaft auch noch steuerliche Vorteile hat, sei nur am Rande erwähnt. Das kann Kommune und Bürger nur freuen.

Meine Damen und Herren, wie vorteilhaft die Bildung einer kommunalen Anstalt für eine Kommune und deren Bürger sein kann, hat uns der Vor

stand der Stadtwerke Hürth in der Nähe von Köln - diese werden als kommunale Anstalt öffentlichen Rechts geführt - drastisch vor Augen führen können. In Hürth ergaben sich folgende Effekte: erstens erhebliche Kosteneinsparung bei der wirtschaftlichen Betätigung der Kommune, zweitens große Synergieeffekte, drittens eine hohe Mitarbeitermotivation.

Die kommunale Anstalt stellt gewiss kein Allheilmittel bei der Bewältigung der Aufgaben im Rahmen wirtschaftlicher Betätigung unserer Kommunen dar. Aber sie kann frischen Wind bringen, Verkrustungen aufbrechen - auch darauf ist in der Vorlage hingewiesen -, und sie kann die Eigenverantwortung der Räte stärken. Also wird sie unter dem Strich wesentliche positive Veränderungen bringen.

Wir können allerdings nicht die Ausweitung der wirtschaftlichen Betätigung unserer Kommunen über die kommunalverfassungsrechtlichen Grenzen hinaus gestatten, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)