- Aber was hilft es, wenn die Ängste in der Bevölkerung so stark sind, dass man solche Einrichtungen nur um einen sehr massiven Preis durchsetzen kann?
Ich denke, wir müssen auch dazu übergehen, die Psychiatrie-Abteilungen der allgemeinen Krankenhäuser verstärkt in diesen Bereich einzubeziehen.
Und was wir natürlich ganz dringend brauchen - das gilt sowohl für die Entlassenen aus dem Maßregelvollzug als auch für die entlassenen Sexualstraftäter aus dem Strafvollzug -, sind ambulante Hilfsangebote. Ich erinnere an den Antrag, den wir als Grüne-Fraktion vor einigen Monaten zu diesem Thema eingebracht hatten. Wir hatten dazu eine sehr interessante Anhörung. Das kann und muss
eine gemeinsame Einrichtung sein. Die kann sich nicht selbst finanzieren. MJ und MFAS werden etwas dazutun müssen. Aber diese Ausgabe würde sich im Bereich der Rückfallvermeidung durchaus rechnen. Wenn ich mir das Leid und das Schicksal der Opfer ansehe, hat jede Rückfallvermeidung ihren Wert, schon von der menschlichen Seite her. Hier gibt es viel zu wenig.
Herr Kollege Schröder, mein Klingeln galt Ihnen. Wenn Sie das nicht gehört haben sollten, wollte ich es nur noch einmal zum Ausdruck bringen.
Herr Präsident, ich bitte um Nachsicht. Ich habe mich so für dieses Thema erwärmt, dass es mir schwer fällt, zum Schluss zu kommen.
Ich beende meinen Satz: Hier haben wir Kompetenzen in der Sozialtherapie und im Maßregelvollzug, die wir für den Bereich der ambulanten Nachsorge dringend benötigen. Hier warten wir auf ein Angebot der Landesregierung in den nächsten Monaten. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Ministerin Trauernicht, meine Kollegin Anne Zachow hat in ihren Ausführungen zur Großen Anfrage zur Situation im forensische Maßregelvollzug im Allgemeinen Stellung genommen. Sie hat viele Punkte und Beispiele genannt, bei denen klar wird, dass die Landesregierung die Situation im Maßregelvollzug in den niedersächsischen Landeskrankenhäusern nicht im Griff hat.
Ich möchte an dieser Stelle einmal aus der Sicht einer Vertreterin der Osnabrücker Bevölkerung die Situation im Landeskrankenhaus Osnabrück darlegen.
Meine Damen und Herren, die Bevölkerung ist sehr verunsichert. Sie braucht nicht verunsichert zu werden, Frau Trauernicht, denn sie hat schon ihre Probleme. In der Antwort auf die Große Anfrage ist nachzulesen, dass es in Osnabrück 46 Planbetten mit 48 Patienten gibt. Stichtag: 1. Dezember 2001. Als 1998 die forensische Abteilung im Maßregelvollzug in Osnabrück offiziell eingerichtet wurde, waren insgesamt 46 Betten vorgegeben, davon 36 gemäß § 63 StGB und 10 gemäß § 126 a StPO.
In der Antwort auf meine Kleine Anfrage, die ich im Sommer gestellt hatte - Drucksache 14/3616, falls es jemanden interessiert -, wurde mit Stichtag 30. Juni 2002 für die Stadt Osnabrück eine Belegungszahl von insgesamt 61 forensischen Patienten angegeben, d. h. allein 51 Patienten gemäß § 63 StGB auf den nur 36 Belegbetten. Das entspricht einer Überbelegung von mehr als 40 %.
Da fragt sich die Bevölkerung zu Recht: Wo werden denn die überzähligen Patienten untergebracht? Und: Ist eine Unterbringung dieser forensische Patienten in der geschlossenen Regelpsychiatrie auch den Sicherheitsanforderungen entsprechend?
Da fragt man sich, ob angesichts dieser Überbelegung tatsächlich ausreichend Personal vorhanden ist. In der Antwort auf die Große Anfrage heißt es: durchschnittlich 88 %, bezogen auf die Soll-Zahlen in der Forensik. Das gilt insbesondere dann, wenn man sieht, dass in dieser Abteilung des LKH Osnabrück nur zwei Fachärzte und ein Arzt im Praktikum sind - zusätzlich gibt es noch 2,5 Psychologen - und einer dieser Fachärzte zudem zurzeit umgesetzt worden ist - aus hier nicht weiter darzulegenden Gründen - und gar nicht effektiv im Maßregelvollzug tätig ist.
Außerdem fragt man sich, wie es sich mit den baulichen Sicherheitsmaßnahmen verhält, die für diese angegebenen 36 Betten erst im Jahr 2001 fertiggestellt worden sind, obwohl diese Betten seit 1998 mit der Soll-Zahl belegt sind und jetzt diese große Überbelegung herrscht.
Meine Damen und Herren, das LKH Osnabrück befindet sich in der Nähe der Innenstadt in einem relativ dicht besiedelten Gebiet. Auch wenn sich alle sechs Monate der Runde Tisch Forensik trifft und die Krankenhausleitung aktuelle Informationen weitergibt - wie es laut MFAS der Fall sein soll -, bleibt in der Bevölkerung eine meiner Mei
nung nach begründete Skepsis hängen. Wenn sich die Krankenhausleitung gegenüber der örtlichen Presse dahin gehend äußert, dass es reiner Populismus sei, wenn sich die Anwohner wegen dieser hohen Überbelegungszahl an die Öffentlichkeit wenden, dann halte ich das schon für ziemlich überheblich und deplatziert.
Und wenn dieselbe Krankenhausleitung auch noch sagt, „Sie haben halt mit einem gewissen Restrisiko zu leben“, dann, meine Damen und Herren der Landesregierung, ist es Ihre Pflicht, dafür zu sorgen, dass dieses Restrisiko minimiert wird.
Meine Damen und Herren, das ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus der Problematik, die wir in Osnabrück haben. Sie haben in den anderen dezentralen forensischen Abteilungen in Landeskrankenhäusern mit Sicherheit ähnliche Vorfälle. Wenn Sie, Frau Ministerin Trauernicht, die Anzahl der Planbetten im Maßregelvollzug weiter erhöhen wollen, wie Sie es vorhaben, und dabei auf eine Akzeptanz der Bevölkerung setzen, dann sei Ihnen geraten, den offenen Dialog mit der Bevölkerung zu suchen, offen über die anstehenden Probleme zu reden und die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen unverzüglich einzuleiten. Verschleierungstaktik ist hier nicht der richtige Weg. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte eine kleine Vorbemerkung machen. Liebe Kolleginnen aus der CDU-Fraktion, wenn wir eine Möglichkeit hätten, Ihre Krokodilstränen aufzufangen, dann könnten wir Schwimmreifen im Plenarsaal ausgeben.
Ich weiß nicht, ob Sie schon mitbekommen haben, dass wir es im Maßregelvollzug mit der Situation zu tun haben, dass andere Leute Verträge sozusagen zu unseren Lasten abschließen. So etwas ist immer ein Projekt, das man nur ziemlich schwer
Die steigenden Kapazitätsanforderungen im Maßregelvollzug sind kein niedersächsisches Problem; sie sind nicht einmal nur ein deutsches Problem.
Sie wissen, dass sie nicht bedingt ist durch eine steigende Anzahl von Delikten psychisch kranker Straftäter, aber dass wir z. B. eine sehr stark gestiegene öffentliche Aufmerksamkeit haben. In der Literatur könnten Sie nachlesen, dass allein in den Jahren 1971 bis 1995 die Zahl der Publikationen über solche Vorgänge um das Zehnfache gestiegen sind, während es einen Rückgang an Delikten um 70 % gegeben hat. Das ist immer noch viel, aber das ist eine Entwicklung, die den Zuzug in den Maßregelvollzug begünstigt; die Frau Ministerin hatte darauf hingewiesen.
Ich will aber trotzdem noch einmal darauf zurückkommen, dass das eine gewollte Entwicklung in dieser Gesellschaft ist. Sie ist begleitet von dem umsichtigen Konzept der Landesregierung. Wir haben eine Verschärfung der Gesetzeslage bekommen. Wir haben eine Verschärfung der prognostischen Voraussetzungen gewollt und bewirkt. Weil Sie sich diesem Problem ja immer nur von außen, mit einem recht undifferenzierten Blick zu nähern scheinen, weiß ich nicht, ob Sie so weit in die Materie einsteigen konnten,
Es ist eine Veränderung eingetreten, indem man heute z. B. ehemalige psychisch kranke Straftäter nur entlassen kann, wenn man sicher ist, dass zu erwarten ist, dass keine Vorkommnisse mehr eintreten werden. Früher hatte man gesetzlich die Möglichkeit eingeräumt, diese Situation unter verantwortlichen Bedingungen zu erproben. Das ist die von der Landesregierung gewollte Entwicklung zugunsten des verstärkten Opferschutzes. Dieser Opferschutz spielt nämlich entgegen dem Eindruck, den Sie hier zu erwecken versuchen, im gesamten Maßregelvollzug eine große Rolle, und zwar von vorn bis hinten.
Das Opfer einer Straftat steht dem Täter, dem Therapeuten, den Bediensteten in der Aufarbeitung dieser Straftat nämlich Tag für Tag vor Augen.
Ich möchte die Große Anfrage, die Sie hier eingebracht haben, nutzen, um auf die Situation der Mitarbeiter aufmerksam zu machen und im Namen der SPD-Fraktion den vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern in den Landeskrankenhäusern und in der Fachszene Dank abzustatten. Ich nehme davon nicht die Bewährungshilfe aus und verweise auch auf die Führungsaufsicht und die Besuchskommission des Maßregelvollzuges sowie den Fachbeirat Psychiatrie.
Der gewollte Verzicht auf die Erprobung bedeutet aber auch, die Gefangenen gegebenenfalls schlagartig mit Anforderungen der Außenwelt zu konfrontieren, denen sie schon vor der Einweisung in den Maßregelzug nicht gewachsen waren.
Ich möchte erst einmal im Zusammenhang vortragen. Sie kann es ja weiter mit Zwischenrufen versuchen.
Verantwortliche Prognostiker schauen daher heute einmal mehr hin, ehe es bei Maßregelvollzugspatienten zu Veränderungen kommt. Diese Entwicklung kann uns aber trotzdem nicht kalt lassen.
Die Große Anfrage der CDU-Fraktion mit einer solchen Überschrift aber lässt die Ernsthaftigkeit, sich dieser Problematik zu stellen, mehr als vermissen. Sie produzieren ein erhöhtes Bedrohungsgefühl bei nachgewiesener reduzierter Bedrohung. Die CDU trägt meiner Ansicht nach damit zur
Mystifizierung bei. Und Mystifizierung erhöht jedenfalls die Gefahr. Sie führt nur zu einer Ausblendung von Realität.
(Frau Zachow [CDU]: Sagen Sie ein- mal: Haben Sie geglaubt, dass ich das sagen würde, oder gehen Sie jetzt auf meinen Redebeitrag ein? Das habe ich überhaupt nicht gesagt!)