Protocol of the Session on August 29, 2002

(Frau Zachow [CDU]: Sagen Sie ein- mal: Haben Sie geglaubt, dass ich das sagen würde, oder gehen Sie jetzt auf meinen Redebeitrag ein? Das habe ich überhaupt nicht gesagt!)

Politik darf und SPD-Politik wird sich an einer solchen Mystifizierung nicht beteiligen. Natürlich haben wir es bei dem betroffenen Personenkreis nicht mit Aspiranten einer Teekränzchenrunde zu tun, die mit abgespreiztem Finger dasitzen, sondern es handelt sich um eine Personengruppe, die persönlichkeitsgestört, psychotisch oder suchtkrank erhebliche Straftaten gegen Leib und Leben begangen hat und von Gerichten für nicht oder nur für vermindert schuldfähig gehalten wurde.

(Frau Zachow [CDU]: Und was ist, wenn die jetzt auf gemischte Statio- nen kommen?)

Und als solche sind diese Personen einer Maßregel zur Heilung und Besserung oder einem Aufenthalt zur Begutachtung ihrer Schuldfähigkeit zugewiesen worden. Die Ministerin hat schon darauf hingewiesen, dass sich die Verweildauern seit Ende der 80er-Jahre erheblich verlängert haben.

(Frau Zachow [CDU]: Frau Elsner- Solar, gehen Sie doch bitte noch ein- mal auf die Durchmischung ein!)

Sie liegen jetzt bei knapp sechs Jahren. Die Landesregierung, gestützt durch die SPD-Fraktion, hat diese Entwicklung zu mehr Opferschutz gewollt und eingeleitet und die daraus resultierende Verpflichtung zu angemessenem Handeln umgesetzt. Wir orientieren uns auch in der Durchführung des Maßregelvollzugs an den Ausführungen der Psychiatrie-Enquete. Sie wissen ganz genau, dass auch in der Psychiatrie-Enquete eine gemeinwesenorientierte Arbeit gefordert wurde, weil sie eine bessere Reintegration von psychisch Kranken in die Gesellschaft ermöglicht und durch die Möglichkeit der familiären Einbindung und Anbindung ein besserer Rückfallschutz und ein besserer Opferschutz gegeben sind.

(Vizepräsidentin Goede übernimmt den Vorsitz)

Dieses dezentralisierte Konzept, das wir umgesetzt haben und noch umsetzen werden, hat viel Geld gekostet und wird noch viel Geld kosten. Der Maßregelvollzug steht aber - das wissen Sie ganz genau; wir haben das heute hier öfter debattiert - als Politikfeld in einer harten Konkurrenz mit anderen wichtigen Politikfeldern, die ebenfalls Geld benötigen. Ich verweise insoweit nur auf das Thema Bildung, das Thema Sicherheit und Ordnung in der Gesellschaft oder auf das Thema Pflege. Diese Konkurrenz findet in einer Situation statt, in der die Menschen dem Staat immer weniger Steuern zur Verfügung stellen wollen. Auch das haben wir heute hier thematisiert. Ich finde, dass die Landesregierung ihre Maßnahmen auf diesem Gebiet in Anbetracht der Konkurrenzsituation und der Entwicklung in diesem Bereich mit Augenmaß geplant und realisiert hat.

Die Ministerin hat die genauen Zahlen hier vorgetragen. Sie sind im Übrigen auch der Antwort auf die Große Anfrage zu entnehmen. Die Sicherung der Bevölkerung vor Straftaten, die Orientierung am Behandlungskonzept psychisch Kranker, in diesem Fall psychisch kranker Straftäter, im Rahmen überschaubarer Haushaltsansätze bei knappen finanziellen Ressourcen verdient unserer Ansicht nach Lob, Unterstützung und Anerkennung durch das ganze Haus; ebenso wie die stützenden Netzwerke von Beiräten und Arbeitskreisen, die inzwischen entstanden sind und z. B. in Meppen in der Therapie mit Sexualstraftätern in Justizvollzugsanstalten unter dem Begriff „Vernetzung statt Verhetzung“ wichtige Arbeit leisten und uns die richtige Richtung weisen könnten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU.

Die diversen Stationen der Landeskrankenhäuser einschließlich der forensischen Stationen sollen und werden ihren Charakter des Schwerpunktkrankenhauses für psychisch Kranke behalten und entwickeln.

(Frau Zachow [CDU]: Auch ein- schließlich durchmischter Stationen?)

Das breite Spektrum unterschiedlicher psychischer Krankheiten in einem solchen Haus ist Grundlage und Notwendigkeit für ein qualitätsgesichertes und effektives Arbeiten in solchen Häusern auch mit psychisch kranken Straftätern. Ich empfehle Ihnen, den Bericht der Loccumer Fachtagung, an der Sie angeblich teilgenommen haben sollen, nachzulesen. Dann würden Sie wesentlich klüger werden, als wenn Sie nur an einem Vormittag in Loccum

gewesen sind und nur aus den in dieser Situation gewonnenen Erkenntnissen heraus argumentiert haben.

Die Akzeptanz der Bevölkerung in den zugeschriebenen und zugewiesenen Regionen und Sektoren unserer Landeskrankenhäuser ist entgegen den Unterstellungen der CDU ungebrochen und soll es auch bleiben, selbst wenn sich in Einzelfällen zu begutachtende Straftäter auf Aufnahmestationen befanden.

(Frau Zachow [CDU]: Nicht nur auf Aufnahmestationen! Auch auf ge- schlossenen!)

Ich kenne die Probleme auch. Auch ich habe bei den Terminen von Besuchskommissionen solche Situationen vorgefunden. Dies wird jedoch umso schneller Vergangenheit, je schneller es gelingt, das Dezentralisierungskonzept bis zu dem geplanten Endpunkt auszubauen.

Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt die erreichte Entwicklung des dezentralen Maßregelvollzugs und unterstützt die vorliegende Planung. Verantwortliche Politik muss hier dem beliebten SanktFlorians-Prinzip, verehrte Kolleginnen aus der CDU-Fraktion, eine Absage erteilen. Wer Sicherheit will, muss Sicherheit schaffen.

(Frau Pawelski [CDU]: Dann machen Sie es doch, zum Donnerwetter! Die- ses Gequake ist kaum zu ertragen!)

Die Einrichtung von Wohngruppen oder eines offenen Vollzugs können Sie damit unterstützen, dass Sie allen populistischen Forderungen widerstehen und darüber sprechen, dass eine solche Einrichtung notwendig ist. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, mir liegen weitere Wortmeldungen nicht vor. Darum stelle ich fest, dass die Besprechung der Großen Anfrage hiermit abgeschlossen ist.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung: Sicherstellung eines erfolgreichen Neugeborenen-Screening zur effektiven Verhinderung von chronischen Krankheiten und Behinderungen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3593

Wir kommen zur ersten Beratung. Der Antrag wird von Herrn Kollegen Dr. Winn eingebracht.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur einige Bemerkungen zu dem Antrag machen, da wir ihn im Zusammenhang mit dem SPD-Antrag über die Rahmenbedingungen gesundheitlicher Entwicklung von Kindern im Ausschuss noch besprechen werden.

Zurzeit werden bei den Untersuchungen im frühkindlichen Alter, also bei Neugeborenen, fünf Stoffwechselerkrankungen routinemäßig abgeklärt. Mittlerweile weiß man, dass man durch moderne Verfahren eine erheblich größere Anzahl von Untersuchungen vornehmen kann. Mit dem Tandemmassenspektrometer, einem modernen Verfahren, das, zum Teil jedenfalls, in Bayern als Modellprojekt läuft, kann man bis zu 30 Untersuchungen gleichzeitig durchführen. Natürlich stellen diese Untersuchungen auch einen Kostenfaktor dar. Aber Prävention kann nicht früher einsetzen als gerade bei Neugeborenen.

(Zustimmung von Frau Pawelski [CDU])

Deshalb sind solche Untersuchungen selbstverständlich sinnvoll. Man muss auch überlegen, ob man nicht andere Maßnahmen wie beispielsweise das Hör-Screening mit aufnehmen muss. Das scheint eine segensreiche Einrichtung zu sein, zumal man schon bei Neugeborenen qualifiziert klären kann, ob Hördefizite tatsächlich vorhanden sind. Von daher gesehen gehört es einfach mit hinein, ebenso wie Untersuchungen auf Infektionen und HIV, um nur einiges zu benennen.

Die erste Untersuchung, die U 1, wird von mehr als 90 % in Anspruch genommen. Das ist eine lobenswerte Feststellung. Leider hat man aber im weiteren Verlauf eine Diskontinuität und nicht eine kontinuierliche Fortschreibung dieser Untersuchungen. Das muss man in Aufklärungskampag

nen, an denen natürlich viele Beteiligte mitwirken müssen, verbessern.

Einen Knick gibt es leider bei der U 2. Das ist deshalb eine wichtige Untersuchung, weil sie eigentlich in der Zeit vom dritten bis zum zehnten Lebenstag noch im Krankenhaus durchgeführt werden sollte. Aufgrund der Entlassungspraktiken werden die Frauen meistens nach dem dritten Tag oder am dritten Tag entlassen, und deshalb sackt die Inanspruchnahme dieser U 2 ein klein wenig ab. Das muss man wieder aufarbeiten; denn diese Untersuchung ist sehr wichtig, weil sie die Ausgangsuntersuchung für viele Stoffwechseluntersuchungen ist.

Man hat auch festgestellt, dass es zu etwa 2 bis 3 % Verdachtsdiagnosen kommt. Da ist natürlich interessant zu wissen: Was wird daraus? Wie ist die Kontinuität in der Behandlung dieser Verdachtsdiagnosen? Bewahrheitet sich der Verdacht, oder erwächst daraus eine Erkrankung, unter Umständen sogar eine schwer wiegende Erkrankung? Was wird damit? Da ist epidemiologisch ein Register gefragt, eine Möglichkeit der Gesundheitsberichterstattung, die leider bei der Auswertung der U-Bögen zurzeit nicht erfolgen kann, weil nach Auskunft des Zentralinstituts der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Krankenkassen die Aussagekraft dieser U-Bögen in Zweifel ziehen. Man muss also diese Bögen verbessern, sie zunächst maschinenlesbar machen, aber vielleicht auch andere Parameter mit aufnehmen. In Ihrem Antrag ist z. B. Übergewichtigkeit nicht enthalten. Auch diese Angaben müssen aufbereitet werden, das ist ganz wichtig.

Beim Modellprojekt zu den Hörstörungen, das zurzeit in Hannover durchgeführt wird, wird im Herbst ein Zwischenbericht vorgelegt werden. Dann können wir auf ermutigende Zahlen schauen, die uns auch stärkere Argumente dafür liefern werden, das mit aufnehmen zu können.

Wichtig ist tatsächlich, das bayerische Modellverfahren mit der Tandemmassenspektrometrie, womit zurzeit zwölf Stoffwechseluntersuchungen durchgeführt werden, generell bundeseinheitlich einzuführen. Das ist ein Anliegen, das von allen getragen wird und, wie ich meine, auch in die richtige Richtung weist. Wir sollten im Ausschuss vernünftig darüber diskutieren, wie weit wir diesen Antrag mit Ihrem zusammenfassen können, weil beide Anträge ja in die gleiche Richtung zielen. Man sollte bei der Untersuchung von Neugebore

nen nicht sparen, denn das ist der richtige Ansatz. Wie schon gesagt: Früher kann Prävention eben nicht einsetzen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Winn. - Frau Kollegin Pothmer, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Winn, ich würde gern ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen, bevor ich zu dem Antrag komme.

Mir fällt auf, dass Sie hier Plenum für Plenum einen Antrag nach dem anderen einbringen, und in allen fordern Sie die Ausweitung von Kassenleistungen.

(Frau Pawelski [CDU]: Das ist doch hier aber am richtigen Platz!)

- Darüber wollen wir gleich noch einmal reden. Jetzt ist es das Neugeborenen-Screening, neulich war es die Ausweitung von Rehabilitationsleistungen oder auch die Anerkennung der Mammographie als GKV-Leistung.

(Frau Schliepack [CDU]: Was spricht dagegen?)

Das sind alles sinnvolle Geschichten; dagegen will ich gar nichts sagen. Aber dieses Landesparlament ist nicht der richtige Ort, um darüber zu entscheiden - gerade, wenn es um solche spezifischen Fragestellungen geht, wie Sie sie jetzt hier vorgetragen haben -, welche Leistungen im Einzelfall zukünftig GKV-Leistungen sind und welche nicht.

Ich will Sie, Herr Dr. Winn, einmal fragen, weil es mich wirklich interessiert: Was hat eigentlich Ihr Fraktionsvorsitzender gesagt, als Sie diesen Antrag in die Fraktion eingebracht haben?

(Möhrmann [SPD]: Da war er nicht da! Da machte er Wahlkampf!)

Denn der läuft gleichzeitig durch die Lande und sagt: Die GKV-Leistungen müssen zusammengestrichen werden. Das Leistungsspektrum ist viel zu breit. Wir wollen eine Aufteilung in Grund- und Wahlleistungen.

(Dr. Winn [CDU]: Das sind doch zwei Paar Schuhe! Das ist doch etwas ganz anderes!)

Ich frage Sie jetzt einmal: Was würde das für das Neugeborenen-Screening bedeuten?

(Frau Pawelski [CDU]: Mal einmal über den Tellerrand hinausgucken!)

Heißt das, dass Kinder, deren Eltern aus wirtschaftlichen Gründen einen billigeren Tarif gewählt und gerade diese Leistung abgewählt haben, zukünftig nicht mehr untersucht werden?

(Frau Pawelski [CDU]: Wollen Sie es für alle Kinder haben?)