Protocol of the Session on August 29, 2002

Man kann jetzt darüber streiten, wer wann was gewusst hat. Ich bin seit 1994 im Landtag. 1994/95 war die Finanzkrise kein großes Thema.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Was, bitte? Sondersitzung des Landtages!)

Ich glaube aber, dass es ein Gutachten, ein - wenn Sie so wollen - Wecksignal gibt. Das ist der von der Arbeitsgruppe „Personalkostenreduzierung“ 1996 vorgelegte Bericht. Ich habe das damals sehr ernst genommen und nehme es nach wie vor sehr ernst, weil das erste Mal eine Arbeitsgruppe,

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: 1987 gab es bereits eine Arbeitsgruppe!)

die sich aus Mitgliedern der Landesverwaltung, ergänzt durch Externe, zusammensetzte, die Ausgabenstruktur des Landeshaushalts untersucht hat und zu dem Ergebnis gekommen ist - Herr Gansäuer hat es zutreffend gesagt -, das Land befinde sich in einer Schuldenfalle und bei den Personalkosten in einer Pensionsfalle. Die Arbeitsgruppe „Personalkostenreduzierung“ hat seinerzeit vorgerechnet, dass es erforderlich ist, nur um die Ruhestandsbezüge der bis 2020 den Landesdienst verlassenden Beschäftigten zu erwirtschaften, 40 000 Stellen im Landesdienst zu streichen. Diese Streichung ist erforderlich, nur um die Ruhestandsbezüge zu erwirtschaften und die Personalausgaben

quote auf dem damaligen Stand von 42,6 % zu halten.

Man hat dann weitere Vorschläge gemacht, das so genannte Substanzsparen, wie man, um den Handlungsspielraum der Landesregierung und des Landtages zu erhalten, diese Personalkostenquote vielleicht sogar senken könnte. Das allermeiste von diesen Vorschlägen ist nicht umgesetzt worden. Sie wissen doch genauso gut wie wir, dass es seit 1996 einen kontinuierlichen Personalzuwachs im Landesdienst gegeben hat, über 43 % Personalkostenquote, über 44 % Personalkostenquote bis deutlich über 45 % Personalkostenquote, was heutzutage aber weder im Haushalt noch in der mittelfristigen Finanzplanung abgebildet wird. Das ist mittlerweile aus dem Haushalt herausgerechnet worden. Da fallen die pflegesatzfinanzierten Stellen in den Landeskrankenhäusern heraus. Da fallen die Globalzuschüsse an die Landesbetriebe heraus; das ist mittlerweile eine ganze Reihe. Das hat mit den Staatstheatern angefangen; die Universitäten und die Fachhochschulen sind mittlerweile dazugekommen. Deren Personalausgaben tauchen überhaupt nicht mehr auf.

Man hat natürlich auch zu einigen - ich würde sagen - Tricks gegriffen, zu bilanzverlängernden Maßnahmen, wie das Hineinrechnen von fiktiven Mieten und Pachten in den Haushalt, was allein dazu führt, dass die Personalkostenquote künstlich um 0,4 Prozentpunkte heruntergerechnet wird. Tatsächlich haben wir im Unterschied zu 1996 eine ungleich höhere Personalkostenquote. Das schnürt, weil sich die demographische Struktur der Landesbediensteten nicht verändert hat, den politischen Gestaltungsspielraum dieser Landesregierung und des Landtages enorm ein. Da Sie das seit 1996 wussten, aber trotzdem nichts getan haben, müssen Sie sich mit dieser Kritik hier auseinandersetzen.

Darüber hinaus hat die Arbeitsgruppe damals die Schuldenfalle festgestellt. Bei der Verschuldung ist es seither so gewesen, dass man sie nicht nur nicht abgebaut hat, sondern leider auch die Nettokreditaufnahme seit 1996 nicht zurückgeführt hat. Dieses Land nimmt jede Woche 35 Millionen Euro neue Schulden auf. Das sind jeden Monat 150 Millionen Euro neue Schulden. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich das - auch auf längere Sicht betrachtet - ändern könnte.

Wie es um die Finanzlage bzw. um den Landeshaushalt Niedersachsens tatsächlich bestellt ist, mag ein Punkt deutlich machen, der damals von

der Arbeitsgruppe „Aufgabenkritik“- sie hieß anders, hatte aber eine ähnliche Zusammensetzung vorgeschlagen worden ist. Diese Arbeitsgruppe hat vorgeschlagen, alle Bundesländer und der Bund sollten künftig - Stichwort: Zinsmanagement gemeinsam ihre Schulden am Kapitalmarkt aufnehmen, weil das zu günstigeren Refinanzierungsbedingungen führen würde. Dies würde einen Milliardenvorteil für die einzelnen öffentlichen Haushalte bedeuten. Wenigstens dieser Vorschlag ist vom Finanzminister aufgegriffen worden.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Der einzige!)

Aber der Bund weigert sich, diese gemeinsame Kreditaufnahme durchzuführen; denn er befürchtet, dass es dann, wenn u. a. Niedersachsen, das fast die schlechtesten Daten hat, dazu kommt, dass das Rating am Kapitalmarkt in einer Weise sinkt, dass ein großer Teil dieses Zinsvorteils, der aus der gemeinsamen Kreditaufnahme resultieren würde, wieder verloren ginge. Ich glaube, das macht sehr deutlich, wie es um den Landeshaushalt in Niedersachsen bestellt ist.

Da Sie das alles wussten, ist es natürlich unredlich, nachdem wir das in den letzten Jahren schon dreibis viermal gehört haben, heute ein solches Angebot zur Kooperation zu unterbreiten. Auch wenn es unredlich ist, sage ich Ihnen - weil wir die Inszenierung auch irgendwie mitmachen müssen -: Wir greifen das auf. Wir werden in der nächsten Landtagssitzung beantragen - wir wollen, dass Butter bei die Fische kommt -, dass sofort ein Nachtragshaushalt vorgelegt wird. Wir werden hier den Antrag stellen, dass ein Sanierungsausschuss eingesetzt wird, der sich mit der Konsolidierung der Landesfinanzen auseinandersetzen wird. Dann wollen wir einmal sehen, was die Zusage des Ministerpräsidenten, hier mit der Opposition kooperieren zu wollen, tatsächlich wert ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Herr Minister Aller hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht mehr lange bis zur Wahl. Deshalb ist die Debatte so, wie sie ist. Ich finde es beachtlich, dass Herr Golibrzuch das zentrale Thema Personalkos

ten angesprochen hat; denn er weiß genau, dass auch die Fraktion der Grünen in den letzten Jahren, gemessen an den 40 000, die er eben wieder in die Welt gesetzt hat, in Bezug auf den niedersächsischen Landeshaushalt natürlich keinen Nettopersonalabbau beantragt hat. Vielmehr hat er immer da, wo wir versucht haben, einen Personalabbau durchzusetzen, an der Seite der CDU gestanden und solche Maßnahmen bekämpft.

(Beifall bei der SPD)

Diesem Prinzip ist er gefolgt, während wir Stellen in bestimmten Bereichen abgebaut haben, auch als wir im Schulbereich und im Hochschulbereich zusätzliches Personal eingestellt haben. Das ist die eigentliche Umschichtung an Personal, die stattgefunden hat, um einen Teil der falschen Personalpolitik, Herr Gansäuer, die in den 16 Jahren unter der Regierung Albrecht betrieben worden ist, zu korrigieren. Sie haben Politik gegen die Schulen gemacht. Sie haben Politik gegen die Kindergärten gemacht, und Sie haben Politik gegen die Chancen der Jugend in diesem Lande gemacht. Das ist 1989/90 korrigiert worden.

(Beifall bei der SPD)

Es ist natürlich schwierig, in der heutigen Zeit eine Schuldendebatte zu provozieren, wenn man aus einer Vergangenheit kommt wie Sie, Herr Gansäuer, wie Frau Breuel oder wie die Nachfolger, Herr Wulff und Herr Möllring. Eine Steigerung von 7 Milliarden auf 40 Milliarden - DM allerdings ist eine stramme Leistung. Sie wird aber erst dann richtig messbar, wenn man die entsprechenden Maßstäbe dagegenstellt. Es ist nun einmal so, dass die durchschnittliche Kreditfinanzierungsquote in der Zeit von 1980 bis 1989 unter der Regierung Albrecht 9,05 % betrug. Fast 10 % dessen, was den Haushalt überhaupt ausgemacht hat, waren bei Ihnen Schulden. Das heißt, die Haushalte waren kleiner, und der Schuldenanteil war wesentlich höher als heute. Wenn man die Jahre 1990 bis 1999 betrachtet, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die Kreditaufnahmequote bei 7,5 %, also wesentlich niedriger lag. Der Umfang der Haushalte war größer, allerdings waren die Schulden nicht wesentlich niedriger als bei Ihnen.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Die Schulden waren höher!)

Es hat keinen Zweck, diese Zahlen in der Diskussion gegeneinander zu stellen.

In einem Punkt aber, Herr Gansäuer, muss man Sie immer wieder packen. Das war die von Ihnen mitfrisierte Abschlussbilanz, nämlich die Mipla 1989/90. Sie stricken in Ihren Broschüren, die Sie jetzt einstampfen mussten, wieder an der Legende, Sie hätten gewissermaßen ein Guthaben auf die Folgejahre übertragen. Sie haben gesagt, Sie hätten 1,5 Milliarden Rücklage in die Mipla eingestellt.

(Gansäuer [CDU]: Nein, das habe ich doch gesagt!)

Ich darf Sie daran erinnern, weil Sie mich so schön zitiert haben, dass ich mit dem zuständigen Mann im Sozialministerium die Erblast von Herrn Schnipkoweit, die sich allein im Krankenhausbau auf eine halbe Milliarde DM belief, abarbeiten durfte.

(Beifall bei der SPD)

Eine halbe Milliarde DM - die Bewilligungsbescheide waren vom Minister mit grüner Tinte abgezeichnet - durften wir für Luftschlösser im Krankenhausbau bezahlen, für die Sie angeblich eine Rücklage gebildet haben. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie alleine bei Löhnen und Gehältern 1,7 Milliarden in der Mipla vorsichtshalber nicht veranschlagt hatten, weil Sie sonst ohne entsprechenden Handlungsbedarf gar nicht mit einer halbwegs vernünftigen Mipla hingekommen wären. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Sie eine Zinslandschaft vorausgesagt haben, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatte. Deshalb mussten sofort nach dem Regierungswechsel ein neuer Haushaltsplan vorgelegt und die Mipla angepasst werden.

Zur Situation, die Sie beschrieben haben: Es mag ja sein, dass Sie mit 12 oder 13 Jahren Abstand zur Realität nun versuchen, Ihr eigenes Tun ein wenig zu verklären. Aber genauso, wie Sie die Zitate sammeln können, können Sie sicher sein, dass wir zu gegebener Zeit Briefe von Frau Breuel an Herrn Albrecht oder Ihren Brief zur Abschlussbilanz, die ich eben angesprochen habe, herausholen und auf den Tisch legen werden. Es geht mir darum, deutlich zu machen, dass wir bei den Haushaltsstrukturen, die es derzeit in Niedersachsen gibt - hier gebe ich Herrn Golibrzuch Recht - einen Handlungsschwerpunkt in der Personalkostenentwicklung haben. Der Irrtum, über den hier ständig diskutiert wird, ist, dass wir in den letzten Jahren große Probleme mit der Anzahl der aktiv Beschäftigten hätten. Hier ist es in der Tat so - das ist im Jahre

1999 von dem Institut bestätigt worden -, dass wir im Bereich der aktiv Beschäftigten massiv Personal eingespart haben.

(Zuruf von Wulff (Osnabrück) [CDU])

Nur so ist erklärbar, Herr Wulff, dass die Aufwüchse im Personalkostenbereich nicht bei den aktiv Beschäftigten entstanden sind. Das Problem sind in der Tat die Beschäftigten, die in die Pension gehen werden, denn für die - daran haben wir alle mitgewirkt - haben wir nicht die entsprechenden Rücklagen. Deshalb ist der Aufwuchs bei den Versorgungslasten überproportional hoch. Das Gleiche gilt für die Beihilfe.

Am Beispiel der Beihilfe möchte ich Ihnen nun sagen, wie Ihre Politik funktioniert. Bei dem sensiblen Thema Beihilfe, einem Thema, bei dem es an das Portmonnee der Beschäftigten in diesem Lande geht, haben wir dafür geworben, zu begreifen, dass wir dann, wenn wir hier nicht die früheren Regelungen beibehalten, wenn wir kürzen und die Standards an den Standard der gesetzlichen Krankenkassen anpassen, Millionen zulasten dieser Beschäftigten sparen. Die erste Partei, die aufgeheult hat, war die CDU. Die Grünen haben sich ruhig verhalten.

(Beifall bei der SPD - Mühe [SPD]: Genauso ist es! – Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das ist gar nicht wahr!)

Wir haben gesagt, dass wir die Zulagen und Prämien unter den obwaltenden Bedingungen nicht zahlen können, und haben dies auch dem Personal mitgeteilt. Anschließend haben wir dafür geworben, im Sinne von Solidarität für diesen Haushalt darauf zu verzichten,

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Sie haben völlig unsoziale Regelungen getroffen!)

dass wir sie umsetzen. Als es um diese konkreten Einsparungen bei den Personalkosten ging, war die CDU die erste Partei, die losgeheult hat. Das ist unredlich, Herr Wulff. Deshalb ist es so schwierig, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme nun zum letzten Punkt. Wir haben unter größten Mühen Lehrerinnen- und Lehrerstellen in den Haushalten der letzten Jahre und der Mipla für das, was vor uns liegt, ausgewiesen.

Wenn Sie jedoch unter der Darstellung der Finanzen, wie es Herr Gansäuer hier getan hat, 2 500 Stellen draufsatteln,

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Finanziert!)

dann müssen Sie mir einmal erklären, wie ich der Öffentlichkeit sagen soll, dass das meine soliden Partner in der zukünftigen Finanzpolitik in diesem Lande sind. Da ist absolut nichts dran!

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist es so schwierig, Sie als ernstzunehmende Partner in Anspruch zu nehmen.

Herr Golibrzuch ist ja im Vergleich zu Ihnen ein sehr guter Haushaltspolitiker. Aber das Angebot, das er gemacht hat, ist typisch für ihn. Er sagt, wir bieten unsere Zusammenarbeit an, und ihr legt einen Nachtragshaushalt vor. Niemand hindert die Grünen und die CDU daran, gleichzuziehen mit der Regierung, nachdem das Kabinett die Eckdaten für die Mipla auf den Tisch gelegt hat. Es gibt keine Geheimnisse. Die CDU-Fraktion ist genauso schlau wie alle anderen in diesem Hause, und Sie sind genauso gefordert wie jede andere Fraktion. Sie sind größer als die Grünen, aber deutlich schlechter in der Haushaltspolitik. Das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der SPD - Wulff (Osna- brück) [CDU]: Das ist lächerlich!)

Meine Damen und Herren, von dem Kollegen Groth kam an einer Stelle der Zwischenruf „Bilanzfälschung“. Ich hoffe, Sie sind sich über die Tragweite Ihres Vorwurfes im Klaren. Wir werden bei Gelegenheit darauf zurückkommen.

Zusätzliche Redezeit von bis zu zwei Minuten erhält der Kollege Golibrzuch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich weiß nicht, ob Sie die Hoffnung hatten, dass Sie mit diesem abschließenden Lob verhindern könnten, dass ich mich noch einmal melde. Ich möchte unter dem Gesichtspunkt Redlichkeit drei Anmerkungen machen.

Erstens. Es ist völlig richtig: Wir als Fraktion haben jahrelang, mindestens seit 1996, die sehr un