Protocol of the Session on August 29, 2002

Die Soziokultur erreicht viele unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und ist die Kulturform, die am ehesten gerade im ländlichen Raum die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen aufnehmen, bündeln und umsetzen kann. Gerade die direkte Beratung durch die LAGS trifft auf Vereine, Verbände, und durchaus auch auf Kommunen zu, die mit unterschiedlichen Schwerpunkten konkrete Beratung erwarten. Ländliche und kleinstädtische, überwiegend ehrenamtliche Kulturarbeit wird aktiviert und gebündelt. Das Ministerium nennt Beispiele: Das Forum für Kunst und Kultur in Heersum und das Theater Metronom in Hütthof.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben in Niedersachsen mehr als 40 Kunstschulen. Diese Zahl ist beispielhaft.

(Zustimmung von Jahn [CDU])

- Vielen Dank für den Beifall, Herr Jahn. Ich finde das sehr nett. Die Kunstschulen haben es verdient. - Durch die auf die Kunstschulen zugeschnittene Finanzierung konnten diese Schulen vorwiegend

im ländlichen Raum ein hervorragendes Angebot entwickeln.

(Schirmbeck [CDU]: Jawohl!)

In diesem Zusammenhang will ich auf die Kunstvereine verweisen, von denen es in Niedersachsen 50 gibt. Wer von uns hat jemals von 50 Kunstvereinen in Niedersachsen gesprochen? - Das ist Förderung, sehr geehrte Damen und Herren, im ländlichen Raum. Das möchte ich hier betonen. Was wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, vom Erdölmuseum in Wietze, vom Schifffahrtsmuseum in Brake,

(Schirmbeck [CDU]: Wann waren Sie das letzte Mal dort?)

vom Freilichtmuseum in Hösseringen und vom Automuseum bei Bockenem? Das sind Leuchttürme unserer Regionen - Herr Schirmbeck, Sie stimmen mir durch Ihr Nicken zu -, die mit erheblichen infrastrukturellen Mitteln gefördert worden sind. Die Landesregierung stützt Museumsverbünde - das ist wichtig, weil das auch Zukunft heißt und stärkt die Professionalisierung. Das sind Maßnahmen, die langfristig diese besagten Leuchttürme mit in die Zukunft nehmen. Die rund 650 Museen unterschiedlichster Art sind überwiegend im ländlichen Raum. Herr Jahn, Sie haben viel zu tun, wenn Sie alle Museen besuchen wollen.

Wer von Ihnen kennt z. B. den Künstlerinnenhof „Die Höge“ als international renommierte Stipendienstätte? Wer von Ihnen kennt unsere Stipendienhäuser Künstlerhof Schreyahn, Künstlerstätte Bleckede, Künstlerhäuser Worpswede und Künstlerstätte Stuhr-Heiligenrode? Alle diese Häuser sind Einrichtungen des Landes und fördern über Stipendien und Unterstützungen unsere begabten jungen Künstler und Künstlerinnen aus Niedersachsen.

Die kommunalen Theater in Celle, Göttingen, Hildesheim, Lüneburg und Osnabrück sowie die Landesbühnen Hannover und Oldenburg sind ein wichtiger Bestandteil der Kulturförderung im ländlichen Raum. Auch die freien Theater, die zum Teil über Konzeptionsförderungen verfügen, sind Bestandteil des ländlichen Raumes oder der Region.

Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Niedersachsen hat ein großes regionales Potenzial mit mittlerweile 13 Landschaften und Landschaftsverbänden. Die Ostfriesische Landschaft will ich hier

nur beispielhaft nennen. Die Verzahnung hauptamtlich kommunaler und ehrenamtlicher Arbeit - das will ich hier besonders betonen - ist die besondere Stärke der niedersächsischen Regionen, deren Weiterentwicklung auch und gerade über kulturelle Förderung erfolgt.

In dieser vorgelegten Großen Anfrage geht es bei allen Fragen um Weiterentwicklung und Zukunft von kulturellen Einrichtungen. Von daher ist die Frage nach der Weiterentwicklung der Avantgarde folgerichtig. Ich wage es, in diesem Zusammenhang auf die Museenlandschaft zu verweisen und insbesondere die Kestner Gesellschaft in Hannover zu nennen. Ich glaube auch, dass die Literaturförderung mit den unterschiedlichsten Förderformen ein gutes Aushängeschild für Niedersachsen ist. Ich würde mir allerdings eine noch bessere Umsetzung und Förderung zeitgenössischer Musik wünschen. Dass meine Fraktion gerade mit dieser Frage ein Förderinstrument abgefragt hat, das sich gerade im Aufbau befindet, freut mich. Das Ministerium ist dabei, diese Sache weiter auszubauen. Ich bin sicher, dass wir auch dort positive Ergebnisse erwarten können.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin sicher, dass die Beantwortung dieser Großen Anfrage, obwohl ich hier nur einen kleinen Teil nennen konnte, mit dem von der CDU behaupteten Unfug aufgeräumt hat, die Niedersächsische Landesregierung benachteilige den ländlichen Raum bei der kulturellen Förderung.

(Beifall bei der SPD)

Ich hoffe das inständig, weil diese Debatte, die in Teilen der CDU geführt wird, kontraproduktiv ist. Ich habe Ihnen einige Einrichtungen aufgezeigt. Ich habe das Gefühl, dass viele von Ihnen diese gar nicht kennen. Es wäre wichtig, sich wirklich einmal in die Regionen und in die Fläche zu begeben, um sich das eine oder andere anzusehen.

Genau das Gegenteil ist also der Fall. Unsere Kulturpolitik bewegt sich zwischen Tradition und Moderne - das ist das schöne daran - mit qualifizierter Vielfalt in den Regionen unseres Landes.

(Zustimmung von Dr. Domröse [SPD])

Ich finde, sehr geehrte Damen und Herren, unsere Kulturförderung hier in Niedersachsen kann sich sehen lassen. Sie nimmt die Regionen mit und hat Zukunftsperspektiven im Auge. Ich bin froh, dass

wir diese Große Anfrage gestellt haben, weil damit deutlich geworden ist, was alles in diesem Bereich in unserem Land geschieht. Ich nutze gerne die Gelegenheit, mich bei Minister Oppermann und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu bedanken, die die Antwort auf diese Große Anfrage erarbeitet haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Oppermann, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für den Dank, liebe Kollegin Bührmann. Ich möchte ihn gern an meine Mitarbeiter weitergeben, die sich in mühevoller Kleinarbeit daran gemacht haben, in der Beantwortung der Großen Anfrage ein Bild von der Kulturlandschaft Niedersachsens zu zeichnen, das vital, pluralistisch, lebendig und reichhaltig ist.

Niedersachsen hat in der Tat eine anspruchsvolle und niveauvolle Kulturlandschaft. Das will im Übrigen auch unsere Verfassung so. Wir haben vor knapp zehn Jahren eine neue Verfassung verabschiedet. Dort heißt es in Artikel 6:

„Das Land, die Gemeinden und die Landkreise schützen und fördern Kunst, Kultur und Sport.“

Damit definiert sich Niedersachsen als Kulturstaat, wie auch das Grundgesetz die Bundesrepublik Deutschland als Kulturstaat begreift. Was ist ein Kulturstaat? - Darüber wird im Einzelnen natürlich gestritten. Im Kern bedeutet „Kulturstaat“ die Aufgabe des Staates, einen strukturellen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen es dem einzelnen oder der einzelnen ermöglicht wird, an Kunst und Bildung teilzuhaben, und zwar auf dem Weg über künstlerische Prozesse, in der Auseinandersetzung mit ästhetischen Fragen oder ästhetischen Erfahrungen. In der Begegnung mit Kunst und Künstlern soll das eigene Urteil geschärft werden. Aus der positiv verstandenen künstlerischen Verunsicherung heraus soll ein eigener Standpunkt entwickelt werden, also eine unverwechselbare Identität, freie Entfaltung der Persönlichkeit.

All das sind Voraussetzungen für mündige Bürgerinnen und Bürger. Das gilt umso mehr im Zeital

ter der Globalisierung, in einer immer stärker einheitlich werdenden Welt, in der Individualität untergepflügt zu werden droht, in der sich immer stärker Uniformität und Konformität ausbreiten. Insofern leistet der Kulturstaat einen ganz wichtigen Beitrag für die Bürgergesellschaft. Kulturstaat und Bürgergesellschaft bedingen einander. Viele Einrichtungen, die wir dem Kulturstaat zurechnen, die wir mit dem Kulturstaat identifizieren, stammen eigentlich aus vorkonstitutioneller Zeit.

Ein Beispiel dafür sind unsere Landesmuseen. Eines der sechs Museen, das Niedersächsische Landesmuseum, ist gerade 150 Jahre alt geworden. Wenn Sie an den Feierlichkeiten teilnehmen, werden Sie hören, wie das Museum entstanden ist: Es ist vor 150 Jahren in Hannover aus einer Initiative von drei Vereinen entstanden, die nicht nur ihre bis dahin schon recht wertvollen Sammlungen zusammengelegt, sondern sie eben auch öffentlich gemacht, einem Publikum zur Verfügung gestellt haben. Damit haben sie einen Bildungsanspruch verbunden. Das war sicherlich idealistisch, ist aber nach wie vor aktuell. Aber sie haben nicht nur ihre Sammlungen zusammengelegt, sondern 50 Jahre später auch ein Drittel der Kosten zusammengebracht, sodass dann das Landesmuseum am Maschpark gebaut werden konnte, das ja viele ortsunkundige Besucher Hannovers gerne mit der Staatskanzlei verwechseln.

Das zeigt, dass es die Bürgergesellschaft schon früher gab, dass sie revitalisiert werden muss. Ich meine, es ist Aufgabe einer modernen Kulturpolitik, das Verhältnis zwischen Kulturstaat auf der einen Seite und Bürgergesellschaft auf der anderen Seite neu zu bestimmen. Daran haben wir in den letzten Jahren gearbeitet.

Ich möchte das an vier Bereichen exemplarisch verdeutlichen. Diese Bereiche sind: erstens die Modernisierung der Theater, zweitens die Revitalisierung der Landesmuseen, drittens die Regionalisierung der Kulturverwaltung und viertens die Stärkung der freien Kultur. Damit kann ich nicht alle Themen abdecken, die in der Großen Anfrage behandelt werden, aber ich meine, für die Diskussion ist es sinnvoll, sich auf Exemplarisches zu beziehen.

Die Modernisierung unserer Theater. Wir haben eine Theaterlandschaft in Deutschland, die einmalig ist. Gerade ist ja festgestellt worden, dass jede zweite Bühne dieser Welt in Deutschland bzw. in Österreich steht. Das ist eine mitteleuropäische

Tradition, die wir nicht aufgeben können, ohne kulturell und gesellschaftspolitisch wesentlich ärmer zu werden. Auf diese Theaterlandschaft können wir stolz sein. In Niedersachsen haben wir nicht nur die drei Staatstheater, die drei Flaggschiffe, sondern wir haben auch die von Frau Bührmann schon angesprochenen fünf städtischen Bühnen, die wir unterstützen, zwei Landesbühnen, wir haben hervorragende freie Theater und eine breite Bewegung auch bei den Laientheatern.

Wir haben viel Geld investiert, um z. B. das Opernhaus in Hannover auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen. Es handelte sich dabei um zweistellige Millionenbeträge.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Ja, Herr Minister, das haben Sie!)

- Frau Kollegin, vielleicht sollten Sie einmal in die Oper und nicht immer nur zu den Demonstrationen gehen, die auf dem Opernplatz stattfinden.

(Beifall bei der SPD - Frau Janssen- Kucz [GRÜNE]: Sie wissen gar nicht, wo wir uns herumtreiben! Auch in der Oper!)

Dort kann man übrigens auch etwas über politische Verhältnisse lernen. Es muss nicht gleich Don Giovanni sein.

(Heiterkeit)

Das würde ich Ihnen nicht als Erstes zumuten. Da soll es ja anzügliche Bilder geben.

(Hagenah [GRÜNE]: Er war übrigens sehr gut! Das war eine gute Inszenie- rung! - Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Ich liebe „Die Soldaten“!)

- Welche Soldaten?

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Sie wissen nicht, welche? Die Solda- ten von der Oper!)

- Die Figuren, die oben auf der Oper stehen, sind keine Soldaten, sondern das sind Shakespeare, Goethe, Schiller.

(Heiterkeit)

Aber die liebt Frau Stokar auch.

Ich glaube, die lieben Sie auch.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: „Die Soldaten“ - das ist eine Oper, Herr Minister!)

- Ach so, „Die Soldaten“. Alles klar. Dann gehen wir einmal in diese Oper. Ich dachte, Sie waren auf dem falschen Weg.

Wir haben viel Geld in die Oper gesteckt, wir haben aber z. B. auch in Oldenburg und in Braunschweig in den letzten zehn Jahren kräftig investiert, und zwar nicht nur in die Bühnentechnik, sondern wir haben auch kleine Häuser geschaffen, damit dort das Programm in der ganzen Breite aufgeführt werden kann.