Protocol of the Session on May 15, 2002

Das Wort hat Frau Kollegin Bührmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Litfin, schade, dass sich dieser Beitrag eigentlich nur in Kritik ausgelassen hat und nicht angesprochen wurde, was wir konkret an Musikförderung machen. Ich will darauf gerne eingehen, weil ich meine, dass es immer einfach ist, das eine oder andere zu kritisieren, dass es offensichtlich aber sehr viel schwieriger ist, die Leistungen der Landesregierung anzuerkennen.

Sie wissen - deshalb gehe ich noch einmal auf die Diskussion von heute Morgen ein -, dass kaum ein Lebensbereich der Menschen in den Industriestaaten von den medientechnologischen Umwälzungen verschont bleiben wird. Die Schuldebatte in Niedersachsen steht vor dieser Herausforderung und treibt die dringende Anpassung unseres Bildungssystems voran. Wir erleben, wie auch heute Morgen in der Debatte um Gewalt und die Vorkommnisse in Erfurt deutlich wurde, die Macht der unkontrollierten Gewaltdarstellung und die Vereinsamung vor den Bildschirmen, die nicht selten mit Lebensängsten gepaart ist. Der Begriff der kulturellen Bildung rückt seit PISA immer mehr in den Vordergrund, und die Frage, wie der Bildungsgedanke in einer zukünftigen Gesellschaft bestimmt bzw. ausgeformt werden wird, ist auch die Frage

nach der Bedeutung ästhetischer bzw. musikkultureller Inhalte. Wahrscheinlich ist diese Frage für die Entwicklung unserer Gesellschaft und vor allem für die Entwicklung unserer Kinder und Jugendlichen essenzieller, als wir es bisher wahrhaben wollten. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände e. V. drückt das so aus:

- die kulturelle Bildung

„bietet ein lebensfeld- und handlungsbezogenes Verständnis von Lernen, das darauf abzielt, Kindern und Jugendlichen über künstlerische Medien Wege zu erschließen, die Welt in ihrer Komplexität zu begreifen und verantwortungsbewusst mitzugestalten.“

Ich meine, dass es in diesem Hause keinen ernsthaften Dissens über die Bedeutung der Förderung von Musikkultur gibt.

(Zuruf von Oestmann [CDU])

- Nein, Herr Oestmann, vor diesem Hintergrund gibt es keinen Dissens. Ich würde mich sehr wundern, wenn Sie dieses hochziehen würden.

Der von der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegte Änderungsantrag nimmt einige Punkte des Entschließungsantrags der CDU-Fraktion auf; ich muss das noch einmal betonen.

(Frau Littfin [GRÜNE]: Die Lyrik!)

Auf andere haben wir bewusst verzichtet, weil sie sich entweder bereits in der Umsetzung durch die Ministerien MWK und MK befinden oder von der SPD-Fraktion nicht für sinnvoll gehalten worden sind. Mit aller Deutlichkeit verweise ich heute noch einmal darauf - Frau Litfin, es wäre schön, wenn Sie das zur Kenntnis nehmen würden; ich bitte auch die Damen und Herren von der CDUFraktion, dies endlich zur Kenntnis zu nehmen -, dass insbesondere im Musikbereich die Haushaltsansätze auf Initiative der SPD-Fraktion um 800 000 DM erhöht worden sind. Dies war, wie Sie wissen, angesichts der schwierigen Haushaltssituation nicht leicht, und ich freue mich, dass meine Fraktion zu diesem für die Musikförderung so positiven Ergebnis gekommen ist.

Sie haben es sicherlich gelesen, dass Minister Oppermann in Zusammenarbeit mit der Musikkom

mission gerade jetzt die Mittel für die Projektförderung im Bereich der Musik auf 1 006 840 Euro erhöht hat. Damit können nicht nur - das sind keine Peanuts, Frau Litfin, und das ist auch nicht Lyrik 48 größere Vorhaben finanziert werden, wie z. B. das Jazz-Podium der Landesarbeitsgemeinschaft Jazz, sondern auch kleine Musikprojekte bekommen eine Chance.

Lassen Sie mich noch ein Wort zur Landesmusikkommission sagen. Dieses Gremium besteht seit 1997 und ist mit neun namhaften Fachleuten des niedersächsischen Musiklebens besetzt. Die Entscheidungen für die auch oben angesprochenen Projektanträge werden transparent und mit großer Fachkompetenz getroffen.

(Beifall bei der SPD)

Ich wundere mich, dass Sie das in dieser Weise permanent kritisieren. Das Aktionsprogramm „Hauptsache Musik“ des Deutschen Musikrates ist in Kooperation mit dem Kultusministerium in Niedersachsen gestartet. Mit 28 Bausteinen wird dieses Projekt mit dem Landesmusikrat beispielhaft durchgeführt. Auch dazu, Frau Litfin, kein Wort von Ihnen.

Damit, sehr geehrte Damen und Herren, ist Niedersachsen bei weitem das aktivste Bundesland im Rahmen dieser Dachkampagne. Das niedersächsische Modell ist bundesweit führend und wird, wie Sie wissen, zunehmend ausgeweitet. Ich freue mich, dass wir die in PISA aufgezeigten Defizite schon mit diesem Projekt angehen konnten. Ich hätte mir gewünscht, dass die CDU-Fraktion darauf positiv eingegangen wäre und die Leistungen sowohl des Musikrates als auch der Niedersächsischen Landesregierung anerkannt hätte. Das Gleiche gilt für die Fraktion der Grünen.

(Beifall bei der SPD - Frau Schwarz [CDU]: Dazu sind wir nicht ver- pflichtet!)

- Anerkennung gegenüber dem Landesmusikrat wäre schön gewesen.

Es zeichnet die Musikförderung in Niedersachsen aus, dass neben diesem großen Projekt „Hauptsache Musik“, dessen wesentlicher Bestandteil die Kooperation zwischen Schulen und musikalischen Einrichtungen ist, ein weiteres großes Projekt gestartet ist, nämlich die Einrichtung neuer Kontaktstellen für Musik. Für diese Vernetzungsstellen regionaler Musiklandschaften stehen in den Jahren

2002 und 2003 jeweils 74 000 Euro zur Verfügung. Das erste interessante Projekt in Stade steht kurz vor dem Start. Mit der Einrichtung dieser Kontaktstellen fördert das Land Niedersachsen ein Projekt, das sowohl vom Landesmusikrat als auch vom Landesverband der Musikschulen favorisiert worden ist. Der Träger wird der Landesmusikrat sein. Diese Kontaktstellen sind eine große Chance auch für die Musikschulen, dieses innovative Projekt jetzt kraftvoll anzugehen und für ihre Arbeit zu nutzen. Wir sind sicher, dass das über drei Jahre mit ESF-Mitteln in Höhe von 289 950 Euro finanzierte Projekt QSM, nämlich Qualitätssicherung an Musikschulen, es auch dem Landesverband ermöglichen wird, die Musikschulen in ihrer Qualität voranzubringen.

Die Musikschulen werden vom Land Niedersachsen - das ist richtig - mit 1,3 Mil-lionen Euro gefördert. Das sind 2 %. Wir haben diese Förderung bei den letzten Haushaltsberatungen im Lotteriegesetz als Festbetrag verankert und damit dem Landesverband und den Musikschulen Planungssicherheit gegeben. Ich meine, dass es sich lohnt, dies zu erwähnen, weil das ein sehr wesentlicher Faktor ist. Außerdem - auch dies ist wichtig - fördern wir die Landesgeschäftsstelle mit jährlich 135 000 Euro.

Mit dem beschriebenen Qualitätssicherungsprojekt stärken wir die innovative Entwicklung der Musikschulen, wir erkennen ausdrücklich die wichtige und in vielen Bereichen hervorragende Arbeit der Musikschulen in Niedersachsen an, und wir wissen um die Bedeutung der Vermittlung von Musikunterricht in ca. 79 Musikschulen mit rund 800 000 Schülerinnen und Schülern.

Ich bin davon überzeugt, dass die Debatte um die kulturelle Bildung auch die Musikschulen fordern wird. Wir haben trotz schwieriger Haushaltslage - ich bitte den Landesverband der Musikschulen, das zur Kenntnis zu nehmen - auch für die Musikschulen durch die Finanzierung der genannten Projekte verbesserte Bedingungen geschaffen. Eine Verpflichtung des Landes - darauf will ich hinweisen - ist die Förderung nicht. Hier sind eindeutig die Kommunen in der Verantwortung.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Musikschulen wären gut beraten, die jetzt vor ihnen liegenden Aufgaben, wie z. B. die Qualitätssicherung und die Einrichtung der Kontaktstellen, mit der Finanzierung durch das Land anzufassen. Flyer, wie sie jetzt vorliegen, helfen in der Diskussion nicht,

denn sie sind, wenn ich meinen Kollegen, Herrn Jüttner, zitieren darf, suboptimal.

Es gibt mit der Studie zur Einrichtung unserer Popakademie einen weiteren Punkt, auf den ich gerne hinweisen möchte. Wir sind diesbezüglich auf einem guten Wege. Ich bin sicher, dass wir auch dort eine Musikförderung bewerkstelligen werden, die alle zufrieden stellt.

(Oestmann [CDU]: Zufrieden stellend ist das noch nicht!)

Ich will zum Schluss noch einmal darauf hinweisen, Herr Oestmann, dass sich Niedersachsen mit seiner Musikförderung wirklich bundesweit sehen lassen kann.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben viele gute Projekte gefördert, und wir werden damit fortfahren. Wir wissen sehr genau und erkennen an, was in diesem Bereich auch im Ehrenamt geleistet wird. Ich meine, dass es insbesondere in der Musikförderung Sinn macht, darauf einzugehen, was Niedersachsen sowohl in dem einen als auch in den anderen von mir genannten Projekten leistet. Ich finde es schade, dass gerade diese Debatte, die für die Kultur in unserem Land so wichtig ist, nur über negative Positionen gestritten wird. Es wäre schön, wenn Sie das, was in Niedersachsen geschieht, auch einmal anerkennen würden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt die Frau Kollegin Schwarz.

(Frau Schwarz [CDU] begibt sich mit Gehhilfen zum Rednerpult)

- Kann man Ihnen das zumuten, oder müssen wir technisch irgendetwas anderes machen?

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich ganz herzlich dafür, dass Sie mir ein wenig Zeit gegeben haben, um ans Rednerpult zu kommen. Aber das, was Frau Bührmann soeben zur Musikkultur und zur Musikförderung gesagt hat, hat mich mehr an das erinnert, was mich hier im Moment stützt. Mich allerdings stützt es nur auf Zeit. Mit Blick auf die Musikförderung hier im Land Niedersachsen wird dieser Prozess jedoch

langwieriger sein. Es sind Krücken, die helfen aber nicht auf Dauer.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn man sich einmal die Grundvoraussetzungen anschaut, unter denen der Musikbereich hier in Niedersachsen arbeiten muss - hier geht es in erster Linie um den Schulunterricht -, kann man feststellen, dass es um diesen Bereich nicht glorreich bestellt ist. Aber gerade in den Kindergärten und in den Grundschulen müsste als Erstes angesetzt werden. Bundesweit kann beobachtet werden, dass richtiger Musikunterricht an den Grundschulen aber nur zu 15 bis 20 % und an den Gymnasien nur bis zu 37 % erteilt wird. Dieser Unterricht wird zudem nicht immer von Lehrern erteilt, die eine Musikausbildung genossen haben. Das ist nicht gerade zukunftsweisend.

Auch die PISA-Studie, die mit dem schlechten Abschneiden der deutschen Schüler die Aufmerksamkeit der Eltern, Lehrer und Bildungsexperten in erster Linie auf die Grundfertigkeiten Rechnen und Schreiben sowie auf die klassischen Lernfächer gelenkt hat, hat den Musikbereich leider außen vor gelassen. Ausreichend Nachwuchs in der Lehrerausbildung - das hat Ministerin Jürgens-Pieper auch selbst eingeräumt - fehlt. Wenn man sich nun die Verhältnisse in Niedersachsen anschaut, dann kann man feststellen, dass es für den gymnasialen Bereich 52 bis 54 Absolventen gibt. Gebraucht werden aber 100. Das heißt, dass der Musikunterricht in den Schulen auch in den nächsten Jahren keine großen Erwartungen hegen darf, sondern hier muss nachgebessert werden.

Man kann natürlich sagen, dass im Zuge der Lehrerfortbildung ein gewisses Maß an Kompensation stattfinden kann. Bei einem Minimalpreis von 26 Euro pro Lehrer und Jahr, auf den die Lehrerfortbildung inzwischen abgesackt ist, kann man so etwas aber nicht erreichen. Ich meine wohl zu Recht, dass man dafür - wie es Herr Busemann richtigerweise gesagt hat - nicht einmal die Türklinke in die Hand zu nehmen braucht. Sie öffnen der Musik damit wirklich keine Türen. Wenn die Lehrer diese Fortbildungsveranstaltungen besucht haben, dürfen sie im Anschluss daran im Lehrerzimmer gemeinsam trällern, damit alle mitbekommen, was bei der betreffenden Veranstaltung stattgefunden hat. Die GEW hat wohl eine realistische Einschätzung vorgenommen, wenn sie sagt: Zukunftsprognose für den Musikunterricht in Moll.

Aber ganz geharnischt. - Wenn darüber hinaus die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Chorverbände e.V. im März 2002 ganz deutlich darauf hinweist, dass viele der künftigen Lehrerinnen und Lehrer musikalische Analphabeten seien, so ist auch das kein Zukunftszeichen.

(Beifall bei der CDU und Zustim- mung von Frau Harms [GRÜNE])

Im Februar 2002 hat an der Musikhochschule in Hannover ein Kongress stattgefunden, an dem Minister Oppermann aber leider nicht teilnehmen konnte. Er wurde schmerzlich vermisst.

(Mühe [SPD]: Das verstehe ich!)

An dieser Veranstaltung hat aber der für den Musikbereich zuständige Referent des Ministeriums für Bildung und Kultur, Herr Al-Ghusain, teilgenommen. Er hat ganz deutlich gesagt, dass es noch eine Zeit lang dauern wird, bis sich Änderungen in der Ausbildung zukünftiger Musiklehrer in den Prüfungsordnungen der Universitäten niederschlagen werden. Was macht der Minister hier? Wie weit ist er auf diesem Gebiet förderlich? - Ich habe nicht den Eindruck, dass er hier sehr gedeihlich arbeitet. An dieser Stelle steht nicht nur Minister Oppermann, sondern genauso auch Frau Ministerin Jürgens-Pieper in der Verantwortung.

(Beifall bei der CDU)

Was die Finanzierung der Musikinstrumente der Schulen angeht, möchte ich gerade vor dem Hintergrund der viel gepriesenen Bläserklassen, die wirklich Beachtliches leisten, darauf hinweisen, dass die Niedersächsische Sparkassenstiftung nur eine Anschubfinanzierung anbietet. Letztendlich müssen die Schulen den entstehenden Nachbedarf aber wieder selbst regeln. Das führt dazu - wie dies in Dochtersen der Fall gewesen ist -, dass für 44 Instrumente 50 000 DM bezahlt werden mussten und von den Eltern jetzt entsprechende Unterrichtsgebühren und darüber hinaus auch Leihgebühren für die Instrumente erhoben werden. Auf diese Weise werden fast die gleichen Sätze erreicht, wie sie an den kommunalen Musikschulen gezahlt werden müssen. Ich sage es einmal so: Da wird den Menschen die Wurst auf die Nase gelegt und behauptet, dass alle satt geworden sind. - So aber kann man meiner Meinung nach nicht arbeiten.

Frau Bührmann, wenn Sie hier einerseits auf die Aufstockung der Landesmittel für die Musikförde