Protocol of the Session on May 15, 2002

Sie haben dann weiter gesagt:

„Die Unterstellung in Ihrer Anfrage, die Realschule sei als eigenständige Schulform gefährdet, entbehrt jeder Grundlage.“

(Meinhold [SPD]: Das stimmt!)

Ich zitiere weiter:

„Von einer Gefährdung der Realschule kann deshalb nicht die Rede sein.“

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich das Schulgesetz heute anschauen, das vorsieht, dass man die Förderstufen nur im Ausnahmefall an Realschulen installiert, dann stelle ich fest, dass Sie die Öffentlichkeit seit 1999 getäuscht haben, wenn Sie das Gesetz jetzt so beschließen. Das ist leider die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU)

Wenn denn die Realschule so gut, so leistungsstark und ihr Abschluss so anerkannt ist, dann frage ich noch einmal: Warum ändern Sie das? Warum schaffen Sie sie ab? Sie haben nicht mehr die Interessen der Kinder im Auge. Das ist Ihr Problem. Sie betreiben jetzt eine Schulpolitik, die nur noch auf parteipolitischer Schiene läuft, orientiert an der Befriedung der einzelnen Lager in Ihrer Truppe, weil Sie sie nicht mehr zusammenkriegen, meine Damen und Herren. Da der Ministerpräsident, da die Fraktion, da der Bezirksverband Weser-Ems und da die Stadt Hannover mit Walter Meinhold an der Spitze: Jeder in eine andere Richtung. Dann machen Sie hier so einen Popanz. Alle Leute sind gegen Ihren Schulgesetzentwurf, alle, ohne Ausnahme, und trotzdem versuchen Sie, das als einen Mittelweg durchzudrücken. Glauben Sie, die Menschen im Lande sind so mit dem Klammerbeutel gepudert, dass sie dieses Spiel nicht durchschauen?

(Beifall bei der CDU)

Mit dieser Politik gegen die Realschulen haben Sie alle bildungspolitischen Kräfte gegen sich, an erster Stelle die ausbildende Wirtschaft. Das sollte uns sehr zu denken geben, Ihnen vielleicht auch einmal.

(Beifall bei der CDU)

Reden Sie einmal mit den Handwerkern und den Unternehmern! Alle Lehrerverbände, alle Elternverbände sind gegen Ihr Konzept, und trotzdem setzen Sie es durch. Übrigens hält auch die GEW nichts von diesem Konzept. Das sehen Sie, wenn Sie einmal das lesen, was die geschrieben hat.

Wir werden das nicht mitmachen, und wir werden die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Protest unter

stützen. Dieser Protest kommt. Das kann ich Ihnen garantieren.

Meine Damen und Herren, auch die Hauptschulen werden durch diese Landesregierung mit der gerade gehörten Begründung zerschlagen, dass in einer zusammengelegten Schule alle Hauptschüler besser gefördert werden könnten. Von Stigmatisierung war die Rede. Wir können über diese Begründung reden. Aber eines können Sie mir nicht erklären: Natürlich hat die Hauptschule Probleme; das ist gar keine Frage. Aber Sie lösen die Probleme doch nicht, indem Sie die Hauptschule mit einer anderen Schulform zusammenlegen. Sie überstülpen vielleicht noch die Probleme auf eine andere Schule. Das ist doch die Realität. Dies sagen Ihnen doch auch die Fachleute draußen. Warum nehmen Sie das denn nicht zur Kenntnis?

Wir fordern die Landesregierung auf: Geben Sie der Hauptschule endlich ein Profil,

(Beifall bei der CDU)

inhaltlich auf die Arbeitswelt ausgerichtet, inhaltlich auf die Begabungen der Kinder ausgerichtet - das muss doch der Maßstab unseres politischen Handelns sein, meine Damen und Herren -, ein Profil mit mehr Praktika, mit besserer Zusammenarbeit mit berufsbildenden Schulen, mit Praxistagen in Betrieben.

Meine Damen und Herren, Sie sollten mit der Diffamierung der Hauptschulen in diesem Lande aufhören.

(Beifall bei der CDU)

Das haben die 33 % der Schüler eines Jahrgangs, die eine Hauptschule besuchen, nicht verdient. Erst recht haben es die Lehrer nicht verdient, von Ihnen öffentlich an den Pranger gestellt zu werden. Die Hauptschule braucht für ihre schwierige Arbeit wieder öffentliche Unterstützung. Die Hauptschüler dürfen nicht zu Modernisierungsverlierern der Landesregierung werden, meine Damen und Herren.

Deshalb kann ich nur sagen: Hören Sie auf mit der Politik der Gleichmacherei! Machen Sie Schluss mit diesem pädagogischen Unsinn. Wir wollen verschiedene Wege des Lernens - darauf kommt es an -, die sich an den Kindern ausrichten, die an den einzelnen Schulformen jeweils beschult werden. Deshalb werden wir massivst für die Realschule und für die Weiterentwicklung der Hauptschule

eintreten. Nicht die eine Schule für alle ist die richtige Schule, meine Damen und Herren, sondern die richtige Schule für jede Schülerin und jeden Schüler muss Maßstab unseres Handelns sein. Das ist pädagogisch. Politik sollte sich, wenn es um Kinder geht, auch mit pädagogischen Grundsätzen befassen. - Danke sehr.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Kollegin Litfin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die richtige Schule für jeden Schüler und jede Schülerin ist die eine Schule bis Klasse 10.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das hat uns PISA dokumentiert, und das sollte unser aller Ziel sein. Karl-Heinz Klare, jetzt ist wirklich nicht die Zeit, auf komplexe Zusammenhänge einfache Antworten zu geben und populistisch herumzuschreien: Ich will in Bezug auf das Bildungswesen so bleiben, wie ich will - solch eine Einstellung ist nirgends so falsch wie im Bildungswesen; denn dort sind ständig Veränderungen notwendig. Ich meine, eine wesentliche Ursache für unser schlechtes Abschneiden bei PISA ist, dass wir unser Schulwesen nicht in die Lage gesetzt haben, sich den sich ständig verändernden Bedingungen anzupassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann mich weiten Teilen der Ausführungen der Kollegin Eckel vorbehaltlos anschließen, drei Anmerkungen allerdings nicht. Frau Eckel hat richtigerweise gesagt, es bedürfe endlich des Mutes zur Veränderung. Wo aber ist der Veränderungswille der Landesregierung? Er ist nicht zu erkennen. An dieser Stelle hat Karl-Heinz Klare Recht.

(Lachen bei der SPD - Meinhold [SPD]: Och nö! - Plaue [SPD]: Solch ein Spagat tut verdammt weh!)

Die Schulgesetznovelle der Sozialdemokraten bekennt sich nicht zu einem Grundsatz, sondern sie ist ein Mix aus verschiedenen Vorstellungen und ergibt insgesamt keine klare Linie. Frau Eckel und ich sind ja gemeinsam der Meinung, dass Kinder und Jugendliche länger miteinander lernen sollen.

Die Novelle der Landesregierung wird aber dazu führen, dass die Kinder schon nach Klasse 4 wieder voneinander getrennt und in die unterschiedlichen weiterführenden Schulen einsortiert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Plaue [SPD]: Sie tragen Ihre Vorurteile wie eine Monstranz vor sich her!)

Nächster Kritikpunkt: Frau Eckel sprach von der Freiwilligkeit des Zusammenschlusses vor Ort. Auch diese Freiwilligkeit unterstützen wir. Wie aber sieht nun diese Freiwilligkeit à la SPD aus? Es wird gesagt: Nur wer sich freiwillig zu einer KGS-ähnlichen Organisation zusammenschließt, der darf Ganztagsschule werden. - Wir haben in diesem Land aber einen Riesenbedarf an Ganztagsschulen. An dieser Stelle kann man aus meiner Sicht nicht von Freiwilligkeit reden.

Frau Eckel, nicht die KGS verhindert die Stigmatisierung der Hauptschüler. Wenn sie nämlich selektiert, wie das in weiten Bereichen der Bundesrepublik Deutschland angeblich Integrierte Gesamtschulen auch tun, dann verstärkt sie die Stigmatisierung derjenigen, die es mit dem Lernen besonders schwer haben. Wir müssen ein Schulwesen finden, das vor allem den Fördergedanken in den Vordergrund seiner Arbeit stellt. Wir müssen ein Schulwesen haben, in dem es kein Sitzenbleiben gibt, in dem alle Kinder gemeinsam unterrichtet werden und in dem denjenigen, die Förderbedarf haben, dieser Förderbedarf auch zuteil werden kann.

Dass das klappt, Frau Mundlos, ist durch PISA, aber auch durch bundesrepublikanische Studien bewiesen. Nehmen Sie doch einmal LAU-9, und lesen Sie sie aufmerksam. Kinder mit gleichen kognitiven Voraussetzungen, die entweder auf die Hauptschule oder aber auf das Gymnasium geschickt werden, entwickeln sich sehr, sehr unterschiedlich. Die anregungsreichere Atmosphäre im Gymnasium führt dazu, dass diejenigen Kinder, die das Gymnasium besuchen durften, denjenigen Kindern, die die Hauptschule besuchen mussten, in null Komma nichts leistungsmäßig weitaus überlegen waren. Es kommt auch darauf an, wie hoch die Trauben gehängt werden, wenn es darum geht, die Kinder in die Lager zu versetzen, die Trauben auch zu erreichen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Einen Augenblick, bitte. - Meine Damen und Herren, es ist sehr schön, dass der Plenarsaal so gut gefüllt ist. Ich möchte aber trotzdem um etwas mehr Ruhe bitten. Außerdem bitte ich diejenigen, die jetzt noch Wanderbewegungen unternehmen, wieder ihre Plätze einzunehmen. - Bitte sehr, fahren Sie fort!

Lassen Sie uns doch gemeinsam überlegen, welche Veränderungen notwendig sind. Dazu müssen Sie von der CDU-Fraktion aber einsehen, dass man von „Ich will so bleiben, wie ich bin“ allenfalls mager wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Schwarzenholz erhält für seinen Beitrag bis zu zwei Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Klare hat bei mir mit seinem Loblied auf die Realschule, die er hier als die erfolgreichste Schulform dargestellt hat, die Frage aufgeworfen: Was ist eigentlich mit unseren Gymnasien los? Sind die so schrecklich? - Das ist ja irgendwie die Schlussfolgerung. Wenn die Realschulen so etwas Fantastisches sind, was ist dann eigentlich mit unseren Gymnasien los? - Genauso wie die Kollegin Litfin habe auch ich Sie so verstanden, dass Sie zwar die Orientierungsstufe abschaffen, ansonsten aber alles andere so belassen wollen, wie es ist. Nicht Frau Litfin hat gesagt, dass es so ist, sondern die CDU-Fraktion hat dies gesagt.

An dem Konzept der Sozialdemokraten kritisiere ich, dass die Antworten, die PISA herausfordert, nämlich tatsächlich auf Förderung zu setzen, wie es der Begriff „Förderstufe“ suggeriert, nicht gegeben werden. Außerdem haben wir es bei dem gegenwärtigen Versuch, in die Schulen auch Qualität hineinzubringen, mit einem sehr bürokratischen Geflecht zu tun. Ich möchte ein Beispiel anführen, das wir als föderale Abgeordnete vor Ort ja immer mitkriegen. Es ist ja von Vorteil, wenn man in einem Landesparlament ist und so die Bodenhaftung nicht verliert.

In meiner Gemeinde, in der Gemeinde Vechelde, gibt es im Schulzentrum eine Initiative. Alle Schulleiter und alle Elternvertreter wollen eine Kooperative Gesamtschule einrichten. Das größte Hindernis ist hier im Augenblick aber der SPD-geführte Landkreis, der immer noch die rote Laterne hochhält. Jetzt könnte man ihn vielleicht noch überzeugen. Wir können es doch einmal versuchen, Frau Tinius. Schaffen wir das? - Wäre ja wunderbar. Wir haben dort also eine Initiative für eine Schulform, bezüglich derer sich alle einig sind, dass es nur besser werden kann, wenn man es gemeinsam macht. Nun aber kommt Herr Klare und sagt, es solle so bleiben, wie es ist. Was ist denn die politische Nachricht?

(Busemann [CDU]: Lesen Sie sich doch einmal die Unterlagen durch!)

Alle sind sich darüber einig, dass kooperiert werden muss und dass eine Kooperative Gesamtschule notwendig ist. Erforderlich ist dort auch eine gymnasiale Oberstufe; denn gerade die Erfahrungen aus den Integrierten Gesamtschulen zeigen, dass viele Kinder zum Abitur gebracht werden können, die diesen Weg über die Realschule nicht gefunden hätten.

(Busemann [CDU]: Selbst dazu muss man das Gesetz nicht ändern!)

Wenn Sie hier davon reden, dass in den Realschulen so viel Positives erreicht worden ist, dann erwarte ich der Fairness halber, dass hier auch gesagt wird, dass es ein wesentlicher Teil der Gymnasiasten, der es aus sozialen Gründen nicht zum Abitur geschafft hätte, über die Gesamtschulen aber doch zum Abitur geschafft hat. Auch das gehört zur Wahrheit mit dazu.

Frau Kultusministerin Jürgens-Pieper hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass wir die Öffentlichkeit mit unserem Schulgesetz, das die SPD-Fraktion eingebracht hat und das gerade beraten wird, auf keinen Fall täuschen, sondern ihr sehr deutlich klargemacht haben, was wir wollen, und zwar ganz im Gegensatz zu Ihnen, die Sie nicht schwarz auf weiß vorlegen wollen, was Sie wollen. Ein CDU-Gesetzentwurf liegt bislang nicht vor. Die Fraktion der Grünen hingegen hat einen