Die SPD-Fraktion hat schon mehrmals ausgeführt, dass Kooperative Haupt- und Realschulen aus einem freiwilligen Zusammenschluss heraus entstehen sollen. Ausdrücklich befürworten wir die Entwicklung von Schulen aus den regionalen Gegebenheiten heraus. Wir alle wissen, dass manches Schulangebot nur dann gehalten werden kann, wenn sich Haupt- und Realschulen zusammenschließen.
Wir alle wissen auch, wie unterschiedlich das Erscheinungsbild von Hauptschule sein kann und wie verschiedenartig die Akzeptanz des Hauptschulabschlusses bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist. Wir alle wissen ferner, dass sich das Imageproblem der Hauptschule verstärken wird, und zwar auch im ländlichen Raum. Die Haupt
schule ist nämlich die einzige allgemein bildende Schule im Bereich der Sekundarstufe I, die nicht verpflichtend die 10. Klasse einschließt. Hauptschule kann sich - jetzt sage ich es absichtlich provokativ - von schulschwächeren und verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern nicht durch Abschulung befreien. Hauptschulabsolventen erliegen auf dem Ausbildungsstellenmarkt in zunehmendem Maße einem Verdrängungswettbewerb. Das lässt sich durch keine Profilierung aufhalten.
Die Kooperative Haupt- und Realschule verhindert die Stigmatisierung von Hauptschülern und Hauptschülerinnen und ermöglicht die gegenseitige Übernahme positiver Entwicklungen wie z. B. die Kompetenz der Hauptschule im berufsbezogenen Lernfeld. Sie ermöglicht Starken, von Schwachen zu lernen, und sie verhindert die Stigmatisierung von Schwachen. Heute schon arbeiten 483 der 515 niedersächsischen Hauptschulen in einem Schulzentrum und/oder in einem Verbund mit anderen Schulformen zusammen. Fast die Hälfte der realschulspezifischen Angebote wird in solchen Verbünden vorgehalten. Das ist so, weil Verbundsysteme mehr Optionen bieten.
Die Kooperative Haupt- und Realschule ist eine Weiterentwicklung der bereits vorhandenen Verbünde. Wie sich das Nebeneinander von selbständigen Hauptschulen, selbständigen Realschulen und Kooperativen Haupt- und Realschulen gestaltet, wird sich zeigen. Ideologische Verkrampfung und die Beschwörung alter Zeiten helfen niemandem weiter, schon gar nicht jungen Menschen, die ihre Gegenwart leben und ihre Zukunft meistern wollen.
Und, meine Damen und Herren von der CDU, Schulstrukturen sind kein Wert an sich. Die ihnen innewohnenden pädagogischen Handlungsspielräume machen ihren Wert aus und ihre Eignung, soziale Segregation aufzubrechen. Die SPDFraktion lehnt beide Anträge ab.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bildungs- und Erziehungsarbeit ist auf langfristiges und kontinuierliches Arbeiten,
auf verlässliche Rahmenbedingungen und auf verlässliche Vorgaben angewiesen. Seit dem Beginn der Debatte um die neue Schulstruktur verstößt die Landesregierung gegen alle diese anerkannten Grundsätze. Das will ich zu Beginn meiner Ausführungen feststellen.
Ich sehe in der neuen Schulform der Kooperativen Haupt- und Realschule den falschen Weg. Sie gefährdetgewachsene Schulstrukturen. Ich werfe Ihnen, Frau Ministerin, vor, dass Sie in der Diskussion die Hauptschulen und die Realschulen in unserem Lande ohne Not mit Wortbruch und Orientierungslosigkeit ins Gerede gebracht haben mit dem Ziel, diesen beiden Schulformen den Garaus zu machen.
Meine Damen und Herren von der Landesregierung, mit ihrer Orientierungslosigkeit tragen Sie weiter zu einer ganz erheblichen Verunsicherung in der Schule bei. Sie müssten einmal in die Lehrerzimmer hineingehen und mit den Kollegien reden! Es ist Demotivierung bei Eltern und Lehrern, bei allen an Schule Beteiligten am Platze. Sie handeln unangemessen und verantwortungslos, weil kein Mensch in diesem Lande versteht, dass man die mit Abstand beliebteste, die mit Abstand erfolgreichste Schulform in der Geschichte unseres Landes Niedersachsen, nämlich die Realschule, zum Auslaufmodell erklärt.
Meine Damen und Herren, in der Realschule werden 38 % aller Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs unterrichtet. Die ausbildende Wirtschaft ist mit dieser Realschule und den Vorbereitungen auf die berufliche Ausbildung hoch zufrieden. Ein Teil dieser Realschulabsolventen geht ohne Probleme ins Gymnasium über, legt das Abitur ab und
trägt damit auch zur Erhöhung der Abiturientenquote bei. Und Sie, meine Damen und Herren, wollen diese Schulform auflösen, auslaufen lassen!
Das, was wir draußen diskutieren, heißt: Die Menschen fassen das, was da abläuft, nicht, sie begreifen es nicht. - Sie haben in der Anhörung von allen 39 angehörten Verbänden gehört, dass auch sie das, was Sie da anstellen, nicht begreifen. Niemand, von links bis rechts, will das, was Sie angeregt haben.
Um Himmels willen, kann ich da nur sagen, wer reitet Sie eigentlich, in dieser Frage in diese Richtung zu gehen, nämlich selbständige Realschulen, die sich bewährt haben, kaputtzumachen?
Die Ergebnisse der PISA-Studie zeigen doch Ihren Irrweg auf. Die Realschule ist die einzige Schulform, in der Schülerinnen und Schüler aller Schichten erfolgreich gefördert und gefordert werden. Das ist nicht die Gesamtschule, wie Sie es uns neuerdings wieder einmal weismachen wollen, sondern das ist die Realschule.
Die Realschule ist ebenso erfolgreich, wenn es darum geht, Kinder aus sozial schwächeren oder bildungsfernen Schichten zu höherwertigen Abschlüssen zu führen. Ich stelle für uns fest, meine Damen und Herren: Die Realschule ist die klassische Schulform des sozialen Aufstiegs.
Viele, die hier sitzen, viele, die heute Träger unserer Gesellschaft sind, haben über die Realschulen in ihren Beruf gefunden und ihre Karrieren gemacht. Sie aber versuchen, diese Schulform kaputtzumachen. Leider haben Sie die Realschulen vernachlässigt. Fakt ist, dass der Altersdurchschnitt der Lehrkräfte an den Realschulen höher ist als an anderen Schulformen, dass der Anteil der Lehrerstunden pro Schüler unter der SPD-Landesregierung um 15 % gesunken ist,
dass sich die Schüler-Lehrer-Relation unter Ihrer Verantwortung um 25 % verschlechtert hat, dass die Unterrichtsversorgung miserabel ist
und dass überhaupt nicht feststellbar ist, wie diese Situation verbessert werden soll. Trotz dieser deutlichen Benachteiligung hat sich die Realschule behauptet, erfreut sich größter Beliebtheit und ist erfolgreich.
Jetzt zu Ihrer Kooperation. Realschulen werden in Niedersachsen zu 60 % als selbständige Hauptschulen und zu etwa 40 % als verbundene Hauptund Realschule unter einem Dach mit getrennten Bildungsgängen und eigenständigen Profilen geführt. Meine Damen und Herren, ist stelle hier in Übereinstimmung mit allen kommunalen Spitzenverbänden fest: Es handelt sich um eine schulorganisatorisch befriedete Schulsituation im Lande Niedersachsen. Die Schulträger haben die Organisationshoheit. Ich frage noch einmal: Warum soll man eine solche gewachsene und bewährte Struktur von oben herab verändern, wenn es doch überhaupt keine Erkenntnisse über Probleme in der Realschule gibt, wenn es überhaupt keine Erkenntnisse über Fehlleistungen in der Realschule gibt? Soll man eine solche Struktur einfach nur deshalb verändern, um ein bisschen Ideologie durchzusetzen und den Sigmar Gabriel nicht im Regen stehen zu lassen? - Das ist der Grund dafür, dass Sie plötzlich da rangehen.
Denn der Herr Ministerpräsident war es doch, der mit seinen Sekundarplänen einfach einmal in die Öffentlichkeit geplatzt ist und die Realschulen und Hauptschulen zu Auslaufmodellen erklärt hat. Er hat diese Diskussion erst einmal wieder beendet, nachdem er bemerkte, dass der Protest von draußen - massivster Widerstand wurde aufgebaut - immer stärker wurde. Vor einem Jahr sollte hier eine große Demonstration stattfinden. Das haben Sie anscheinend vergessen. Jetzt taucht diese Sekundarschule mit dem neuen Etikett „Kooperative Hauptund Realschule“ wieder auf.
ist etwas ganz anderes als die jetzt bestehenden Haupt- und Realschulen. Ich weiß nicht, ob Sie das so deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Es ist nämlich die Gesamtschule ohne gymnasialen Zug. Das ist doch der Hintergrund. Dies haben Sie selbst geschrieben.
Meine Damen und Herren von der SPD, ich kann Sie nur warnen. Ich weiß nicht, ob Sie alle das Schulgesetz genau gelesen haben. Aber wenn Sie es gelesen haben und den Gesetzentwurf so beschließen, wie er jetzt auf dem Tisch liegt, dann beschließen Sie gleichzeitig das Aus für alle selbständigen Realschulen und für alle selbständigen Hauptschulen in diesem Lande.
Das ist angesichts der Leistungen dieser Schulform über Jahrzehnte hinweg vielleicht der fatalste Unsinn dieser neuen so genannten Schulreform. Sie beschwören Unruhe und Unverständnis herauf; denn niemand kann das, was Sie machen, verstehen. Sie werden den Protest der Menschen zu spüren bekommen. Die lassen sich das nicht gefallen. Warten Sie einmal den morgigen Tag ab. Wenn Sie unserem Antrag nicht zustimmen, wird morgen möglicherweise das Erste passieren.
- Täuschung der Öffentlichkeit! - Frau Ministerin, Sie haben hier am 6. Oktober 1999, zu Beginn der Wahlperiode, erklärt:
„Die Realschule in unserem Lande ist die attraktivste und akzeptierteste Schulform... Eine hoch akzeptierte Schulform... weil sie leistungsstark ist, weil sie anerkannt ist und vor allem weil ihr Abschluss gute Chancen bietet.“