Protocol of the Session on May 15, 2002

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Mühe [SPD]: Wir sind nicht in der Disko!)

Zusammengefasst, meine Damen und Herren: Von dem, was angekündigt wurde, ist nicht viel übriggeblieben. Es handelt sich in erster Linie um einen Rumpfentwurf. Dieser Rumpfentwurf enthält wenig Neues, und mit dem wenigen Neuen, was Sie von der Landesregierung bieten, schränken Sie die kommunale Planungshoheit ein und wollen Landesentwicklung zulasten des ländlichen Raumes durchsetzen.

(Busemann [CDU]: Das ist der Punkt!)

Verehrte Frau Tinius, wir haben im Innenausschuss viel zu korrigieren, damit dieser Entwurf in der jetzigen Fassung nicht beschlossen wird. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Steiner hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es um Raumordnungspolitik geht, um die Weiterentwicklung der Instrumente der Raumordnung, tut sich diese Landesregierung außerordentlich schwer, um es freundlich zu sagen. Man könnte auch von einem weitgehenden Scheitern sprechen. Einziger Erfolg in dieser Legislaturperiode ist die Bildung der Region Hannover.

(Hagenah [GRÜNE]: Immerhin! - Plaue [SPD]: Aber die Grünen haben bis zuletzt gebremst! - Gegenruf von Hagenah [GRÜNE]: Unglaublich!)

Diesen Erfolg kann sich jedoch die Landesregierung nicht allein auf ihre Fahnen schreiben; dazu haben viele politische und gesellschaftliche Akteure beigetragen.

Schon bei der Novellierung des Landes-Raumordnungsgesetzes wurde das Grundübel niedersächsischer Raumordnung, nämlich die bundesweit einzigartige Zuständigkeit der Landkreise für die Regionale Raumordnung, nicht einmal thematisiert. Regionale Raumordnung auf Ebene der Landkreise konterkariert die Instrumente der Raumordnung und führt zu einer lähmenden und unnötigen Konkurrenzsituation unter den Landkreisen. Die Weiterentwicklung des Zentrale-Orte-Konzeptes musste zwangsläufig an der Konkurrenzsituation der Kommunen scheitern. All die hehren Aussagen zu „strategischen Partnerschaften in Regionsverbünden und Städtenetzen“, zu „grenzübergreifender Vernetzung von Regionen und Städten“ und viele Bemerkungen mehr sind aus dem vorgelegten Entwurf verschwunden.

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, wir finden, Sie haben sich von den Leitvorstellungen einer niedersächsischen Raumordnung verabschiedet. Statt Entwicklung des Raumes zu befördern, befördern Sie Verwaltung des Raumes.

Ich komme nun zu den Vorrang- und Eignungsgebieten für Tierhaltungsanlagen. Wir haben ein Riesenproblem mit der Massentierhaltung in Niedersachsen. Es gibt Gemeinden, die verzweifelt zu Mitteln wie die Ausweisung von völlig überdimen

sionierten Flächen zu Wohn- und Gewerbegebieten greifen, um den weiteren Zubau von Massentierställen zu verhindern. Die Ausweisung von Vorrang- und Eignungsgebieten für Tierhaltungsanlagen ist zwar theoretisch eine Möglichkeit, diese Entwicklung zu steuern, in der Praxis - das sagen die Gutachter der Landesregierung selbst - ist die Regionalplanung in der Regel nicht das geeignete Instrument, um weiteren Zubau von Ställen zu verhindern. In wenigen Einzelfällen mag dieses Instrument greifen, doch Sie sollten so ehrlich sein und keine falschen Hoffnungen in der Bevölkerung wecken, dass jetzt alles gut würde.

Sie wissen, dass erstens nur durch die Festlegung von Obergrenzen für die Tierhaltung und zweitens durch die Abschaffung der Privilegierung der Stallbauten im Außenbereich die Massentierhaltung in akzeptable sozial- und umweltverträgliche Bahnen gelenkt werden kann. Das sind Forderungen, die wir Grüne seit Jahren vertreten. Diese Landesregierung ist doch berüchtigt dafür, sich massiv in die Bundespolitik einzubringen. Ich nenne nur das Stichwort Hühnerhaltung. Statt mit zweifelhaften Vorrang- und Eignungsgebieten für Tierhaltungsanlagen zu arbeiten, sollten Sie sich beim Bundesbauminister für die Aufhebung der unsäglichen Privilegierung im Baurecht einsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme nun zum Bodenabbau. Der Abschnitt des Entwurfs zur Rohstoffgewinnung wird mit der weitblickenden Aussage eingeleitet: Rohstoffvorkommen sind als Ressourcen für nachfolgende Generationen zu sichern. Meine Damen und Herren, ich habe nicht den Eindruck, dass Sie mit diesem Verordnungsentwurf diesem Anspruch gerecht werden. Im Gegenteil: Hier sollen nicht wertvolle Ressourcen für nachfolgende Generationen gesichert werden, sondern hier soll abgebaut werden, und zwar möglichst schnell und gründlich.

So, wie wir es seit Jahren kennen, führen Sie uns erneut dieses höchst fürsorgliche Verhältnis von SPD und Bodenabbauindustrie vor. Wie gut wäre es um Niedersachsen bestellt, wenn Sie auch in anderen Politikfeldern so vorausschauend und fürsorglich handeln würden wie in der Bodenabbaupolitik.

(Eppers [CDU]: Was ist daran prinzi- piell schlecht?)

In dem Zusammenhang eine kurze Bemerkung zum Gipsabbau: Die Landesregierung ist sich im

Fall der Gipslagerstätte Lüthorst-Portenhagen nicht zu schade, das Vorranggebiet mit einer angeblichen Gipsknappheit in diesem Raum zu begründen.

(Zuruf von der SPD: Das ist so!)

Obwohl erst in einer Umweltverträglichkeitsprüfung die Auswirkungen des Abbaus auf das mit Millionen Steuergeldern renaturierte Flüsschen Bewer untersucht werden sollen, weiß die Landesregierung heute schon, dass ein Rohstoffabbau mit diesem Renaturierungsprojekt Bewer grundsätzlich vereinbar ist. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Nähe der SPD zur Bodenabbaulobby zu politischen Entscheidungen führt, die sich fachlich nicht begründen lassen.

(Busemann [CDU]: Was?)

Ich verweise auf die fachlichen Argumente der Ratsherren und Bürgermeister in Rinteln und anderswo. Aber es ist egal: Sei es beim Gips, bei Sand, Kies oder Torf, die großen Abbauunternehmen können jetzt mit Hilfe der Landesregierung die letzten leicht zugänglichen Rohstoffvorkommen sichern und ihre Claims für die nächsten 30 bis 50 Jahre abstecken.

(Vizepräsident Jahn übernimmt den Vorsitz)

Den Bürgern ist es - das sage ich an der Stelle auch - nicht mehr vermittelbar, dass ihre Ansprüche an Wohnumfeld, Lebensqualität und Naturgenuss zurückstehen und sie mit ansehen sollen, wie die Landschaft vor ihrer Haustür weggebaggert wird.

(Eppers [CDU]: Die wollen aber z. B. auch günstig bauen!)

Man könnte auf vieles im Detail eingehen. Leider haben wir immer nur die halbe Redezeit. NATURA 2000-Gebiete, Gebiete, die von erheblichen Beeinträchtigungen bedroht sind, sind von Ihnen eingeschränkt als Vorranggebiete ausgewiesen worden. Dieses von Ihnen so formulierte Vorhaben ist weder transparent noch nachvollziehbar. Das Umweltministerium bewertet, ob die Gebiete vermutlich geeignet sein werden oder nicht, ob Konflikte entstehen oder nicht. Und wir sollen das dann im Rahmen des Landes-Raumordnungsgesetzes beschließen!

Zum Schluss noch ein Satz zum Röseberg, in dessen Zusammenhang ein EU-Beschwerdeverfahren anhängig ist.

(Glocke des Präsidenten)

Mit großer Wahrscheinlichkeit ist damit zu rechnen, dass ein Gipsabbau am Röseberg nicht mit den Zielen von NATURA 2000 vereinbar ist. Sie sagen: Das soll die EU entscheiden, wir wollen das nicht selber entscheiden. Sie wollen sich hinter Brüssel verstecken und anschließend sagen: Das waren die Brüsseler Eurokraten. - Das nenne ich einen Kniefall vor der Gipsindustrie.

(Beifall bei den GRÜNEN - Glocke des Präsidenten)

Der gesamte Teil, der sich auf den Rohstoffabbau im Landes-Raumordnungsprogramm bezieht, muss zwingend verändert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung, und wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Zusätzlich zu den Vorschlägen des Ältestenrates hat die SPD-Fraktion beantragt, den Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen hinzuzuziehen. Federführend zuständig soll der Ausschuss für innere Verwaltung sein, mitberatend sollen beteiligt sein der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, der Ausschuss für Umweltfragen, der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr, der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie jetzt auch der Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6: Zweite Beratung: a) Hauptschulen und Realschulen profilieren und nicht demontieren - keine Sekundarschulen für Niedersachsen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1838 b) Niedersachsen ist Realschulland und soll es bleiben - Zukunftsorientierung und Weiterentwicklung für unsere beliebteste Schulform Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2423 Beschlussempfehlung des Kultusausschusses Drs. 14/3343

Diese Anträge sind zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Kultusausschuss überwiesen worden. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Kollegin Eckel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unser Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Schulwesens nennt in Artikel 1 neben Hauptschule und Realschule als allgemein bildendende Schule die Kooperative Haupt- und Realschule. Das ist unsere Antwort auf die beiden Entschließungsanträge der CDU-Fraktion. Niedersachsen soll nicht nur Realschulland bleiben, sondern es soll für noch mehr Heranwachsende Realschulland werden.

Heute schon erreicht ein Viertel der Hauptschülerinnen und Hauptschüler den Realschulabschluss. Kooperative Haupt- und Realschulen werden dazu beitragen, diese Zahl noch zu erhöhen und Bildungspotenziale zu heben.

So zu verfahren ist nicht nur deswegen richtig, weil in allen wirtschaftlichen Bereichen höhere Bildungsabschlüsse gebraucht werden, sondern es ist auch deshalb besonders wichtig, weil Kinder ein Anrecht darauf haben, dass ihr Leistungsvermögen geweckt und ihre Stärken entdeckt werden können.

Deswegen haben wir dem § 10 a im Schulgesetzentwurf einen neuen Absatz 3 hinzugefügt, der besagt, dass die Kooperative Haupt- und Realschule auch nach Schuljahrgängen gegliedert und der Unterricht in diesem Fall in schulzweigspezifischen und schulzweigübergreifenden Lerngruppen erteilt werden kann.

Im Mittelpunkt von Schulentwicklung hat nicht die Profilierung von Schulformen, sondern die Chancengleichheit der Kinder zu stehen.

(Beifall bei der CDU)

Nicht die Aufrechterhaltung eines antiquierten Dreiersystems, sondern die Entfaltung der eigenen Möglichkeiten ist Ziel einer humanen Schule, in der einer den anderen achtet.

Nachdem PISA dem deutschen Schulsystem eine unzureichende Förderung von Schülerinnen und Schülern, eine ausgeprägte Selektivität nach sozialer Herkunft und eine Vernachlässigung von Migrantenkindern attestiert hat, bedarf es doch endlich des Mutes zur Veränderung und des Abwerfens eines ideologischen Kästchendenkens.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Leistungssteigerung, so sagen die Autoren von PISA, lässt sich in sozial und leistungsmäßig separierenden Systemen nur schwer bewerkstelligen. Aus der Studie lässt sich ableiten, dass bei einer Verminderung sozialer Disparitäten gleichzeitig das Gesamtniveau steigt, ohne dass in der Leistungsspitze Einbußen zu verzeichnen wären. Durch Homogenisierung werden also die Schwächeren nicht gefördert, und - das müsste konservative Schulpolitikerinnen und Schulpolitiker doch beruhigen - die Stärkeren werden durch eine Heterogenisierung nicht geschwächt. Qualitätssichernd sind nicht homogene Lerngruppen, sondern das anregungsreichere Milieu von Verschiedenheit.

Die SPD-Fraktion hat schon mehrmals ausgeführt, dass Kooperative Haupt- und Realschulen aus einem freiwilligen Zusammenschluss heraus entstehen sollen. Ausdrücklich befürworten wir die Entwicklung von Schulen aus den regionalen Gegebenheiten heraus. Wir alle wissen, dass manches Schulangebot nur dann gehalten werden kann, wenn sich Haupt- und Realschulen zusammenschließen.