Protocol of the Session on May 15, 2002

Die Fortschreibung dieses Gesetzes in seiner Gesamtheit schafft die Voraussetzungen für eine zukunftsweisende Landesentwicklung - darauf wies der Herr Minister soeben bereits hin - und ist die Grundlage für die Aufstellung der Regionalen Raumordnungsprogramme. Mit der Gesetzesnovellierung sollen auch Regelungen geschaffen werden, die bei Nutzungskonflikten und Standortkonkurrenzen greifen. Die Nutzungskonflikte und Standortkonkurrenzen haben sich in den letzten Jahren gravierend verschärft. Darum ist es erforderlich, dass Regelungen geschaffen werden, um frühzeitig und sachgerecht einen Ausgleich zwischen den verschiedenen privaten und öffentlichen Interessen herzustellen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Änderungen des Gesetzentwurfs aufgreifen.

Mit der Gesetzesänderung erhalten Salzgitter und Wolfsburg erstmals den Status eines Oberzentrums. Sie sollen mit dem Oberzentrum Braunschweig einen Zentrumsverbund bilden. Innerhalb dieses Zentrumsverbundes werden in Zukunft die raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen der Stadt- und Regionalentwicklung abgestimmt. Da

mit können kostenträchtige Konkurrenzen zulasten der kommunalen Haushalte vermieden werden. Das Gesetz ist ein Angebot an die Region, ihre großen Entwicklungspotenziale gemeinsam zu nutzen.

Mit ist sehr wohl bekannt, dass dieser Verbund nicht überall auf Gegenliebe stößt. Auch mein Landkreis hatte anfangs Vorbehalte. In den Beratungen werden wir hierzu sicherlich auch die Betroffenen hören. Aber unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung der gesamten Region Braunschweig sehe ich in diesem Zentrumsverbund auch die Chance, die große Wirtschafts- und Innovationskraft dieser Region weiter zu entwickeln, um sie im Kontext anderer Regionen in Niedersachsen, in der Bundesrepublik und in Europa konkurrenzfähig zu halten.

(Sehrt [CDU]: Meine Liebe! - Zuruf von Frau Mundlos [CDU])

Die Aufnahme von Vorranggebieten für Tierhaltungsanlagen in das Landes-Raumordnungsprogramm ist zu begrüßen. Mit der Novellierung des Raumordnungsgesetzes des Bundes wurde das raumordnerische Instrument „Eignungsgebiete“ zur Steuerung bestimmter nach § 35 BauGB zu beurteilender Maßnahmen neu eingefügt. Die Möglichkeit der Anwendung dieses Instruments soll für die niedersächsischen Raumordnungsprogramme eröffnet werden. Damit wird gleichzeitig der Entschließung des Landtages vom November 1999 zur Konfliktlösung durch planerische Steuerung von Standorten für die Tierhaltung, soweit sie sich auf die rechtlichen Möglichkeiten der Raumordnung bezieht, entsprochen.

Eine Einschränkung der kommunalen Planungshoheit sehe ich dadurch nicht. Ob das Instrument der Festlegung von Vorrang- und Eignungsgebieten für Tierhaltungsanlagen zum Einsatz kommt, liegt im Ermessen der jeweiligen Träger der Regionalplanung. In einem geregelten Verfahren werden die Gebietsfestlegungen getroffen. Im Zuge dieses Verfahrens, an dem u. a. auch die betroffenen Kommunen beteiligt sind, sind alle vorgetragenen Belange sachgerecht zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Ferner kann in dem Regionalen Raumordnungsprogramm bestimmt werden, dass und unter welchen Voraussetzungen in Gemeinden nach Maßgabe von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB außerhalb der durch die Regionalplanung festgelegten Eignungsgebiete weitere Gebiete im Sinne von Eignungsgebieten ausgewiesen werden.

Meine Damen und Herren, gleichzeitig mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Landes-Raumordnungsprogrammes, Teil I, bittet die Landesregierung den Landtag um Stellungnahme zur Änderung der Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm, Teil II. Hierin werden weitergehende Regelungen getroffen, deren Ziel es ist, in allen Räumen des Landes gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen und zu erhalten. Natürlich geht es hierbei auch um die Abwägung unterschiedlicher Interessen, ob bei den Vorranggebieten für die Rohstoffgewinnung oder bei der Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsunternehmen.

Der Teufel liegt im Detail, meine Damen und Herren. Ich möchte nur auf die langjährige Diskussion über die Factory Outlet Center verweisen. Hersteller-Direktverkaufszentren sind die neueste Form einer Entwicklung zu immer größeren Einkaufs- und Erlebniszentren, die vorwiegend auf der grünen Wiese errichtet werden sollen. Würde man dem raumplanerisch ungesteuert nachgeben, würde das zulasten der Innenstädte als Einkaufs-, Kulturund Erlebnismittelpunkt der städtischen und der ländlichen Bevölkerung gehen. Darum macht es Sinn, durch Verordnung lenkend einzugreifen und dies nur in Oberzentren an städtebaulich integrierten Standorten zuzulassen.

Vor dem Hintergrund der Stärkung des ländlichen Raumes ist es besonders zu begrüßen,

(McAllister [CDU]: Oh, nein!)

dass bei künftigen Standortentscheidungen zu raumbedeutsamen öffentlichen Einrichtungen struktur- und raumordnungspolitische Ziele mit einzubeziehen sind. So kann dem regionalen Ausgleich der ländlichen Räume Rechnung getragen werden.

Die Detailfragen zur Rohstoffgewinnung sind ein eigener Bereich. Es würde jetzt sicherlich zu weit führen, auf die einzelnen Vorranggebiete für die Rohstoffgewinnung einzugehen. Dazu werden wir noch in den Beratungen im Ausschuss Gelegenheit haben, auf die mich freue.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle der Landesregierung ausdrücklich für die eingehende Beratung mit vielen Betroffenen im Vorfeld dieses Gesetzentwurfs danken,

(Zustimmung bei der SPD)

um weitgehende Akzeptanz für diese Neuregelung zu bekommen.

(McAllister [CDU]: Viel zu gut be- zahlt!)

Dies ist ein Verfahren, mit dem es gelingen wird, sowohl bei den Kommunen als auch bei der Bevölkerung eine breite Zustimmung für das LandesRaumordnungsprogramm zu erhalten. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD - Oestmann [CDU]: Da bin ich aber gespannt!)

Das Wort hat der Kollege McAllister.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Senff, dieser Gesetzentwurf und dieser Verordnungsentwurf haben eine lange Vorgeschichte, die Sie heute weggelassen haben. Von der ursprünglichen Absicht, die Raumordnung des Landes umfassend zu novellieren, ist leider nicht viel übrig geblieben. Nichtsdestotrotz war es natürlich Ihre Aufgabe, wenn Sie schon einmal Gelegenheit haben, im Plenum das Wort zu ergreifen,

(Adam [SPD]: Na, na! Was soll das denn?)

auf die Erfolge der Landesregierung hinzuweisen.

Die heute von der Landesregierung eingebrachten Entwürfe beschränken sich auf die Änderung einzelner Vorschriften und sehen gerade keine umfassende Änderung des Landes-Raumordnungsprogramms vor, wie dies ursprünglich noch in dem Anfang 2001 vorgelegten Referentenentwurf angekündigt war. Ursprünglich hatte die Landesregierung weit reichende Regelungen insbesondere zur zentralörtlichen Gliederung des Landes und die Festlegung von Ober- und Mittelzentren vorgesehen. Diesen Entwurf haben insbesondere die kommunalen Spitzenverbände und die CDU-Landtagsfraktion heftig kritisiert, weil das Land damals landesplanerische Festlegungen zulasten des ländlichen Raumes vornehmen wollte. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang sagen: Das war im Vorfeld der Kommunalwahlen am 9. September 2001 ein schöner Elfmeter ohne Torwart, den wir dankend aufgegriffen haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Als Reaktion darauf hat sich dann die Landesregierung auf Regelungen zur Festlegung der Oberzentren sowie zur Bestimmung von Vorranggebieten bzw. Eignungsgebieten für Tierhaltungsanlagen, zu großflächigen Einzelhandelsbetrieben sowie für Rohstoffgewinnung beschränkt. Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen.

Dennoch enthalten die jetzt in den Landtag eingebrachten Entwürfe landesplanerische Regelungen, die zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der kommunalen Planungshoheit führen und eine weitere Schwächung des ländlichen Raumes befürchten lassen. Ich möchte in dieser ersten Beratung auf sechs aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion kritische bzw. diskussionswürdige Punkte eingehen.

Erstens. Es ist bereits betont worden: Salzgitter und Wolfsburg sollen neben Braunschweig, Göttingen, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück und Wilhelmshaven erstmals als Oberzentren festgelegt werden.

(Beifall bei der CDU)

Dabei sollen Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter eine so genannte oberzentrale Verbundstruktur bilden.

(Eppers [CDU]: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang gibt es eine ganze Reihe von offenen Fragen, verehrte Frau Vorsitzende Tinius, die wir gemeinsam im Innenausschuss im Detail klären müssen, z. B. ob eine isolierte Aufstufung bestimmter Mittelzentren zu einem Oberzentrum ohne Überarbeitung des Zentrale-Orte-Konzeptes sinnvoll oder nicht sinnvoll ist. Diese Frage muss geklärt werden. Oder: Die oberzentrale Verbundstruktur wird jetzt in Niedersachsen eingeführt. Das ist etwas Neues in unserem Bundesland. Was bedeutet das in der Praxis, und welche Folgen hat das für die Entwicklung der drei Städte, deren jeweiliges Umland und für den Umgang miteinander? Auch das ist eine wichtige Frage, die im Detail im Innenausschuss und möglicherweise in den anderen Fachausschüssen geklärt werden muss.

Aber eines ist klar, Herr Minister Senff. Das, was Sie vorhaben, muss vor Ort mit allen betroffenen Kommunen im Braunschweiger Land sorgfältig

abgestimmt werden. Hier hat es bisher offensichtlich noch Probleme gegeben.

(Eppers [CDU]: Das ist richtig!)

Meine Damen und Herren, wir kritisieren, dass die Landesregierung im Rahmen der Novellierung des Landes-Raumordnungsprogramms zwar Änderungen bei den Oberzentren vornimmt, jedoch den landesplanerisch insbesondere für den ländlichen Raum besonders bedeutsamen Bereich der Mittelzentren ausspart. Herr Minister Senff, Sie kommen selbst aus dem Süden und müssten es wissen: Niedersachsen besteht nicht nur aus Oberzentren, sondern in der Regel aus Mittelzentren, Grundzentren und vielen Dörfern. Deshalb wäre es sinnvoll und konsequent gewesen, den gesamten Bereich der zentralörtlichen Gliederung des Landes auf den Prüfstand zu stellen und neben einer Erweiterung der Oberzentren auch eine Neubearbeitung bzw. Neufestlegung der Mittelzentren in Angriff zu nehmen, so wie Sie das im Jahre 2001 angekündigt hatten. Dazu hat Ihnen jetzt offensichtlich entweder der Mut oder die Zeit gefehlt.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Bestandteil der Gesetzesänderung ist die Einführung von so genannten Vorrang- und Eignungsgebieten für Tierhaltungsanlagen. Nach dieser Regelung sollen die Träger der Regionalplanung die Möglichkeit erhalten, diese so genannten Vorrang- oder Eignungsgebiete für Tierhaltungsanlagen festzulegen und damit eine Steuerung bezüglich der Ansiedlung dieser Anlagen einzuführen. Im Gegensatz zu Ihnen, verehrte Frau Tinius, sind wir der Auffassung, dass diese Regelung landesplanerisch zumindest fragwürdig ist, denn sie stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die kommunale Planungshoheit dar. Das bisherige planungsrechtliche Instrumentarium ist zur Problemlösung geeignet und ausreichend. Es sollte den Kommunen selbst überlassen bleiben, die Ansiedlung von Tierhaltungsanlagen im Wege der Bauleitplanung zu regeln.

Aus diesem Grunde haben der Städte- und Gemeindebund und der Niedersächsische Städtetag die geplante Regelung kritisiert. Beide Spitzenverbände haben ebenso zu Recht gerügt, dass in der Praxis künftig ein Landkreis Tierhaltungsanlagen gegen das Votum der betroffenen Gemeinde planungsrechtlich festlegen kann. Meine Damen und Herren, so geht das nicht! Auch das ist ein schwerwiegender Eingriff in die kommunale Planungshoheit.

(Beifall bei der CDU)

Die Vorschriften über Standorte für großflächigen Einzelhandel - das hat Frau Tinius zu Recht betont - sind umfangreich, kompliziert und nach unserer Auffassung auch unverhältnismäßig detailliert dargestellt. Damit nehmen Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, eine nicht praxistaugliche Überregulierung vor und schränken die kommunale Planungshoheit stark ein. Die Vielzahl der neuen unbestimmten Rechtsbegriffe - darauf weist der Städte- und Gemeindebund zu Recht hin - fordert künftig Rechtsstreitigkeit zwischen der Bauleitplanung und der Raumordnung und Landesplanung geradezu heraus.

Meine Damen und Herren, wir lehnen die Regelung ab, dass großflächiger Einzelhandel bevorzugt im Oberzentrum angesiedelt werden darf. Mittelund Grundzentren werden so benachteiligt. Das Land trifft eine landesplanerische Festlegung ohne Not zulasten des ländlichen Raumes.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Ha- genah [GRÜNE])

Bei den Rohstoffgebieten sind neue, sehr detaillierte Regelungen vorgesehen. Darauf im Detail einzugehen, würde den Zeitrahmen sprengen. Problematisch ist jedoch, dass das Einvernehmen mit den betroffenen Kommunen nach wie vor nicht geplant ist.

Ich komme nun auf einen politisch kontroversen Punkt zu sprechen, der uns in den letzten fast eineinhalb Jahren begleitet hat, nämlich auf die im Verordnungsentwurf enthaltene Regelung zu Standortentscheidungen für öffentliche Einrichtungen. Die niedersächsische CDU und die kommunalen Spitzenverbände fordern seit langem, dass eine landesplanerische Verpflichtung festgeschrieben wird, wonach öffentliche Einrichtungen entsprechend einem Beschluss der Raumordnungsminister aus dem Jahre 1981 im ländlichen und strukturschwachen Raum angesiedelt werden sollten. Dieses haben die Kommunen sehr deutlich im Anhörungsverfahren vorgetragen. Der Ministerpräsident hatte daraufhin den kommunalen Spitzenverbänden zugesagt, in den Novellierungsentwurf eine Vorschrift aufzunehmen, um diese Forderung entsprechend zu berücksichtigen. Nun lesen wir im Gesetzentwurf, dass bei künftigen Standortentscheidungen zu raumbedeutsamen öffentlichen Einrichtungen struktur- und raumordnungspolitische Ziele in die Standortentscheidung einzubezie

hen sind, wobei insbesondere dem regionalen Ausgleich zugunsten der ländlichen Räume Rechnung getragen werden soll.

Frau Tinius, man kann ja unterschiedlicher Auffassung sein. Sie haben versucht, das als Erfolg für den ländlichen Raum darzustellen. Ich meine, es ist allerhöchstens ein Schritt in die richtige Richtung. Der Gesetzentwurf sieht jetzt ein Abwägungsgebot vor; aber das ist bei weitem nicht das, was eigentlich notwendig ist. Es fehlt die ausdrückliche Festlegung, dass künftig bei Standortentscheidungen in Niedersachsen ausschließlich der ländliche und strukturschwache Raum Vorrang hat.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ist es wichtig, deutlich zu machen, dass der ländliche Raum nicht nur beim Landes-Raumordnungsprogramm und beim Verordnungsentwurf berücksichtigt wird, sondern dass wir täglich in der praktischen Politik den ländlichen Raum so angemessen fördern, wie er das verdient hat. Die CDULandtagsfraktion wird morgen in der Aktuellen Stunde der Landesregierung sicherlich noch einige deutliche Sätze dazu sagen.

(Zustimmung bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie haben keine Ahnung! Ihre Reden sind bekannt! - Mühe [SPD]: Kollege, heiße Luft!)

- Herr Plaue, warten Sie ab. Morgen ist wieder Highnoon im Landtag. Dann geht es Ihnen wieder schlecht.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Mühe [SPD]: Wir sind nicht in der Disko!)