Protocol of the Session on April 24, 2002

(Zuruf: Politik interessiert einfach nicht!)

- Nein. Wir können auch andere Maßnahmen ergreifen. Wir können die Sitzung auch unterbrechen. - Bitte fahren Sie fort.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, die Landesregierung hat mit dem neuen Regionalisierungsgesetz den Schlüssel in der Hand. Wenn die Bahn nicht mehr will, kann die Landesregierung bei anderen bestellen. Wir wollen, dass das Land im Zweifel auch von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, und halten an unserem Antrag fest, der darauf abzielt, den InterRegio langfristig zu erhalten und zu modernisieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat nunmehr der Kollege Dinkla.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es mir fast gedacht, dass wir jetzt zu einem Punkt „Revision der Regionalisierungsmittel“ re

den, der eigentlich gar nicht auf der Tagesordnung steht. Aber man kann natürlich nicht leugnen, dass es insoweit eine überlappende Problematik gibt. Ich bleibe auch dabei, dass wir den Antrag, den wir im vergangenen Jahr gestellt haben, eigentlich vor dem Hintergrund stellen müssen, dass dieses Problem nach wie vor unbewältigt ist.

Nun sagt die SPD-Fraktion, dass unser Antrag erledigt sei. Ich sehe das nicht so. Man kann trefflich darüber streiten, welcher Antrag in der Substanz der Bessere für den Bundesrat gewesen wäre: der niedersächsische Antrag, der gescheitert ist, oder der Antrag Baden-Württembergs und Bayerns, der auch gescheitert ist. - Ich bleibe aber dabei, dass es nach wie vor ein großes Versäumnis ist, dass diese Schnittstelle zwischen Fernverkehr und Nahverkehr nicht eindeutig geregelt ist. Hieraus resultieren auch vielfältige Probleme.

Es bleibt nach wie vor mein Vorwurf an den Bund, dass die Bahnreform nicht fortgeschrieben worden ist, nach der vorliegenden Zwischenbilanz keine Anpassungen vorgenommen und auch in anderen Bereichen keine weiteren Diskussionen geführt worden sind. Ich will nur daran erinnern, dass im vergangenen Jahr vollmundig die markige Erklärung abgegeben worden ist, dass das Netz vom Betrieb getrennt werden sollte.

Es hat damals nur Minuten gedauert, Frau Dr. Knorre, bis aus Ihrem Hause eine freudige Zustimmung kam. Anschließend habe ich davon aber nichts mehr gehört. Auch dieses Thema ist auf Bundesebene sozusagen „zwischengelagert“, aber nicht erledigt. Missachtung des seit 87 Jahren bestehenden Grundgesetzes ist meiner Meinung nach nach wie vor ein wichtiger Punkt. Es ist extra im Zuge der Änderung des Grundgesetzes 1994 ein Passus eingefügt worden, der darauf abhebt, dass ein Gewährleistungsauftrag besteht. Ich meine, dass die politische Inaktivität des Bundes mit dazu geführt hat, dass besonders im Bereich des InterRegio ein verkehrspolitischer Kahlschlag in allen Bundesländern, speziell auch in Niedersachsen, entstanden ist. Das hätte man verhindern können.

Bei nüchterner Betrachtung ist in vielen Fällen im Bereich der Bundespolitik vieles geregelt worden: von der Altersversorgung bis zur gleichgeschlechtlichen Lebensbeziehung. Ich frage mich allen Ernstes, weshalb die Bundesregierung die Novellierung der Bahnreform sowie erforderliche Ergänzungen oder Korrekturen nicht angefasst hat.

Dass hier und da Korrekturen erforderlich sind, steht doch außer Frage.

Meine Damen und Herren, diese Situation wurde von der DB-AG genutzt, um nicht „ausgenutzt“ zu sagen. Deshalb wurde dies in Niedersachsen für den InterRegio der „Tod auf Raten“. Herr Wenzel, Sie haben das Thema ja auch immer wieder angesprochen. Das war eigentlich vorhersehbar. Es war sogar angekündigt. Auch beim Besuch des Vorstandsvorsitzenden, Herrn Mehdorn, im März letzten Jahres ist eine ganz klare Aussage zu diesem Thema im Protokoll nachzulesen. Das heißt, der InterRegio war für Herrn Mehdorn und die DB-AG nach wie vor kein Fernverkehr, sondern Nahverkehr. Herr Mehdorn hat gesagt, das Angebot werde künftig gestrichen. Wir stehen jetzt vor der Situation, dass der InterRegio ab 2003 als Angebot überhaupt nicht mehr existent ist. Die Mobilität der Menschen in den ländlichen Räumen Niedersachsens ist massiv eingeschränkt worden. Es gibt nach wie vor keine - wie von der SPD und Ihrem, Frau Dr. Knorre, Amtsvorgänger angekündigt – „maßgeschneiderte Lösung für den Urlauberverkehr Richtung Niedersachsen und besonders Richtung Küste“.

Um ein Beispiel zu nennen: Es gibt über Jahre hinweg eine Entwicklung, die die „unwahrscheinliche Attraktivität“ der Bahnverbindung Richtung Norden deutlich macht. Ich habe im Fahrplan von 1991 nachgesehen: Verbindung Norddeich-Mole Richtung Bremen bis Haltepunkt Bremen: Das waren zwei Stunden und neun Minuten Fahrzeit. Wenn Sie heute dieselbe Strecke nutzen, dann fahren Sie zwei Stunden und 43 Minuten und im ungünstigsten Fall zwei Stunden und 53 Minuten. Da muss man sich doch nicht wundern, dass die Menschen erkennen, dass die Fahrzeit zu lange ist, und das Angebot dann nicht nutzen. Insofern muss hier gehandelt werden!

Ich möchte noch an einem anderen Beispiel deutlich machen, dass wir im Tourismusland Niedersachsen darüber nachdenken müssen, ob es richtig ist, dass man in Bremen in einen IC einsteigt und die Verbindung nach Binz auf Rügen in gut fünf Stunden - d. h. 450 km - fahren kann und umsteigefrei dort ankommt. Wenn man von Bremen aus Richtung Langeoog oder zu den Ostfriesischen Inseln fährt, hat man eine Fahrzeit von dreieinhalb Stunden für 150 km. Das ist überhaupt kein Vergleich. Dies ist ein inakzeptabler „Abbruch an Attraktivität“. Wo war der erfolgreiche Einsatz des Landes zur Rettung dieser notwendigen Fernver

kehrsverbindung? - Ich gebe gerne zu, dass es Gespräche gegeben hat. Es hat hier und da auch lauwarme Proteste gegeben.

Meine Damen und Herren, ich möchte das auch noch einmal am Antrag der SPD-Fraktion im vorletzten Plenum zur Revision von Regionalisierungsmitteln festmachen. Da wurde angekündigt: Wir wollen aktiv werden, wir wollen in Richtung Bund deutlich Flagge zeigen! - Merkwürdigerweise wurde der Antrag bei der letzten Sitzung im Haushaltsausschuss wieder eingefangen und an den Wirtschaftsausschuss zurückgegeben. Wer den Mund spitzt, der muss irgendwann auch einmal pfeifen, sonst bringt das nichts. Die Vereinbarungen, die eben von Herrn Wenzel deutlich gemacht worden sind, sind im Ergebnis nach wie vor ein Kompromiss. Darüber kann keine Diskussion hinwegtäuschen. Ich habe mich darüber geärgert, dass am selben Tag, als dieser Erfolg von den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD auf Bundesebene verkündet worden ist, in der Wirtschaftswoche ein Artikel zu lesen war, in dem stand, dass es künftig auch andere Bereiche gibt, in denen die Länder erneut „Zahlmeister“ sind. In diesem Artikel wird auf eine Berechnung der Prognos AG verwiesen, die besagt: In dünn besiedelten Gebieten wird DB Netz nach der Berechnung bestimmter Regionalfaktoren bundesweit 140 Millionen mehr einfordern. Das würde Niedersachsen im Ergebnis anteilig belasten. Hier muss man den groß angekündigten Erfolg schon wieder relativieren.

Ich meine, meine Damen und Herren, dass der groß verkündete Erfolg aufgrund dieser Überlegung schnell ein Pyrrhussieg werden kann. Nach meiner festen Überzeugung gibt es bei der langfristigen Entwicklung in Niedersachsen für den schienengebundenen Verkehr noch einen riesigen Handlungsbedarf. Das kann man nicht wegdiskutieren. Fakt ist aber auch - ich möchte das hier ausdrücklich positiv betonen -, dass es in Teilbereichen wie z. B. bei der NordWestBahn gute, günstige und attrraktive Verbindungen gibt. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es bei möglichst umsteigefreien Verbindungen oder auch bei der intelligenten Verknüpfung der Schnittstellen nach wie vor Riesendefizite gibt, die auch von den Bahnfahrern und Nutzern erkannt werden. Vor einigen Tagen hatten wir wieder Gelegenheit, zu erkennen, dass die „Pünktlichkeit“ nach wie vor nicht so groß geschrieben wird. Am vergangenen Freitag gab es für einige von uns bei der Anbindung ab Laatzen eine Wartezeit von einer Stunde.

Auch das muss bei so einer Gelegenheit mit erwähnt werden.

Ich meine, Herr Wenzel, dass wir im Kampf um den InterRegio, den Sie auch immer wieder führen, längst auf verlorenem Posten stehen, weil Fakten geschaffen worden sind und wir davon ausgehen müssen, dass der InterRegio als Angebot bald historisch zu betrachten ist. Die 100 Millionen Euro, die hier angesprochen worden sind, werden im Ergebnis ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Ich werde nicht akzeptieren, dass dieser Betrag als Alibi benutzt wird, um den Gewährleistungsauftrag sicherstellen zu wollen.

Meine Damen und Herren, es gibt die Geheimstudie „Niedersachsen - eine Erfolgsstory.“ Ich habe nachgelesen, was alles darin enthalten ist.

(Möhrmann [SPD]: Was war das für eine Studie?)

Mir fiel auf, dass dort InterRegio, Fernverkehr und umsteigefreie Verbindungen überhaupt nicht vorkommen.

(Frau Pruin [CDU]: Traurig!)

Mir läge sehr daran, dass wir im Ergebnis nicht nur sagen: Niedersachsen ist am Zug. - Dann kann man sagen: so weit, so gut. Ich möchte, dass dieser Zug auch Fahrt aufnimmt, denn sonst kann man wirklich nicht sagen: Niedersachsen - eine Erfolgsstory.

(Beifall bei der CDU)

Herr Höppner hat mit Erfolgsbilanzen seine eigene Erfahrung gemacht. Ich bin der Überzeugung, dass die Broschüre „Niedersachsen - eine Erfolgsstory“ im Ergebnis nur eine Anhäufung von potemkinschen Dörfern ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Adam [SPD]: Na, na!)

Das Wort hat nun der Kollege Biel.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten - Adam [SPD]: Gott sei Dank!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle drei Fraktionen sind nach den Beratungen im Fachausschuss zum Tagesordnungs

punkt „Erhaltung des Schienenpersonenfernverkehrs in der Fläche des Landes Niedersachsen“ übereingekommen, dass nach Artikel 87 e Abs. 4 des Grundgesetzes der Bund ein entsprechendes Angebot im Fernverkehr zum Wohle der Allgemeinheit zu gewährleisten habe. Kann aus Sicht der Bahn AG dieses Angebot nicht in allen Fällen kostendeckend zu betreiben sein, muss der Bund die notwendigen Finanzmittel für den Betrieb zur Verfügung stellen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung sollte deshalb seitens des Landtages von allen Fraktionen bei ihrem Änderungsantrag zum Gesetzentwurf zur Gewährleistung des Schienenpersonenverkehrs im Bundesrat unterstützt werden. Der Verkehrsausschuss des Bundesrates hat sich mit dem Gesetzentwurf befasst. Die Abstimmung, meine Damen und Herren, hat keine Mehrheit gefunden. Die Intention dieses Antrags ist hiermit zu diesem Zeitpunkt erledigt worden. Auch der Antrag ist erledigt.

Nun zum zweiten Antrag - das ist der Antrag zum InterRegio -: Meine Damen und Herren, ich muss hier ganz deutlich sagen, die Bahn AG hat oft einzelne Ideen, die aber nicht zu Ende gedacht sind und sehr vorschnell in die Öffentlichkeit gebracht werden. Deswegen hat uns das Thema InterRegio im Landtag immer wieder beschäftigt. Hier hätte ich etwas mehr Fairness von meinem Kollegen Dinkla erwartet.

(Dr. Stratmann [CDU]: Er ist immer fair! - Zuruf von Frau Pruin [CDU])

- Hedwig, es geht nicht um Rabenvögel, es geht um Zugverbindungen. - Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat mit der Bahn AG verhandelt und ein sehr gutes Ergebnis herbeigeführt. Es soll keine Linie aufgegeben werden, sondern noch eine Linie dazukommen: die Linie Hamburg Berlin über Uelzen.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle aber auch einen kleinen Wermutstropfen nicht verschweigen. Ich sage hier ganz deutlich, dass der InterRegio-Halt in Peine zum Teil aufgegeben worden ist. Meine Damen und Herren, das war keine feine Art der Bahn AG. Man muss hier aber auch ganz deutlich darauf hinweisen, dass es auch wirtschaftliche Gründe gegeben hat, die die Bahn AG zu diesem Schritt gezwungen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird immer wieder gesagt, dass die InterCity-Züge die

InterRegio-Züge ersetzen sollen. Ich kann Ihnen dazu sagen: Zum jetzigen Zeitpunkt ist das kein Ersatz, sondern ein Rückschritt. Wenn die Bahn AG nicht große Anstrengungen unternimmt, die InterCity-Züge den Erfordernissen entsprechend fahren zu lassen, dann wird das ein Flop mit der Folge, dass sie noch mehr Fahrgäste verlieren wird, als sie erwarten kann.

Nun noch ein Wort zu meinen Kollegen Dinkla und Hedwig Pruin: Opposition ist, etwas zu versprechen, was eine Regierung nicht halten kann.

(Beifall bei der SPD - Möllring [CDU]: In Niedersachsen verspricht die Regierung ja auch etwas, was sie nicht halten kann!)

Deshalb werden wir auch den Antrag der CDUFraktion ablehnen, zu dem kein weiterer Änderungsantrag mehr vorgelegt worden ist.

Es hat sich noch die Frau Wirtschaftsministerin zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, wir brauchen das Regionalisierungsgesetz. Ich sage Ihnen aber auch ganz klar: Wenn hier so getan wird, als sei der Keks schon längst gegessen worden, dann muss ich Ihnen entgegenhalten, dass wir noch darum kämpfen müssen, das durchzukriegen, Herr Dinkla. Bislang scheitert die Kompromissfindung ja daran, dass sich die CDU-geführten Länder diesem Kompromiss bislang verweigert haben.

(Plaue [SPD]: Hört, hört, Herr Kolle- ge! Das ist aber hoch interessant! Das sind aber dicke Backen, die Sie da fordern!)

Das ist der derzeitige Stand der Dinge. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz ausdrücklich sagen, dass unser Bestreben, Planungssicherheit zu bekommen, wie es der Kollege Wenzel vorgetragen hat, im Augenblick noch nicht zu 100 % erfüllt ist. Ich hoffe sehr, dass wir das in den bevorstehenden Bundesrats- und Bundestagsverhandlungen so durchbekommen werden. Die Landesregierung wird weiter dafür kämpfen müssen, Herr Dinkla, dass dies so geschieht. Ich hoffe sehr, dass wir es

gemeinsam mit den CDU-geführten Flächenländern durchbekommen werden.

Darüber hinaus möchte ich ganz klar sagen: Niedersachsen ist eines der Bundesländer, die es in zähen, harten, konstruktiven und von der Presse nicht immer laut begleiteten Verhandlungen mit der DB AG geschafft haben, dass in unserem Land zum Fahrplanwechsel im Dezember keine einzige Verbindung wegfällt. Das ist unser Ziel.

(Beifall bei der SPD)