Protocol of the Session on September 24, 2020

(Horst Förster, AfD: Im März.)

Im März. Sie müssen es ja wissen, Sie sind Mitglied dieser Kreistagsfraktion, Herr Förster. Und nun kommen Sie mir nicht mit dem Argument, das Virus wäre im März gefährlicher gewesen, als es jetzt ist! Das ist die Scheinheiligkeit, mit der Sie an diesen Prozess herangehen. Sie erklären vorher dieses, Sie halten hier scheinbare Fachvorträge im Landtag, fordern hier andere Maßnahmen, als Sie sie auf der Straße unterstützten,

(Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

postulieren, und eine solche Politik lassen wir Ihnen hier nicht durchgehen! – Danke schön!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Möchten Sie antworten, Herr Dr. Jess?

Natürlich, sehr gerne!

Erst mal schönen Dank, ich kann jetzt noch ein bisschen weiter ausführen. Natürlich ist es so, dass das Virus im März ein anderes war als jetzt.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ach?!)

Ich sage mal, jeder, ja, jeder, der ein bisschen was von Epidemiologie versteht, weiß, dass die Virulenz von Viren auch zurückgeht, das heißt also …

(Der Abgeordnete Peter Ritter spricht bei abgeschaltetem Saalmikrofon.)

In meinen Augen ist es zurückgegangen –

(Der Abgeordnete Peter Ritter spricht bei abgeschaltetem Saalmikrofon.)

fragen Sie die Virologen! –, sonst hätten wir, …

Ja, jetzt muss ich bitte mal …

… sonst hätten wir …

… einschreiten. Bitte mal die Zeit stoppen! Hier dürfen keine Dialoge stattfinden. Jeder hat seine Zeit – zwei Minuten –, und die steht dem jeweiligen Redner allein zu.

Sonst würde …

Bitte schön!

Entschuldigung!

Sonst würde diese sogenannte Gompertz-Kurve nicht auftreten.

Aber ich möchte noch mal deutlich machen, es geht hier nicht nur um die AfD. Natürlich hat auch die AfD eine entsprechende Entwicklung, und ich sage Ihnen ganz offen, so, wie die SPD und DIE LINKE auch interne unterschiedliche Auffassungen diskutieren – wir sehen das ja sogar im Europaparlament, wenn es um die Nord Stream 2 geht, dass da die SPD ganz unterschiedlich abstimmt –, also, ich sage mal, das sollte eigentlich für uns nichts Neues sein, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt. Und wir vertreten aber diese Auffassung, die wir heute hier dargestellt haben.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Und jetzt sage ich Ihnen ganz offen: Es geht nicht nur um die AfD und auch nicht um Herrn Bhakdi. Ich erinnere an Herrn Wodarg, an Herrn Professor Püschel, an Professor Streeck und viele andere mehr, und ich erinnere vor allen Dingen auch an das Papier aus dem Innenministerium, das von vielen Professoren unterzeichnet wurde,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

und der Mitarbeiter des Innenministeriums, und der Mitarbeiter des Innenministeriums dann kurz abserviert wurde, weil es nicht ins politische Kalkül passte.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Der Abgeordnete Peter Ritter spricht bei abgeschaltetem Saalmikrofon.)

Ja, ja, ja, ja. Und das Einfache ist eben, das Einfache ist eben dann immer, dass man sagt, Verschwörungstheorien, Aluhutträger.

Das wird Ihnen auf die Füße fallen, meine Damen und Herren, das wird Ihnen auf die Füße fallen, denn ich sage Ihnen eins: Die Demonstrationen, die wir da in Berlin gesehen haben, die werden nicht aufhören,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

solange Sie eine falsche Politik machen wie jetzt

(Der Abgeordnete Peter Ritter spricht bei abgeschaltetem Saalmikrofon.)

und eine Politik machen, die vor allen Dingen von der Bevölkerung nicht nachvollzogen werden kann. – Danke schön!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Barlen.

(Zurufe von Horst Förster, AfD, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Förster, der erste Fakt, der Ihnen nicht schmecken dürfte, ist, dass 86 Prozent der Bevölkerung diesem Austarieren zwischen Schutzmaßnahmen und zwischen Offenheit, um im Grunde das Leid zu verringern, um einen Lockdown zu verhindern, zustimmen.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Und das heißt, Ihre, Ihre, ich sage mal, schillernden Träume des Nachts, dass das der Obrigkeit auf die Füße fallen wird,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ihre ganzen Untergangsfantasien, die sind leider faktisch sozusagen durch nichts zu belegen augenblicklich.

Ich möchte die mir verbleibende Redezeit nutzen, um noch mal auf eine wirklich eklatante Doppelzüngigkeit, auf eine Widersprüchlichkeit in der Argumentation der AfD und insbesondere von Professor Weber aufmerksam zu machen, nämlich hat er geschickt – na ja, oder mäßig geschickt, auf jeden Fall in seinem Redebeitrag – verpackt zwei Dinge, die sich überhaupt nicht vereinbaren lassen, die in einem kompletten Widerspruch stehen, nämlich zum einen, dass die Maßnahmen, die dem Schutz der Bevölkerung vor dem Corona-Virus dienen, augenblicklich, sofort, gänzlich und ersatzlos gestrichen werden sollen,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau. – Dr. Ralph Weber, AfD: Die Verbote!)

nach dem Motto, genau, Risikopatientinnen und -patienten, Menschen, die da Angst haben, da ihre Lebenszeit um Jahre zu verkürzen, die können sich ja schützen, die müssen nicht rausgehen, die brauchen nicht in die Öffentlichkeit zu gehen, die brauchen nicht in die Kaufhalle zu gehen, die können sich mit FFP2-Masken schützen, die können dann ja sehen, wo sie bleiben.

Und gleichzeitig – und das ist wirklich, muss man sagen, an Doppelzüngigkeit nicht zu überbieten –, gleichzeitig wird die Situation der Alten, der Kranken, der Risikopatientinnen und -patienten, die in den Seniorenheimen, ja, die in den Wohngruppen am Anfang selbstverständlich sehr unter dem Lockdown, auch unter den Maßnahmen zu leiden hatten, die soziale Kontakte vermisst haben, die werden hier moralisch ins Feld geführt und es wird gesagt, um denen entgegenzukommen, müssten im Grunde also Maßnahmen weg, müssten irgendwo die Schutzmaßnahmen zurückgenommen werden, muss alles viel freiheitlicher, viel offener sein. Das passt nicht zusammen, das passt einfach nicht zusammen.

Ihre Forderung nach einem Ende der Schutzmaßnahmen, nach einem sofortigen ersatzlosen umfänglichen Ende der Schutzmaßnahmen, das ist ein Albtraum gerade für die Menschen, die hochaltrig sind, gerade für die Menschen, die einer Risikogruppe angehören. Und Sie können sich nicht einerseits als Anwalt dieser Gruppe aufspielen und auf der anderen Seite das fordern, was dieser Gruppe am meisten schaden würde. Sie führen die Interessen dieser Menschen in einem Atemzug im Munde und suchen in meinen Augen in Wirklichkeit nur nach dem nächstbesten Argument, was sich für irgendeine Gruppe gerade gut anhören könnte.

Wir, meine Damen und Herren, spielen nicht – so, wie die AfD es hier tut – eine gegen die andere Gruppe aus. Wir spielen nicht vermeintlich starke Bevölkerungsgruppen gegen vermeintlich schwache Bevölkerungsgruppen aus. Wir suchen nach einem gemeinsamen Weg, Schutz und Freiheit, Offenheit abzuwägen, in Einklang zu bringen, gerade, wenn es darum geht, einen Lockdown zu verhindern, diese Sachen übereinanderzubekommen, auch in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, im Grunde die Begegnungen, auch das Wirtschaften, das Handeltreiben, auch Kultur erleben, all diese Dinge wieder möglich zu machen.

Das findet ganz viel Zustimmung in der Bevölkerung. Das hält die Gesellschaft in diesen schweren Zeiten auch zusammen. Das fördert die Rücksichtnahme, das fördert die Solidarität und die gegenseitige Hilfe. Das sind alles Sachen, mit denen Sie nichts anfangen können, das weiß ich. Das steht im total krassen Widerspruch zu dem Ansatz der AfD: Spaltung, Starke/Schwache gegeneinander aufhetzen, um daraus politisch Kapital zu schlagen.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Und dagegen wenden wir uns, meine Damen und Herren. Das legen wir auch, wenn es sein muss, das zehntausendste Mal in diesem Parlament offen. Und das lehnen wir ab. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!