Am Anfang meines Berufslebens habe ich zehn Jahre in einem Viruslabor des damaligen Bezirkshygieneinstituts als wissenschaftlicher Assistent gearbeitet. Wir haben unter anderem Verlaufskontrollen bei Hepatitis-Epidemien, virologischen Durchfallerkrankungen und epidemiologische Quarantäneüberwachungen vorgenommen. Die Ärzte haben immer klinisches Bild und Labordaten in ihrer Gesamtheit bewertet. Ich werde deshalb in meiner weiteren Bewertung der Risikoindikatoren der klinischen Ausprägung der SARS-CoV-2-Infektion den Vorrang einräumen. Nicht die Infektionszahlen aufgrund eines Testnachweises sind entscheidend für die Bewertung eines Risikos – mein Kollege hat schon darauf hingewiesen –, sondern die Zahl der real symptomatisch Erkrankten und der schwer Erkrankten und die Todeszahlen.
Dabei greife ich bei meinen weiteren Ausführungen auf offizielle Zahlen des RKI und der Statistikämter zurück, Stand 31.08.2020.
Erstens, Bewertung des Risikos, schwer zu erkranken. Betrachten wir die Zahl der bestätigten Infizierten, der stationären Fälle, der ITS-Fälle und der Todeszahlen, dann kommen wir zu folgendem Ergebnis: Zahl der Infizierten, bestätigten Infizierten in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt, also über die gesamte Zeit bis zu dem Termin 1.008. Das gibt eine Inzidenz von 62 pro 100.000 Einwohnern oder eine Prozentzahl von 0,06 Prozent der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern. Davon sind 951 genesen, das heißt, am Stichtag gab es 57 Tote, das sind 0,003 Prozent der Bevölkerung.
Kommen wir zu den stationären Behandlungen. Es gab insgesamt 132 Fälle, das sind 0,008 Prozent der Bevölkerung. Bei den stationären Behandlungen gab es natürlich auch Intensivtherapiefälle. Es gab 22 Fälle, das sind 0,001 Prozent der Bevölkerung. Und es gab 20 Verstorbene, das sind 2 Prozent der Infizierten oder wiederum 0,001 Prozent der Bevölkerung. Und im Zusammenhang mit den Verstorbenen relativiert das Ergebnis einer Kleinen Anfrage auf Drucksache 7/4874 vom 25.05.2020, wonach von den damals 17 angegebenen Corona-Todesfällen nur 7 in der Leichenschau mit Corona ursächlich von den Ärzten in Verbindung gebracht wurden. Obduktionen waren in keinem Fall durchgeführt worden. Die Todesfälle waren zu 95 Prozent in der Altersgruppe der 60- bis 100-Jährigen. Das statistische Maximum lag bei 80 bis 89 Jahren und entspricht damit dem statistischen Bild der durchschnittlichen Todesalter der Vorjahre.
Kommen wir zweitens zur Sterbestatistik. Eine Analyse der Sterbezahlen über die letzten 19 Jahre ergibt kein außergewöhnlich abweichendes Bild der Sterbestatistik für 2020. Betrach…
Wir sprechen über Deutschland, wir sprechen in diesem Falle über Mecklenburg-Vorpommern. Wir sprechen über Deutschland.
(Thomas Krüger, SPD: Vielleicht, weil die Schutzmaßnahmen gewirkt haben?! – Zuruf von Julian Barlen, SPD)
Betrachtet man die ersten vier Monate der letzten vier Jahre, dann zeigt sich 2017/2018 eine überdurchschnittliche Übersterblichkeit, die auf die 25.000 Grippetoten zurückzuführen ist. Die Corona-Epidemie 2020 erzeugt keine, gegebenenfalls nur eine geringe Übersterblichkeit in diesen Monaten, die aber erst nach der Hochphase der Fälle, das heißt nach dem Lockdown, einsetzt. Die Ärzte streiten jetzt, ob dies eine verzögerte Folge der Pandemiehochphase oder eine Folge der LockdownMaßnahmen ist. Argumente und Fakten gibt es, meine Damen und Herren, für beide Thesen.
Interessant ist auch ein Abgleich der ICD-10-Daten. Das ist die Klassifikation der Todesursachen, wenn man die Gruppen „Grippe mit Pneumonie“ und „chronische Krankheiten der unteren Atemwege“ über die letzten zehn Jahre für Mecklenburg-Vorpommern vergleicht. Das waren zum Beispiel 2004 845 Todesfälle. Und, meine Damen und Herren, das ist die Gruppe, in die auch Corona-Fälle fallen würden. 2009 waren es 1.030 und 2010 1.032. Sie sehen, deutlich mehr als die heutige Zahl der 20 Corona-Toten, die auch dieser Gruppe zuzuordnen sind.
Kommen wir drittens zu den Testungen in Deutschland. Der PCR-Test weist Virus RNA nach, unabhängig davon, ob diese noch replikationsfähig ist. Das heißt, es weist einfach Virusbestandteile nach. Mattheussen et al. gibt Falschpositivraten von 2,1 Prozent an bei dem PCRTest. Wenn man daran denkt, dass die Testzahlen in Deutschland dramatisch erhöht wurden – wir haben das bereits eben diskutiert –, dann muss man logischerweise davon ausgehen, dass auch natürlich mehr Positive nachgewiesen werden. So hat man zum Beispiel ab 11.05.2020 noch 2 Prozent der Tests positiv in Deutschland, ab 22.06. noch circa 1 Prozent der Tests positiv. Und wenn man daran denkt, dass es eine Falsch-PositivRate gibt, die um 2,1 Prozent liegen soll, dann muss ich mich fragen, wonach agieren wir eigentlich hier. Ich halte das für äußerst fragwürdig. Das Fazit ist, die Testergebnisse sind kein hinreichender Risikoindikator.
Es gibt eine interessante Untersuchung von Professor Harald Walach, der auf eine Studie von Michael Levitt in
Stanford hinweist. Die haben nämlich festgestellt, eine Gruppe hat dort nämlich untersucht die Covid-19-Daten verschiedener Länder mit unterschiedlichen Anti-CoronaMaßnahmen, und zwar auf der ganzen Welt. Das Fazit war, unabhängig von den politischen Gegenmaßnahmen folgten die Fallzahlen keinem exponentiellen Wachstum der Pandemie, sondern der Gompertz-Funktion, das heißt, nach circa 30 Tagen wurde jeweils eine Plateauphase erreicht. Das bedeutet, dass die Epidemie natürlicherweise abklingt.
Ich möchte noch einmal auf das Risiko- und Krisenmanagement zurückkommen. Wir sind der Überzeugung, dass kein Risiko- und Krisenmanagement eine hundertprozentige Risikobeseitigung erreichen kann. Zu jedem Risikomanagement gehört auch die Diskussion über ein akzeptiertes Restrisiko und eine kalkulierte Risikoakzeptanz. Andernfalls stehen wir vor der Alternative, das Primärrisiko, nämlich Corona, gegen das Sekundärrisiko, Wirtschaftskollaps, einzutauschen. Flapsig äußerte ein Unternehmer, aus Angst vor dem Corona-Tod stürzen wir uns in den wirtschaftlichen Tod.
Abschließend möchte ich noch etwas zur Risikowahrnehmung sagen. Das ist eine zutiefst psychologische Komponente des Risikomanagements. Unsere öffentlichrechtlichen Medien haben durch eine einseitige Berichterstattung zusammen mit manchen Begleitmusikern aus Politik und Wissenschaft eine übersteigerte Risikowahrnehmung in einem großen Teil der Bevölkerung erzeugt.
Professor Reisinger aus Rostock sprach noch von einer Todesrate von zehn Prozent, als durch die HeinsbergStudie, Professor Streeck und Professor Püschel in Hamburg, längst belegt war, dass die Todesrate im Bereich von Grippeepidemien liegt. Dies wird auch durch die Zahlen in Mecklenburg-Vorpommern bestätigt.
Die Maskenpflicht wird von vielen inzwischen als der Gesslerhut 2.0 aus „Wilhelm Tell“ angesehen, meine Damen und Herren.
Wir sollten uns ein Beispiel an dem nüchtern-sachlich agierenden Schweden nehmen. Ich habe Hochachtung vor Herrn Tegnell und den dort zuständigen Verwaltungsbeamten. Andernfalls könnten wir nämlich in Verbindung mit Corona als Volk der Hypochonder in die Geschichte eingehen. Glücklicherweise gibt es zunehmende Zeichen eines Aufbegehrens gegen die obrigkeitsstaatliche Entmündigung der Bürger. Ich denke dabei an die Bewegung der „Querdenker“, die bereits von Ihnen hier diskreditiert wurde, und viele andere Gruppen …
Bei allen Diskussionen habe ich jetzt übersehen, dass vonseiten der Fraktion DIE LINKE eine Kurzintervention zu Ihrem Redebeitrag angemeldet wurde, Herr Dr. Jess.
Herr Dr. Jess, Sie haben jetzt versucht, lange Zeit in einem fachlich fundierten Vortrag uns die Beweggründe Ihrer Fraktion nahezubringen, diesen Antrag hier heute einzubringen, aber mit den letzten Sätzen haben Sie dann doch mal deutlich gemacht, dass es nicht um diese fachliche Fundiertheit geht, sondern um eine ideologische Auseinandersetzung. Und da geht es eben nicht, dass Sie hier einmal so und einmal so argumentieren.
Ich will deshalb an dieser Stelle mal aus einem Bericht des „Nordkuriers“ vom 13. März dieses Jahres zitieren, dort heißt es: „Die AfD forderte am Freitagabend, die Schulen und Kindergärten im Kreis Mecklenburgische Seenplatte umgehend zu schließen. … ‚Es könne nicht sein, dass … unsere Schulen und Kindergärten zu Virenumschlagstationen werden‘. … Andere Landkreise würden mit gutem Beispiel vorangehen.“ Aber „in der Seenplatte müsse“ man „eine Infizierung zu vieler Menschen auf einmal“ verhindern. „‚Das rettet nicht nur Leben, insbesondere der gesundheitlich stark gefährdeten Bevölkerungsgruppen, sondern bringt viele Infizierte dann in die Nähe von Heilmitteln und Lösungen‘, heißt es weiter.“ Zitatende.