Protocol of the Session on September 24, 2020

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Brade.

(Heiterkeit und Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Minister Harry Glawe – Henning Foerster, DIE LINKE: Ich glaube, der Redner erwartet, dass wir uns ihm zuwenden. – Minister Harry Glawe: Gerne!)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Wir debattieren heute den Antrag der Fraktion DIE LINKE „Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie im Alter und bei Erwerbsminderung zum 1. Januar 2021 bedarfsgerecht anheben“. Dafür soll sich die Landesregierung bei der Bundesregierung einsetzen. Dieser Forderung geht ein Kabinettsbeschluss zum Gesetzentwurf zur Festsetzung der neuen Regelbedarfsstufen im Bereich der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 19.08.2020 voraus.

Die Sätze werden alle fünf Jahre neu berechnet, wenn eine neue Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorliegt. Das Augenmerk richtet sich dabei auf die unteren 15 Prozent der Singleeinkommen, bei Familien auf die unteren 20 Prozent. An den Ausgaben dieser Referenzhaushalte orientiert sich, was der Staat auch Hartz-IVEmpfängern zugesteht. Außerdem werden noch die Zahlen der jährlichen Lohn- und Preisentwicklung zur Berechnung hinzugezogen, die zur damaligen Kabinettssitzung noch nicht vorlagen.

Derzeit erhalten 5,7 Millionen Menschen die staatliche Grundsicherung. Zu ihnen gehören Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende, Kleinverdiener oder Kinder. Das sind immer noch viel zu viele, da sind wir uns sicherlich einig. Und der monatliche Regelsatz für Alleinerziehende wird nach den neuesten Berechnungen auf 446 Euro im Monat steigen, 14 Euro mehr als der Hartz-IV-Regelsatz im Jahr 2020.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Für Alleinstehende!)

Wer mit einem anderen bedürftigen Erwachsenen, etwa dem Ehepartner, in einer Wohnung lebt, erhält ab 2021 401 Euro monatlich. Aktuell sind es 389 Euro. Der Regelsatz für Kinder bis 5 Jahre steigt im kommenden Jahr um 33 auf 283 Euro monatlich, für Kinder von 6 bis 13 Jahren gibt es eine Erhöhung der Leistung um 1 Euro. Jugendliche bis einschließlich 17 Jahren erhalten dann 373 statt 328 Euro.

Am Ende dieser ganzen Theorie steht aber eine Frage, die nicht nur mathematisch, sondern auch moralisch höchst umstritten ist: Wie viel Geld braucht man für eine menschenwürdige Existenz in Deutschland? Dieser Frage bleiben Sie letztendlich ja auch in Ihrem Antrag eine Antwort schuldig, weil Sie einfach keine genaue Summe genannt haben.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Na doch, habe ich.)

Na ja, Sie haben das wiederholt, was Ihre Kollegin Kipping

(Henning Foerster, DIE LINKE: Nein, ich habe …)

so an Zahlen rausgehauen hat. Das ist genau der gleiche Betrag, auf den Cent genau. Und insofern, ich weiß nicht, warum es

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ich habe, ich habe …)

bei Ihnen so ist, ob es Feigheit ist oder Unwissenheit, oder vielleicht ist man sich da moralisch auch unsicher, was ich nachvollziehen kann. Also diese Frage moralisch zu beantworten, wie viel braucht ein Mensch zur Grundsicherung, das ist höchst schwierig, Herr Foerster.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ich habe gesagt, wie unser Berechnungsverfahren aussehen würde und was dabei rauskommen würde. Was ist denn daran unseriös?)

Na ja, das ist sehr unseriös, weil Sie im Endeffekt nichts anderes machen, nur mit einer anderen Methode, als das, was wir jetzt schon machen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und es kursieren mehrere Zahlen durch verschiedenste Berechnungen in den Medien,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Und wenn wir es anders machen als Sie, dann ist es unseriös? – Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

die für sich beanspruchen, menschenwürdig oder existenzsichernd zu sein. 657,55 Euro, und das ist genau der Betrag, den Sie auch genannt haben. Den Betrag hat Ihre Parteikollegin Kipping ja auch schon genannt. Und der Paritätische Gesamtverband fordert eine Summe von 644 Euro Grundsicherung für Erwachsene.

Deckungsgleich bei den jeweiligen Berechnungsmethoden, der genannten, ist, dass Posten der Lebenserhaltung dazu addiert wurden, die von der Bundesregierung als nicht regelbedarfsrelevant eingestuft werden, wie zum Beispiel Tabak und Alkohol, aber auch Futter für Haustiere oder eine Kugel Eis. Auch hier scheiden sich wieder die Geister. Für mich ganz persönlich sind solche Genussmittel wie Tabak und Alkohol wirklich nicht regelbedarfsrelevant. Andere Sachen – wie ein Weihnachtsbaum, Haustiere und die Kugel Eis – dagegen gehören zur gesellschaftlichen Teilhabe dazu.

(Heiterkeit bei Horst Förster, AfD: Haustiere! – Henning Foerster, DIE LINKE: Na wenigstens da sind wir uns einig.)

Auch die veranschlagten 1,60 Euro für Bildung sind für mich realitätsfern. Doch bei aller Zustimmung, Herr Foerster, doch bei aller Zustimmung finde ich zwei Tatsachen an Ihren Forderungen ebenfalls realitätsfern. Das ganze Vorhaben soll den Steuerzahler mal eben so 28 Milliarden Euro kosten. Die Deckungsquelle bleibt unbenannt. Des Weiteren würden bei diesem Modell Bezieher von Arbeitslosengeld II mehr Geld bekommen als manche Beschäftigte im Mindestlohnsektor.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ja, liegt das an den Arbeitslosen oder an dem niedrigen Lohn? – Henning Foerster, DIE LINKE: Da muss man was an den Löhnen machen, Herr Brade!)

Und hier beißt sich die Katze wirklich in den Schwanz.

Und, Herr Foerster, wir sind da einer Meinung, an den Löhnen müssen wir was machen und Arbeit muss sich auf jeden Fall weiterhin lohnen in diesem Land.

(Beifall Horst Förster, AfD)

Und das ist ein ursozialdemokratisches Anliegen, zu dem wir auch weiterhin stehen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass vor einer solchen Änderung der Berechnung der Grundsicherung der Mindestlohn angehoben werden muss. Und da, denke ich, Herr Foerster, sind wir uns einig,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: 13 Euro!)

und zwar deutlicher, als das die Mindestlohnkommission bisher vorsieht. So fordert auch Arbeitsminister Hubertus Heil dieses Anliegen.

Also, liebe LINKE,

(Zurufe von Henning Foerster, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE)

einen Schritt nach dem anderen! Und letztlich muss es unser aller Ziel sein, dass wir bei aller Diskussion um eine existenzwürdige Grundsicherung die Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bringen. Ich denke, wir sind uns bewusst, dass wir bei diesen Themen nicht allzu weit auseinanderliegen, gerade wenn man sich das Sozialstaatskonzept der SPD anschaut.

(Heiterkeit bei Henning Foerster, DIE LINKE: Gibt es das noch, ja?)

Aber trotzdem gibt es einen kleinen feinen Unterschied.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ich dachte, das ist schon im Keller des Willy-Brandt-Hauses verstaubt! – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Wir stellen in den Landesparlamenten keine Schaufensteranträge, Herr Foerster, wo die Zuständigkeiten eigentlich woanders liegen, um die Situation der Menschen im Land zu verbessern. Wir setzen uns auf den richtigen Ebenen für die richtigen Sachen ein,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, man merkt das bloß nicht so richtig.)

auch wenn die Diskussion mit dem Koalitionspartner oftmals nicht einfach ist

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Maika Friemann-Jennert, CDU)

und man letztlich einen Kompromiss finden muss. Und letztlich steht aber das Wohl der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land für uns im Vordergrund. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Herr Brade!

Auch an dieser Stelle der obligatorische Hinweis, es handelt sich jetzt beim Aufruf um den letzten Redner. Das heißt, für die Abstimmung sollten sich die Abgeord

neten, die sich nicht im Plenarsaal befinden, auf den Weg machen.

Und ich rufe auf für die Fraktion DIE LINKE den Abgeordneten Herrn Foerster.

(Minister Harry Glawe: Sehr gut!)

Ja, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der Mehrheitsverhältnisse in diesem Haus und der bisherigen Debatten zum Thema Hartz IV in der Vergangenheit, da war mir natürlich schon klar, welches Schicksal auch unserem neuerlichen Antrag beschieden sein würde. Und dennoch finde ich es wichtig, dass er heute auf der Tagesordnung stand, denn auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, die Ärmsten in dieser Gesellschaft und ihre Alltagssorgen würden ohne das Engagement meiner Fraktion in diesem Landtag doch gar keine Rolle mehr spielen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)