Protocol of the Session on September 24, 2020

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das ist die traurige Realität auch im Herbst 2020.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und, Frau Drese, Frau Friemann-Jennert, ich muss sagen, Ihnen kann man es auch nie recht machen. Fordern wir den großen Wurf, also die Überwindung von Hartz IV und die Einführung einer entsprechenden Alternative, dann finden Sie Argumente, das abzulehnen, und wenn wir uns dann konkret einem Thema widmen

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist komplex! – Zuruf von Minister Harry Glawe)

und sagen, jetzt gerade im Corona-Jahr wäre es angemessen, sich noch mal der Berechnungsmethodik für die Regelsätze zuzuwenden, dann ist das auch falsch.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Zu einteilig!)

Im Übrigen tue ich ja hier nur das, was der Innenminister uns gestern in der Debatte zu 30 Jahren M-V ins Stammbuch geschrieben hat. Sinngemäß hat er gesagt, es sei die vornehmste Pflicht jedes Abgeordneten dieses Hauses, mit den Menschen im Gespräch zu bleiben, deren Anliegen aufzugreifen, in den Landtag zu tragen und hier für entsprechende Mehrheiten zu werben. Und was mich betrifft, ich bin seit 2011 regelmäßig mit Betroffenen, mit dem Arbeitslosenverband, mit Beschäftigungsgesellschaften, mit Bildungsträgern oder TafelAusgaben im Gespräch

(Minister Harry Glawe: Ja, ja!)

und ich kann Ihnen versichern, dass sich bei vielen Langzeitbetroffenen schon so ein Stück Bitternis

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

über ihr persönliches Schicksal und eine gewisse Ausweglosigkeit breitgemacht haben.

Wenn hierzulande über Arbeitsmarktentwicklung berichtet wird, dann liegt eben – und das haben wir heute auch wieder erlebt – der Fokus oft auf der Arbeitsmarktstatistik und eben nicht auf der Frage, was Hartz IV mit den Betroffenen eigentlich macht. Es dauert ja nicht mehr lange,

dann wird in diesen Räumlichkeiten das diesjährige Erwerbslosenparlament stattfinden, und ich bin gespannt darauf, was für salbungsvolle Reden dann, wenn hier einzelne Betroffene und deren Interessenvertreter sitzen, wieder gehalten werden. Schöne Worte gab es da in der Vergangenheit ja schon viele, getan hat sich dagegen wenig. Und gerade in diesem Jahr wäre konkrete Hilfe auch für Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger doppelt wichtig gewesen, denn die Konjunkturpakete, das habe ich versucht zu erläutern, der Berliner GroKo sind armutspolitisch leider so gut wie wirkungslos, Frau Ministerin Drese.

Da gab es zwar den Kinderbonus, der ja auch Familien im Hartz-IV-Bezug zugutekommt und endlich mal auch nicht angerechnet wird, das war sicher ein Schritt in die richtige Richtung, aber wenig Verständnis hat meine Fraktion dafür, dass es für arme Menschen ohne Kinder keinerlei finanzielle Hilfen gibt. Selbst wenn die Mehrwertsteuerabsenkung von den Unternehmen vollständig im Preis weitergegeben würde, dann läge der Kaufkraftzugewinn in Hartz IV und Altersgrundsicherung für einen Single nach Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes gerade einmal bei 1,9 Prozent, also 8,20 Euro im Monat.

Und dessen Vorsitzender, Ulrich Schneider, dem ist folglich beizupflichten, wenn er sagt, „es sei ,völlig unakzeptabel‘, dass die Bundesregierung – trotz heftigen Drängens von allen Seiten – Hilfen für Millionen in Hartz IV und Altersgrundsicherung“ befindliche Menschen „so hartnäckig verweigere. ,Die coronabedingten Kostensteigerungen und weggebrochene Hilfsangebote … werden mit keinem Cent berücksichtigt“. Und er hat auch recht, wenn er darauf hinweist, dass „,unsere ohnehin sozial tief gespaltene Gesellschaft an dieser Krise zerbrechen (kann). Konjunktur- und Hilfsprogramme müssen‘“ deshalb „,sozial, gerecht und wirksam sein. Niemand in dieser Krise (darf) abgehängt werden.‘“

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und auch wenn die Berechnung der Regelsätze schon seit Jahren kritisiert wird, in der aktuellen Situation wäre eine bedarfsgerechte Anhebung doppelt angebracht. Mit Ihren Reden in dieser Debatte haben Sie leider deutlich gemacht, dass damit in naher Zukunft nicht zu rechnen ist.

Der DGB hat den Umgang des SPD-geführten Bundesarbeitsministeriums mit dem Thema Regelsätze jüngst noch einmal als „politisch motivierte“ und „extrem unsaubere Pfennigfuchserei“ bezeichnet. Nach einer Analyse des Berechnungsmodells fällen dessen Sozialexperten ein vernichtendes Urteil: Die Regelsätze bekämpfen die Armut nicht, sondern sie zementieren diese. Besser hätte ich es auch nicht formulieren können.

Mit Blick auf die fortgeschrittene Zeit verzichte ich heute Abend hier darauf, die Darlegung aus der Analyse im Detail vorzutragen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Wer sie nachlesen will, findet die Unterlagen im Onlineangebot des DGB. Ich möchte Ihnen allerdings zurufen, dass Malstifte und Eis für Kinder kein irrelevanter Luxus sind. Als solcher werden sie wie viele andere Dinge – in der Einbringung schon geschildert – aber derzeit bei der Festlegung der Regelsätze betrachtet.

Aus dem Regelsatz muss darüber hinaus nicht nur der laufende Lebensunterhalt finanziert werden, sondern müssen auch teure Anschaffungen bezahlt werden, etwa wenn die Waschmaschine kaputtgeht. Auch die dafür in den Regelsätzen eingepreisten Ansätze werden aus den Verbrauchsausgaben der Vergleichsgruppe ermittelt. Und nicht nur aus Sicht des DGB ist das ein völlig untaugliches Verfahren, das zu realitätsfremden Kleinstbeträgen führt, denn Ausgaben für langlebige Gebrauchsgüter fallen nur in sehr großen zeitlichen Abständen an. Entsprechend erfasst die Verbrauchsstatistik nur sehr wenige Haushalte, die im dreimonatigen Befragungszeitraum eine größere Anschaffung getätigt haben. Von den 2.311 in der Sonderauswertung zur Ermittlung der Regelsätze erfassten Einpersonenhaushalte hatten beispielsweise nur 38 Haushalte Ausgaben für die Verbrauchsposition Waschmaschinen, Wäschetrockner, Geschirrspül- und Bügelmaschinen gemacht. Aufgrund der Durchschnittsbildung über alle 2.311 erfassten Haushalte hinweg ergibt sich so ein Kleinstbetrag in Höhe von 1,60 Euro für die Anschaffung einer Waschmaschine. Unterstellt man, dass für eine gebrauchte, zuverlässige und halbwegs energieeffiziente Waschmaschine mindestens 250 Euro ausgegeben werden müssen, dann müsste ein Hartz-IV-Haushalt 156 Monate, also dreizehn Jahre sparen, um sich so ein Gerät anschaffen zu können.

Meine Damen und Herren, nein, das ist kein Witz. Man könnte es wie viele andere Dinge im Kontext von Hartz IV bestenfalls als „Realsatire“ bezeichnen. Für die Betroffenen ist das allerdings alles andere als lustig.

Ich komme zum Schluss. Schade, dass diesen Mitbürgerinnen und Mitbürgern auch die heutige Debatte keinerlei Aussicht auf zeitnahe Verbesserung ihrer Situation gebracht hat. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/5362. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/5362 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, ansonsten Ablehnung abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Landtages für Freitag, den 25. September 2020, 9.00 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.