Protocol of the Session on August 27, 2020

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Professor Dr. Weber kann mich gar nicht angreifen. Das nur zur Klarstellung.

Nein, meine Damen und Herren, was hier eben gesagt worden ist, ich habe gesagt, dass es ein Konglomerat auch aus Ignoranz und auch aus Unkenntnis ist. Ich will das mal an einem Punkt deutlich machen.

Sehr geehrter Herr Kramer, worüber haben wir eigentlich im Juni hier diskutiert und gemeinsam beschlossen? Wir haben gesagt, es sind 175 Millionen in der Locked Box, und diese 175 Millionen werden benötigt, um bis Ende September die Finanzierung in oder auf den Werftstandorten sicherzustellen, oder die Mittel in Höhe von 175 Millionen aus dieser Locked Box. Jetzt haben wir nach meinem Kenntnisstand Ende August,

(Thomas Krüger, SPD: Ja, genau.)

das heißt, der Zeitraum, der von vornherein vorgesehen war für diese Mittelverwendung, ist noch nicht zu Ende,

(Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

und auch die Entscheidungsfindungen mit allen Beteiligten – Bund, Land, Banken, Werft, Konzern, im Zweifelsfall übrigens auch Betriebsräte und IG Metall – sind natürlich noch nicht zu Ende. Das war jedem, jedem, der sich im Juni mit diesem Thema ernsthaft auseinandergesetzt hat, auch klar,

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

dass diese Zeit mindestens gebraucht wird. Und es war auch jedem klar, dass es sogar passieren kann, dass wir Ende September in einer Situation stehen, wo noch keine endgültige Entscheidung getroffen wurde, ob die Werften, die Werftstandorte tatsächlich unter den Rettungsschirm des Bundes gelangen werden, weil möglicherweise die Entscheidungsgrundlagen – Herr Minister Glawe hat die Gutachten angesprochen – vielleicht zu dem Zeitpunkt noch nicht in der Endfassung vorliegen. Das war alles klar. Das heißt, jeder Moment der Unsicherheit in diesem Prozess war allen Beteiligten bewusst. Und sich dann in dieser Woche hinzustellen und zu sagen,

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

ja, aber es ist heute noch nichts passiert, wir wissen noch nicht, wie es weitergeht! Wir werden auch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir werden auch Ende September noch nicht wissen, wie es an diesen Werftstandorten in einem oder zwei Jahren aussehen wird. Wir werden es auch im Oktober nicht wissen, und wir werden es im November nicht wissen. Das können wir gar nicht wissen, weil wir das erst einschätzen können, die erste Voraussetzung dafür ist, dass wir wissen, wie es überhaupt mit der Corona-Pandemie weiter beziehungsweise zum Ende geht, weil das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass möglicherweise wieder Kreuzfahrtschiffe gebaut werden. Und die Frage ist, wenn Kreuzfahrtschiffe nicht gebaut werden können, gibt es möglicherweise alternativen Schiffbau an diesen Werftstandorten. Das sind alles Dinge, die in den nächsten Monaten geklärt werden müssen. Und das war alles im Juni bekannt, jedenfalls denjenigen,

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

ich nehme jetzt mal die Worte von Herrn Gundlack, die sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt haben.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was machen wir denn eigentlich in diesem Moment? Wir haben

da eine Werft mit drei Standorten. Und ich will jetzt nicht wieder 30 Jahre Werftenentwicklung in MecklenburgVorpommern rekurrieren, ich könnte das auch, ich habe das auch lange genug miterlebt. Aber wir haben eine Werft, und das ist der qualitative Unterschied zu allem, was in diesem Land in der Vergangenheit an Werftenentwicklung stattgefunden hat, wir haben eine Werft mit drei Standorten, die vom Grundsatz her eine Perspektive hatte, eine gute Perspektive, die unverschuldet in eine Krise reingegangen ist und von der wir wissen, dass die Krise, auch wenn wir den Zeitpunkt nicht wissen, an dem sie endet, aber wir wissen, dass die Krise enden wird. Und die Frage, die wir uns stellen müssen – wir hier, die Beschäftigten vor Ort, die Unternehmensführung, der Bund, alle, die daran beteiligt sind, insbesondere natürlich auch Genting –, ist die Frage, gelingt es uns, diese Werft, die vom Grundsatz her eine gute Ausrichtung hat, in eine Zeit zu führen, in der die Arbeitsplätze dort quasi weiter aufrechterhalten werden können, weiter genutzt werden können, wie es vor der Krise war. Das ist ein qualitativer

(Thomas Krüger, SPD: Ja, Zusammenhang.)

und fundamentaler Unterschied zu der Situation, die ich selber auch hier in diesem Land bei P+S erlebt habe.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, und deswegen ist es so wichtig und deswegen ist es auch so gut, dass sowohl der Antrag der Fraktion DIE LINKE als auch der Antrag der Koalitionsfraktionen in diesem Punkt Einigkeit deutlich macht. Deswegen ist es so wichtig, dass wir aus diesem Haus heraus alle Bemühungen der Landesregierung unterstützen, die in diese Richtung gehen. Und natürlich sind wir nicht das größte Rad, das in dieser ganzen Aktion beteiligt ist, aber wir sind diejenigen vor Ort und wir sind diejenigen, die aus diesem Land das Signal geben wollen, wir haben überhaupt ein Interesse daran, dass diese Arbeitsplätze erhalten werden.

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, jetzt sage ich es mal in aller Deutlichkeit: Wenn das das Signal aus diesem Haus sein sollte, so, wie es die AfD gerade eben hier formuliert hat, dass wir es sind, die hier die Schotten dichtmachen, dass wir es sind, die nicht mehr an die Werftstandorte und die Industriearbeitsplätze an diesen Standorten glauben, wenn wir es sind, die letztendlich auch nicht daran glauben, dass Kreuzfahrttourismus sowohl auf der industriellen Seite als auf der touristischen Seite eine Perspektive in diesem Land hat, wenn das das Signal ist, das von hier aus unter anderem nach Berlin gegeben wird, dann dürfen wir uns doch nicht wundern, wenn hinterher zum Beispiel dem Bundeswirtschaftsministerium gesagt würde, die haben doch selber kein Interesse daran, dass die Arbeitsplätze erhalten werden, warum sollen wir als Bund uns da irgendwie engagieren. Da geht es mir gar nicht darum, welche Form des Engagements tatsächlich dann gewählt wird, ob es eine stille Beteiligung ist, ob es Kredite sind, ob es partiarische Darlehen sind, da gibt es eine ganze Breite, die da auf den Tisch gelegt werden kann, sondern dann geht es einfach nur noch um die Frage, dass in Berlin gesagt wird, bei den Banken gesagt wird, vielleicht sogar bei Genting gesagt wird, die glauben ja selber nicht mehr daran. Und das ist etwas, was hier aus diesem Haus als

Signal nicht rausgehen darf, übrigens auch nicht an die Beschäftigten dort an den drei Standorten, meine Damen und Herren!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister Glawe hat das eben gesagt, man dürfe Unternehmen in Krisensituationen nicht an die Wand reden. Und dass Genting und die MV WERFTEN aufgrund der CoronaPandemie in einer Krisensituation sind, darüber müssen wir nicht diskutieren. Aber genau das ist die Frage, die uns ja auch umgetrieben hat, warum wir zurückhaltend waren mit der Frage, ob wir eine Debatte führen: Führt es am Ende nicht dazu, dass wir dieses Unternehmen und die Arbeitsplätze an die Wand reden?

Und jetzt sage ich es noch mal ganz deutlich, und das ist nicht so sehr an die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE gerichtet, sondern an die Abgeordneten der AfD: Sie erfüllen die schlimmsten Befürchtungen, die ich vor dieser Debatte gehabt habe, weil Sie sagen hier quasi, wir glauben nicht mehr an dieses Unternehmen, an diese Arbeitsplätze, an diesen Industriezweig in Mecklenburg-Vorpommern, wir wollen irgendwas anderes.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und das schreiben Sie dann ja auch ganz deutlich, dass Sie da reinschreiben, wir wollen „ein erstes Konzept für optionale Entwicklungspotenziale“. Ja, was heißt das denn? Wollen Sie an den Industriestandorten Ackerbau betreiben,

(Heiterkeit bei Philipp da Cunha, SPD – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

oder was sind Ihrer Meinung nach die „optionalen Entwicklungspotenziale“? Nicht ein einziges Wort haben Sie in der ganzen Debatte darüber verloren, was denn Ihre Vorstellungen eigentlich sind, was dann dort gemacht werden soll, wenn dort die Tore geschlossen werden und die Industriearbeitsplätze, die dort vorhanden sind, nicht mehr existieren. Das mindestens hätten Sie machen müssen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, einen Satz auch zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. Ich habe jetzt Sie, und deswegen bin ich da auch etwas zurückhaltend, ich habe jetzt Sie, Frau Kollegin Oldenburg, in Ihrer Einbringungsrede zu dem Antrag anders verstanden, als ich den Antrag zunächst gelesen habe. Und das ist gut so. Weil auch bei Ihnen steht dann ja drin, dass Sie ein vergleichbares Konzept wollen. Ich will das jetzt mal zitieren: „Anlehnend an die Erfahrungen und Programme beim Ausstieg aus der Braunkohle in ostdeutschen Bundesländern sind dazu mit dem Bund umfassende Programme zur Bewältigung der ökonomischen, ökologischen und sozialpolitischen Folgen des Strukturwandels zu entwickeln.“

Und, Frau Kollegin Oldenburg, wenn ich das jetzt erst mal nur so gelesen hätte, dann hätten sich meine Magenwände natürlich auch erst mal an dieser Stelle wieder

verkrampft. Und deswegen bin ich ja auch ganz froh, dass Sie das auch noch mal deutlich gemacht haben in Ihrem Redebeitrag, worum es geht.

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, keiner in diesem Raum sollte so blauäugig sein, dass wir wissen oder dass wir glauben sollten, wenn aus dieser Krise die Werftstandorte herausgehen, und ich glaube, dass sie daraus herausgehen, dass dann die gleiche Zahl von Arbeitsplätzen dort automatisch wieder vorhanden sein wird wie vor der Krise.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.)

Es wird einen Bruch auch in der Entwicklung geben, und es wird auch relativ lange dauern, bis das, was vor der Krise geplant war, überhaupt nur wieder umgesetzt werden kann, wenn wir dann da hinkommen. Und deswegen kann man darüber, nein, man muss da auch drüber diskutieren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion DIE LINKE, dass man sich natürlich mit den Gewerkschaften, mit den Betriebsräten, mit dem Unternehmen, mit allen Interessierten und natürlich auch mit dem Bund darüber verständigt, wie gehen wir denn dann tatsächlich auch mit den Beschäftigten um, die dann vielleicht nicht automatisch dort weiterbeschäftigt werden können. Ich glaube, es ist auch den Betriebsräten klar dort vor Ort, dass nicht jeder Arbeitsplatz automatisch erhalten bleibt.

Das ist alles eine Sache. Und da haben Sie uns und dann hoffentlich wir auch Sie gemeinsam an einer Seite. Aber das sollte man dann bitte auch so deutlich formulieren, was Sie dann ja auch getan haben in Ihrer Antragseinbringung, und es nicht in einen Topf werfen mit dem Strukturwandel aus deutschem Braunkohlebergbau, weil da haben wir ein ganz anderes Szenario. Da haben wir ein klares Ausstiegsszenario aus dem Braunkohlebergbau. Das unterstützen wir alle aus umwelt- und energiepolitischen Überlegungen. Aber es ist natürlich für die Beschäftigten vor Ort ein massiver Bruch gewesen, der klar gesagt hat, diese Arbeitsplätze in dieser Branche generell gibt es nicht mehr.

Und deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werden wir auch bei allen Gemeinsamkeiten, die es gibt, Ihren Antrag nicht mittragen. Aber vielleicht können Sie sich, ich habe es ja vorhin schon angesprochen, dazu durchringen, beim gemeinsamen Interesse dann auch unseren Antrag mit zu unterstützen. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Schulte! Zu Ihrem Redebeitrag gibt es einen Antrag auf Kurzintervention seitens der Fraktion der AfD.

Bitte schön, Herr Professor Dr. Weber!

(Thomas Krüger, SPD: Ich fürchte, das wird nicht besser werden jetzt.)

Liebe Landsleute! Wertes Präsidium!

Herr Schulte, Sie hatten vorhin ausgeführt, wir alle hätten im Juni gewusst, über was und zu was wir abstimmen.

Von den 3,4 Milliarden Dollar Schulden hatten wir im Juni nichts gewusst. Das ist danach erst aufgekommen. Das zum einen.

Zum Zweiten. Ich persönlich hatte mich bei der Abstimmung im Juni, ich hatte an der Abstimmung nicht teilgenommen und dazu auch eine Erklärung abgegeben, weil ich eine Arbeitsplatzgarantie seitens der Genting-Werften vermisst habe für alle drei Standorte. Die ist bis heute nicht da. Damit könnte man gegebenenfalls, ja, gewisse Ängste doch beheben.

(Thomas Krüger, SPD: Das hat doch Ihre Fraktion gerade gesagt, dass Sie die Werften gar nicht mehr wollen!)

Und zum Dritten. Ich kenne Sie jetzt einige Zeit und gehe davon aus, dass Sie intellektuell sehr wohl wahrgenommen haben, was unser Fraktionsvorsitzender gesagt hat mit den Schreibmaschinen. Er hat nicht gesagt, dass an den Werften statt Schiffen Schreibmaschinen produziert werden sollen, er hat die Situation der Werften mit jemandem verglichen, der im Hochtechnologiezeitalter Schreibmaschinen produziert und dann selbst erwerben möchte. Das war der Inhalt dieser Rede.

(Minister Harry Glawe: Das ist ja noch schlimmer!)

Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass Sie das verstanden haben.

(Minister Harry Glawe: Das ist unglaublich! Unerhört!)