Protocol of the Session on August 26, 2020

So hat sich die Medienlandschaft verändert und erweitert. Medien sind ins Internet gewandert. Es gibt dort viel mehr Anbieter und viel mehr Zugänge auch zu Nachrichten. Allerdings wird diese schöne neue Medienwelt auch von Weltkonzernen wie Google und Facebook mehr mit ihren eigenen Interessen geprägt als von den jugendlichen Medienmachern selber. Und deshalb muss eine moderne Medienaufsicht auch ins Internet. Angebote im Internet müssen genauso kontrolliert werden wie klassische Radio- oder Fernsehsender. Und das ist bis jetzt nicht der Fall. Man kann veröffentlichen, was man will, auch Fehlinformationen, Fake News und rechtsextremistische Verschwörungstheorien. Dabei können wir es nicht einfach...

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

Ich finde es sehr erstaunlich, dass sich die Abgeordneten der AfD hier gleich angesprochen fühlen.

(Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Da bin ich nicht erstaunt.)

Das spricht für Sie selbst oder gegen Sie selbst.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, dabei können wir es eben nicht einfach Google oder Facebook

überlassen zu entscheiden, welche Beiträge angezeigt werden und welche nicht. Was sehen wir, wenn wir einen Suchbegriff eingeben? Den, der am meisten zahlt, den, der besonders beliebt ist, oder den, der seriös ist? Zumindest müssen wir als Nutzer wissen, nach welchen Kriterien diese Entscheidungen getroffen werden.

Mit dem Gesetz zum Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland bringen wir die Medienaufsicht ins Internet und damit ins 21. Jahrhundert. Angebote im Internet unterliegen in Zukunft einer medienrechtlichen Regulierung, so wie bisher nur der klassische Rundfunk. Diesen Schritt hat die Rundfunkkommission der Länder in Gesprächen mit den Beteiligten und Betroffenen intensiv und sorgfältig vorbereitet. Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder haben den neuen Medienstaatsvertrag im Dezember 2019 beschlossen und im April 2020 unterzeichnet. Nach Billigung durch die Europäische Kommission legen wir ihn nun dem Landtag vor, damit er im Herbst in Kraft treten kann.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich möchte vier Neuregelungen herausgreifen:

Erstens. Alle journalistisch-redaktionell gestalteten Internetangebote, die geschäftsmäßig Nachrichten veröffentlichen, müssen sich an die journalistische Sorgfaltspflicht halten. Sichergestellt werden soll das zunächst auf freiwilliger Basis durch eine freiwillige Selbstkontrolle, wie es sie beim Deutschen Presserat für Print- und Onlinemedien schon gibt. Bei Verstößen kann es Rügen geben, Bußgelder, in letzter Konsequenz und in abzuwägenden Ausnahmefällen sogar Sperrungen.

Zweitens. Suchmaschinen oder soziale Netzwerke machen Nutzern Nachrichten aus verschiedenen Quellen zugänglich. Diese Vermittler müssen in Zukunft verständlich darstellen, nach welchen Kriterien sie die Nachrichten auswählen und in welcher Reihenfolge sie sie präsentieren. Wir wollen Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit im Netz. Wir wollen verhindern, dass große Konzerne ihre Macht ausnutzen, um auf einzelne Beiträge Einfluss zu nehmen oder kleinere Anbieter zu verdrängen. Wir nehmen dabei auch die großen Konzerne wie Google und Facebook in die Verantwortung.

Drittens. Öffentlich-rechtliche Angebote müssen sichtbar bleiben. Wenn Sie einen neuen internetfähigen Fernseher, einen sogenannten Smart-TV kaufen, sehen Sie beim Einschalten in der Regel eine Benutzeroberfläche, auf der Sie die Sender auswählen können. Die Anbieter solcher Plattformen müssen gewährleisten, dass die öffentlich-rechtlichen Qualitätsangebote, aber auch regionale Rundfunkangebote leicht zu finden sind. Die Landesmedienanstalten werden das kontrollieren.

Und viertens. Wir setzen mit dem Medienstaatsvertrag eine Richtlinie der Europäischen Union zu audiovisuellen Mediendiensten um. Zu den Anforderungen dieser Richtlinie gehört, dass der Jugendschutz gestärkt und an die bereits für Rundfunkanbieter geltenden Regeln angepasst wird. Jugendliche werden zum Beispiel besser vor Pornografie, Gewaltdarstellungen und Schleichwerbung geschützt. Und die Medienanbieter werden verpflichtet, mehr barrierefreie Angebote zu schaffen, also Zugang für alle, aber mehr Schutz vor schädlichen Inhalten. An dieser Stelle wird es weitere Regulierungsschritte geben, sowohl im Jugendschutzgesetz des Bundes als auch im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, abschließend kann man sagen, wir legen damit eine zeitgemäße Regulierung vor. Für die angehenden YouTuber wird der Start leichter. Bisher mussten die nämlich eine Rundfunklizenz beantragen, wenn sie ihre Nachrichten und Meinungen wie im klassischen Fernsehen unter die Leute bringen wollten. Das fällt jetzt weg, es sei denn, sie haben bereits über 20.000 Nutzerinnen und Nutzer und damit den Erfolg in der neuen Medienwelt schon mehr oder weniger geschafft.

An einigen Stellen enthält der neue Medienstaatsvertrag also weniger Regulierung, an anderen Stellen werden wir mehr regulieren, gerade gegenüber den großen Konzernen und ihrer Marktmacht. Aber vor allem geht es um zeitgemäße Regulierung, Meinungsvielfalt und Zugang zu seriösen Nachrichten im Netz, Schutz vor Fake News und vor dem Missbrauch der Marktmacht großer Konzerne. Mit dem Medienstaatsvertrag bringen wir die Medienaufsicht ins Internet, dahin, wo sie heute am wichtigsten ist. Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Vorschlag.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich möchte auch die Aussprache nutzen und den vorliegenden Gesetzentwurf, deutlich zu machen, dass wir natürlich bewährte Regulierungsmaßnahmen im Bereich der Medien ausweiten müssen für die sogenannten neuen Medien, die ja nun längst nicht mehr neu sind, dass es aber nicht allein nur um Regulierung und Kontrolle gehen kann, sondern es geht vor allem darum, die Medienkompetenz zu erhöhen, gerade der jungen Menschen, und damit meine ich nicht die Nutzung von Medien – ich glaube, da sind uns die Kids weit voraus –, sondern eben auch das Erkennen von Fake News und falschen Nachrichten. Und das wird, wie wir alle wissen, immer schwerer, denn politische Kräfte bedienen sich auch dieser neuen Medien, um ihre Fake News, ihre Verschwörungstheorien unter die Leute zu bringen.

Deshalb halte ich es für sehr erforderlich, dass wir insbesondere die Medienkompetenz stärken und auch jungen Menschen zeigen, welche neuen Möglichkeiten es gibt, sich gut zu informieren. Das ist längst Thema zum Beispiel im Sozialkundeunterricht, aber ganz aktuell haben wir deshalb auch als Land unterstützt die Idee, dass zum Beispiel die regionalen Medien aus Mecklenburg-Vorpommern, zum Beispiel die drei regionalen Zeitungen OZ, „Nordkurier“ und SVZ, jetzt in den Schulen über digitale Angebote informieren und damit diese Medienkompetenz stärken.

Ich möchte mich ausdrücklich beim Fraktionsvorsitzenden Thomas Krüger bedanken, der diesen Vorschlag unterbreitet hat,

(Peter Ritter, DIE LINKE: He, Thomas!)

und möchte mich bei allen bedanken, die dann in der interministeriellen Arbeitsgruppe zum Schutzfonds diesen Vorschlag aufgegriffen haben und die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt haben, und bedanke mich bei unserer Bildungsministerin, die dann dieses Projekt praktisch über die Schulen mit den regionalen Medien umsetzt. Ich glaube, dass es wichtig ist, solche gesetzlichen Grundlagen zu schaffen und zu erweitern, insbesondere auch mit Blick auf den Jugendschutz. Aber wir können unsere Kinder nicht nur mit Gesetzen und Kontrollen schützen, sondern wir können sie am besten

schützen, die Kinder und Jugendlichen, wenn sie selber wissen, wie und wo sie sich seriös informieren können. Dazu trägt der Sozialkundeunterricht in den Schulen bei, dazu trägt auch dieses neue Medienprojekt in den Schulen bei, und ich darf mich ganz herzlich bei allen Beteiligten, natürlich auch bei den regionalen Zeitungen bedanken, dass sie dieses Projekt mit uns starten, und hoffe, dass es viel Erfolg hat. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin!

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr de Jesus Fernandes.

Sehr geehrtes Präsidium! Werte Abgeordnete! Liebe Bürger in Mecklenburg und Vorpommern! Mit einem Lächeln hat Frau Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hier und heute

(Thomas Krüger, SPD: Jetzt kommt die Show wieder.)

das freie Internet beerdigt,

(Thomas Krüger, SPD: Oh nee!)

meine Damen und Herren, denn nichts anderes steht hinter diesem neuen Medienstaatsvertrag.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Ich kann Ihnen einfach mal ein paar Überschriften aus der Presse vorlesen: „Eingriffe in die Benutzerhoheit unverhältnismäßig“, „Medienstaatsvertrag: Das Ende des Urheberrechts ist nahe“, „Das Konzept der privilegierten Auffindbarkeit ist verfassungsrechtlich bedenklich“, „Internetfreiheit ade: Harte Kritik am geplanten Medienstaatsvertrag“, „Öffentlich-Rechtliche … bevorzugt“,

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

„Bevormundung der Verbraucher“, „Massiver Eingriff in die Pressefreiheit“, meine Damen und Herren.

(Thomas Krüger, SPD: Wo sind denn die Quellen her?)

Die neue Medienwelt ist eine gute, sie hat unsere Demokratie ungeheuer bereichert, meine Damen und Herren, und genau deswegen sitzen wir von der AfD auch hier, weil es das freie Internet gibt. Noch!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Noch vor wenigen Jahren gab es eine kleine, mit der Politik eng verwobene Kaste aus Journalisten, Redakteuren und Intendanten, die darüber abgestimmt haben, wer Meinung verbreitet, welche Meinung man verbreitet und welche nicht. Das ist Gott sei Dank heute vorbei. Jeder Bürger kann selbstbestimmt und frei entscheiden, was er

lesen, sehen, hören möchte, und noch besser, sie können selbst Redakteur oder Journalist werden. Dies ist den Mächtigen und Machtlüsternen natürlich ein Dorn im Auge. Hier in Deutschland hat die CDU mit der SPD dem freien Internet schon lange Zügel angelegt, meine Damen und Herren. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz wird jeder, der vermeintlich nicht politisch korrekte Meinungen veröffentlicht, als Dissident zensiert, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Durch dieses Gesetz nicht etwa selbst, nein, diese Leistung hat der Staat an Facebook und Co outgesourct. Dies war einer von vielen Schritten, um die Meinungsfreiheit im Netz zu beschneiden. Damit wurde ein Meinungskorridor zwischen CDU, GRÜNEN, LINKEN und SPD geschaffen, und alles, was da nicht reinpasst, meine Damen und Herren, wird zensiert und gelöscht.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Damit nicht genug! Mit dem heute hier vorliegenden Medienstaatsvertrag wird das Internet endgültig zum Volksempfänger, wo Sie dann entscheiden, meine Damen und Herren, wer was sehen darf und was eben nicht. Die privilegierte Auffindbarkeit zwingt soziale Netzwerke und Technikanbieter,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Oh, Mann!)

immer erst die Inhalte des sogenannten Staatsfunks zu zeigen. Private und unabhängige Anbieter sind damit benachteiligt, weil sie viel weiter unten in der Suche vom unbedarften Nutzer viel weniger angeklickt werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Einer freiheitlichen Demokratie unwürdig, so bewerteten dies in den Anhörungen einige Sachverständige. Kleine und neue Anbieter von Streams werden mit der jetzigen notwendigen Lizenzpflicht aus dem Geschäft geekelt. Jeder, der aus seinem Zimmer streamt, ob bei Instagram oder Facebook oder sogar ein Gamer, der sein Spiel bei Switch überträgt, muss sich jetzt von der Rundfunkanstalt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung holen, meine Damen und Herren. Damals war die Rundfunklizenz ein Garant für die Vielfalt, aufgrund der technisch bedingten Einschränkungen und der schmalen Senderfrequenzen, die nun mal bekanntlich begrenzt waren.

Heute ist diese Lizenz das Gegenteil. Jeder kann Programm machen, es gibt eine unendliche Vielfalt. Und dieses, meine Damen und Herren, stört genau diejenigen Politiker, die heute für diesen Medienstaatsvertrag stimmen werden. Ab Inkrafttreten muss jeder, der 20.000 Menschen im Netz erreicht, zur Medienanstalt und eine Lizenz beantragen, ansonsten droht ein Bußgeld. So groß ist die Angst der Zustimmenden vor freier Meinungsäußerung. Klingt wie in der Türkei oder in China, wird aber bald in Deutschland Wirklichkeit,

(Rainer Albrecht, SPD: Das ist doch Unsinn!)

denn Änderungen dieses Vertrags sind höchst unwahrscheinlich, wie wir wissen. Dieses Machwerk erwartet von den Tradierten lediglich das Abnicken in Zweiter Lesung.

Wir von der AfD machen da nicht mit. Wir kämpfen weiter für freie Meinungsäußerung, gegen Zensur, für ein buntes, freies und vielfältiges Internet, meine Damen und Herren,