Protocol of the Session on August 26, 2020

Wiederbeginn: 12.07 Uhr

Ich eröffne hiermit die unterbrochene Sitzung.

Von der Fraktion der SPD ist beantragt worden, die Auszeit um weitere zehn Minuten zu verlängern. Hierüber lasse ich jetzt abstimmen. Wer stimmt dafür, dass wir die Auszeit um zehn Minuten verlängern, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der SPD auf weitere zehn Minuten Auszeit mehrheitlich befürwortet worden.

Von daher unterbreche ich die Sitzung um weitere zehn Minuten bis um 12.17 Uhr. Die Sitzung ist unterbrochen.

Unterbrechung: 12.07 Uhr

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Wiederbeginn: 12.17 Uhr

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben es 12.17 Uhr und ich bitte jetzt erneut, die Plätze einzunehmen, damit wir mit der Landtagssitzung fortfahren können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seitens einiger Fraktionen ist mir signalisiert worden, dass es vor der Aufsetzung der Dringlichkeitsanträge noch Gesprächsbedarf gibt, und von daher ist beantragt worden, die Aufsetzung der Abstimmung zu den Dringlichkeitsanträgen nach Tagesordnungspunkt 12 durchzuführen. Da das wieder eine Änderung unserer Tagesordnung ist, lasse ich darüber erneut abstimmen. Wer also zustimmen möchte, dass wir über die Dringlichkeit der Anträge, die eingereicht worden sind, sprich, der Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/5312, der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/5313 und der Dringlichkeitsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/5315, nach Tagesordnungspunkt 12 beraten, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist die Änderung der Tagesordnung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE, der fraktionslosen Abgeordneten und Ablehnung der Fraktion der AfD und des fraktionslosen Abgeordneten so beschlossen.

Wir fahren fort in der Tagesordnung und ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktion der AfD – Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 7/4996.

Gesetzentwurf der Fraktion der AfD Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Schulgesetz – SchulG M-V) (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 7/4996 –

In der 91. Sitzung des Landtages am 10. Juni 2020 ist die Überweisung dieses Gesetzentwurfes in die Aus

schüsse abgelehnt worden. Gemäß Paragraf 48 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Landtages wird der Gesetzentwurf spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung auf die Tagesordnung gesetzt.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Kröger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Werte Gäste! Leiwe Mäkelborger un Vörpommern! Was so sperrig daherkommt als Schulgesetzänderungsentwurf, meint in diesem Fall, weil wir bearbeiten ja heute noch einen, in diesem Fall den Erhalt der Sonderschulen, also der Förderschulen im Lande.

(Christian Brade, SPD: Sonderschulen gab es in der DDR.)

Ja, deswegen habe ich auch gesagt, der „Förderschulen“ im Lande.

Die Begründung unseres Gesetzentwurfes haben wir im Juni-Plenum eingehend erörtert. Ich fasse noch einmal kurz zusammen:

Erstens. Die Inklusionsstrategie der Landesregierung beruht auf einer Überinterpretation der UN-Behindertenrechtskonvention unter dem Einfluss eines egalitären Zeitgeistes.

Zweitens. Unser Förderschulsystem erfüllte bereits vor dem Beschluss zur Inklusion vollumfänglich die Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention.

Drittens. Förderschulen als solche für Lernen und Sprachen bieten aufgrund von sonderpädagogisch ausgebildetem Personal und der entsprechenden Ausstattung die besten Möglichkeiten für das förderbedürftige Kind und sind deshalb zu erhalten.

Viertens. Falsch verstandene Inklusion erzeugt eine exzessive Heterogenität der Lerngruppen. Das heißt, eine extreme Spreizung des Leistungsvermögens der Kinder in der Klasse ist hier zu verzeichnen, die den Lehrkräften teils unzumutbare Belastungen aufbürdet und weder den zu fördernden noch den anderen Schülern gerecht wird.

Bei der Ersten Lesung zu diesem Gesetzentwurf wurden in der Debatte ein Haufen Fehlinterpretationen gestreut, die heute noch einer Klarstellung bedürfen. Eines der Hauptargumente von CDU und SPD war der Hinweis, dass ja ein flächendeckendes System von Förderschulen weiterhin erhalten bleibt. Das stimmt zwar, ist aber nur die halbe Wahrheit, denn ein Großteil der Förderschulen, nämlich die für Lernen, soll aufgehoben werden und die für Sprache sind bereits 2020 zur Aufhebung vorgesehen.

Sehen wir uns die Zahlen an: Im Schuljahr 2019/2020 gab es an den Förderschulen für den Schwerpunkt Lernen in unserem Bundesland noch 365 Klassen mit 3.800 Schülern. Für den Förderschwerpunkt Sprache

gab es 45 Klassen mit 450 Schülern. Das heißt, dass diese 4.250 Schüler – und die Zahlen sind relativ stabil – künftig anderweitig unterzubringen sind.

Die Tendenz besteht zunächst, möglichst viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen unterzubringen. Für Fälle, bei denen die Inklusion da nicht klappt, bleiben noch nach dieser schmerzvollen Erfahrung künftig die Schulen mit spezifischer Kompetenz, also so eine „Förderschule light“. Gerade angesichts des Lehrermangels und des zu erwartenden weiter hohen Lehrkräftebedarfs ist es nicht sinnvoll, eine große Zahl von Lehrern allein zum Zwecke dieses ideologisch motivierten Experiments abzustellen, die überdies größtenteils gar keine Sonderpädagogen sind. Und an dieser Stelle haben wir über die zusätzlich benötigten Räume noch gar nicht geredet. Man kann also durchaus von einem gewissen Kahlschlag am bewährten System der Förderschulen sprechen.

Außer diesem besänftigenden Hinweis zum Erhalt vieler Förderschulen haben wir zu unserem Gesetzentwurf kaum ernst zu nehmende Argumente gehört, im Wesentlichen lediglich rhetorische Akrobatik, um dem Zeitgeist gerecht zu werden.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

So wurde von Frau Ministerin Martin die Inklusion als gemeinsames Lernen von Kindern mit Hochbegabung bis zur Lernschwäche betrachtet, was zwar eine der Folgen der angestrebten Inklusion ist, aber nicht ihr Wesenszweck. Frau Martins Aussage, ich zitiere: „Wir können Inklusion nicht verordnen von oben, wir müssen Inklusion ermöglichen“, Zitatende, täuscht geschickt darüber hinweg, dass die Inklusion verbindlich ins Schulgesetz aufgenommen wurde und damit Dutzende von Förderschulen auslaufen. Und wenn Frau Ministerin Martin hervorhebt, dass in inklusiven Klassen leistungsfähigere und weniger leistungsfähige Schüler wechselseitig mit Blick auf die jeweils andere Gruppe lehrreiche Erfahrungen machen, so betrifft dies leider noch nicht das Hauptziel der Schule, den Erwerb von Wissen im Rahmen eines Lehrplans und den dazugehörigen Fertigkeiten.

(Beifall Horst Förster, AfD)

Während die Leistungsfähigeren im Lernfortschritt behindert werden, kommen andere nicht mit.

Gänzlich abwegig ist dann der Anwurf, den wir zu hören kriegten, unser Gesetzentwurf würde die Menschenrechte missachten und mit Füßen treten.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja.)

Das würde ja bedeuten, dass wir jahrzehntelang ein menschenverachtendes Schulsystem gehabt hätten und niemand es bemerkt hätte, sondern, im Gegenteil, wir damit sehr gut gefahren sind.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

In dieser Kausalkette müssten Sie auch die Paralympics, deren Beginn eigentlich in dieser Woche gewesen sein sollte, als menschenverachtend klassifizieren.

Die größten sachlichen Fehler leistete sich in der Debatte dann unsere Bildungsexpertin Frau Oldenburg. Sie warf

uns Inkompetenz mit der Begründung vor, dass wir nicht zwischen „Förderbedarf“ und „sonderpädagogischem Förderbedarf“ zu unterscheiden wüssten.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.)

Ich kann das jetzt auch zitieren, aber es ging darum, dass uns Sprache und Lernen lediglich als alleinige sonderpädagogische Förderbedarfe reininterpretiert wurden und alle anderen keine sonderpädagogischen Förderbedarfe sind.

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Hier liegt aber eindeutig der Gesetzestext in den Paragrafen 34 und 36 des Schulgesetzes vor. Hier werden nicht nur Lernen und Sprache, sondern schlichtweg auch alle anderen Förderbedarfe als sonderpädagogische Förderbedarfe eingestuft.

Weiterhin wurde uns von Frau Oldenburg auch noch vorgeworfen in diesem Zusammenhang, wir würden uns nicht mit dem Rechtsgutachten auseinandersetzen, zum Beispiel mit dem des Greifswalder Professors Classen. Aber gerade in diesem Gutachten steht auch der Satz, Frau Oldenburg, ich zitiere Professor Classen: „Die derzeitige Fassung des Schulgesetzes von MecklenburgVorpommern entspricht in seinen §§ 34 und 35 bereits dem geforderten Leitbild der Inklusion“, Zitatende. Wohlgemerkt, dieses Gutachten stammt von 2013, als das Schulgesetz noch in seiner alten Fassung galt. Und, meine Damen und Herren, genau diese alte Fassung der Paragrafen 34 und 35 stellen wir mit unserem Antrag hier wieder her.

Jüngere einschlägige Rechtsgutachten, wie die fast 700 Seiten starke Monografie des ausgewiesenen Schulexperten Hansgünter Lang mit dem Namen „Das Bildungsangebot für Behinderte. Verfassungsrechtliche Anforderungen an das System der sonderpädagogischen Förderung. … Berlin 2017“, wurden gar nicht zur Kenntnis genommen, als man die Inklusionsstrategie vorangetrieben hat. Hansgünter Lang kommt zu dem Schluss, ich zitiere: „Aus der UN-Behindertenrechtskonvention kann bei normativ inhaltlicher Betrachtungsweise kein voraussetzungsloses subjektiv-öffentliches Recht eines behinderten Kindes auf integrative inklusive Unterrichtung abgeleitet werden.“ Zitatende. Und an anderer Stelle schreibt er, ich zitiere: „Auf der Grundlage der empirisch gewonnenen Erkenntnisse kann von einer angeblichen generellen Überlegenheit des integrativen inklusiven Unterrichts gegenüber der Förderschule nicht gesprochen werden.“ Zitatende.

Meine Damen und Herren, haben Sie Mut, den bewährten Status quo wiederherzustellen, und stimmen Sie für unseren Antrag! – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Frau Martin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Auf der vergangenen Sitzung und heute zur Abstimmung