(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Horst Förster, AfD: Das ist ja auch eine andere Richtung.)
Was bei Corona-Skeptikern laut Innenminister Caffier ohne Toleranz durchgesetzt werden soll, trifft bei linken Demonstrationen auf milde Deeskalationsrhetorik und das Eingeständnis, dass Regeln nicht zwingend eingehalten werden müssen.
Das zeigt zumindest der sehr unterschiedliche Verlauf von Demonstrationen in Rostock in der jüngeren Vergangenheit. Diese Doppelmoral darf nicht sein und ist mehr als heuchlerisch.
Meine Damen und Herren der Fraktion DIE LINKE, das Hauptanliegen Ihres Antrags ist es, den Disput über die Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht wirren Ideologen und hanebüchenen Theoretikern zu überlassen. Die legitime Auseinandersetzung mit abstrusen Gedankenwelten und eher weltfremden politischen Forderungen findet aber eben gerade nicht durch einen Antrag im Landtag statt. Ihre Fraktion sollte besser das Gespräch mit allen kritischen Bürgern auf der Straße suchen,
Ich fordere uns heute alle auf, sich nicht im Landtag vor echten Streitgesprächen zu verstecken. Ja, das kann sehr anstrengend sein, und ja, dabei kann man mit völlig deplatzierten Gedanken und Vorstellungen konfrontiert werden, aber nur wenn dieser Streit offensiv und ergebnisoffen geführt wird, kann sich unser Grundgesetz auch in Zukunft weiter bewähren. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat vor einer dritten Polarisierungswelle gewarnt, deren gesellschaftliche Auswirkungen heute noch gar nicht absehbar sind. Für eine gewinnbringende Debatte schreibt er uns ins Stammbuch, ich zitiere letztmalig: „Der Abschied von absoluten Wahrheitsvorstellungen, die Vermeidung pauschaler Attacken, die Freude an der Nuance, das Ringen um das richtige, je besondere Mischungsverhältnis von Empathie und Konfrontation – darum geht es.“ Zitatende.
Meine Damen und Herren, zukünftig entscheidend ist nicht, wie oft in diesem Landtag Verschwörungstheoretiker als Gefahr überhöht werden, entscheidend wird sein, wie wir durch diese Krise kommen, ohne die Schwachen in der Gesellschaft, sei es gesundheitlich oder ökonomisch, zu gefährden. Wir lehnen diesen oberflächlichen Antrag der LINKEN daher selbstverständlich ab.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der 23. Mai, der vor wenigen Wochen war, ist aus vielerlei Hinsicht ein wunderschöner Tag: in erster Linie natürlich, weil meine älteste Tochter an dem Tag geboren wurde, aber auch unsere geschätzte erste Vizepräsidentin, unsere Ministerpräsidentin und auch das Grundgesetz an dem Tag ja Geburtstag haben, und von daher macht es ja auch Sinn, wenige Wochen nach diesem Ereignis über das Grundgesetz zu reden.
Und klar ist auch, wir erleben aktuell in diesem Teil unserer Bundesrepublik, in Mecklenburg-Vorpommern die größten
Freiheitsbeschränkungen seit der friedlichen Revolution vor 30 Jahren, und da wäre es doch verwunderlich, wenn es dazu keine Diskussionen geben würde. Ich würde mir ernsthaft Sorgen machen um unser Land, um unsere Demokratie, wenn wir darüber keine Diskussionen und keine Debatten führen würden. Und durch diese erste Pandemie hier bei uns im Land ergibt sich natürlich auch verfassungsrechtlich eine Ausnahmelage. Dennoch – und das ist auch bekannt – gelten auch in normalen Zeiten die Grundrechte nicht vollkommen unbeschränkt, das hat der Verfassungsgeber hier bereits auch deutlich gemacht an der Stelle.
Ich möchte jetzt nicht in Anbetracht der Tatsache, dass wir etwas fortgeschritten sind, hier noch mal eine Grundsatzdebatte über die Schrankenvorbehalte für Grundrechte, die die Juristen sicher noch viel besser erklären können als ich, der aber auch mal öffentliches Recht studiert hat und da auch einiges zu gehört hat, hier erklären, ich will lieber auf die politische und inhaltliche Dimension eingehen. Und es ist ja im Infektionsschutzgesetz – wir haben es in den letzten Wochen ja häufiger diskutiert – auch ganz klar geregelt, unter welchen Voraussetzungen hier in Grundrechte eingegriffen werden kann. Dazu zählen die Grundrechte der Freiheit der Person, die Freizügigkeit, die Versammlungsfreiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Brief- und Postgeheimnis, aber – und das ist mir auch ganz wichtig zu betonen an der Stelle – es gilt immer der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, und der Schutz, der Gesundheitsschutz ist per se kein oberstes Grundrecht, welches immer alle anderen Grundrechte aussticht an der Stelle.
Und dies zeigt auch, dass die mit dem Grundgesetz ebenfalls geregelte Gewaltenteilung auch in diesen Zeiten der Corona-Pandemie weiterhin gilt. Und obwohl in den letzten Wochen häufig zu hören war, jetzt schlägt die Stunde der Exekutive, was sicherlich auch in vielen Teilen so war und ist, gab es immer wieder auch Initiativen aus dem Parlament. Wir haben im Parlament ja viele Dinge in den letzten beiden Sitzungsblöcken diskutiert, wir haben Haushalt, den Nachtragshaushalt hier besprochen. Eine Kontrolle des Regierungshandelns hat also auch hier im Landtag stets stattgefunden. Und auch durch die Gerichte: Wir haben es ja erlebt, Stichwort „Oster-Verordnung“, da haben sich auch die Gerichte unseres Landes mit den Dingen beschäftigt und, wenn es notwendig war, auch eingegriffen. Sie sehen also, der Rechtsstaat, unsere Verfassung, unser Grundgesetz – das funktioniert auch im Krisenmodus. Ich glaube, dahin gehend sind wir uns einig.
Und ich war auch schockiert über manche Bilder der letzten Wochen von den sogenannten Anti-Corona-Demos, die man da bundesweit verfolgen durfte. Es ist ein Stück weit auch Ergebnis einer Entwicklung der letzten Jahre. Wir sehen es bei vielen, vielen Debatten: Maß und Mitte sind in vielen Bereichen komplett verloren gegangen. Wir haben es bei der Flüchtlingskrise gesehen, bei anderen Themen. Es gibt nur noch schwarz oder weiß, ich bin für Flüchtlinge oder dagegen. Es findet eine zunehmende Polarisierung in unserer Gesellschaft statt, natürlich getrieben von bestimmten politischen Kräften.
Und das erleben wir natürlich dahin gehend jetzt auch, sodass man das Gefühl hat, bei einigen zumindest steht nur die Frage zwischen einem kompletten Lockdown und einer kompletten Öffnung. Ich glaube – und deswegen finde ich die Debatte heute wichtig, ich hätte es auch
besser gefunden, da bin ich beim Kollegen Barlen, es wäre eigentlich ein schönes Thema auch gewesen für die eine Aktuelle Stunde, das wäre, glaube ich, das wäre etwas substanzieller gewesen an der Stelle –, es ist aber auch eine Chance, mal darüber zu reden, was unser Land ausmacht, und ich glaube, wir brauchen einfach mehr Maß und mehr Mitte an dieser Stelle.
Denn es ist doch mal ein Fakt, dass es immer noch Menschen gibt, die sich große Sorgen machen, die gesundheitlich beeinträchtigt sind, die aus den Gründen, die bekannt sind, sagen, das ist alles so richtig und mir kommen diese Lockerung viel zu schnell, die gibt es, und es gibt natürlich auch viele Menschen, die sagen, das ist mir alles viel zu viel, es war richtig, jetzt reicht es aber auch. In diesem Spannungsfeld bewegt sich ja Politik und in diesem Spannungsfeld muss Politik ja auch Entscheidungen an der Stelle treffen.
Und deswegen bin ich weit davon entfernt, jeden Kritiker der Corona-Maßnahmen hier als Verschwörungstheoretiker oder was auch immer abzutun. Das möchte ich mal ganz klar und deutlich an der Stelle unterstreichen. Aber all diejenigen, die natürlich sich dort auf den Weg machen, müssen dann auch immer schauen, mit wem sie sich da auf den Weg machen. Das, glaube ich auch, das gilt für jede Demonstration und es gilt natürlich auch für diese Corona-Demonstrationen, die wir hier haben. Und natürlich stellen wir fest, dass die Demonstrationen dort teilweise ja gekapert werden von Extremisten – das steht außer Frage –, von Verschwörungstheoretikern, von Esoterikern, von wem auch immer, auch, Kollegin Bernhardt, von Ihrem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Herrn Hunko, der dort ja auch an den Demos teilgenommen hat. Ich weiß, dass es ja bei Ihnen intern auch zu Diskussionen geführt hat, aber das zeigt ja einfach auch mal das Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen. Und auch Frau Wagenknecht, Ihre linke Ikone, hat ja auch gesagt, die Menschen gehen auf die Straße, weil die Politik der Regierung so ungerecht ist. Also die versucht ja auch, diese Demonstrationen dann politisch zu instrumentalisieren und auszunutzen an der Stelle.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen finde ich es gut, dass auch Demonstranten – und so war es letzten Freitag hier in Schwerin, bei dem Bürgerdialog, zu dem Kolleginnen und Kollegen aus der Stadtvertretung geladen haben –, auch einzelne Menschen dort gesagt haben, wir wollen uns hier auch nicht, und da ging es konkret um die AfD, vereinnahmen lassen,
hier unseren Protest politisch, und haben sich da ganz klar auch davon distanziert, weil, meine Herren von der AfD, das gehört ja auch zur Wahrheit dazu, dass Sie ein etwas ambivalentes Verhältnis zum Grundgesetz haben. Das machen Sie immer wieder ja deutlich. Herr Kollege Förster betont ja in jeder Rede – gestern ja erst wieder, extra noch mal –, dass es keine Verfassung ist. Das muss man, finde ich, jetzt nicht in jeder Debatte noch mal herausheben, weil es ja irgendwie suggeriert, als wenn das hier irgendetwas Dahergeschriebenes ist an der Stelle. Deswegen finde ich es auch ein bisschen befremdlich, wenn ich da AfD-Politiker sehe, die mit dem Grundgesetz auf Demonstrationen gehen,
denn, meine Herren von der AfD, wenn ich mir einige Bereiche aus dem Grundgesetz anschaue und Ihr Verhältnis dazu, dann stellen sich da schon sehr, sehr viele Fragen.
Stichwort „Religionsfreiheit“: Ihr langjähriger Landesvorsitzender Augustin, habe ich in Erinnerung, wollte den Islam mal komplett verbieten. Also da müssen Sie sich schon mal die Frage stellen lassen: Wie stehen Sie dann zu dem Grundrecht auf Religionsfreiheit oder zum Thema „Recht auf Asyl“? Da sagen Sie ja ganz offen, dass Sie das abschaffen wollen, dass wir das hier in Deutschland nicht brauchen. Also ich finde, wenn wir über das Grundgesetz, über Grundrechte reden, da kann man sich hier nicht nur die Rosinen herauspicken, mit dem Grundgesetz herumlaufen, dann muss man das Grundgesetz in seiner Gesamtheit stets und ständig, Tag und Nacht verteidigen, meine Herren von der AfD.
Deswegen spielen Sie sich hier nicht als Hüter der Grundrechte auf, wie Sie es gerne auch außerhalb des Parlamentes tun, meine Herren von der AfD! Herr Professor Weber hat ja eben gerade, indem er ja Herrn Kollegen Reißenweber dort als Lügenpresse wieder beschimpft hat, vor wenigen Minuten hier auch sehr deutlich gemacht, was er von Pressefreiheit hält. Mir gefallen auch nicht alle Artikel, mir gefallen auch nicht alle Kommentare von einem Kollegen,
ich würde mich nicht hier hinstellen und dann die Presse als Lügenpresse an der Stelle bezeichnen, weil Pressefreiheit auch ein Grundrecht ist, das ein hohes Gut ist.
Und deswegen lade ich Sie herzlich ein, bekennen Sie sich hier ganz deutlich zum Grundgesetz insgesamt, und dann lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass wir das Grundgesetz hier gemeinsam verteidigen! Ich glaube, den Antrag hätte es dazu nicht gebraucht, um zu dieser Feststellung zu kommen. – Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Abgeordneter, zu Ihrem Redebeitrag gibt es einen Antrag auf Kurzintervention seitens der Fraktion der AfD.
Herr Ehlers, Sie hatten sinngemäß sich dahin gehend geäußert, dass ich irgendwie ein etwas schwächeres Verhältnis zum Grundgesetz hätte, weil ich die Vorläufigkeit öfter schon hier erwähnt habe. Das tue ich nochmals ganz bewusst, und zwar deshalb, weil es ein wichtiger Artikel ist. Dieser Vorläufigkeitsartikel 146 Grundgesetz ist nach der Wiedervereinigung mit verändertem, etwas
verändertem Inhalt bewusst aufrechterhalten geblieben. Und gerade weil ich es bedauere, dass dieses Grundgesetz nicht Verfassung ist, denn dann würden die ganzen Reichsbürger und so weiter vielleicht weniger Argumentationen haben, ich halte es für den ganz großen politischen Fehler, dass man das Grundgesetz nicht im Zuge der Wiedervereinigung dem Volk vorgelegt hat. Dann hätten wir die Problematik nicht, dann würde auch „Verfassung“ drüberstehen.
Und ich betone es jedes Mal, dass es trotzdem Verfassungsrang hat, das ist ja auch so, aber das Problem ist, dass die Politik trotz dieses Artikels offensichtlich nicht die Aufgabe wahrnimmt und damit das Grundgesetz missachtet, dass dieses Problem nicht gelöst wird.
Asylrecht: Richtig, ich habe schon mehrfach gesagt, man sollte es abschaffen. Das war eine Forderung der CDU, und wenn Sie sich näher damit befassen, dann wissen Sie, dass der 16a im Grunde sehr lang ist und Regelungen hat, die letztlich dazu führen, dass das Asylrecht faktisch ausgehebelt ist durch die Drittstaatenregelung. Jeder, der herkommt, kommt aus dem sicheren Umfeld. Im Grunde ist das Asylrecht, wenn man 16a anwenden würde, faktisch ausgehebelt. Ich weiß genau, 1993 war das eine Riesendiskussion, ein Riesenproblem,
den Artikel entweder abzuschaffen oder zu schreiben, das Nähere regelt ein Gesetz. Also wer gegen das Asylrecht grundsätzlich ist, weil es dysfunktional ist und der heutigen Situation nicht entspricht,