Diese Fragen sind aus mehreren Gründen berechtigt und wichtig. Die Universitätsmedizin als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist Teil der mittelbaren Landesverwaltung. Die Landesregierung sitzt mit drei Vertretern im Aufsichtsrat. Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist Gewährsträgerin für die UMG, für alle Verluste hat es geradezustehen. Zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit hat das Land einen Kredit eingeräumt, dessen Volumen durchschnittlich mit 20 bis 30 Millionen Euro in Anspruch genommen wird. Und diese Fragen sind wichtig, weil es ohne Analyse des Handlungsversagens nicht zu den notwendigen Schlussfolgerungen für die zukünftige Entwicklung dieser bedeutenden Gesundheitseinrichtung kommen kann.
Sehr geehrte Damen und Herren, aus Sicht der Linksfraktion ist der Landesregierung massives Aufsichtsversagen vorzuwerfen. Sie hat trotz frühzeitiger Signale, Hinweise und Kritiken schwerwiegende Versäumnisse zu verantworten. Der vollständige Verzehr des Eigenkapitals und die bisher bekannten Verluste in Höhe von 27,8 Millionen Euro gehen in politischer Hinsicht maßgeblich auf das Konto der Landesregierung.
Uns ist bewusst, dass die politischen Rahmenbedingungen für die Unikliniken bundesweit schlecht sind und dass die von uns LINKEN kritisierten Abrechnungen medizinischer Leistungen nach einem Fallpauschalensystem erfolgen, die den Besonderheiten der Unikliniken nicht entsprechen. Dennoch machen wir der Landesregierung in dreierlei Hinsicht schwere Vorwürfe:
Und drittens. Die Landesregierung hat den Landtag nicht rechtzeitig und zuweilen gar falsch informiert.
Zunächst etwas zum konzeptionell-strategischen Versagen. Die Landesregierung versäumt es seit Jahr und Tag,
ein ganzheitliches Konzept für die Versorgungsregion Vorpommern-Greifswald aufzustellen – dies, obwohl durch die Forschungen des Instituts für Community Medicine wohl für keine Region derart detaillierte Gesundheitsdaten vorliegen wie eben für Vorpommern-Greifswald. Die extreme wirtschaftliche Schieflage der UMG, der zwischen Karlsburg und Greifswald schwelende Konflikt um die Zuordnung der Herzchirurgie und das Drama um die Schließung von Abteilungen am Krankenhaus Wolgast sind allesamt Symptome ein und desselben Problems.
Auf die Liste der Fehlleistungen gehört eine chaotische Personalpolitik. Frau le Claire, kaufmännischer Vorstand an der Universitätsmedizin, erklärte am 23. Februar dieses Jahres vor dem Finanzausschuss, dass zu Beginn ihrer Tätigkeit am 1. Januar 2016 viele Leitungsstellen unbesetzt waren. Zu diesem Zeitpunkt brannte es auf dem Flaggschiff UMG jedoch schon lichterloh.
Dass in Sachen Personalbesetzung etwas im Argen liegt, stellte der Landesrechnungshof bereits 2012 fest. Der kaufmännischen Leitung wurde eine desaströse Amtsführung bescheinigt. Der damalige Vorstand, Herr Gotal, durfte ungeachtet dessen munter weitermachen. Er ging erst 2014. Die Nachfolge, Frau Langer, wurde nur kommissarisch eingesetzt. Das muss man sich mal vorstellen: das Schiff in Schieflage und eine entscheidende Stelle der Führungscrew erhält nur eingeschränkte Handlungsvollmachten!
Weitere Vorstände hatten in einer Zeit, in der die besorgniserregende Situation offensichtlich war, nur eine kurze Verweildauer im Vorstand, so Professor Dr. Zygmunt oder der kürzlich abgesetzte Dr. Wygold. Alle Personen nach Herrn Gotal hatten eine Amtsdauer von weniger als drei Jahren. Bedenkt man, dass Berufungsverträge für vier, fünf Jahre geschlossen werden und vorzeitige Beendigungen in der Regel mit Abfindungen einhergehen, wird klar, dass dem Land allein an dieser Stelle die mangelhafte Aufsicht und Fürsorge der Landesregierung bisher teuer zu stehen kam beziehungsweise noch zu stehen kommen dürfte.
Während die UMG mit der „Strategischen Agenda 2000“ eine eigene ambitionierte Unternehmensstrategie erarbeitet hat und umzusetzen gewillt ist, fragt man sich, warum die Landesregierung nicht auf eine weitere Anpassung dieses Führungsdokuments drängt, denn liest man die geltende Strategie, wird nicht erkennbar, dass das Haus in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt und eigentlich die Prioritäten neu setzen müsste. Wen wundert es da, dass bereits der Landesrechnungshof das Bildungsministerium dringlich aufforderte, seine Leitungs- und Kontrollfunktion endlich wahrzunehmen?!
Die Landesregierung hat – und das ist unser zweiter großer Vorwurf – überhaupt viel zu spät reagiert. Eine mittelfristige Rückschau auf die Jahresabschlüsse zeigt, dass die UMG nach 2007/2008 in schwierige Fahrwasser geriet. Die Massage der Bilanzen bewirkte mit Ausnahme des Jahres 2012 bis 2013 noch ein positives Bild. Der Absturz kam im Jahr 2014. Er wurde vor allem darauf zurückgeführt, dass der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) viele bereits erbrachte Leistungen nicht anerkennen würde und folglich die Vergütungen hierfür ausblieben. Und die defizitäre Lage am Krankenhausstandort Wolgast wurde als weiterer maßgeblicher Grund für die extremen Verluste angeführt. Dass es Erlösverluste gibt, weil der MDK bestimmte abgerechnete
Leistungen hochkant stellt, ist nicht ungewöhnlich. Sie belaufen sich bundesweit durchschnittlich auf 1,5 bis 2 Prozent des Leistungsvolumens. Dass die UMG jedoch bereits über eine lange Zeit eine fast doppelt so hohe Ausfallquote und damit einen außergewöhnlichen und unverhältnismäßigen Forderungsausfall beklagen muss, davon nahm man im Aufsichtsrat offenbar keine Notiz.
Dass etwa in den immens wichtigen Bereichen des Krankenhauses, dem Controlling und der Codierung, also der korrekten Abrechnung von erbrachten Leistungen, etwas nicht rundläuft, muss doch mal jemandem aufgefallen sein. Oder ging das im – wie aus den Dokumenten des Finanzausschusses ersichtlich – sprichwörtlich herzlichen Verhältnis beim Schnittchenessen zwischen Vorstand und seinem Kontrollorgan, dem Aufsichtsrat, unter?
Der Landesrechnungshof hatte vor Jahren erhebliche Defizite beim Risikofrüherkennungsmanagement festgestellt. Das heißt, die Entscheidungsträger vor Ort gelangen nicht hinreichend an Informationen, die den Bestand des Krankenhauses gefährden. Zwischen dem Abschlussgespräch des Landesrechnungshofs mit Verantwortlichen der UMG und der Verabschiedung eines Sanierungskonzepts im Mai 2016 lagen reichlich fünf Jahre. Im Juni 2016 wurde dem Finanzausschuss eingestanden, dass die Risikovorsorge an der UMG nicht angemessen war. Und wenn zu all dem noch stimmen sollte, was die „OZ“ am 2. November 2015 unwidersprochen berichtete, nämlich, dass es zumindest zeitweise eine Sondergenehmigung des Bildungsministeriums gab, die Geschäftsberichte der UMG nicht mehr zu veröffentlichen, passt eins zum anderen.
Womit ich beim dritten Vorwurf gegenüber der Landesregierung bin: Sie hat den Landtag nicht rechtzeitig und zuweilen falsch informiert. Obwohl dem Aufsichtsrat die bedrohliche wirtschaftliche Lage der UMG bereits länger bekannt war, bedurfte es im Mai 2015 einer Aufforderung aus dem Finanzausschuss heraus, dass die Landesregierung die Abgeordneten doch wohl mal unterrichten solle, wie es um das Krankenhaus stünde. Von sich aus hielt die Landesregierung bis dato eine Unterrichtung zur Sachlage nicht für angezeigt – fragt sich nur, warum. Hat die Landesregierung nicht auf dem Schirm, dass sie gemäß Artikel 39 der Landesverfassung Informationspflichten zu erfüllen hat? Im Kommentar zur Landesverfassung heißt es hierzu, ich zitiere: „So ist zu beachten, dass das Parlament in wesentlichen Fragen … stets zu beteiligen ist, auch wenn sie administrativ vorbereitet und gesteuert werden …“ Zitatende.
Geradezu bezeichnend für die Informationspolitik der Landesregierung zur UMG gegenüber den Abgeordneten sind die jeweiligen Aussagen zu den eingetretenen Verlusten und den Prognosen zum Wiedererreichen der schwarzen Null. Im Frühjahr 2015 hieß es, dass die Verluste auf Einmaleffekten beruhen würden. Dies hätte zur Folge, dass man bereits kurzfristig wieder in die Gewinnzone käme. Dann wurde gesagt, dass die Gewinnzone für 2017 zu erwarten sei. Im Januar 2016 wurde den Abgeordneten vermittelt, dass man ab 2018 wieder im Plus sei. Im November desselben Jahres wurde zugestanden, dass der Turnaround nicht vor 2020 erreicht werden könne.
Die scheibchenweise Korrektur der Angaben lässt darauf schließen, dass die Landesregierung bis in die jüngste
Vergangenheit hinein keinen blassen Schimmer von der Dimension der wirtschaftlichen Schieflage hatte. Last, but not least wurde den Mitgliedern des Finanzausschusses bei der Behandlung des Landesfinanzberichtes 2013 mitgeteilt, dass den Empfehlungen des Landesrechnungshofs Folge geleistet wurde und ein funktionierendes Risikofrüherkennungssystem erfolgreich installiert sei. Im Juni 2016 wurde demselben Ausschuss vorgetragen, dass die Risikovorsorge nicht angemessen sei, ergo die Risikofrüherkennung offenbar nicht erfolge. Somit stellte sich die dem Ausschuss drei Jahre zuvor gegebene Zusicherung glattweg als falsch heraus.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal sagen, die Landesregierung hat in Bezug auf die UMG in konzeptioneller und strategischer Hinsicht völlig versagt, auf bedrohliche Entwicklungen zu spät reagiert und den Landtag nicht rechtzeitig und zuweilen falsch informiert. Die bereits attestierten Verluste in Höhe von 27,8 Millionen Euro sind die Verluste der Landesregierung. Sie trägt die politische Verantwortung. 27,8 Millionen Euro sind der bislang bekannte Preis für mangelnde Aufsicht und Fürsorge vonseiten der Landesregierung. Ich persönlich gehe davon aus, dass der Verlust nicht unter 8 Millionen Euro im Jahr 2016 attestiert werden wird.
Erstens. Die LINKE schlägt die Einrichtung einer Taskforce zur Rückkehr in die Gewinnzone vor. Die Umsetzung des Sanierungskonzepts sollte durch externen Sachverstand begleitet werden. Der alleinige Einsatz von Professor Dr. Schmidt von der Uniklinik Rostock, der hoch angesehen ist, dessen Mitwirkung sich dem Vernehmen nach aber auf die monatlichen Leitungsberatungen und Empfehlungen zum Einsatz des ärztlichen Dienstes beschränkt, kann es doch beim besten Willen nicht sein! Und im Übrigen, Professor Dr. Schmidt arbeitet in Rostock in der Funktion und dann in Greifswald. Das ist im Vergleich so, als wenn ein Bundestrainer zwei Bundesligavereine coacht, denn beide Unikliniken sind zwar Einrichtungen des Landes, stehen aber auch in einem Wettbewerb. Nur mal, um darüber nachzudenken, habe ich das Bild jetzt bemüht.
Zweitens. Das Sanierungskonzept der UMG, von dem es offensichtlich mindestens zwei Varianten gibt, wobei die, die den Abgeordneten des Finanzausschusses vorliegt, keine Zahlen beinhaltet – was ist das für ein Konzept, muss ich mal sagen –, muss mit zahlenmäßigen Zielvorgaben untersetzt werden. Erst wenn die Abgeordneten die operationalisierten Ziele kennen, können sie einschätzen, ob die eingeleiteten Maßnahmen wirklich greifen. Solange dies nicht geschieht, kann uns Abgeordneten, mit Verlaub, auch etwas vom Pferd erzählt werden. Und ich war schon sehr erstaunt, wie Abgeordnete der Koalitionsfraktionen geradezu euphorisch den ersten Bericht der kaufmännischen Leitung im Finanzausschuss entgegennahmen. Ich war mir nicht ganz sicher, ob sie verzückt waren von der Frau le Claire
oder ob die Situation sie so verzückt hat. Also wir haben ja gar keinen Vergleich gehabt, was die Zielvorgabe war.
Zu sagen, 2016 sind wahrscheinlich 1,9 Millionen Euro Effekte gehoben worden, sagt doch erst mal noch gar nichts.
Drittens. DIE LINKE regt an, dass sich der Finanzausschuss im Rahmen eines Expertengesprächs mit den Verfassern des Berichts des Landesrechnungshofs zum Risikofrüherkennungssystem verständigt, a) um die an der UMG eingeleiteten Maßnahmen besser beurteilen zu können und b) um der Landesregierung Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Risikovorsorge geben zu können. Diese Empfehlung hat die Landesregierung übrigens bitter nötig.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich finde es richtig gut, dass wir heute diese Debatte führen können, und ich hoffe, Ihnen gleich zeigen zu können, dass wir gerade von Herrn Koplin ein Horrorszenario gezeigt bekommen haben, was bei Weitem nicht der Realität entspricht. Bevor ich also zu meiner eigentlichen Rede komme,
Bevor ich zur eigentlichen Rede komme und ganz sachlich darstellen möchte, wie die Situation ist, sehr geehrter Herr Koplin, ein paar kurze Anmerkungen.
Erstens. Was Sie machen, ist, Sie fummeln in der Vergangenheit rum. Wir sind längst schon in der Zukunft und richten unseren Blick schon längst nach vorne.
Und weiter, Sie sagen, wir hätten und auch die Unimedizin hätte nicht gehandelt auf Grundlage des Berichtes des Landesrechnungshofes. Dann empfehle ich Ihnen eine Lektüre, nämlich den Bericht des Landesrechnungshofes, wo ganz klar festgelegt und dargestellt wurde vom Landesrechnungshof, dass nach Prüfung durch den Landesrechnungshof festgestellt wurde, dass die UMG bereits 2014 für alle in der Ausgangsprüfung festgestellten akuten und erhöhten Risiken geeignete Maßnahmen ergriffen habe. Das sind nur ganz kurze Punkte, um mal darzustellen, was wir eben gerade gehört haben.
Sie haben auch vorgeworfen, dass diese Region kein Gesamtkonzept hätte. Auch das ist falsch. Im Zusammenwirken mit allen Akteuren vor Ort fand dort eine Konferenz statt, und es ist eine Modellregion, wo gerade dieses Gesamtkonzept der medizinischen Versorgung entwickelt worden ist. Informieren Sie sich einfach mal beim zuständigen Landkreis Vorpommern-Greifswald, bei dem Herrn Scheer, der wird Ihnen das bestätigen. So viel vielleicht ganz kurz mal vorab zu dem, was wir eben gerade gehört haben.
Erstens möchte ich noch mal betonen – und da bin ich Herrn Koplin dankbar, dass er das auch genauso gemacht hat –, wir haben mit der Universitätsmedizin Greifswald einen überaus erfolgreichen Wissenschaftsbereich, der zugleich auch gute, sehr gute Arbeit im Bereich der medizinischen Versorgung leistet. Das sollten wir alle hier einmal feststellen und auch anerkennen.
Und – das ist der zweite Punkt, der mir besonders wichtig ist – diese Landesregierung steht zu beiden Universitätsmedizinen in unserem Land. Weder Rostock noch Greifswald stehen für uns, stehen für mich zur Debatte. An beiden Standorten wird hervorragende Arbeit geleistet, daran gibt es nichts zu rütteln und das lassen wir uns auch nicht kaputtreden.
Die UMG ist ein Maximalversorger der Krankenversorgung in Vorpommern. Das haben wir bereits gehört. Fast 5.000 Beschäftigte, damit ist die UMG auch einer der größten Arbeitgeber in der Region Vorpommern.