Protocol of the Session on May 14, 2020

Verhältnis der medizinischen Versorgung mit gekoppeltem Solidarprinzip.

Die Frage muss gestellt werden: Hilft uns bei der Analyse und Lösung dieser komplexen Situation und zu dieser Zeit die geplante Enquetekommission wirklich weiter? Wir meinen, Herr Minister, in der derzeitigen Situation, nein. Und nun will ich das auch begründen.

Im Antrag wird zu Recht unter Punkt 2 auf die Arbeit der Enquetekommission „Älter werden in M-V“ aus der 6. Legislatur hingewiesen. Auf insgesamt 57 Seiten ist dort bereits das Thema „Alter und Gesundheit/Pflege“ dargestellt worden. Allein zu diesem Thema sind vom 15.03....

Hören Sie zu!

(Minister Harry Glawe: Ich höre zu.)

... 2013 bis 10.04.2015, also über zwei Jahre, acht Sitzungen mit Einholung von verschiedenen Grundlagen

expertisen durchgeführt worden. Gut, man kann dagegenhalten und sagen, ja, aber die Probleme in der Gynäkologie und Geburtshilfe und andere sind dort überhaupt nicht berücksichtigt worden. Das mag richtig sein, doch brauchen wir deshalb erneut eine teure Enquetekommission? Wir meinen, diese und weitere Teilbereiche könnten separat analysiert und Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Es gibt letztlich ein zuständiges Ministerium, das genau diese strukturierenden Aufgaben zu erledigen hat.

Es gibt ein weiteres Argument gegen die derzeitige Errichtung der Kommission. Das ist der Zeitplan. Eine Aussage über die zukünftige medizinische Versorgung erfordert eine fundierte Analyse der derzeitigen Situation und eine Auflistung der Mängel. Auch wenn Teilbereiche durch die Studie „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ bereits verwendet werden können, so werden neuere Entwicklungen auf- und eingearbeitet werden müssen. Dies wird nur durch Expertisen und Anhörungen von Fachleuten erreicht werden können. Der Antrag selbst fordert, dass, ich zitiere, wenn „Erkenntnisdefizite bestehen“, diese behoben werden müssen. Zitatende.

Vergleicht man nun den Zeitaufwand für die Enquetekommission „Älter werden in M-V“ mit der Zeitplanung des Antrages, so fällt eine eklatante Diskrepanz auf. Der jetzige Antrag sieht einen Abschlussbericht an den Landtag für das Ende des zweiten Quartals 2021 vor, also verständlicherweise noch vor dem Ende der 7. Legislatur. Damit stehen der Kommission lediglich etwa zwölf Monate für die Erarbeitung des Berichtes zur Verfügung, inklusive der gegebenenfalls erforderlichen externen Gutachten und Anhörungen. Allein die Etablierung der Kommission dauerte in der 6. Legislatur bereits circa zwei Monate. Meine Damen und Herren, allein unter diesem Gesichtspunkt, der Zeitplanung und des Umfangs der Aufgabe, halten wir diesen Antrag für unsolide.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich möchte nun noch einige Bemerkungen zu den Kosten machen. Unter Punkt 7 enthält der Antrag die Festlegung, dass die Enquetekommission und die Fraktionen des Landtages mit den erforderlichen Personal- und Sachmitteln auszustatten sind. Diese lapidare Festlegung finde ich schon ziemlich anmaßend. Hier fehlen uns konkrete Kalkulationen und Kostenansätze für Personal- und Sachkosten der 21 Mitglieder der Kommission beziehungsweise die zusätzlichen Mitarbeiter und gegebenenfalls externe Expertisen.

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Welche zusätzlichen Kosten werden auf den Steuerzahler zukommen?

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Die Enquete...

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Hören Sie zu!

Die Enquetekommission der 6. Legislatur hat den Steuerzahler mit Kosten in Höhe von sage und schreibe knapp 4 Millionen Euro belastet.

(Sebastian Ehlers, CDU: Und wie hoch waren die Kosten für den Besuch der AWO im Ausschuss?)

Der hat auch wirklich was gebracht, Herr Ehlers, da sollten Sie mal dran denken!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Herr Ehlers,

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Herr Ehlers, vergleichen Sie nicht Äpfel mit Birnen!

Das waren also knapp 4 Millionen Euro, die die damalige Enquetekommission den Steuerzahler gekostet hat. Das waren pro Jahr etwa 780.000 Euro. Wir meinen, dass in Zeiten der übermäßigen Finanzunsicherheit aufgrund der Corona-Krise eine Kosten-Nutzen-Abwägung zuungunsten dieses Antrages ausfällt. Oder will sich das zuständige Ministerium – Herr Glawe, ich will Ihnen da nichts unterstellen –

(Minister Harry Glawe: Was?)

hinter einem anonymen Gutachten einer Kommission verstecken?

(Minister Harry Glawe: Ich setze sie doch nicht ein!)

Ich traue Ihnen...

(Minister Harry Glawe: Ich setze die Enquetekommission auch nicht ein.)

Da haben Sie völlig recht, aber ich weiß, dass Sie natürlich auch großes Interesse vielleicht daran haben, zumindest haben Sie das vorhin so deutlich gemacht.

(Minister Harry Glawe: Das vermuten Sie!)

Bei dem dargestellten Abwägungsprozess haben wir auch die Nachschau bezüglich der Praxistauglichkeit und Umsetzung der Ergebnisse der bisherigen Enquetekommissionen früherer Legislaturen berücksichtigt. Insbesondere bezüglich der Gemeindestrukturreform, der kommunalen Selbstverwaltung und der Funktionalreform sehen wir hier bis heute deutliche Defizite, entweder in der Praxistauglichkeit der Vorschläge oder in der mangelnden Umsetzung. Oft trifft beides zusammen.

Wir werden den Antrag also unter Berücksichtigung aller genannten Kritikpunkte ablehnen. Allerdings werden wir uns, sollte der Antrag entgegen allen Erwartungen aufgrund unserer Gegenargumente trotzdem eine Mehrheit finden, einer konstruktiven kritischen Mitarbeit in der Enquetekommission als Fraktion natürlich nicht entziehen.

(Minister Harry Glawe: Na, das ist doch ein Wort!)

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Ich möchte mich an die im Hause anwesenden Minister wenden und bitten, hier mindestens eine 3-MannBesetzung sicherzustellen. Dafür haben wir noch fünf Minuten Zeit, ansonsten wird es eine Sitzungsunterbrechung geben.

(Sebastian Ehlers, CDU: Frauen gehen aber auch, ne?)

Ich hoffe, dass die Botschaft verstanden wurde.

Und ich rufe jetzt auf für die Fraktion der SPD den Abgeordneten Herrn Barlen.

(Heiterkeit bei Sebastian Ehlers, CDU: Die CDU ist mit zwei Dritteln vertreten, denke ich.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine bedarfsgerechte, eine gute und vor allem eine erreichbare Gesundheitsversorgung, das ist elementarer Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Und darauf, meine Damen und Herren, legen die Bürgerinnen und Bürger in Mecklenburg-Vorpommern zu Recht sehr großen Wert, und sie erwarten von der Politik entsprechend starkes und wirkungsvolles Engagement für eine moderne, für eine leistungsfähige, für eine gut aufgestellte Versorgungsstruktur. Und alle Menschen in unserem Land, egal wie jung oder alt, sollten im Gesundheitsland auch eine solche gute Gesundheitsversorgung vorfinden, da, wenn man sie braucht. So muss unser Ziel sein. Trotz aller Probleme in der alltäglichen Umsetzung dürfen wir das nicht aus dem Blick verlieren.

Wie wichtig eine solche Versorgungsstruktur, vor allem aber auch die vielen engagierten und die vielen hochprofessionellen Beschäftigten in diesem Bereich für unser Bundesland sind, das hat gerade auch der Umgang mit der Corona-Pandemie gezeigt. Der Minister ist darauf eingegangen. Da können wir als Deutschland, da können wir als Mecklenburg-Vorpommern wirklich froh, glücklich und auch dankbar sein, dass wir die Kapazitäten im Bereich der Versorgung eben nicht bis zum sprichwörtlichen „Es geht nicht mehr“ heruntergefahren haben. Das gibt auch in der Rückschau vielen Menschen Sicherheit und auch Vertrauen, dass ihnen im Ernstfall gut geholfen wird. Und deshalb sind wir, das möchte ich an dieser Stelle auch seitens der SPD-Fraktion ausdrücklich betonen, sehr gut beraten, das Thema Corona auch in der Enquetekommission mitzudenken und zu überlegen, welche Lehren wir daraus für die Versorgungsstruktur ziehen müssen.

Meine Damen und Herren, jenseits von Corona – da müssen wir mal klarmachen, Corona war zu dem Zeitpunkt, als wir die Grundlage für diese heutige Einsetzung gelegt haben, noch nicht so virulent –, jenseits von Corona steht dieses medizinische Versorgungssystem vor erheblichen Herausforderungen. Kaum einmal vergeht ein Monat, in dem beispielsweise nicht eine Personalknappheit zu lokalen Versorgungsengpässen führt, sowohl im ambulanten wie auch im stationären Bereich. Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht Leistungserbringer über Strukturanpassungen nachdenken oder wie im Fall von Crivitz sogar Nägel mit Köpfen machen, ohne dass

darüber ein Konsens bestünde, aber auf der anderen Seite vergeht auch kaum ein Monat, in dem nicht Nachrichten über neue Möglichkeiten der Therapie in der Spitzenmedizin die Runde machen, die natürlich auch bei uns im Land angeboten werden sollen, die bei uns auch genutzt werden sollen. Wir sprechen ja nachher noch über das CCC in diesem Zusammenhang.

Als Ursachen für diese Herausforderungen, meine Damen und Herren, sind allen voran zu nennen die Änderung der Zusammensetzung unserer Bevölkerung, der demografische Wandel, mit mehr älteren Patientinnen und Patienten, mit teilweise regional sehr unterschiedlichen Bevölkerungsentwicklungen – teilweise Schwund, anderenorts sogar ein Anstieg der Bevölkerung – und einem vielerorts sehr ausgeprägten Fachkräftemangel. Weitere Herausforderungen sind die generell besondere Situation eines dünn besiedelten Flächenlandes mit weiten Wegen und wenigen Köpfen in der Fläche, ein veränderter Versorgungsbedarf, auch aufgrund des technologischen und des wissenschaftlichen Fortschritts, und natürlich die sehr maßgeblichen bundesrechtlichen Rahmenbedingungen wie die Finanzierung der erbrachten Leistungen, um nur einige Herausforderungen zu nennen.

Meine Damen und Herren, für eine gute, akzeptierte, langfristig tragfähige Gesundheitsversorgung gilt es vor diesem Hintergrund, nicht weniger als zwei ganz elementare und in unseren Augen auch nicht gegeneinander verhandelbare Dinge in Einklang zu bringen, nämlich einerseits die berechtigten Erwartungen der Versicherten und damit auch der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler an die Qualität und die Verfügbarkeit ihrer Gesundheitsversorgung in der Region und andererseits der notwendigerweise gute, möglichst effiziente, gemeinschaftlich verabredete geplante Einsatz aller vorhandenen und gerade im Bereich des Personals ja äußerst knappen Ressourcen, die diese Versorgung, die man sich wünscht, dann auch erbringen und auch erbringen können. Ich glaube, ich erzähle in diesem Haus niemandem etwas Neues, wenn ich feststelle, dass diese Aufgabe, ein gesundes Gleichgewicht zwischen dem Anspruch an eine gute Versorgung und dem Angebot einer guten Versorgung herzustellen, dass diese Aufgabe eine große Herausforderung gerade für Mecklenburg-Vorpommern und für alle Beteiligten darstellt.

Meine Damen und Herren, diese Aufgabe, durch eine gute Struktur und Arbeitsteilung den Anspruch und die Wirklichkeit möglichst in Einklang zu bringen, obliegt in Deutschland – anders als in anderen Ländern, wie beispielsweise in Italien, in England oder auch in Schweden – aber nicht nur dem Staat und der Politik alleine, bei uns herrscht der Grundsatz der Selbstverwaltung. Seitens des Staates, der Politik werden die gesetzlichen Rand- und Rahmenbedingungen und die zu erbringenden Leistungen definiert. Anschließend ist es aber Sache von Solidargemeinschaft und Leistungserbringern, mit ihren Organisationen im ambulanten, im stationären Bereich, den Krankenkassen, der Ärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung, Krankenhausgesellschaft, aber auch der kommunalen Familie und anderen eigenverantwortlich den Bedarf an Versorgung abzuschätzen, Kapazitäten und Strukturen zu vereinbaren und dann die medizinische Versorgung der Menschen auch tatsächlich sicherzustellen.