(Dr. Ralph Weber, AfD: Sie wollen einfach nicht hören, was gesagt wird. – Zuruf von Jürgen Strohschein, AfD)
Und wenn Sie schon vom Verlust der Gestaltungsmöglichkeit reden, dann will ich Ihnen sagen, wann der Verlust der Gestaltungsmöglichkeit für das deutsche Volk war. Der war nämlich am 23. März 1933. Da war der Tag, der Verlust der Gestaltungsmöglichkeit für das deutsche Volk. Der 8. Mai markiert das Datum, an dem es perspektivisch wieder möglich war, ein demokratisches System in Deutschland aufzubauen. Bei allen Schwierigkeiten, bei all der Not, die nach dem Krieg geherrscht hat, auch bei allen Verbrechen, die nach dem Krieg noch geherrscht haben, aber diesen Unterschied, den möchte ich herausarbeiten. Das ist mir sehr, sehr wichtig.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf ein anderes Thema eingehen. Ich glaube, die demokratischen Fraktionen hier im Haus sind sich einig, dass die Dinge, die wir rund um den Rechtsterrorismus erlebt haben – und ich will hier ganz konkret die Dinge ansprechen, die rund um die Nordkreuz-Gruppe hier auch bekannt geworden sind, auch für Mecklenburg-Vorpommern –, ich will Ihnen sagen, dass die Aufklärung bislang unzureichend ist. Und ich will hier ausdrücklich den Innenminister unseres Landes von der Kritik ausnehmen. Ich weiß, dass der Generalbundesanwalt die Hand auf den Akten hat und dass wir hier momentan nicht wirklich weiterkommen. Ich sage aber genauso ausdrücklich, diese Aufarbeitung des Rechtsterrorismus, auch parlamentarisch, die steht noch an, die ist zeitlich verschoben, sie ist nicht aufgehoben. Und ich gehe davon aus, dass wir spätestens zum Beginn der neuen Legislaturperiode alle Mittel des Parlamentes nutzen werden, um hier Licht ins Dunkel zu bringen.
Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund der Geschichte meiner Familie, die ich Ihnen geschildert habe, aber auch meiner Partei, unseres Volkes und dieses Kontinentes kann ich Ihnen versichern, wir werden niemals wieder zulassen, dass Rechtsextremisten in Deutschland, in Europa einen Krieg anzetteln können. – Herzlichen Dank!
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE auf Drucksache 7/4912. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Vielen Dank! Damit ist dem Antrag der
Fraktionen der SPD, CDU und LINKEN auf Drucksache 7/4912 bei Zustimmung durch die Fraktionen der SPD, CDU und LINKE sowie der fraktionslosen Abgeordneten und Ablehnung durch die Fraktion der AfD sowie durch den fraktionslosen Abgeordneten zugestimmt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22: Aussprache gemäß Paragraf 43 Nummer 2 der Geschäftsordnung zum Thema „Corona-Krise in Mecklenburg-Vorpommern“.
Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Liebe Landsleute! Die Angst vor dem Virus ist groß. Sie ist weit größer, als sie nach dem realen Risiko sein müsste. Das hat viele Gründe.
Einer davon ist eine angstschürende Informationspolitik, mit der die Bevölkerung erfolgreich dazu gebracht wird, die mit dem Shutdown einhergehenden Maßnahmen nahezu unterwürfig zu befolgen. Aus den täglich gemeldeten Zahlen der Infizierten und der Toten ergibt sich ein Sterberisiko von drei bis fünf Prozent. Die Zahlen wirken auch ohne Errechnung der Quote bedrohlich.
Faktisch läuft die Präsentation der Zahlen auf eine Desinformation hinaus, denn die gemeldeten Infizierten sind nicht wirklich die Infizierten, sondern lediglich die wegen Verdachts positiv Getesteten. Die viel größere Zahl der ohne oder nur mit geringen Symptomen Infizierten blieb und bleibt aber im Dunkeln. Für das reale Sterberisiko kommt es aber allein auf das Verhältnis der tatsächlich infizierten Menschen und der an Corona Verstorbenen an. Danach ergibt sich schätzungsweise eine um das Zehnfache kleinere Todesrate von 0,3 Prozent. Das deckt sich auch mit der in der Heinsberg-Studie ermittelten Sterblichkeit.
Ich bin weit davon entfernt, die Corona-Pandemie zu verharmlosen. Dennoch besteht kein Grund zur Panik. Die Pandemie ist schlimm, sie ist der Grippeepidemie von 2017/2018 mit rund 25.000 Toten aber weit näher als der Pest. Sie rafft nicht unsere Kinder und die Jugend dahin, ihre Opfer sind vorwiegend vorgeschädigte alte Männer. Das gilt es für eine realistische Risikobewertung festzuhalten.
Für den Umgang mit der Pandemie hat das Robert KochInstitut eine Schlüsselstellung eingenommen. Man kann sogar den Eindruck haben, dass die Politik von dort gesteuert wird beziehungsweise sich von dort sagen lässt, was sie tun soll. Das ist bedenklich. Das RKI ist eine weltweit anerkannte Institution, das bedeutet aber nicht, dass die Politik den Empfehlungen des RKI kritiklos folgen muss, denn die auf unsicheren Modellrechnungen beruhenden Prognosen des RKI sind keinesfalls wissenschaftlich unumstritten.
Eine für die Einschätzung des Epidemieverlaufs wichtige Zahl ist die Reproduktionszahl. Das RKI hat die Aussagekraft dieser Zahl allerdings selbst relativiert. Es sei, so der Chef des RKI, eine Messzahl von vielen. Die Unsicherheiten liegen auch hier auf der Hand, denn sowohl bei den Infizierten, die anstecken, als auch bei den Neuinfizierten gibt es eine hohe Dunkelziffer. Zudem handelt es sich um einen Mittelwert für das ganze Bundesgebiet. Das reale Risiko bestimmt sich aber meist nach lokal begrenzten Ereignissen.
In Hamburg sind sämtliche im Zusammenhang mit Corona Verstorbenen von Professor Püschel obduziert worden. Dabei stellte sich heraus, dass alle Toten schwere Vorerkrankungen hatten. Das Virus sei in diesen Fällen nur der letzte Tropfen gewesen. Auch wenn es für die statistische Bewertung unerheblich sein mag, ob der Tote mit oder an Corona verstorben ist, für die Risikoeinschätzung der Pandemie und für die Abwägung bei den Maßnahmen ist das durchaus ein entscheidender Gesichtspunkt, der offensichtlich zu kurz gekommen ist.
Sodann wies der Finanzwissenschaftler Professor Homburg darauf hin, dass sich die Reproduktionszahl nach den eigenen Angaben des RKI schon vor dem verhängten Shutdown abgesenkt hat und bereits unter 1 lag. Zudem zeigt die auf den offiziellen Zahlen des Bundesgesundheitsamtes beruhende aktuelle Kurve über den Verlauf grippaler Infekte – was Corona einschließt – keine signifikante Änderung gegenüber den Verläufen der Vorjahre.
Im Grunde hat sich die Landesregierung bei einer unklaren und angesichts nicht hinreichend valider Daten nebulösen Lage zu einer Entscheidung durchgerungen, wie sie in diesem Ausmaß in Friedenszeiten einmalig ist, aus Angst vor einer bereits abklingenden Pandemie das Herunterfahren des nahezu gesamten sozialen und wirtschaftlichen Lebens anzuordnen. Offensichtlich wurden dabei der Gesundheits- und Lebensschutz ganz in den Vordergrund gerückt. Dem wurde alles andere untergeordnet. Erst nach und nach richtete sich der Blick auf die mit dem Shutdown angerichteten Schäden. Diese hätten aber bei einer sorgfältigen Abwägung von vornherein miteinbezogen werden müssen.
Das Ausmaß der wirtschaftlichen und sozialen Folgen konkretisiert sich in den existenziellen Sorgen und Nöten der Menschen. Viele stehen vor dem Ruin, wissen nicht, wie es weitergehen soll, leiden unter Depressionen und Vereinsamung. Inzwischen ist klar: Die gesamtgesellschaftlichen und zu einem großen Teil irreparablen Schäden sind immens. Die verschleppten Schlaganfall- und Herzinfarkttoten gehören mit zur Bilanz.
Und dann erzeugt der Bundestagspräsident mediale Aufmerksamkeit mit einem Satz, der verfassungsrechtlich seit jeher gilt, aber nicht beachtet wurde: Es gibt keinen Lebensschutz um jeden Preis. Vor dem Schutz des Lebens hat keinesfalls alles andere zurückzutreten. Bei einer Kollision von Grundrechten gilt es, diese sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Wäre dies anders, müsste die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen auf 50 km/h beschränkt werden.
Verhältnismäßigkeit ist aber Kern des Problems. Eine Maßnahme muss notwendig und sinnvoll sein und sie muss im Verhältnis zu den damit verbundenen Grundrechtseingriffen angemessen sein. Und hier hat die Lan
desregierung gesündigt. Sie hat mit unverhältnismäßigen und teils irrationalen Maßnahmen reagiert. So war die Sinnhaftigkeit der für Ostern verhängten Reisebeschränkungen für Einheimische auch den Gutmeinenden kaum zu vermitteln. Das hat das Oberverwaltungsgericht ebenfalls so gesehen und kippte diese Anordnung. Es wird höchste Zeit, dass der Diskurs über die Notwendigkeit und Angemessenheit der Corona-Maßnahmen von der Exekutive zurück in das Parlament verlagert wird, denn dazu sind die Eingriffe in die Grundrechte der Bürger zu massiv, die Folgen zu gravierend.
Ich will hier nur einige Punkte anreißen. Die Landesregierung ist lange dem Merkel-Konzept eines bundeseinheitlichen Vorgehens gefolgt. Das war falsch, denn bei der Verhältnismäßigkeit kommt es immer auf die konkrete Situation vor Ort an, und das galt von Anfang an. So ist die Situation in unserem dünn besiedelten Flächenland mit einer geringen Virusausbreitung mit anderen Bundesländern wie NRW oder Bayern nicht vergleichbar. Was in Ballungsräumen erforderlich ist, muss hier noch lange nicht notwendig sein.
Die Kernfrage, ob der Schutz von Risikogruppen es rechtfertigt, die gesamte Bevölkerung in ihrer Bewegungsfreiheit und ihren persönlichen Kontakten zu beschränken, muss endlich offen diskutiert werden. Die Interessen und Rechte von Kindern und Jugendlichen sowie der arbeitenden Bevölkerung dürfen nicht dem Schutz besonders risikobelasteter Menschen völlig untergeordnet werden. Es steht keinesfalls fest, dass die Schließung der Kitas und der Schulen in M-V unabdingbar notwendig und angemessen war.
Zudem, digitaler Unterricht ist kein Ersatz für den Präsenzunterricht. Wir müssen damit rechnen, dass durch die Schulschließungen rund ein Drittel der Schüler abgehängt wird. Das kann Folgen für das ganze Leben haben. Eigenverantwortung und Selbstbestimmung müssen aktiviert und beachtet werden, und zwar auch im Bereich der vulnerablen Gruppen. Diese dürfen nicht aus falscher Fürsorge zum Objekt staatlicher Bevormundung werden.
Inzwischen hat die Landesregierung begriffen, dass sich die Maßnahmen nicht länger aufrechterhalten lassen. Sie reagiert mit Lockerungen, die sie gestern noch in weite Ferne gerückt hat.
Sie stellt dabei aber nichts von dem, was sie im Land verordnet hat, infrage. Erst recht setzt sie sich nicht mit den Kritikern – und damit meine ich anerkannte Wissenschaftler – auseinander. Stattdessen ist die Tendenz zu beobachten, Kritiker ähnlich wie in der Klimaschutzdebatte als „Corona-Leugner“ oder gar „Verschwörungstheoretiker“ zu verunglimpfen. Vor allem ein Konzept, wie ohne Erlangung einer Herdenimmunität dauerhaft mit Corona umgegangen werden soll, ist nicht erkennbar. Ein Rauf und Runter von Shutdown und Lockerungen ist jedenfalls keine nachhaltige Lösung.
Für das derzeit betriebene Konzept der Eindämmung ist ein Ende nicht abzusehen. Ziemlich sicher dürfte dagegen ein Anstieg der Infektionen im Herbst sein, denn weshalb sollte das bei diesem Virus anders sein als bei anderen verwandten Viren? Der Blick nach Schweden ist deshalb sehr wohl angebracht, denn dort ist jedenfalls eine nachhaltige Strategie zu erkennen. Man lässt mehr Infektionen unter gleichzeitigem Schutz der vulnerablen Gruppen zu und erreicht mit einer solchen kontrollierten Durchseuchung wesentlich früher eine Immunisierung der Bevölkerung, und die Folgeschäden sind wesentlich geringer.
Das Mehr an Infektionen führt natürlich zunächst auch zu einer höheren Todeszahl, was aber keinesfalls mit einer höheren Sterblichkeit gleichzusetzen ist, wie dies hier gestern fälschlich geschah. Das lässt sich erst am Ende des Prozesses verlässlich feststellen.
Zum Schluss ein Wort zur sogenannten „neuen Normalität“. Was für eine irrwitzige Wortschöpfung! Der Ausnahmezustand wird nicht dadurch normal, dass man ihn zur „neuen Normalität“ schönredet. Wir finden uns damit jedenfalls nicht ab und fordern die Landesregierung auf, ihre gesamte Strategie auf den Prüfstand zu stellen und dabei die angerichteten materiellen und immateriellen Schäden genauestens festzustellen und auf dieser Grundlage zu überlegen, welche Maßnahmen noch notwendig sind und welche man schleunigst aufgeben muss. – Vielen Dank!
Herr Arppe, Sie haben in der Debatte ein stellvertretendes Mitglied des Landesverfassungsgerichts als „Verfassungsfeindin“ und „Linksextremistin“ bezeichnet. Dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.