Der 8. Mai wäre ein ordnungsgemäßer Gedenktag als Anti-Gewalt-Tag, und zwar jede Gewalt, die von rechts, die von links, die von religiösen Spinnern und Störern. Gewalt gehört nicht in dieses Land, nicht in unsere
Rechtsordnung und schon in keiner Weise als Mittel der Politik. Das wäre der gemeinsame Nenner, denn wir finden sollten,
Der 8. Mai war für viele ein Tag der Befreiung, nicht nur die Insassen im KZ, nicht nur diejenigen, die unter einer deutschen Gewaltherrschaft gelitten haben, sondern auch viele, die hier im Lande als aktive Gegner des Nazisystems aufgetreten sind, aber er war eben auch – und das ist das Ambivalente an diesem Tag –, er war eben auch die Absage an jede staatliche Ordnung, er war das Aushändigen von vielen unserer deutschen Landsleute an Gewalt von Vertreibern, Vergewaltigern und anderen, die ihr Mütchen kühlen wollten als jetzt vermeintliche Sieger. Das, bitte schön, sollte man auch nicht vergessen.
Dieser 8. Mai ist kein Tag für politische Propaganda. Der 8. Mai ist ein Tag, an dem wir alle gedenken sollten. Wehret den Anfängen! Lasst so was nicht wieder geschehen! Und deswegen lasst uns einig gegen jede Form von Gewalt auftreten. Wenn wir das schaffen, dann haben wir den 8. Mai verdient, und dann können wir auch über gemeinsame Formen nachdenken, wie wir diesen 8. Mai zusammen gedenken. Dieses einseitige Instrumentalisieren, das sich zurzeit hier darbietet, lehnen wir ab und deswegen natürlich auch Ihren Antrag. – Danke!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 75 Jahre ist es jetzt her, wir haben 75 Jahre Frieden, aber wer glaubt, dass die Emotionen in den Familien weg sind, dass da nicht noch ganz konkrete Erinnerungen sind, der täuscht sich. In vielen Familien gehören die Emotionen und Geschichten noch zum Alltag. Frau von Allwörden hat das ja auch eben erwähnt.
Und ich würde gerne von meiner Familie erzählen. Der Vater meiner Mutter, der hieß Max Möller, und Max Möller, der zog in einen Krieg, den er nicht wollte. Das erzählte mir meine Großmutter. Er war Landwirt, wollte seinen Acker bestellen, wollte bei seiner kleinen Familie sein. Stattdessen musste er in ein fremdes Land ziehen, um auf Menschen zu schießen, die er nicht kannte. Er ist dann im April 1945 gefallen, kurz vor Kriegsende. Meine Mutter hat ihre ganze Kindheit hindurch gehofft – das hat sie mir erzählt –, dass die Information, dass ihr Vater tot sei, eine Falschmeldung war. Sie hatte gehofft, irgendwann kommt er zur Tür herein und nimmt sie in den Arm. Es war eine trügerische Hoffnung, es war eine vergebene Hoffnung.
Mein Großvater väterlicherseits sollte kurz vor Ende des Krieges in den sogenannten Volkssturm. Er ist desertiert und mit seiner Familie und einem Pferdegespann in Richtung Westen aufgebrochen. Und das Gewehr, was man ihm gegeben hatte, das lag auf dem Pferdewagen unter einer Plane – immer bereit, das Leben seiner Familie zu verteidigen, gegen wen auch immer zu verteidigen. Mein Vater war damals noch ein Kleinkind, träumt bis heute
Meine Damen und Herren, meine Heimatstadt Malchin ist kurz vor Kriegsende schwer zerstört worden. Wer aufmerksam durch die Stadt geht, kann die Folgen bis heute sehen. Malchin hatte früher einen Beinamen: die Perle der Mecklenburgischen Schweiz. Das war vor dem Hintergrund, dass wir eine fast völlig intakte mittelalterliche Altstadt hatten, mit vielen Fachwerkhäusern auch nachvollziehbar. Kurz vor Kriegsende wurde diese Stadt zerstört, der Stadt wurde ihr Gesicht genommen, aber was schlimmer wiegt, meine Damen und Herren, viele Menschen sind ums Leben gekommen.
Als im letzten Jahr in der Innenstadt auf einem Areal einer Kriegslücke Bauarbeiten begannen, wurde ein Gewölbekeller gefunden, in dem noch 16 verstorbene Menschen lagen. Wie man herausfand: 14 Kinder und zwei Frauen. Und in meiner Heimatzeitung, dem „Nordkurier“, Mecklenburgische Schweiz, wurde Joachim Kozlowski vom VDK wie folgt zitiert: „Die Gebeine erstreckten sich über mehrere Fundstellen in dem Kellerraum. Die Knochen waren völlig verkohlt. … Die Kinder lagen zu zweit oder zu dritt zusammen. Ein Junge hatte es noch bis in die Nähe des Kellerausgangs geschafft. Seine Überreste waren am wenigsten verbrannt. Offenbar hatte er noch versucht, sich zu retten.“ Meine Damen und Herren, wenn wir davon ausgehen, dass diese Kinder vielleicht so um die zehn Jahre alt waren, könnten sie heute noch leben. Also vergessen wir niemals, was Krieg bedeutet: Not, unsägliches Leid und Tod.
Ich habe hier über meine Familie und meine Heimatstadt gesprochen, aber klar ist doch auch, dass Not, Leid und Tod von Deutschland ausgingen, von diesem Land, von unserem Land. Von unserem Volk ging dieser Krieg aus. Es war eine deutsche Aggression, es waren zuallererst die anderen Völker Europas, die Opfer dieser Aggression wurden. Und ich will hier beispielsweise an die unvorstellbare Zahl von 26 Millionen Toten aus der damaligen Sowjetunion erinnern. Es waren deutsche Granaten, es waren deutsche Panzer, es waren deutsche Bomberstaffeln, es war die deutsche Wehrmacht. Und wenn ich lese, dass Herr Gauland beispielsweise sagt, dass man stolz auf die Wehrmacht sein soll, meine Damen und Herren, mir fällt alles dazu ein, aber mit Sicherheit nicht Stolz, eher das, was Frau von Allwörden hier gesagt hat, dass man da Scham empfindet.
Die Lehren aus diesem Krieg sind, dass wir in Europa uns gemeinsam Institutionen geschaffen haben, zuvorderst die Europäische Union, diese Union, die uns weitestgehend den Frieden gesichert hat, eine Union, die nicht frei ist von Fehlern, eine Union, für deren Bestand und Weiterentwicklung immer wieder gestritten werden muss. Mit der Union ist der jeweilige Nationalstaat auch nicht verschwunden. Warum sollte er auch verschwinden? Das ist nicht das Ziel, aber die Fokussierung auf den Nationalstaat, meine Damen und Herren, die ist einer anderen Fokussierung gewichen, einem größeren Ziel, nämlich Frieden, Freiheit und Wohlstand auf unserem Kontinent.
Und, meine Damen und Herren, unser Kontinent ist größer als die EU. Ich will hier insbesondere auf die Russi
sche Föderation hinweisen. Dieser Kontinent wird sich dauerhaft nur friedlich entwickeln können, wenn wir Russland als Partner begreifen.
Ein Partner muss nicht zwingend immer in jedem Punkt der gleichen Auffassung sein wie man selbst. Umso wichtiger ist es, dass man miteinander redet, miteinander den Austausch auf allen möglichen Ebenen pflegt. Das macht so etwas wie den Völkerrechtsbruch in der Ukraine nicht wett, und das will ich auch nicht kleinreden – das will ich ausdrücklich sagen –, aber die Einbindung und das Miteinanderaustauschen sind die Voraussetzungen dafür, dass sich Werte und Normen als für beide Seiten verbindlich darstellen.
In den 1990er-Jahren gab es eine Diskussion darüber, ob Russland assoziiertes Mitglied der EU werden könnte. Ich frage: Wo ist diese Diskussion geblieben? Stattdessen gibt es lediglich ein Partnerschaftsabkommen der EU mit Russland. Teile des Partnerschaftsabkommens sind nach der Annexion der Krim ausgelaufen. Das sind gerade die Teile, bei denen es um Kommunikation geht, und ich sage, das kann nicht richtig sein. Wer Konflikte, wer Meinungsverschiedenheiten hat – das haben wir doch gelernt, das ist doch die Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg –, der muss mehr miteinander reden und eben nicht weniger.
Meine Damen und Herren, den Frieden zu sichern, können wir nur selber tun. Deshalb ist es richtig, dass Frau Ministerpräsidentin und die Landesregierung sich weiterhin für den Russlandtag einsetzen. Deshalb ist es richtig, dass wir die Gasversorgung nicht nach amerikanischen Interessen, sondern nach europäischen Interessen ausrichten, Nord Stream 2 weiterbauen. Meine Damen und Herren, und deshalb ist es auch richtig, dass wir als Landtag Mecklenburg-Vorpommern eine Partnerschaft mit der Duma des Leningrader Gebietes anstreben. Wäre die Corona-Krise nicht dazwischengekommen, hätten wir diesen Vertrag inzwischen auch unterzeichnet. Und ja, meine Damen und Herren, bei allem Verständnis für die baltischen Staaten – und das kann ich wirklich nachvollziehen – sage ich aber auch, dass man NATOAktivitäten an der russischen Grenze durchaus auch kritisch sehen kann. Frieden, meine Damen und Herren, heißt vor allem, Partnerschaft pflegen. Daran muss man arbeiten.
Meine Damen und Herren, mit dem Kriegsende 1945 sind rechtsextremistische Ideologien nicht verschwunden. Und gerade jetzt erleben wir wieder eine Renaissance dieser Einstellung. Das macht sich an verschiedenen Stellen der Gesellschaft bemerkbar. Es gibt in Deutschland, wie wir lernen mussten, leider auch in MecklenburgVorpommern, Rechtsterrorismus. Menschen sind in Deutschland durch Rechtsterrorismus gestorben. Es gibt rechtsradikale Anschläge auch bei uns im Land, und Frau Larisch könnte uns sicherlich erzählen, wie schlimm das für eine Familie sein kann. Und es gibt mit der AfD einen politischen Arm des Rechtsextremismus in den Parlamenten.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zurufe von Dr. Gunter Jess, AfD, Jens-Holger Schneider, AfD, und Dr. Ralph Weber, AfD)
wenn ich lese, dass Herr Gauland sagt – und hier ist es ja ähnlich wiederholt worden, insbesondere von Herrn Professor Weber –, dass der 8. Mai ein Tag der absoluten Niederlage, ein Tag des Verlusts von großen Teilen Deutschlands und ein Verlust von Gestaltungsmöglichkeit war, oder wie Herr Weber eben sagt, Zusammenbruch aller staatlichen Ordnung,
(Horst Förster, AfD: Das soll rechtsextrem sein? – Dr. Gunter Jess, AfD: Sie hetzen, das ist alles! – Dr. Ralph Weber, AfD: Sie zitieren völlig falsch. – Glocke der Präsidentin)
Einen Moment bitte, meine Herren von der AfD! Herr Krüger hat das Wort hier am Rednerpult, und ich bitte doch, jetzt die Lautstärke etwas zu dämpfen.
Und wie Herr Weber hier bedauerte, dass der 8. Mai der Zusammenbruch der staatlichen Ordnung wäre, dann sage ich Ihnen,
dann sage ich Ihnen, über welche staatliche Ordnung reden wir hier: die staatliche Ordnung, in der Millionen Menschen in KZs eingesperrt worden sind,
die staatliche Ordnung, in der Roma und Sinti ermordet worden sind, planmäßig, in der Juden planmäßig ermordet worden sind, Homosexuelle, Kommunisten, Sozialdemokraten.