Protocol of the Session on May 14, 2020

Olaf Scholz stellt sich heute hin und sagt, wir haben Steuerverluste in Höhe von 100 Milliarden Euro. Wir machen das Thema Kurzarbeitergeld. Ich weiß nicht, was da jetzt zu veranschlagen ist. Dieses Kurzarbeitergeld wird richtigerweise noch mal also angepasst. Wir machen das Thema Wirtschaftsförderung. Wir haben bei uns beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern noch eine Menge Themen auf der Agenda stehen. Das ganze Thema Tourismus, das ist angesprochen worden, Gaststätten, Hotellerie, das Thema Werften wird uns sicherlich noch beschäftigen. Und da muss man natürlich in diesen Zeiten auch mal die Frage stellen, wie wird das denn zu bewältigen sein. Das findet in Größenordnungen auch in den Sozialversicherungen statt. Und eins kann man ja heute ganz klar sagen, Gott sei Dank – also aus dieser Sicht – hat es diese Austeritätspolitik auf der Bundesebene in den letzten Jahren gegeben, denn wenn wir das nicht gemacht hätten, wären wir heute nicht in der Situation, da dergestalt klotzen zu können.

Nur, Herr Koplin, wenn ich auf der einen Seite in der Situation bin und weiß also um die Situation pflegender Angehöriger und auf der anderen Seite aber zur Kenntnis nehmen muss, dass ich mich in einer fulminanten Krise befinde, wo ich nicht erkennen kann, was letztendlich noch erforderlich sein wird, um das Ganze zu bewältigen – also Thema Arbeitslosigkeit, das Thema Unternehmensinsolvenzen, das sind ja alles Dinge, die noch in erheblichem Umfang mit einem großen Fragezeichen zu versehen sind –, und in solchen Zeiten finde ich es nicht richtig, dass man hier jetzt sich hinstellt und sagt, da packen wir noch mal ordentlich was obendrauf, obwohl Sinn und Zweck da ja gar nicht in Abrede gestellt werden. Aber zum jetzigen Zeitpunkt, bin ich der Meinung, sollte man sich da zurückhalten und erst mal gucken, dass man das, was man aktuell auf der Agenda hat, dass man das ordentlich bewältigt und dass man so bald wie möglich wieder ordentlich an den Start kommt, in vernünftige

Verhältnisse. Und dann gilt natürlich das, was die Sozialministerin gesagt hat, dass die Beschlüsse, die im Rahmen der ASMK da zu dem Thema „Pflege und Unterstützung für pflegende Angehörige“ getroffen und gefasst worden sind, dass man da nahtlos anknüpft und das dann wieder fortsetzt.

Das wäre es von mir. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Herr Abgeordneter, einen Moment bitte! Es wurde eine Kurzintervention zu Ihrem Beitrag angemeldet.

Von der Fraktion der AfD.

Bitte, Herr Förster.

Ja, Herr Heydorn, das ist ja bedauerlich, dass Sie einfach wegrennen.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich wollte etwas klarstellen, weil Sie mich auch konkret angesprochen haben: Niemand hier, da beziehe ich jeden anderen auch ein, vertritt eine Meinung, dass man beliebig Menschenleben in Kauf nimmt. Das ist also ein großes Missverständnis.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Ich habe von mehreren gehört, dem schließe ich mich natürlich auch an, keiner weiß genau, was der richtige, was der Königsweg ist. Das ist eine schwierige Situation. Auch das habe ich in meiner Rede natürlich vollkommen anerkannt.

Ich habe aber vor allem in den Mittelpunkt gestellt die Verhältnismäßigkeit. Und jetzt gehen wir nur mal davon aus, rein theoretisch, wir hätten rein zahlenmäßig hinterher eine ähnliche Situation, wie es bei der Grippeepidemie 2017/2018 war. Dann müssten wir objektiv rückblickend feststellen, dass wir bei einer selben Situation hier mit dem Willen zu helfen riesige Schäden angerichtet haben. So, das hat...

(Manfred Dachner, SPD: Das ist aber nur theoretisch.)

Ja, natürlich ist das theoretisch. Natürlich ist das theoretisch,

(Manfred Dachner, SPD: Was bringt uns das?)

aber ich vermisse jede Bereitschaft, überhaupt darüber nachzudenken, ob dieser Weg auch aus heutiger Sicht, ob der wirklich so richtig ist. Und im Grunde auch jetzt mit Schweden, natürlich bin ich nicht in der Lage, das komplett zu beurteilen, was richtig ist. Nur, es sind ja politische Fragen, wie man vorgeht. Und in dieser Abwägung, glaube ich, wird jeder zugeben, sind Fehler gemacht worden. Und insbesondere ist doch eins eine quälende Perspektive: dass nach der Strategie, die wir betreiben,

immer einzudämmen – zugleich sagen die Experten, es lässt sich in der globalisierten Welt nicht komplett eindämmen –, dann kann das eine Veranstaltung von mehreren Jahren werden. Und trotzdem sagen wir zurzeit – das hat eine Parallele in gewisser Weise auch zur Migration –, es kann nicht auf Dauer aufrechterhalten werden. Das kneift sich irgendwie. Die Überlegung, wir kriegen es nun doch nicht ganz in den Griff, jeden Tag kann es wieder ein bisschen steigen, dann müssen wir wieder die Schrauben anziehen, das schafft ja auch schon allein in der Erwartung eine solche Unsicherheit, die eigentlich nicht hinnehmbar ist. Also im Grunde ist es eine ganz verfahrene Situation derzeit, ohne eine positive Endperspektive. Alles das muss man doch bedenken. Und dann,...

Bitte kommen Sie zum Schluss!

Und dann hier –...

Ihre Zeit ist abgelaufen.

... und das ist im Grunde das, was ich sagen will –, dann hier sich hinzustellen, moralisierend, und einem anderen Abgeordneten hier im Grunde eine latente Tötungsabsicht oder dass man hinnimmt,...

Bitte, Herr Förster!

... dass einfach Menschen sterben, das finde ich unredlich.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Mach doch das Mikro aus, Frau Präsidentin!)

Es ist komplizierter und wir müssen bereit sein, gegenseitige Positionen zu akzeptieren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Jens-Holger Schneider, AfD: Richtig! – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Oh Mann!)

Noch einmal für die Fraktion DIE LINKE hat das Wort der Abgeordnete Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich erst mal bedanken für die interessante Diskussion und die Auseinandersetzung mit dem von uns hier vorgelegten Thema. Uns ist völlig bewusst gewesen, das ist ein sozial innovativer Ansatz, diese Problematik herzunehmen, zu sagen, wir brauchen da eine Veränderung und wir greifen auf Überlegungen Dritter zurück, die uns sehr plausibel erschienen, und versuchen, es anzuwenden auf die Situation in Mecklenburg-Vorpommern.

Und es ist von zwei Rednern kritisiert oder mit Verwunderung aufgenommen worden, dass unsere Bundestagsfraktion zwar in die gleiche Kerbe haut, aber gar nicht so tief, sozusagen vorsichtiger vorgeht und es auf ein halbes Jahr begrenzt. Das hängt mit der Bewältigung der Corona-Pandemie und den Konsequenzen daraus zusammen. Aber es ist, das will ich hier mit aller Deutlichkeit sagen, das ist der Anspruch der Linksfraktion immer

gewesen, kreativ Themen aufzugreifen, damit umzugehen und nicht sozusagen im Fahrwasser einer Bundestagsfraktion zu schwimmen. Also wir bemühen uns da sehr wohl um eigenständige Ansätze. Alles andere kennen Sie selber, dass es immer ein Geben und Nehmen und ein Gedankenaustausch von Bundes- auf Landesebene ist, aber eine pure Blaupause oder Abschreiben, das ist nicht unser Ding und das wäre auch, sage ich mal, viel zu öde und ist also unter Niveau. Das machen Sie auch nicht. Es gab schon Fälle, wo das passiert ist, aber die sind hier auch entsprechend in Kritik gestellt worden oder hochgezogen worden, kann man sehen, wie man will.

Also uns geht es um diesen sozial innovativen Ansatz. Uns geht es darum, das bleibt nicht aus, dass soziale Sicherung dann neu konfiguriert werden muss. Das ist ja auch der Anspruch, den die Ministerin hat und hier deutlich gemacht hat. Und es ist schön, Frau Ministerin, dass Sie das so zu würdigen wissen, was wir vorgelegt haben, dass Sie sagen, ja, Sie empfinden das als Rückenwind, auch wenn Sie da in mancherlei Hinsicht sicherlich anderer Auffassung sind, aber Sie arbeiten und haben Arbeitsaufträge ausgelöst, um Lösungen zu finden für die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Das machen wir auch.

Zu Herrn de Jesus Fernandes möchte ich unbedingt noch mal sagen, Ihr Ansatz war ein rechtlich gesehen anderer, ein rechtlich anderer Kontext. Und wir haben gute Gründe gehabt zu sagen, wir nehmen zur Kenntnis, was Sie wollen, aber den Weg gehen wir nicht, weil Sie mit Ihrem Landespflegegeldgesetz zum einen ein anderes Ziel verfolgten, und es steht auch in einem anderen Zusammenhang, häusliche Pflege, und vor allen Dingen, welche Auswirkungen hat das auf die Pflege in Einrichtungen. Das ist hier nicht unser Ansatz.

Hier geht es in der Tat um die Lohnersatzleistungen und es ist dargelegt worden – Frau Friemann-Jennert hat ja darauf hingewiesen –, mit welchen Ungerechtigkeiten das verbunden sein kann. Das nehmen wir schon ernst. Frau Friemann-Jennert hat aber gleichzeitig darauf hingewiesen, ja, wenn das so durchdringen würde, was Sie hier vorhaben als LINKE, dann gibt es eine Ungerechtigkeit mit Blick auf die Kleinst- und Kleinunternehmen. Und da sagen wir schon, ich greife jetzt mal in mein ursprüngliches Redeskript zurück, das Recht auf bezahlte Pflegezeit soll zudem unabhängig von der Unternehmensgröße mit dem Schutz vor Kündigung und dem Rückkehrrecht an den Arbeitsplatz einhergehen.

Frau Friemann-Jennert sagt, das ist schwierig. Das ist klar, das sehen wir auch so, aber wenn man das nicht angeht als eine politische Zielvorstellung und eine Absicht, dann wird das ja auch nichts. Und wir sehen sehr wohl, dass eben viele Unternehmen hier in diesem Land mit weniger als 15 oder 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern arbeiten, und aus unserer Sicht soll es eben keine Kleinbetriebsklausel geben, die sozusagen eine Sperre bildet.

Die Frage ist, ich bin Herrn Heydorn dankbar, als er an mir vorbeikam, habe ich ihm das auch persönlich schon gesagt, weil Sie den Zusammenhang, den volkswirtschaftlichen Zusammenhang, noch mal deutlich gemacht haben und gesagt haben, na ja, da sind wir ja bei Ihnen, aber wer soll es bezahlen, und ganz besonders in dieser Situation. Und Sie haben gesagt dann, erfreulicherweise haben wir die Austeritätspolitik gehabt in der Vergangen

heit, deswegen können wir jetzt so handeln. Wir kommen in unserer politischen Einschätzung auf einen ganz anderen Punkt und sagen, weil es diese Austeritätspolitik gegeben hat, ist es alles viel schwieriger und viel schlimmer, denn die Austeritätspolitik hat doch zu, also zu mehreren Sachen geführt, zwei will ich herausheben: Das eine, die Vermögen der Reichen sind geschont worden zulasten der vielen kleinen Einkommen, und zum anderen sind vor allen Dingen die Banken als systemrelevant erklärt worden. Und jetzt zeigt sich, in der jetzigen Krise zeigt sich, wer wirklich systemrelevant ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Brauche ich nicht alles aufzuzählen, aber die Pflegekräfte gehören ganz bestimmt dazu. Hätte es die Austeritätspolitik nicht gegeben, wäre alles nicht so schlimm geworden. Das ist sozusagen unsere Erkenntnis. Und mit dieser Überlegung, das Sozialsystem neu aufzustellen und die pflegenden Angehörigen in den Blick zu nehmen und dafür zu sorgen, dass sie nicht schlechtgestellt sind und nicht Einkommensverluste haben, das haben ja auch alle Rednerinnen und Redner anerkannt, sehen wir da den Lösungsvorschlag.

Und dann will ich abschließend gern noch etwas sagen. Wir schicken, wir machen das so, wir schicken unsere Antragsentwürfe verschiedenen Expertinnen und Experten in eigener Sache und fragen danach, was haltet ihr denn davon, was wir da aufgeschrieben haben. Und heute Vormittag kam noch ein Brief von einer Frau aus Wismar, die schrieb, also den Antrag findet sie gut und wichtig, hat deutlich gemacht, was ihr alles nicht daran gefällt,

(Präsidentin Birgit Hesse übernimmt den Vorsitz.)

aber hat dann auch mal etwas geschrieben, was ich nicht vorenthalten möchte, weil es die Dimension dessen deutlich macht, in welcher Situation pflegende Angehörige denn sich befinden und was das monetär ausmacht.

„So läuft es bei uns“, schreibt sie. „Ich pflege meinen Mann mit Pflegegrad 4. Der Pflegedienst kommt morgens etwa 20 Minuten und abends etwa 10 Minuten – 30 Minuten von 24 Stunden. Wenn der Pflegedienst seine Leistung abgerechnet hat bei der Pflegekasse, bleiben für uns noch circa 190 Euro Pflegegeld übrig im Monat für 30 Tage Pflegeleistungen bei Tag und Nacht. Das sind 6,33 Euro pro Tag für alle Pflegeleistungen, die innerhalb der verbleibenden 23,5 Stunden täglich vom Pflegenden erbracht werden. Pflegekassenleistung maximal bei Pflegegrad 4: 1.612 Euro, Betrag der Leistung der Pflegekasse an den Pflegedienst: 1.083,51 Euro, unser selbst zu zahlender Eigenanteil an den Pflegedienst 48,76 Euro. Pflegegeld, das wir von der Pflegekasse bekommen: 238,67 Euro, unser Pflegegeld abzüglich selbst zu tragendem Eigenanteil: 189,91 Euro. Pflegegeld Pflegegrad 4 ohne Hinzuziehung eines Pflegedienstes 728 Euro.

Nun könnte man einwenden, dass die Pflege der Angehörigen Herzenssache sei und gar nicht bezahlt werden müsste, dann dürfte es aber ein Pflegegeld für pflegende Angehörige gar nicht geben. Das gibt es aber, also ist durchaus gewollt, dass diese Leistung honoriert wird. Ich weiß nicht“, schreibt sie, „welches Dritte-Welt-Land einen Entgeltsatz von 6,33 Euro pro Tag hat, wenn es das überhaupt gibt, aber hier gibt es einen solchen Satz. Von einem Mindestlohn pro Stunde kann hier nicht mal im

Ansatz die Rede sein. Der würde sich auf 27 Cent pro Stunde belaufen, nämlich 36,33 Euro durch 23,5 Stunden. Die Pflegekassen stufen den Pflegebedarf natürlich nicht mit 24 Stunden pro Tag ein. Dabei übersehen sie aber, dass die nicht aktiv Pflegende permanent in Betriebsbereitschaft ist, die in pflegenden Berufen ja auch bezahlte Arbeitszeit ist. Das anzuerkennen, würde den Pflegekassen nie in den Sinn kommen, das wäre ja auch viel zu teuer für sie und damit die Gemeinschaft der Beitragszahler. Deshalb ist es zwingend“, das ist ihr Schluss, „dass ich meinen Mann in die Tagespflege bringe und arbeiten gehe.“ So, Ende des Zitats.

Das ist jetzt mal so ein Blick, so richtig aus dem Leben, und ich glaube, solche Beispiele ließen sich noch mehrere finden. Wir sehen hier Handlungsbedarf und damit möchte ich die Erwiderungsrede schließen und den Bogen spannen, weil es hier auch um Würde geht.

Herr Professor Dr. Weber, Sie haben vorhin in Ihrer Rede die Würde von Frau Kollegin Bernhardt und unserer Fraktion sozusagen beeinträchtigt,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

indem Sie sagten, na ja, Frau Kollegin Bernhardt sei ja nicht selber gemeint gewesen, Sie hätten ja gesagt, also so ein Rednerpult müsse gesäubert werden, weil die „linken Bazillen“ ja besonders widerständig wären. Warum st...