Protocol of the Session on January 30, 2020

(Egbert Liskow, CDU: Ach so?)

aber da am Ortseingang der Alltag der Menschen weder beginnt noch endet, muss die gewollte Sichtbarmachung ganz andere Dimensionen erreichen. Mit einem Schild ist es nicht getan, und ganz sicher wissen das auch die engagierten Plattschnacker/-innen, dass diese Maßnahme zuallererst ein Symbol ist –

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja.)

Herr da Cunha bezeichnete sie als Anfang – als denn eine Lösung. Am Ende geht es doch immer um die tatsächliche Wirkung und nicht um einen dreisekündigen Augenblick, wenn ich mit dem Auto oder mit dem Rad oder, sofern denn ein Bus fährt, mit dem Bus an diesem Schild vorbeisause.

Und hier liegt vermutlich auch die Erklärung, warum SPD und CDU diesen Antrag vorgelegt haben, denn zuallererst geht es ihnen ganz offensichtlich um Öffentlichkeitsarbeit, denn würde es um mehr gehen, dann wäre dieser Antrag erstens keine Prüfung und zweitens würde er sich nicht beschränken auf die Sichtbarmachung des Niederdeutschen auf Ortsschildern.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Stattdessen hätten Sie das Anliegen der Vereine aufgegriffen, einfach mal geprüft – wahrscheinlich wissen Sie auch schon, wie es geht – und einen echten Beschluss vorgelegt. Stattdessen hätten Sie sich näher beschäftigt mit dem Thema Sichtbarmachung und erkannt, dass es viel, viel mehr zu tun gibt.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.)

Dieser Antrag ist nicht falsch, aber er ist ein Sturm im Wasserglas, ein kleiner Anlass, um den ganz offen

sichtlich sehr große Aufregung gemacht wird. Und dieses Gefühl stellt sich ein, weil viele andere Potenziale zur Förderung des Niederdeutschen und dessen Präsenz im alltäglichen Leben eben nicht genutzt werden.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.)

Sie klammern sich hier an den Strohhalm, den der BÜRGERHAFEN Ihnen gereicht hat, statt einen kräftigen Schluck aus der Pulle zu nehmen und wirklich etwas zu erreichen.

Und sofort muss man mit der Stirn runzeln, wenn man prüft und schaut, was tun wir denn nun eigentlich fürs Niederdeutsche im Land. Viele engagierte Vereine und Akteure kümmern sich in Kindergärten, in Schulen – Gott sei Dank –, aber im Januar beantwortete die Landesregierung eine Anfrage von Simone Oldenburg zum Landesprogramm „Meine Heimat – Mein modernes MecklenburgVorpommern“. Dort heißt es, die Landesregierung werde es ermöglichen, das Fach Niederdeutsch als zweite Fremdsprache an weiterführenden Schulen ab Klasse 7 einzurichten. Außerdem werde die Landesregierung vier Gymnasien einrichten, an denen Niederdeutsch bis zum Abitur als Fremdsprache erlernt und abgeschlossen werden kann.

Erstens, die Kultusministerkonferenz hat mittlerweile festgestellt, Plattdeutsch ist keine Fremdsprache.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.)

Aus diesem Grund kann und soll Niederdeutsch in der Schule weder den Erwerb der ersten noch der zweiten Fremdsprache ersetzen.

Was ist nun aus Ihrem Vorhaben geworden? Mittlerweile arbeiten zwar sechs Profilschulen an der Umsetzung, aber der Iststand zeigt, die Zahl der Lehrkräfte für das Fach Niederdeutsch ist verschwindend gering. In Demmin und Crivitz sind zwei Stellen besetzt. An den anderen Schulen ist noch nichts passiert. Erst dieses Jahr werden zwei Schülerinnen ihr Abi in Platt ablegen. Dieses Jahr – zwei!

Eine weitere Anfrage im Februar zeigt die Situation an den Hochschulen und da wird es nicht besser. An der Philologischen Fakultät der Universität Greifswald und dem Kompetenzzentrum für Niederdeutschdidaktik wurden im Sommersemester 2018 11 Studierende im Beifach Niederdeutsch ausgebildet. Im folgenden Wintersemester belegten 18 Studierende das Beifach Niederdeutsch. An der Uni Rostock werden übrigens gar keine Studierenden im Lehramt Niederdeutsch ausgebildet. Und die Zahl der Lehrkräfte, die sich selbst fortbilden, ist ebenfalls viel zu gering.

Unser Fazit: Dieses Programm fährt im Schlafwagen. Sie schreiben selbst, dass das Niederdeutsche heute weder als Erst- noch als Zweitsprache in nennenswertem Umfang erlernt wird. Um sie zu erhalten, müsse ein verlässliches Angebot in den Schulen durch den Unterricht unterbreitet werden.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Als Ortseingangsschild.)

Diesem Anspruch werden Sie nicht gerecht, auch nicht am Ortseingang.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ein weiteres Problem: Es fehlen Angebote für 20- bis 40- beziehungsweise 50-Jährige, hier für das sogenannte berufstätige Mittelalter mit Familie. Es fehlen Formate. Sie müssen sie einrichten, denn Angebote schaffen auch Nachfrage, und der Generationenwechsel in vielen Vereinsvorständen beweist ja, dass diese Generation auch ein Interesse hat, das Plattdeutsche zu lernen.

Und man könnte weitere Baustellen aufzählen. Wie gehen Sie mit der Volkskunde in Rostock um oder wie stehen Sie zur geschichtsträchtigen Festung Dömitz? Wie wird eigentlich mit der niederdeutschen Landesverfassung gearbeitet und mit anderen Schriftstücken der Landesregierung? Der BÜRGERHAFEN weist berechtigterweise auch darauf hin, dass die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen Niederdeutsch aufgenommen hat. Allein schon aus dieser Tatsache erwächst doch unsere Pflicht, etwas zu tun – nein, mehr zu tun, mehr zu tun, als Schilder zu bedrucken!

Als Kommunalpolitikerin, die gerade über einen neuen Namen für den IGA-Park diskutieren darf – vielleicht haben Sie die Debatte der Presse entnommen –, kann ich Folgendes verstehen: Bestimmt hätte die Situation einen Mehrwert, wenn vor Ort Kommunalpolitiker/-innen und Einwohner/-innen öffentlich darüber debattieren, ob und, wenn ja, welchen plattdeutschen Namen die eigene Kommune haben sollte. Diese Diskussion ist sicher ein Mehrwert, weil allein schon die Diskussion über das Niederdeutsche dem Niederdeutschen guttut, gar keine Frage.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Unser Änderungsantrag, werte Kolleginnen und Kollegen, nimmt deshalb auch die kommunale Ebene noch mal in den Blick und schaut auf die finanzielle Belastung. Wir bitten Sie auch zu schauen, ob das Land im Falle einer positiven Entscheidung vor Ort unterstützen kann.

Herr da Cunha, Sie sagten, der Antrag ist nicht mehr notwendig. Das heißt, ich schlussfolgere daraus, dass, wenn eine Gemeinde sich entscheidet, ein Zusatzschild anzubringen, trägt das Land die Kosten. Gut, das müssen wir dann noch mal klären, weil, wenn das nicht der Fall ist, dann wäre es gut, unserem Änderungsantrag zuzustimmen, der ganz und gar auch auf Ihrer Linie läuft. Auch er soll prüfen, wie und ob das Land dann helfen kann. Ich denke, das sollten wir auch tun, denn wenn wir uns da nicht weiterbewegen, bleibt dieser Antrag am Ende des Tages eben nur dieser kleine Sturm im Wasserglas, statt wirklich der Beginn einer neuen, echten Sichtbarmachung des Niederdeutschen zu sein. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete.

Das Wort hat jetzt der fraktionslose Abgeordnete Holger Arppe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Bürger! Vorhin beim Frühstück habe ich darüber nachgedacht, was hier wohl los wäre, wenn dieser Antrag von anderer Stel

le – sagen wir mal, von der AfD – gekommen wäre. Da hätte Herr Barlens Storch dann gleich wieder akute Mauser.

Aber natürlich hat niemand etwas gegen die Pflege der niederdeutschen Sprache, nur frage ich mich: Was soll dieser Antrag hier im Landtag? Es ist doch jeder Gemeinde und jeder Kommune völlig unbenommen, schon jetzt die Aufstellung eines Begrüßungsschildes in niederdeutscher Sprache am Ortseingang zu beschließen und dann mit den Kosten zu Ihrem hochgelobten Strategiefonds zu gehen und sich das da dann wiederzuholen.

Nein, dieser Antrag ist ein Schaufensterantrag, mit dem Sie den Bürgern suggerieren wollen, Sie wären – also jetzt, wo auch die nächsten Landtagswahlen ja immer näher rücken –, Sie wären so etwas wie heimatverbundene Patrioten, was Sie nicht sind, wie Sie an anderer Stelle durch Ihre politischen Entscheidungen ja immer wieder unter Beweis stellen. Wären Sie patriotisch im Herzen, dann hätten Sie statt dieses drolligen Antrages heute vielleicht besser eine Gedenkminute auf die Tagesordnung gesetzt, nämlich eine Gedenkminute für die Opfer des Untergangs der „Wilhelm Gustloff“, die heute vor 75 Jahren in der Ostsee gesunken ist, mit weit über 10.000 Passagieren, hauptsächlich Alte, Frauen und Kinder, Flüchtlinge, um das Wort dann an der Stelle auch mal zu gebrauchen. Über 9.000 Menschen sind damals ums Leben gekommen.

(Torsten Renz, CDU: Sprechen Sie mal zum Thema!)

Die wenigen Überlebenden sind auch im heutigen Mecklenburg-Vorpommern gelandet.

Herr Arppe, bei allem Verständnis...

Damit...

Einen Moment bitte! Bei allem Verständnis für dieses wichtige historische Ereignis, ich würde Sie bitten, jetzt zum Antrag, zur Sache zu sprechen.

Na ja, ich rede zum Antrag, denn der Antrag stellt ja ab auf Patriotismus letztendlich, auf Heimatverbundenheit, und darum geht es auch bei diesem Thema, denn da hätten Sie mal Mut zeigen können, Courage, ein Zeichen setzen können. Das haben Sie nicht getan, und mit solchen Mätzchen werden Sie die Bürger nachhaltig sicher nicht beeindrucken, geschweige denn Ihren politischen Niedergang aufhalten. – Vielen Dank.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Dr. Backhaus.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Leiwe Bürgers ut Mäkelborg-Vörpommern! Ick will ma seggen, de letzt Beidrach,

(Thomas Krüger, SPD: Waer nix, waer nix.)

mit Zitat würd ick mal so seggen: „Soʼn beten Grütz unner de Mütz, is to veel Nütz.“

(Beifall und Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

„Over een grot Hart unner de West, dat is dat Best!“

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Un dat gehört datau.

Ick heff im Übrigen de Verfattung mitbröcht, un ick glöw, dat wier sehr gaut, dat we in den letzten Johren disse Verfattung mit Leben erfüllen. Un ick bün im Übrigen auch noch de Schölers un de Lehrers dankbar, dass se ümmerhin 70 Schaulen hebben im Land un öwer 2.000 Schölerinnen un Schölers, de Platt schnacken. Is dat nich schön? Is dat nich schön?