Protocol of the Session on January 30, 2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Werbung heißt, Anreize zu schaffen, damit sich Konsumentinnen und Konsumenten für ein bestimmtes Produkt oder Angebot entscheiden. Die Palette der Marketinginstrumente ist breit, eine sachliche Information auf einer Webseite zu Methoden der Abtreibung gehört jedoch nicht ansatzweise unter die

Kategorie „Lockmittel“. Das wird Ihnen eine jede Frau in einer bestimmten Situation bestätigen. Der Begriff „Werbung“ und damit Werbeverbot ist also irreführend. Es geht um eine persönliche Lebensentscheidung und einen medizinischen Eingriff, eine Entscheidung also, die schließlich unumkehrbar ist. Ja, das ist so. Und das weitere Leben der Frau, die sich für einen solchen Eingriff entscheidet, wird maßgeblich beeinflusst.

Eine solche Entscheidung muss nach Abwägung aller Faktoren getroffen werden, ohne dass einem jemand reinredet oder gar notwendige Informationen vorenthält. In der Regel ist dafür im Falle eines Schwangerschaftsabbruchs nur wenige Wochen Zeit. Umso wichtiger ist hier ein niedrigschwelliger Zugang zu umfassenden Informationen, noch mal: Informationen, nicht Werbung!

Der Paragraf 219a ist ein Relikt – und das wird Ihnen nun wieder gar nicht passen – aus Zeiten des Nationalsozialismus. Er trägt den Mief einer Zeit an sich, in der ein Staat Frauen einem Diktat unterwirft und ihnen eine tradierte Rolle zuweist. Bis heute findet eine solche Entmündigung durch Paragraf 219a statt.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Es ist eine Beeinflussung durch unterlassene Information, liebe Kolleginnen und Kollegen. Heute ist es ein Paradox und Abtreibungen sind unter bestimmten Voraussetzungen straffrei, nur die Informationen sind es nicht. Das muss man sich mal überlegen! Abtreibungen sind unter bestimmten Voraussetzungen straffrei, aber Informationen darüber nicht. Das ist doch paradox!

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Das ist doch paradox! Jahrzehntelang schlummerte der Gesetzentwurf vor sich hin. In die Öffentlichkeit gelangte die Kontroverse über den Paragrafen 219a im Jahr 2017 mit der Verurteilung der Gießener Ärztin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe. Ich will das hier alles nicht wiederholen.

Wir erinnern uns, dass im März 2019 dann aufgrund zahlreicher Proteste – also es sind ja nicht nur wir elf, die hier im Landtag Mecklenburg-Vorpommern DIE LINKE vertreten, sondern es waren bundesweit zahlreiche Proteste –, im März 2017 wurde dann aufgrund dieser zahlreichen Proteste in einer Bundesratsinitiative des Landes Berlin, der sich die Länder Bremen, Brandenburg, Hamburg und Thüringen angeschlossen haben, eine Gesetzesänderung verabschiedet. Danach ist es Ärztinnen und Ärzten nun möglich, die bloße Information, dass sie Abtreibungen vornehmen, zu veröffentlichen. Aber weitergehende Informationen, um das Informationsrecht der Frauen zu gewährleisten oder zu stärken, sind eben nicht möglich.

Anfang März 2019 haben die FDP, DIE LINKE und GRÜNE im Bundestag angekündigt, eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht vorzubereiten. Die FDP sprang dann doch wegen vermeintlich geringer Erfolgsaussichten wenige Monate später ab und so verhinderte sie die für die Normenkontrollklage benötigte 25-prozentige Minderheit im Bundestag. Der sogenannte Kompromiss zu Paragraf 219a vom Februar 2019 ist also keine adäquate Lösung aus Sicht meiner Fraktion und kann auch die Rechtsunsicherheit nach Auffassung meiner Fraktion nicht ausräumen.

Dass die derzeitigen gesetzlichen Regelungen Ärztinnen und Ärzte weiterhin daran hindern, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben, Frauen umfassend zu informieren, zu beraten, und dass sie jene kriminalisieren, die fachliche Informationen etwa auf ihren Werbeportalen bereitstellen, das ist aus unserer Sicht nach wie vor skandalös, und deshalb müssen diese Regelungen gestrichen werden. Der Gesetzgeber muss handeln, davon sind wir fest überzeugt, und die in keiner Weise tragbare und paradoxe gesetzliche Bestimmung muss endlich abgeschafft werden.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, und wenn wir heute hier wieder keine Mehrheit erreichen können, dann kann ich Ihnen garantieren, dass wir dieses Thema immer und immer wieder aufrufen werden,

(Manfred Dachner, SPD: Gerne.)

so lange, bis das Selbstbestimmungsrecht der Frauen auch in unserem Land durchgesetzt ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Ritter, Sie haben nichts verstanden oder Sie wollen nichts verstehen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Christel Weißig, fraktionslos)

Es ist ganz interessiert, sich die Geschichte etwas vor Augen zu halten. Die Abtreibungsgeschichte ist eine sehr lange Geschichte. Bis 1972 war die Abtreibung in Deutschland, ein Schwangerschaftsabbruch, generell strafbar, bis auf die medizinische Indikation, wenn das Leben der Mutter gefährdet war.

(Andreas Butzki, SPD: In Westdeutschland! In Westdeutschland!)

Die DDR hat damit angefangen, mit der Fristenlösung. Übrigens interessant ist, mit 14 Gegenstimmen aus der CDU und 8 Enthaltungen war es die einzige Abstimmung in der Volkskammer, die nicht einstimmig erfolgte. Das zeigt also, wie umstritten das auch in der Gesellschaft damals war.

Es ist mehrfach gesagt worden – aber, wie gesagt, DIE LINKE will es nicht begreifen –, zum menschlichen Leben gehört auch das ungeborene. Auch ihm gebührt der Schutz des Staates. So genau hat es das Verfassungsgericht gesagt. Und deshalb gilt es, auch ein Untermaßverbot zu beachten. Zu den Mindestanforderungen des Schutzes zählt, auch so das Bundesverfassungsgericht, dass der Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich als Unrecht angesehen wird und demgemäß rechtlich verboten ist. Nach der Wiedervereinigung wurde die Fristenlösung aus der DDR mit der Indikationenlösung, die im Westen galt, vereint zu einer Neuregelung. Letztlich blieb übrig unter Mitwirkung des Verfassungsgerichtes wiede

rum eine Fristenlösung mit einer ergebnisoffenen Beratung, die den Schutz des ungeborenen Lebens in erster Linie im Vordergrund hat. Das haben Professor Weber und auch Dr. Manthei ausdrücklich hier ausgeführt.

Und dann hat das Ganze zu einer gewissen Befriedung geführt. Und daran immer wieder rumzukratzen, ist eigentlich unmöglich, ist das Gegenteil von Rechtstreue und Rechtsfrieden.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Sie sagen – Herr Ritter hat es ja eben in erstaunlicher Offenheit deutlich gemacht –, dass es Ihnen eigentlich gar nicht um den Paragrafen 219a geht, denn ich denke schon, dass Sie begriffen haben, dass das ein Gesamtkonzept ist, ein Gesamtwerk, wo man nicht irgendein Stück rausreißen kann. Die Information als solche ist ja völlig unbestritten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Worum gehts mir denn? Sagen Sie doch mal!)

Dass man darüber streiten kann, ob die Rechtsprechung mit der Information, ob man das Verhältnis ändern könnte, ist ein ganz anderes Thema. Ihnen geht es – das haben Sie deutlich gemacht – letztlich darum, auch den Paragrafen 218 abzuschaffen. Geben Sie es doch zu! Sie sagen nach wie vor, die Frau allein hat darüber zu entscheiden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja! Ja! Ja!)

Aber auch verfassungsgemäß ist es kein Pickel und keine Zyste,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da brauche ich nichts zuzugeben, da brauche ich nichts zuzugeben.)

es ist menschliches Leben, und deshalb geht das nur nach einer Beratung.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD, Holger Arppe, fraktionslos, und Christel Weißig, fraktionslos)

Und was die Jusos – und da sind Sie kein bisschen besser dran –, was die Jusos auf ihrem Bundeskongress mit ganz großer Mehrheit entschieden haben, teils unter dem Jubel, dass der 218 abgeschafft werden soll, das bedeutet im Ergebnis, dass bis zum Beginn der Austreibungswehen der Embryo getötet werden kann. Und das ist die Folge dessen, wenn man den 218 abschaffen will.

Herr Ritter, was Sie hier vertreten, ist verfassungswidrig, absolut verfassungswidrig.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD, Holger Arppe, fraktionslos, und Christel Weißig, fraktionslos)

Sie treten sonst für Kinderrechte ein, Sie haben das Wort „Menschenrechte“ ständig im Mund, wenn es um einen Migranten geht. Hier geht es ganz konkret, direkt um menschliches Leben, und Sie pfeifen auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtes und Sie lassen nicht locker, das sagen zu wollen.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das stimmt doch überhaupt nicht. Sie unterstellen hier Dinge, die überhaupt nicht stimmen.)

Ich finde das empörend.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD, Holger Arppe, fraktionslos, und Christel Weißig, fraktionslos)

Wir haben eine Rechtsordnung dazu, die in Jahren gewachsen ist, die zu einer Befriedung geführt hat,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist Ihre Auffassung! Das ist Ihre antiquierte Auffassung!)

und Sie reißen das alles auf, um dieser verfassungswidrigen Ziele vor. Und dann lassen Sie sich, wenn Sie es nicht glauben, rechtskundig mal vernünftig beraten,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Von Ihnen vielleicht noch?! Von Ihnen vielleicht noch?!)

da wird man Ihnen das genau erklären, genau erklären!

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Um das Bundesverfassungsgericht kommen Sie nicht drum herum. Und wenn Sie ein bisschen Rechtsempfinden haben, dann liegt das doch nicht so fern,

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

dass menschliches Leben auch geschützt werden muss, nicht absolut, nicht absolut, in der Abwägung, was da rausgekommen ist...

Ich gehe davon aus, …