Protocol of the Session on November 14, 2019

Herr Minister, einen Moment bitte! Darf ich Sie fragen, es gibt eine angemeldete Kurzintervention des Abgeordneten Förster. Sie können stehenbleiben, müssen das natürlich nicht.

Bitte schön, Herr Förster.

Ja, vielen Dank.

Herr Minister, ich muss Ihnen widersprechen. Ich meine, dass Sie eine sehr einseitige Analyse getroffen haben. Alles fing doch an – ich glaube, das ist ziemlich unstreitig inzwischen – mit dem Irakkrieg und wiederum dieser begann mit einer Täuschung der Weltgemeinschaft.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Der Irakkrieg war der Beginn eines Brandes im ganzen Nahen Osten, der bis jetzt noch nicht gelöscht ist. Und insofern stellt sich wirklich die Frage, wenn Sie die Wertegemeinschaft ansprechen, dann stelle ich die Gegenfrage: Wie oft oder sind Sie wirklich überzeugt, dass unser Hauptbundesgenosse, die Amerikaner, diese Kriege unter dem Gesichtspunkt der Wertegemeinschaft, ihre kriegerischen, ihre militärischen Aktionen – Kriege will ich jetzt so nicht sagen –, ihre militärischen Aktionen und Befriedungsmaßnahmen, in Anführungsstrichen, unter dem Gesichtspunkt der Wertegemeinschaft, dass man das dort einordnen kann? Ich glaube, wenn wir ehrlich und nüchtern sind, hat sich daran nichts geändert, dass die, die die Macht haben, ihre Aktionen unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung ihrer Macht und der Ausweitung ihrer Interessen ausüben und sonst gar nichts.

Und was nun Syrien anbelangt, ich glaube, auch da haben Sie etwas zu kurz gegriffen. Die Befriedung Syriens ist weitgehend durch Russland zustande gekommen. Das ist eine Realität, an der wir nicht vorbeikommen. Und wir werden auch nicht daran vorbeikommen, dass Assad dort ein Faktor ist, den man in eine Friedensregelung mit einbinden muss. Der existiert. Und dass dort eine gewisse Befriedung durch Russland geschaffen worden ist, das sollten wir mit Freude begrüßen auch und insofern nicht beiseiteschieben, nur, weil es der politisch nicht gewünschte Partner ist, der das geschafft hat.

Und was nun die Einsätze der Bundeswehr anbelangt, Sie sprachen von Parlamentsarmee. Ich will mal anführen – das ist so ein Schlagwort –, wir haben vor allem immer eine Wehrpflichtarmee gehabt, und das ist einer der ganz großen Sündenfälle gewesen, da eine Wehrpflicht – und ich kann mich erinnern,

(Zuruf von Dirk Friedriszik, SPD)

über Jahrzehnte war das ein Heiligtum, das nicht angekratzt werden durfte –, weil eben eine Wehrpflichtarmee eine Armee des Volkes ist. Jede Familie hat dann Leute, die in der Bundeswehr sind.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Und eine solche Armee, die schickt man nicht überall in die Welt. Und ich stelle mal die Frage...

Herr Förster!

... Parlamentsarmee:...

Herr Förster, Sie können jetzt...

… Wer von denen, die entscheiden, schicken ihre Söhne dorthin?

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Herr Förster, Ihre Zeit ist abgelaufen.

Herr Minister, möchten Sie darauf antworten?

Ja, selbstverständlich.

Also zunächst erst mal kann man zum Ausgangspunkt unterschiedliche Auffassungen haben. Ich habe auf den Arabischen Frühling und die Entwicklung in dem Zusammenhang mit Syrien verwiesen. Ich teile nicht in Gänze die Auffassung, die Sie haben, zum Thema Irak, aber das ist in der Sache der Natur so.

Was die Situation zu Amerika betrifft, habe ich, glaube ich, sehr ausführlich oder sehr ausdrücklich darauf verwiesen, dass Amerika als Bündnispartner zurzeit, eine – vorsichtig formuliert –, eine gewisse Unzuverlässigkeit ist und deswegen wichtig und richtig ist, dass wir uns als NATO so aufstellen, dass wir auch eigenständig und gemeinsam die Aufgaben, die wir in Europa und in der Welt zum Teil auch mit UNO-Mandat haben, lösen und angehen.

Das Thema Wehrpflicht: Herr Abgeordneter, Sie kennen meine Haltung oder vielleicht auch nicht, ich bin immer gegen die Abschaffung der Wehrpflicht gewesen, aber auch das entscheiden nicht die Abgeordneten des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, sondern in dem Fall ist es eine Entscheidung gewesen des Deutschen Bundestages und des Gesetzgebers. Ich habe zum Schluss sowieso schon keine richtige Wehrpflicht mehr gehabt, weil 60 Prozent bis 70 Prozent der Wehrpflichtigen sind nicht zum Dienst einberufen worden, weil sie den Dienst aus unterschiedlichen Gründen nicht angetreten haben. Also Wehrpflicht im Sinne von Wehrpflicht ist es schon lange nicht mehr gewesen. Das hängt auch zusammen mit der Reduzierung der Anzahl der Streitkräfte zunächst, mittlerweile wächst es ja wieder auf. Das ist aber vollkommen unabhängig davon, dass wir trotzdem eine Parlamentsarmee haben und immer noch der Deutsche Bundestag – das sind die gewählten Volksvertreter – entscheidet, ob Einsätze oder ob keine Einsätze. Und das halte ich nach wie vor für den richtigen Weg.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Marc Reinhardt, CDU: Jawohl!)

Danke schön, Herr Minister.

Ehe ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich eine neue Besuchergruppe begrüßen. Das sind Schülerinnen und Schüler aus Eggesin. Herzlich willkommen!

Jetzt hat für die Fraktion der AfD das Wort der Fraktionsvorsitzende Herr Kramer.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Liebe Landsleute! Der Antragsteller fordert die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene gegen jeden Einsatz der Bundeswehr in Syrien auszusprechen. Die Mitglieder meiner Fraktion stehen diesem Antrag mit unterschiedlichen Positionen gegenüber, deshalb werden wir in legitimer Weise hierzu offen abstimmen.

(Torsten Renz, CDU: Wir stimmen immer offen ab.)

Die von der Verteidigungsministerin vorgebrachte Forderung nach einer Schutzzone in Syrien ist differenziert zu betrachten.

(Zurufe von Marc Reinhardt, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Dabei sind drei Aspekte zentral: erstens völkerrechtliche Überlegungen, zweitens die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr und drittens die Interessen Deutschlands in dieser Region.

Meine Damen und Herren, wenn wir heute über Sinn und Zweck einer Schutzzone nachdenken, sollten wir im Sinne unserer Bürger zunächst klarstellen, was dies bedeutet. Zur Bewältigung von internationalen Konflikten – siehe Syrien – wird seit Ende des Kalten Krieges vermehrt von Schutzzonen gesprochen. Diese dienen dazu, Bürgerkriegsflüchtlingen einen international garantierten Schutzbereich zuzuweisen. Beispielgebend hierfür ist die UN-Schutzzone in Srebrenica. Vor dem Hintergrund einer Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen wurden 1993 die serbische Stadt Srebrenica und ihre Umgebung zu einem unter internationaler Aufsicht stehenden sicheren Gebiet erklärt. Dies war damals jedoch nur bedingt erfolgreich, da es an personellen und materiellen Ressourcen der Schutztruppe fehlte, worunter die Bevölkerung später massiv zu leiden hatte.

Annegret Kramp-Karrenbauer schlägt vor, dieses Konzept nun auf Syrien anzuwenden. Sie bleibt vage, was die Konkretisierung eines solchen Einsatzes angeht. So wird aus dem Bundestag berichtet, dass sie die Ausgestaltung konkreter Einsatzszenarien schuldig bleibt. Die AfD fordert, dass robuste Schutzzonen in Syrien nur unter UN-Mandat und mit Zustimmung des völkerrechtlich betroffenen Staates Syrien sowie entscheidender Akteure, wie zum Beispiel Russland, einzurichten sind. Der gegenwärtige Vorstoß der Verteidigungsministerin scheitert öffentlich bereits daran, dass er jegliches diplomatische Gespür einer aktiven Einbindung von bedeutenden Staaten vermissen lässt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und auch der syrische Präsident hat den bundesdeutschen Vorschlag bereits abgelehnt, weil er die Souveränität Syriens manifestierend verletzt. Machen wir uns klar, was die zwangsweise Durchsetzung einer Schutzzone gegen den Willen des Völkerrechtssubjektes Syrien sowohl für den Konflikt als auch für das Wohl deutscher Soldaten bedeuten würde: Es bedeutet Unsicherheit in der Region und die Inkaufnahme des Verlusts deutscher Soldatenleben.

Der zweite wichtige Aspekt ist, wie bereits angesprochen, die Einsatzfähigkeit unserer Bundeswehr. Hierzu darf ich einen Sozialdemokraten zitieren. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Hans-Peter Bartels kritisiert, dass der Bundeswehr für größere militärische Aufgaben das Gerät und Personal fehlen. Im Wortlaut heißt es, ich zitiere: „Wenn jemand meint, in einen weiteren Großeinsatz, etwa in Syrien, mal eben eine Brigade oder ein Brigadeäquivalent mit 5.000 Soldaten schicken zu können – dann kalkuliert er mit hohlen Strukturen... Die Truppe plagen... Engpässe. In Afghanistan sind wir nicht mehr in der Lage, selbst genügend Lufttransporte zu stellen und müssen die MI17-Hubschrauber sowjetischer Bauart von privaten Firmen mieten.“

(Zuruf von Christian Brade, SPD)

„In Mali mieten wir zivile Flugzeuge. … Wir können wahrlich nicht aus dem Vollen schöpfen.... Die Bundeswehr als Ganzes ist im Moment nicht voll einsatzfähig.“ Zitatende. Die Bundeswehr ist also aktuell nicht in der Lage,

einen solchen Einsatz zu begleiten, weder personell noch materiell. Nach Schätzungen sind 12.000 Soldaten pro Jahr nötig, um wirksam in Syrien aufgestellt zu sein. Ein solcher Einsatz ist mit den vorhandenen Kapazitäten ein vollkommen illusorisches Unterfangen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Meine Damen und Herren, es liegt im Interesse der Türkei, einen türkischen Korridor im syrischen Kurdengebiet zu schaffen. Dies resultiert zum einen aus Sicherheitsinteressen, soll aber auch als neue Ordnung den alten Gebietsansprüchen im Irak und in Syrien gerecht werden. Eine so aggressive Expansionspolitik kann den Interessen Deutschlands nicht dienen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Gegenzug haben wir allerdings das genuine Interesse, uns von der Türkei in der Migrationsfrage nicht weiter erpressen zu lassen und die Türkei zu einer weniger aggressiven Syrien-Politik zu bringen. Deutschland sollte deshalb seine Souveränität an den eigenen Grenzen zurückgewinnen und dafür Sorge tragen, dass selbiges auch an den Grenzen Europas geschieht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Die Diskussion um den Vorstoß der aktuellen Verteidigungsministerin zeigt, wie wenig Einfluss wir international noch haben. Deutschland kann gegenwärtig, und ich zitiere, „nicht einmal mehr den Status einer respektierten Mittelmacht beanspruchen und die EU stellt wenig mehr als einen zahnlosen Papiertiger mit imposanten bürokratischem Wasserkopf dar“.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

So hat der Journalist Michael Paulwitz in der „Jungen Freiheit“ die Debatte über einen Einsatz in Nordsyrien

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

treffsicher kommentiert.