Protocol of the Session on October 17, 2019

Wir brauchen endlich eine deutliche Erhöhung der Kinder- und Jugendmittel im Land Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, deshalb liegt Ihnen unser Gesetzentwurf vor. Er ist ein wichtiger weiterer Schritt der Linksfraktion, um die Situation in der Kinder- und Jugendarbeit Mecklenburg-Vorpommern zu verbessern. Bereits in der diesjährigen Januarsitzung des Landtages forderte meine Fraktion mit dem Antrag, das KJfG zu novellieren und die dazugehörigen Richtlinien anzu

passen, dass die Landesförderung nach Paragraf 6 von bisher 10,22 auf mindestens 15 Euro angehoben wird, die Landesförderung für die öffentlichen Träger aber von 5,11 auf mindestens 10,22 Euro und den Zuweisungen der Landesförderung die Anzahl der 6- bis 26-Jährigen zugrunde gelegt werden. Bereits damals machten wir auf die prekäre Situation der Kinder- und Jugendförderung im Land aufmerksam, gleichwohl wurde dieser Antrag hier im Landtag durch Sie abgelehnt.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wollen nicht, dass uns die Mitarbeiter der Kinder- und Jugendarbeit Brandbriefe schreiben müssen, weil ihre Arbeitsplätze aufgrund von Projektförderungen weichen müssen, so wie im Brief der AG § 78 SGB VIII „Jugendförderung“ des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte vom 25.09.2019 beschrieben. Statt Brandbriefe schreiben zu müssen, sollen die Mitarbeiter der Kinder- und Jugendarbeit sich mit den Kindern und Jugendlichen beschäftigen können und ihnen unterstützend zur Seite stehen. Wir haben ihnen dazu die erforderlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen. Statt Brandbriefe zu schreiben, sollten sie Sicherheit bezüglich ihrer Arbeitsplätze haben und sich den Kindern und Jugendlichen und ihren Herausforderungen und Problemen widmen.

Aktuell ist, wie gesagt, die Situation die, dass die Förderhöhe in der Jugendförderungsverordnung geregelt ist. Diese Regelungen datieren, wie gesagt, aus dem Jahr 1997, in Worten: seitdem nie angepasst. Mittlerweile ist die Situation von damals eine völlig andere, die Kaufkraft des Geldes hat sich in 22 Jahren deutlich verringert. Problemlagen, Kosten, Bedarfe, und Strukturen haben sich in der Zeit im Land Mecklenburg-Vorpommern erheblich verändert, mit anderen Worten, die Höhe der Förderung ist jetzt noch deutlich weniger auskömmlich, als sie es ohnehin schon 1997 war.

Eine Finanzierung von Jugendklubs und der mobilen Jugendarbeit wird mit den vorhandenen Mitteln immer weniger möglich, in den vergangenen Jahren ist die Jugendarbeit vielerorts gekürzt und ersatzlos gestrichen worden, obwohl sich die Herausforderungen, die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen deutlich verändert haben. Die Kinder- und Jugendförderung muss deshalb endlich bedarfsgerecht ausfinanziert werden. Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche gesund und chancengleich aufwachsen.

Kinderarmut – auch das ist ein großes Thema in Mecklenburg-Vorpommern. Beinahe jedes dritte Kind wächst hierzulande in Armut auf oder ist von Armut betroffen. Um genau bei diesen Problemlagen zu helfen, dafür sind die Mitarbeiterinnen unter anderem der Kinder- und Jugendarbeit da.

Es gibt erhebliche Probleme für die Kinder und Jugendlichen in ihren Lebenswelten in Mecklenburg-Vorpommern, und hier muss eben durch uns effektiv mit entgegengewirkt werden. Eine auskömmliche Ausstattung der Kinder- und Jugendförderung ist deshalb wichtiger als zuvor. Deshalb liegt Ihnen der vorliegende Gesetzentwurf vor. Er enthält drei wichtige Punkte:

Erstens geht es um die Anpassung der Förderhöhe. So soll die Gesamthöhe der Landesförderung nach Paragraf 6 Absatz 1 Satz 1 KJfG M-V auf 15 Euro und die Gesamthöhe der Landesförderung für die öffentlichen Träger der Jugendhilfe von 5,11 Euro auf 10,22 Euro pro

Kopf und pro Jahr erhöht werden. Diese Forderung ergibt sich einfach aus der finanziellen Situation der jeweiligen Träger.

Zweitens soll die Berechnungsgrundlage die Zahl – die Alterskohorte sozusagen – der 6- bis 26-Jährigen sein und nicht mehr die der 10- bis 26-Jährigen. Wenn man sich in den Jugendklubs umschaut, sind bereits die 6-/7-/8Jährigen in den Jugendklubs unterwegs, und auch diese bedürfen der Betreuung und sind deshalb bei der Alterskohorte mit einzurechnen.

Drittens soll die Förderhöhe in Zukunft nicht mehr in einer Verordnung, sondern im Gesetz selber geregelt sein. Wenn der Gesetzgeber die Landesregierung zu einer Verordnung ermächtigt, knüpft er auch daran eine Erwartungshaltung. Verordnungen sind flexibler als Gesetze, sie sind leichter zu ändern und müssen nicht jedes Mal durch das Parlament. Wenn ein Gesetzgeber also erwartet, dass ein bestimmter Bereich regelmäßig neu geregelt oder dynamisiert werden muss, ermächtigt er die Regierung zu einer Verordnung. Er vertraut dann darauf, dass die Regierung ihrer Verantwortung auch gerecht wird und die entsprechende Verordnung regelmäßig anpasst.

Genau das ist in diesem Bereich aber nicht passiert. Wir hantieren seit nunmehr 22 Jahren mit praktisch der gleichen Verordnung herum. Eigentlich ist genau das Gegenteil von dem passiert, was das Parlament sich einst erhofft hatte, es ist eine Stagnation eingetreten nach dem Motto: „Aus den Augen, aus dem Sinn, wir sind nicht mehr zuständig, soll das mal die Regierung machen.“ Insofern muss man natürlich feststellen, dass sich die Regelung der Gesamthöhe der Landesförderung in einer Verordnung nicht bewährt hat. Sie muss deshalb ins Gesetz geholt und vom Landtag selbst geregelt werden.

Werte Kolleginnen und Kollegen, die Kinder- und Jugendförderung muss endlich den tatsächlichen Bedarfen angepasst werden. Insofern hoffe ich auf Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung Frau Drese.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Uns liegt ein Gesetzentwurf der Linksfraktion zur Änderung des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes vor und ich freue mich, dass auch Ihnen eine Weiterentwicklung am Herzen liegt. Mir geht es ganz genauso.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Sie stellen es selbst in Ihrem Antrag dar, viele Jahre wurden die freiwilligen Fördermittel des Landes im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit nicht angepasst. Für mich war und ist es ein wichtiges politisches Ansinnen, landesseitig die Kommunen bei der Wahrnehmung ihrer originären Pflichtaufgabe „Jugendhilfe“ zu unterstützen.

Seit 1998 werden wir erstmals mit dem neuen Doppelhaushalt mehr Landesmittel zur Verfügung stellen. Das sollte ausdrücklich Ihre Zustimmung erfahren. Für mich heißt das, wir haben erfolgreich einen ersten Schritt gemacht zu einer umfänglichen künftigen Neuausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe. Dies will ich einmal an dieser Stelle ausdrücklich betonen. Natürlich kann eine Erhöhung immer noch deutlicher ausfallen, aber wir drehen jetzt das eingerostete Rad, und ich bin nicht bereit, die Schelte der vergangenen 20 Jahre auf mich zu laden, da sollten sich alle an die eigene Nase fassen.

(Torsten Renz, CDU: Frau Linke und Frau Bunge.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich betone auch ganz klar, dass die beabsichtigte Erhöhung der Förderung einen ersten Schritt auf unserem Weg zur Stärkung der Kinder- und Jugendarbeit bedeutet. Wir wollen und werden das Gesetz und die dazugehörigen Förderverordnungen auch inhaltlich novellieren, denn viel hat sich verändert, was hier Eingang finden muss. Die Digitalisierung und der demografische Wandel im ländlichen Raum als besondere Herausforderungen im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern schreiten kontinuierlich voran. Diese Entwicklung stellt Kommunen, die Bevölkerung und natürlich unsere Kinder und Jugendlichen vor immer neue Herausforderungen. Wir möchten als Land die nächste Generation Heranwachsender auch weiterhin dabei unterstützen, gut, gesund und zeitgemäß in Mecklenburg-Vorpommern aufzuwachsen und die Chancen zu nutzen.

Unserer Zielsetzung hat die Landesregierung durch die im Entwurf des Landeshaushalts 2020/2021 intendierte deutliche Änderung bei der Förderung der Kinder- und Jugendarbeit im Land Mecklenburg-Vorpommern Rechnung getragen. Mein Ministerium hat während der internen regierungsseitigen Verhandlungen zum neuen Doppelhaushalt einen ersten Schritt zu einer umfänglichen künftigen Neuausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe erreicht. Konkret bedeuten unsere Pläne rund 250.000 Euro mehr für die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab 2020. Die Aufstockung kommt ihnen also unmittelbar zugute und findet sich selbstverständlich auch im Haushaltsplanentwurf im Titel 1025/266.63 in der Maßnahmegruppe 61.

Na klar hätte ich mir als zuständige Fachministerin eine noch deutlichere Erhöhung vorstellen können, aber die Erhöhung der Landeszuschüsse ist ein deutlicher Fortschritt und ich bin dem Landeskabinett dankbar, hierfür grünes Licht gegeben zu haben. Darüber hinaus ist sowohl für die öffentlichen Träger als auch für die Förderung der freien Träger der Jugendhilfe in MecklenburgVorpommern ab 2021 eine dauerhafte jährliche Dynamisierung um 2,3 Prozent vorgesehen. Wir werden also zukünftig eine kontinuierliche Steigerung der Landeszuschüsse vornehmen. Auch das ist ein deutlicher Fortschritt zu den vergangenen 20 Jahren, meine Damen und Herren.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Fraktionsvorsitzenden Frau Oldenburg?

Ja.

Bitte schön.

Herzlichen Dank.

Frau Ministerin, Sie haben gesagt, Sie erhöhen – 250.000 mehr im Haushalt. Ist es richtig, dass bis jetzt das Alter, in denen Jugendliche gefördert waren, 10 bis 26 Jahre beträgt und künftig dann 6 bis 21 Jahre?

Zur Verschiebung der Kohorte komme ich in meiner Rede noch. Dazu lassen Sie mich nachher an der Stelle die Ausführungen machen. Aber wir wollen auch nach der fachlichen Beratung diese Alterskohorte verändern, ja.

Kann ich eine...

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Fraktionsvorsitzenden Frau Oldenburg?

Ja. Ach so! Na ja, wenn ich die erste zulasse, lasse ich die zweite auch zu. Das war für mich jetzt irgendwie logisch.

Na ja, das war mir jetzt nicht so klar. Wir müssen das alles formell abarbeiten.

Alles klar. Ja, ich lasse auch eine Nachfrage zu.

Gut, bitte.

Ist es richtig, dass bisher insgesamt 17 Jahre gefördert wurden, also 10 bis 26, und künftig im Alter von 6 bis 21 nur noch 16 Jahre gefördert werden?

Wenn man das so ausrechnet, ist das richtig. Das ist eine Verschiebung, aber ich komme darauf, wie gesagt, fachlich begründet gleich noch mal, auf die Verschiebung, ja?!

Danke.

(Torsten Renz, CDU: Die Anzahl der Kinder musst du noch...)

Hinzu kommt Folgendes: Die Anhebung hat aufgrund kommunalvertraglicher Verpflichtungen der Landkreise und kreisfreien Städte zur Folge, dass diese die Landesförderung mit kommunalen Mitteln spiegelbildlich gegenfinanzieren. Somit verdoppeln sich die eingesetzten Gelder für die Kinder- und Jugendarbeit. Die erhöhte Landesförderung bewirkt somit einen Hebeleffekt.

Sehr geehrte Damen und Herren, die neue Förderung beinhaltet auch die Anpassung der Alterskohorte. Sie umfasst nun die 6- bis 21-Jährigen, da diese in besonderem Maße Adressaten von Leistungen der Kinder- und Jugendarbeit sind. Durch diese neue Kohortenbildung wird die Altersgruppe der 22- bis 26-Jährigen aber nicht von der Jugendförderung per se ausgeschlossen. Die tatsächliche Möglichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen der Kinder- und Jugendarbeit durch diese Altersgruppe wird nicht berührt. Wir haben die Anpassung der Alterskohorte gleichwohl aus wohlüberlegten Gründen vorgenommen. Wir wissen aus der Praxis, dass Kinder von 6 bis 9 Jahren zunehmend sozialpädagogische Un

terstützung im Rahmen von Kinder- und Jugendarbeit erhalten. Demgegenüber reduziert sich der Aufwand der Kinder- und Jugendhilfe für Heranwachsende, die das 22. Lebensjahr vollendet haben.

Im Abstimmungsprozess mit der Fachebene, insbesondere Trägern der freien Jugendhilfe, wurde darauf hingewiesen, dass die Inanspruchnahme von Leistungen der Jugendarbeit vermehrt durch Kinder unter zehn Jahren erfolgt. Die Anpassung der Alterskohorte steht zudem im Einklang mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch. Hier heißt es in Paragraf 41 Absatz 1: „Einem jungen Volljährigen soll Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt

werden, wenn und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden.“ Zitatende.

Sehr geehrte Damen und Herren, Geld ist wichtig, keine Frage, aber auch neue inhaltliche Ansätze und Maßnahmen sind erforderlich. Auch hier sind wir meiner Meinung nach auf dem richtigen Weg. Um weiterhin die Kinder- und Jugendarbeit durch die Träger der freien Jugendhilfe zukunftssicher zu gestalten und junge Menschen im Land Mecklenburg-Vorpommern auf die Herausforderungen einer sich dynamisch entwickelnden Gesellschaft vorzubereiten, wird der Landesjugendplan als Grundlage der Förderung umfassend modernisiert. Allen voran fassen wir dann endlich eine Vielzahl bestehender Förderrichtlinien in einer Richtlinie, dem neuen Landesjugendplan, zusammen. Das ist wichtig insbesondere in der praktischen Arbeit.

Wir planen insgesamt zehn Eckpunkte. Ich nenne Ihnen gern einige Beispiele. So wollen wir der Jugendbeteiligung besondere Beachtung schenken. Aktuelle Debatten, insbesondere hier im Landtag zu „Jung sein in M-V“ und die „Fridays for Future“-Bewegung, zeigen uns ganz klar – allen Unkenruf zum Trotz –, wir haben keine Politikverdrossenheit unter den Jugendlichen. Sie wollen gehört werden, mitbestimmt teilhaben. Deshalb wollen wir solche Leistungen fördern, die geeignet sind, Kindern und Jugendlichen demokratische Prozesse in jeglicher Form von Partizipation näherzubringen.

Im Sozialministerium arbeiten wir zum Beispiel an einem Onlinebeteiligungstool. Dieses soll die Möglichkeit bieten, sich zu Schulen auszutauschen, kommunale Projekte kennenzulernen und abzustimmen.