Wir hatten im Jahr 1990 zur Wendezeit noch über 1.100 Gemeinden. Vor der Wende waren es sogar noch mehr als kurz nach der Wende. Und wir haben über 33 Prozent der Gemeinden im Zuge freiwilliger Fusionen – ich will hier nicht sagen, also man könnte sagen, abgebaut ist das falsche Wort –, wie gesagt, es waren freiwillige Fusionen, die aus den unterschiedlichsten Gründen stattgefunden haben. Also es waren sogar etwas über 33 Prozent. Es war also schon eine enorme Reduzierung der Anzahl der Gemeinden im Vorfeld gelaufen, bevor dieses Gesetz das Licht der Welt erblickte.
Für mich war das Gesetz auch besonders wichtig, weil eben jede Gemeinde, und das war ja der einzige Zwang, der dahinter war, tatsächlich gezwungen war – Herr Ritter, der einzige Zwang gezwungen –, sich selbst einzuschätzen. Und wenn man belacht, dass 96 Prozent der Gemeinden, die das getan haben, sich dann als zukunftsfähig einstufen, kann man das tun, aber ich sage,...
(Peter Ritter, DIE LINKE: Es war zu erwarten, dass die meisten sich da als leistungsfähig einschätzen.)
dann ergreifen wir Maßnahmen und machen euch entsprechende Vorschriften, die ihr letztendlich nicht wollt. Also das hat nicht stattgefunden. Es war eine freiwillige Einschätzung.
Wir haben – und das haben Sie wahrscheinlich auch – uns durchaus die Selbsteinschätzungen nach dem Punktesystem, das damals entwickelt wurde, angeschaut. Das habe ich in meinen Landkreis ganz genau getan und habe mich natürlich über die eine oder andere Bewertung sehr gewundert. Da hat sich eine Gemeinde praktisch als nicht lebensfähig eingeschätzt, die die allerbesten wirtschaftlichen Voraussetzungen hatte, während andere Maßstäbe angesetzt haben, aber diese Maßstäbe konnte man halt selber ansetzen. Das kann man als Manko sehen, das kann man als Ausdruck des Vertrauens in die kommunale Selbstverwaltung ansehen, aber das kann man, wie gesagt, aus zwei unterschiedlichen Richtungen betrachten.
Der Einsatz der Koordinatoren – das fand ich persönlich – war ein sehr schlauer Schachzug, vor allen Dingen die Personen, die als Koordinatoren eingesetzt wurden, waren gestandene Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker mit sehr, sehr hoher Erfahrung. Dass die nicht immer gewürdigt wurde, diese Erfahrung, wie der Innenminister es sagte, ist eine andere Geschichte, aber die Gemeinden, die nehmen für sich nun mal das Recht heraus, sich selber am besten auch einschätzen zu können. Und wenn sie – und da kamen ja die Koordinatoren ins Spiel –, wenn sie eine Fusionswilligkeit entwickelten, dann gab es diese Beratungspflicht, die mit dem Gesetz verbunden war.
Ich habe vorhin angesprochen, dass meiner Fraktion die Einführung eines anderen Modells als Angebot für Gemeinden, die eben lieber mit anderen zusammen einen Teil ihrer Aufgaben erfüllen möchten, also die sogenannten Verbandsgemeinden, das Verbandsgemeindemodell, das eingeführt wurde und überhaupt gar nicht zum Zuge kam, was mich persönlich nicht nur enttäuscht, sondern auch sehr gewundert hat … Und als wir die Koordinatoren zu Gast im Innenausschuss hatten, habe ich ja auch danach gefragt, und die sagten, na, das ist ein Modell, das ist ja nicht gerade nachgefragt worden, damit war ja auch keine Finanzausstattung, also keine Zuweisungen verbunden.
Das hat mich deswegen so gewundert, weil ich bei meiner Bereisung seinerzeit, als die Enquetekommission der 5. Legislaturperiode ihre Arbeit verrichtete, in den Ämtern durchaus häufig gefragt wurde, wie dieses Modell – das war damals schon im Gespräch – weiter umgesetzt werden könnte, was es für Vorteile und Nachteile hätte. Und
da war eigentlich ein sehr hohes Interesse. Und deswegen hat es mich ziemlich gewundert, dass das jetzt überhaupt gar nicht einmal angenommen und versucht wurde. Wie gesagt, es ist als Modellprojekt eingeführt worden.
Ich musste mir allerdings sagen lassen, dass davon abgeraten wurde. Diejenigen, die dafür Interesse zeigten in Anwendung des Gemeinde-Leitbildgesetzes, sind dahin gehend eher entmutigt worden. Das fand ich jetzt nicht so optimal, muss ich sagen. Letztendlich muss ich natürlich konstatieren, damit war auch kein Geld verbunden. Vielleicht hat das die Überzeugung in diese Richtung auch noch mal befördert, aber das ist jetzt eine reine Spekulation meinerseits. Dass dieses nicht gleichwertige Angebot nicht gleichmäßig ins Spiel gebracht wurde, sondern eher in der Beratung als nicht zielführend verwendet wurde, fand ich persönlich, wie gesagt, nicht besonders hilfreich.
Aber es ist, wie es ist. Wir sind hier heute an einem Punkt, an dem das Gesetz praktisch abgelaufen ist, das ist vorbei. Es gibt keine weiteren Mittel mehr. Die Mittel, die übrig sind, die werden einer anderen Verwendung zugeführt. Und damit haben wir hier einen Abschluss gefunden. Und für mich sind damit auch weitere Spekulationen bezüglich unserer Gemeindestrukturen abgeschlossen, und wir werden sie garantiert in dieser Wahlperiode oder in dieser Legislaturperiode in keiner Weise mehr auf die Tagesordnung setzen. Ich denke mal, was ich am Anfang sagte, für uns ist das ein Schlusspunkt in dieser Angelegenheit. – Und damit bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Liebe Kollegin Tegtmeier, ich will hier noch mal klarstellen, dass ich hier überhaupt nichts belächle. Ich habe lediglich festgestellt, dass zu erwarten war, dass die Mehrzahl der Gemeinden bei der Selbsteinschätzung ihre eigene Lebensfähigkeit feststellt, denn hätte die Mehrzahl der Gemeinden festgestellt, wir sind nicht überlebensfähig, dann hätten sich auch die Kommunalvertreterinnen und Kommunalvertreter selbst ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Und wer macht das schon?! Ich selber bin bei solchen Diskussionsprozessen dabei gewesen. Das waren sehr ernsthafte Diskussionsprozesse, und da gibt es überhaupt nichts zu belächeln und schon gar nichts zu unterstellen.
Zweitens. Ich gebe Ihnen recht, dass der Einsatz der KoordinatorInnen eine sehr wertvolle Hilfe war, dort, wo man sie angenommen hat. Ich habe die von mir hochgeschätzte ehemalige Bürgermeisterin der Stadt Altentreptow in meinen Bereich eingeladen. Sie hat sich sehr gefreut, dass sie überhaupt eine Einladung gekriegt hat. Das war schon eine ganze Weile, nachdem sie eingesetzt worden war. So viel zum Interesse auch der kommunalen Familie an der Zusammenarbeit mit den Koordinatorinnen und Koordinatoren.
Und drittens habe ich zur Kenntnis genommen, es war ja immer ein Herzenswunsch der SPD, Gemeindefusionen voranzubringen. Ich bin ja schon ein paar Tage dabei, wir haben auch in der gemeinsamen Koalition zu diesen Themen gearbeitet. Wir haben dann über Enquetekommissionen und Ähnliches versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Und ich erinnere mich noch sozusagen an die Abstimmungsschwierigkeiten dann in der Großen Koalition mit dem Ergebnis, dass letztendlich dieses Leitbildgesetz entstanden ist. Sie haben hier heute zum Ausdruck gebracht, dass sozusagen für Sie ein Endpunkt dieser Debatte erreicht ist, nachdem die Selbsteinschätzungen vorliegen und so weiter und so fort. Ich habe meinen Mitarbeitern jetzt empfohlen zu notieren, für mögliche Sondierungsgespräche im Jahr 2021, die Gemeindefusionsdebatte seitens der SPD ist am 05.09.2019 gestorben. – Danke schön.
Ja, Herr Ritter, was heißt „erwidern“, Sie haben hier einige Punkte nur noch mal aus Ihrer Sicht geradegezogen. Das Lächeln, das haben Sie vorhin gemacht. Ich habe mich darauf bezogen, dass Sie vorhin gelacht haben zu der Aussage, dass 96 Prozent sich selbst als zukunftsfähig eingeschätzt haben. Ansonsten haben Sie diesen Prozess vor Ort auch sehr genau beobachtet und begleitet.
Ich habe dazu selber auch eine Veranstaltung in Vorpommern durchgeführt, zusammen mit Herrn Glaser vom Städte- und Gemeindetag. Also von daher waren wir immer dicht dran und kennen auch diese ganz unterschiedlichen Selbsteinschätzungen und -bewertungen. Ich habe auch noch verschiedene Ämter besucht in dem Zusammenhang. Also ich glaube, ich habe da auch sehr viele Eindrücke sammeln können, und ich habe auch viel nachvollziehen können. Und ich habe für mich selber aber auch die Grenzen der Möglichkeiten der Gemeindefusionen im sinnvollen Rahmen erkannt in diesem Prozess. Deswegen konstatiere ich für mich, wir haben jetzt also ungefähr 35 Prozent weniger Gemeinden, als wir noch zur Wendezeit hatten, und irgendwann ist es auch mal gut.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ein grundlegendes Fazit, welches meine Fraktion aus dem vorliegenden Bericht der Landesregierung zieht, ist, in den Gemeinden unseres Landes pulsiert das Leben.
In dieser von sich aus gewachsenen Struktur lebt das Heimatgefühl, und dieses Heimatverbundene macht unsere Gemeinden lebens- und liebenswert.
Es ist deshalb vielmehr unsere Aufgabe, die Gemeinden in ihren Bemühungen, das gemeindliche Engagement aufrechtzuerhalten, zu fördern. Deshalb sind für meine Fraktion die Gespräche mit der kommunalen Ebene über das FAG und deren Auswirkungen auch so wichtig. Und deshalb werden wir auch weiterhin gegen Zwangsfusionen sein, denn es geht für uns in erster Linie um das ehrenamtliche Engagement vor Ort, und dies dürfen wir nicht ersticken.
Fusionen, die einvernehmlich und im Interesse aller Beteiligten erfolgen, unterstützen wir. Sie sind ein Zeichen der kommunalen Selbstverwaltung und nehmen die Menschen in die neue Gemeindestruktur mit, aber immer unter dem Aspekt der Freiwilligkeit. Und diese Freiwilligkeit lässt sich nicht erkaufen. Der Bericht zeigt, dass man mit Geld keine Basis schaffen kann, die nicht schon vorher da gewesen wäre. Finanzielle Anreize unterstützen nur, sind vielleicht der ausschlaggebende Teil für den letzten Schritt, aber sie sind eben nicht der Hauptgrund für Zusammenschlüsse und machen diese auch nicht attraktiver, aber – und das sagt der Bericht auch deutlich – sie sind eine Hilfestellung, und genau darum geht es doch. Wenn die Überlegungen in den Gemeinden über Gemeindefusionen existieren, dann dürfen finanzielle Erwägungen und Bedenken doch nicht der Grund sein, um von einer Fusion wieder abzuweichen.
Und deshalb unterstützt meine Fraktion ganz ausdrücklich das Fazit des Berichtes: Zwangsfusionen führen nicht zu einer Belebung des gemeindlichen Engagements, im Gegenteil, es kann vielmehr zu einem Ersterben kommen und damit zu einem direkten Verlust an demokratischer Basis und an Werten. Wer den Bericht richtig liest, der liest auch, dass die Gemeinden der Selbsteinschätzung selbstkritisch und skeptisch gegenüberstanden mit den Bedenken, dass eine negative Selbsteinschätzung in der Schublade das erste Eingeständnis und der erste Schritt für eine angeordnete Fusion werden könnte.
Zwangsfusionen sind und bleiben der schwerste Eingriff in den Schutzbereich der kommunalen Selbstautonomie. Und mit genau diesem Gedanken müssen wir an das Thema Gemeindefusionen herangehen. Zwangsfusionen sind der absolut letzte Schritt. Unsere Gemeinden im Land haben ein starkes Eigenbewusstsein und ein Bedürfnis nach politischer Autonomie. Darüber dürfen wir nicht einfach hinwegsehen. Deshalb sieht meine Fraktion den richtigen Weg in der Unterstützung der Gemeinden bei möglichen Fusionsverhandlungen. Auch eine finanzielle Unterstützung muss Bestandteil dieser Begleitung sein, aber wir dürfen das gemeindliche Engagement, die Heimatverbundenheit nicht durch angeordnete Maßnahmen unterdrücken.
Meine Fraktion hat viele Erkenntnisse aus diesem Bericht mitgenommen. Wir sind ebenso wie die Landesregierung der Ansicht, dass der Bericht natürlich nur dann Sinn macht, wenn auch ein Endergebnis vorliegt. Und gerade in der Schlussphase gab es ja auch die meisten Gespräche. Deshalb sehen wir die verspätete Zuleitung an das Parlament auch mit Nachsicht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Kann ich davon ausgehen, dass wir die Unterrichtung der Landesregierung auf Drucksache 7/3837 nach dieser Aussprache verfahrensmäßig für erledigt erklären?
(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Thomas Krüger, SPD: Ja, selbstverständlich! – Heiterkeit bei Sebastian Ehlers, CDU: Das können Sie nach jedem TOP fragen. – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)