Es ist Ihr gutes Recht, gegen die Befugnisse der Polizei zu sein, aber dann machen Sie sich nicht einen schlanken Fuß, wenn es um die Konsequenzen geht. Ich stehe jedenfalls voll und ganz zu dem Gesetz,
(Peter Ritter, DIE LINKE: „Konsequenzen“, das ist ein gutes Stichwort, da reden wir am Freitag drüber, über Konsequenzen!)
ich stehe jedenfalls voll und ganz zu dem Gesetz und den darin verankerten Befugnissen und bin froh, dass ich es heute hier im Landtag einbringen darf.
Meine Damen und Herren, ich erwähnte es bereits, wo ein Polizeigesetz novelliert wird, sind die Kritiker nicht fern. So äußerte sich beispielsweise der Deutsche Journalistenverband zum Aussageverweigerungsrecht von Journalisten im SOG-Entwurf. Das nehmen wir sehr ernst, das nehme ich sehr ernst, kann aber bereits Entwarnung geben. Das Aussageverweigerungsrecht von Journalisten bleibt weiterhin hinreichend gewährleistet. Der Gesetzentwurf enthält eine zentrale Norm zum Schutz von Berufsgeheimnisträgern, die auch Journalisten erfasst. Die Norm regelt, dass Maßnahmen zur Datenerhebung unzulässig sind, wenn sie voraussichtliche Erkenntnisse erbringen würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte. Dennoch, erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwertet werden und sind zu löschen. Eine verfassungsrechtlich zulässige Ausnahme besteht lediglich zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit und natürlich, wenn der Journalist selbst Täter ist.
Kritik kam erwartbar auch vom Datenschutzbeauftragten, obwohl mich Zeit und Ton etwas überraschten. Eine zentrale Kritik des LfD ist, dass das SOG hinter den alten Forderungen des Europarechts zurückbleibt. Das stimmt natürlich nicht. Dahinter steckt der nachvollziehbare Wunsch des LfD, seiner Behörde mehr Befugnisse einzuräumen. Damit verkennt er aber, dass die EU für die Sicherheitsbehörden ausdrücklich andere Vorgaben macht als beispielsweise für die freie Wirtschaft. Es ist kein Verstoß, diese Vorgaben als Grundlagen für das SOG heranzuziehen. So wird es in den meisten Bundesländern und in der gesamten EU gehandhabt und eben auch bei uns.
Auch die Kritik, dass das Gesetz unhandlich ist, weise ich zurück. Ich erwähnte es bereits, mir ist ein umfassendes Gesetz lieber als mehrere verschiedene Regelungswerke nebeneinander. Das erleichtert die Polizeiarbeit erheblich. Ich habe jedenfalls keinen Zweifel, dass Polizei und Ordnungsbehörden das Gesetz nach einer Einarbeitungszeit problemlos anwenden werden können. Und wenn ein Regelungswerk unhandlich ist, dann ist es nach meiner Auffassung derzeitig die Datenschutz-Grundverordnung.
Weiterhin wird uns vorgeworfen, dass Lösch- und Prüffristen im SOG fehlen. Das ist schlicht falsch. Wir haben eine umfassende zentrale Vorschrift im Gesetzentwurf, die strenger als die jetzige Regelung und strenger als die Regelung in vielen Bundesländern ist.
Es gibt noch weitere Kritikpunkte von der Kennzeichenerfassung bis zu den Richtervorbehalten, die wir entweder rechtlich entkräften können oder bei denen wir inhaltlich schlicht eine andere Auffassung haben. Aber für anregende Debatten wird im parlamentarischen Verfahren genügend Zeit sein, deshalb will ich das hier auch nicht weiter vertiefen. Vielmehr möchte ich das Augenmerk auf eine bunte Kritikertruppe richten, über die ich als Innenminister nur noch staunen kann.
SOG. Während im Hintergrund A.C.A.B. gerufen wurde, solidarisierten sich einzelne Landtagsabgeordnete am Mikrofon mit den Demonstranten. Gut, es muss jeder selbst entscheiden,
Doch selbst diese Zahl konnte nur erreicht werden, weil ein gewisser Herr Marteria viele, ich sage mal, „Fans“ von Hansa Rostock zur Teilnahme an der Demonstration motivieren konnte.
Herr Marteria ist also nun der Chefkritiker des SOG. Er hat auf seiner Facebook-Seite auch ein bemerkenswertes Video zum SOG eingestellt.
Sein erster Vorwurf ist, die Polizei könne bei jedem Bürger ohne richterliche Kontrolle Software auf PC oder Handy aufspielen, um diese zu überwachen. Ich denke mal, so stellt er sich die Onlinedurchsuchung und die Quellen-TKÜ vor. Das ist natürlich kompletter Unsinn! Sowohl Quellen-TKÜ als auch Onlinedurchsuchung stehen unter Richtervorbehalt. Bereits der Antrag auf richterliche Anordnung muss insbesondere den Sachverhalt und eine Begründung für die Maßnahme enthalten.
Bei der Onlinedurchsuchung wird sogar die Durchführung der Maßnahme richterlich überwacht. Und natürlich dürfen Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung nur bei Verdacht auf schwere Straftaten, wie zum Beispiel Kinderpornografie, eingesetzt werden. Es ist gar nicht so schwer zu verstehen, passt vielleicht sogar auf ein Facebook-Video.
Sein zweiter Vorwurf ist, dass jeder überwacht werden könnte, weil er mit einer Person zum Beispiel in einer WG wohnt. Auch diese Aussage ist natürlich falsch. Richtig ist, bereits nach jetziger Gesetzeslage können von bestimmten Personen Daten erhoben werden, die zum Beispiel mit der Zielperson zur Begehung von Straftaten in Verbindung stehen.
Der vorliegende Gesetzentwurf öffnet hier aber gerade nicht die Tore. Stattdessen haben wir uns ganz genau an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes gehalten und daran orientiert. Die Voraussetzungen, unter denen Daten von solchen Personen erhoben wer
den dürfen, wurden noch präziser gefasst. Ein mehr oder weniger zufälliger Kontakt oder ein persönlich näheres Verhältnis reichen pauschal eben nicht aus. Auch hier geht es selbstverständlich nur um die Abwehr von Straftaten von erheblicher Bedeutung oder von terroristischen Straftaten. Wenn also ein Mitbewohner von Herrn Marteria notorischer Schwarzfahrer ist, muss er nicht fürchten, dass sein Handy angezapft wird.
So, nun sind die inhaltsgleichen Vorwürfe ja nicht nur durch die Bank geradezu hanebüchen und entbehren jeder Grundlage, nein, jetzt wird auch noch öffentlichkeitswirksam die Stasikeule geschwungen.
(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Wo Sie das doch sonst immer machen! – Zuruf von Torsten Renz, CDU)
„Stasi reloaded“, das soll das neue SOG sein. Spätestens jetzt wird es für die Bildungseinrichtung, die Herr Marteria und seine Produzenten vom Video besucht haben, peinlich, richtig peinlich. Aber ich gebe gerne Nachhilfe!
Die Stasi war das machtvolle Unrechtsinstrument des Unrechtsstaates DDR. Die Stasi überwachte nicht nur in einem atemberaubenden Umfang die eigene Bevölkerung, sondern sie unterdrückte, verfolgte, folterte und im Zweifelfall tötete sie auch Kritiker. Als Pastorensohn habe ich eine Akte angelegt bekommen. Ich wollte und will auch nicht wissen, was da drinsteht, aber dass die Stasi tief ins Privatleben eingedrungen ist, das weiß hier jeder.
Und noch etwas: Wir sind nicht 1989 auf die Straße gegangen, um ein neues System zu schaffen, was noch perfektionierter funktioniert. Das weisen wir entschieden zurück! All das haben wir miterlebt und durcherlebt. Und auch mit diesem Hintergrund oder gerade durch diesen Hintergrund lege ich heute, 30 Jahre nach dem Mauerfall, ein Gesetz vor, mit dem ich Schwerkriminellen, Terroristen, Extremisten und Kinderpornografiebesitzern das Handwerk legen will. Und dann kommen diese Möchtegernbürgerrechtler und erzählen mir etwas von „Stasi reloaded“. Das ist nicht nur anmaßend, das ist auch dreist! Das ist Geschichtsklitterung,
das ist Geschichtsklitterung, das ist Relativierung von Unrecht. Jeder, der sich mit solchen Protagonisten in Sachen SOG gemeinmacht, sollte sich schämen!
Nun kann man ja mal sagen, ja, die darf man halt nicht so ernst nehmen, die haben etwas übertrieben. Nein, das ist ein Trugschluss! Marteria und „Feine Sahne Fischfilet“ erreichen viele junge Menschen, die sich über das SOG weder in Zeitungen noch über das Fernsehen oder die Facebook-Seite des Innenministeriums informieren.
Marteria mag ein grandioser Künstler und ein musikalisches Aushängeschild für Mecklenburg-Vorpommern sein. Wenn man sich dann aber unbedingt zu politischen Themen äußern will und äußern muss, hat man auch die Verantwortung, nicht irgendwelchen Stuss zu erzählen.
Ich sage Ihnen was: Die SOG-Demonstranten hätten mal nicht am Sonntag, sondern am Montag demonstrieren sollen.
Da hätten Sie mit Zeitzeugen reden können, die erlebten, wie der Volksaufstand von 1953 brutal niedergeschlagen wurde.
Sie hätten mit Bürgern reden können, denen die Bürgerrechte entzogen wurden und die hautnah erfahren mussten, wie die Stasi und ihre Schergen arbeiteten. Da hätten Herr Marteria und Co noch viel lernen können.
Der vorliegende Entwurf des SOG ist von der Stasi so weit entfernt wie Herrn Marterias Gesamtbild zur Geschichte oder das, was er da gelehrt bekommen hat. Insofern freue ich mich auf die Ausschussberatungen, eine angeregte Debatte. – Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.