So sind Geldleistungen für pflegende Angehörige so zu konzipieren, dass entgangenes Einkommen aufgrund reduzierter Erwerbstätigkeit und weitere Kostenaufwendungen angemessen berücksichtigt werden.
Nun, wie vereinbaren wir Pflege und Beruf? Der Arbeitgeber muss hier in erster Linie mitspielen. Für diese Unternehmen, die pflegende Angehörige beschäftigen, können zum Beispiel steuerliche Anreize geschaffen werden, damit die Attraktivität hier auch gewährleitet ist, damit diese jenes tun. Es ist alles möglich. Wir müssen weiter denken, um bestehende Probleme vernünftig lösen zu können.
Denken wir weiter: Was ist denn, wenn jemand seine kranke Mutter über Jahre pflegt? Er geht aktuell wahrscheinlich weniger arbeiten, hat so am Ende weniger Geld zur Verfügung. Und was passiert dann später?
Damit kommen wir zu Punkt 3 unseres Antrags: Dadurch, dass er weniger gearbeitet hat, zahlt er effektiv weniger in die Rentenkasse ein und wird somit später einen Nachteil haben. Das wollen wir so nicht. Wir wollen das ändern. Entlastungsangebote sind hier zu prüfen. Schwarz-Weiß-Denken bringt uns in diesem Bereich nicht weiter. Wir müssen Alternativen finden, daher alter
(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Da habe ich mich aber zurückgehalten.)
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Um das Wort gebeten hat für die Landesregierung die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung Frau Drese.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wie bereits in der letzten Landtagssitzung legt die AfDFraktion einen Antrag zum Thema Pflege vor. Ich begrüße ausdrücklich, dass wir darüber kontinuierlich debattieren, denn die zukünftige Gestaltung der Pflege ist einer der wichtigsten Politikbereiche heute und erst recht in den kommenden Jahren.
Lassen Sie mich zu den einzelnen Punkten des Antrags kommen. So fordert die AfD in Punkt 1 die Prüfung und Konzipierung eines Landespflegegeldes. Vorbild soll der Freistaat Bayern sein, der bisher als einziges Bundesland seit September 2018 ein Landespflegegeld eingeführt hat. Das Landespflegegeld in Bayern beträgt jährlich 1.000 Euro für pflegebedürftige Menschen ab Pflegegrad 2, dabei unabhängig, ob ambulant oder stationär betreut wird. Hierfür investiert Bayern 400 Millionen Euro jährlich. Ich glaube, dem Finanzminister wird schon ganz blümerant zumute.
Ganz so hoch wären die Ausgaben für MecklenburgVorpommern nicht, aber bei rund 90.000 pflegebedürftigen Personen zumindest mit dem Pflegegrad 2 müssten wir unter Maßgabe derselben Bedingungen wie in Bayern jährlich also 90 Millionen Euro für das Landespflegegeld in den Landeshaushalt einstellen. Auch bei dieser Summe würde Herr Meyer zu Recht fragen, woher das Geld dafür kommen soll. Und das wäre auch nur der Istzustand. Mittelfristig, das wissen wir alle, wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen erheblich ansteigen. Das Landespflegegeld wäre demnach jährlich um einen absoluten zahlendeutlichen Betrag zu erhöhen. Hinzu kommt, dem gewaltigen finanziellen Aufwand für das Land steht mit 1.000 Euro pauschal jährlich eine relativ geringe Summe jedem einzelnen Pflegebedürftigen gegenüber. Sie entspricht etwa 84 Euro im Monat zusätzlich.
Das wäre sicherlich eine Hilfe, aber im Ergebnis ist der Effekt trotz eines sehr massiven Mitteleinsatzes bei den
einzelnen pflegebedürftigen Menschen insgesamt recht gering. Daher gibt es hinsichtlich der bayerischen Landespflegegelddiskussion zwischen Bayern und dem Bund auch noch Gespräche, inwieweit das Landespflegegeld auf andere Sozialleistungen anzurechnen ist. Zumindest bei Leistungen der Hilfe zur Pflege sieht das BMAS eine gleiche Zielrichtung der Leistung und spricht sich für eine Anrechnung aus. Insoweit ist auch nicht sicher, ob ein Landespflegegeld vollständig bei den Betroffenen ankommen würde. Sie sehen also durchaus auch eine fachliche und nicht nur monetäre Skepsis der Landesregierung zum Pflegegeld.
Und last, but not least, die Einführung eines Pflegegeldes würde uns auf anderen pflegepolitischen Feldern praktisch handlungsunfähig machen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir gehen im Land unter unserer pflegepolitischen Maxime „Ambulant vor stationär“ andere Wege zur Unterstützung der pflegebedürftigen Menschen und ihrer pflegebedürftigen Angehörigen. Und wir üben Druck auf den Bund, auf die Pflegekassen, auf die Pflegewirtschaft aus, ihren Beitrag für eine bessere Pflege zu leisten und für bessere Bedingungen für Pflegebeschäftigte zu sorgen.
Auf Landesebene legt mein Ministerium großen Wert auf eine ausgewogene Pflegestruktur aus professioneller, familiärer sowie ehrenamtlicher Pflege. Ich will insbesondere die ambulante Pflegestruktur weiter ausbauen und stärken und ich will bewährte Maßnahmen und Projekte im Pflegebereich vorantreiben. Einige Beispiele:
Wir ändern gerade die Betreuungsangebotelandesverordnung, neu wird sie „Unterstützungsangebotelandesverordnung“ heißen, und führen etwa die ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe ein. In wenigen Wochen können Nachbarschaftshelferinnen und -helfer ausgewählte, niedrigschwellige Leistungen zur Unterstützung im Alltag für Pflegebedürftige im Rahmen der Einzelbetreuung erbringen. Damit werden dann auch ambulante Pflegedienste entlastet, die sich auf pflegerische Leistungen konzentrieren können.
Wir geben einen pausschalen Zuschuss je Platz zu den betriebsnotwendigen Aufwendungen teilstationärer Pflegeeinrichtungen, geregelt im Landespflegegesetz. Es gibt eine Förderung zur Einrichtung von ambulant betreuten Demenzwohngemeinschaften. Wir haben den Aufbau eines engmaschigen, gut angenommenen und professionellen Beratungsnetzes bezuschusst. Mittlerweile gibt es 18 Pflegestützpunkte im gesamten Land, die Pflegebedürftige und pflegende Angehörige fachlich gut, neutral und kostenlos beraten und auf Fördermöglichkeiten hinweisen. Wir wollen das Beratungsportfolio jetzt um eine spezifische Wohnberatung erweitern.
Wir unterstützen alle Landkreise und kreisfreien Städte für das Erstellen und die Weiterentwicklung von regionalen integrierten Landespflegesozialplanungen, einschließlich der Modellprojekte. Wir fördern den Auf- und Ausbau sowie den Erhalt niedrigschwelliger Betreuungsangebote. Wir fördern Modellprojekte zur Erprobung neuer Versorgungskonzepte und Versorgungsstrukturen für Pflegebedürftige. Wir wollen die Kurzzeitpflege kontinuierlich verbessern.
Auf Bundesebene begleiten wir als Landesregierung und ich als Sozialministerin sowohl Gesetzesvorhaben, die „Konzertierte Aktion Pflege“ wie auch die unterschied
lichsten Gremien insbesondere im Hinblick auf die Frage der Entlastung pflegender Angehöriger stets eng und konstruktiv. Auch hierzu will ich Ihnen einige Beispiele nennen: die ASMK 2018, dort waren wir Mitantragsteller bei dem Antrag „Stärkung solitärer Kurzzeitpflege und pflegende Angehörige entlasten“. Bei der ASMK 2019 ist ein Leitantrag geplant zur zukünftigen Finanzierung der Pflegeversicherung. Ein weiterer geplanter Antrag soll die Entlastung der pflegenden Angehörigen zum Gegenstand haben.
Genau diese beiden letztgenannten Themen sind für mich von elementarer Bedeutung. Ich setze mich für eine Reform der Pflegeversicherung ein. Wir brauchen hierzu eine breite politische und gesellschaftliche Debatte. Genau die will ich befördern, unter anderem mit dem erwähnten ASMK-Leitantrag. Und wir brauchen weitere Entlastungen für die Menschen, die tagtäglich ihre Angehörigen oft über die eigenen Kräfte hinaus pflegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auch noch kurz zu den beiden anderen Punkten im Antrag Stellung nehmen. Die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege zu verbessern, heißt auch, für gute Kitas, gute Tagespflege und gute Schulen zu sorgen. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern große Anstrengungen unternommen, um die Kinderbetreuung im Land zu verbessern. Damit meine ich nicht nur die Entlastung von Eltern bei der Beitragssenkung, zum Beispiel durch die komplette Beitragsabschaffung 2020. Es geht hierbei auch um ausreichend Plätze und um den Umfang unserer Kindertagesförderung inklusive Randzeitenbetreuung. In beiden Bereichen sind wir bundesweit spitze. Dies sind Rahmenbedingungen, die Freiräume für Eltern schaffen, zum Beispiel auch, um kranke oder pflegebedürftige Familienangehörige zu unterstützen.
Weitere konkrete Maßnahmen auf Landesebene, die ich hier nur kurz antippen möchte, sind die Helferkreise, das Landeszentrum für Gleichstellung und Vereinbarkeit in Mecklenburg-Vorpommern und der familienentlastende Dienst. Darüber hinaus sind auch hier wieder die Pflegestützpunkte, unsere Betreuungsangebotelandesverordnung und die Verbesserung der Kurzzeitpflege zu nennen.
Auf Bundesebene sind in den letzten Jahren einige grundsätzliche Rahmenbedingungen verbessert worden, wie der gesetzliche Anspruch auf Pflegezeit, auf Familienpflegezeit oder der gesetzliche Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsfreistellung im Falle des erstmaligen Eintritts des Pflegebedarfs eines Angehörigen. Zudem gibt es eine steuerliche Förderung für pflegende Angehörige. Das Pflegegeld ist für sie steuerfrei. Denjenigen, die kein Pflegegeld erhalten, steht der Pflegepauschbetrag der steuerlichen Entlastung zur Verfügung.
Zum Abschluss noch einige Worte zur Absicherung pflegender Angehöriger in der Sozialversicherung, der Punkt 3 des Antrags. Nicht erwerbsmäßige Pflegepersonen sind unter bestimmten Voraussetzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Die Beiträge werden von der jeweiligen Pflegekasse gezahlt. Durch das Pflegestärkungsgesetz wurde die rentenrechtliche Anerkennung von Pflegezeiten bereits verbessert. Hier kann sicherlich auch noch mehr erfolgen. So setzt sich Mecklenburg-Vorpommern für die Absicherung der pflegenden Angehörigen in den Sozialversicherungen im Rahmen der unterschiedlichsten Konferenzen ein, so auch auf der
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vollmundig hat Herr de Jesus Fernandes angekündigt und hier zu begründen versucht, man würde alternative Wege gehen und dem Pflegenotstand mit neuen Konzepten begegnen. Liest man sich jetzt diese Punkte durch, und es ist ja auch schon angeklungen, dann ist da von neuen Konzepten eigentlich nicht die Rede, sondern von der Übernahme von Maßnahmen in anderen Ländern – im ersten Punkt, Einführung eines Landespflegegeldes. Das ist also kein neuer Weg. Ich werde nachher noch mal mich darüber auslassen.
Das Zweite, Maßnahmenkonzept zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Da läuft einiges im Bundesministerium von Jens Spahn, das kann man gut finden oder nicht gut finden, aber auch das ist kein neuer Weg.
Und das Dritte, was Sie anbieten, ist die Absicherung pflegender Angehöriger mit Rentenpunkten. Auch das ist nicht neu. Das schlagen andere Fraktionen auch vor, die im Bundestag sitzen.
Was aber die Alternative darstellt – ich suche oft den Punkt der eine Alternative sein könnte, denn eigentlich sind Sie eben oft auf ausgelatschten Pfaden unterwegs –, aber die Alternative besteht darin, dass Sie das, statt die staatliche Verantwortung für Pflege insgesamt zu stärken, wollen Sie das mehr und mehr in die Familie, also in den privaten Bereich überführen.
Das ist durchaus ein gangbarer Weg, führt aber zu dem Punkt, auf den Sie hinwollen, nämlich den weiteren Rückzug des Staates aus Fragen der sozialen Sicherung und der Fürsorge.
Soziale Fragen sollen mehr und mehr Privatsache sein, und in diesem Falle ist die Privatsache dann auch noch vor allen Dingen die Angelegenheit von Frauen und Mädchen. Insofern bleiben Sie sich sehr treu, dass Sie …