Auch die Kritik an der Verständlichkeit des neuen SOGEntwurfs ist nicht unberechtigt. Wir stimmen dem Landesdatenschutzbeauftragten in dem Punkt zu, dass es ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit ist, Gesetze möglichst lesbar und anwenderfreundlich zu gestalten. Welche konkreten Verbesserungen hierzu möglich sind, ist noch zu diskutieren. Mit Sorge denke ich an die Polizeischüler an der Fachhochschule der Polizei und öffentliches Recht, die dieses Gesetzeswerk hier auswendig lernen müssen, um sicher sein zu können im Umgang mit den Eingriffsermächtigungen.
Auch über etwaige Datenschutzbedenken sowie eine öffentlich kursierende Sorge, dass einer Einschränkung der Pressefreiheit Vorschub geleistet wird, muss intensiv debattiert werden, Herr Ritter. Wir sollten daher im Ausschuss eine umfassende Anhörung unterschiedlichster Experten zulassen und von der üblichen Regel, ein Experte pro Abgeordneten, in diesem Fall abweichen.
Die schon jetzt kursierende Kritik ist zu wichtig, als dass ein hier verengter Diskurs stattfinden darf.
Meine Damen und Herren, ich schließe meinen Beitrag mit den Worten der Publizistin Eva-Maria Michels: Es ist die geistige Verfassung des Menschen, nicht ein Stück Papier, das über eine gute Regierung entscheidet. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Also mich hat Minister Caffier heute auch überrascht. So emotional erleben wir ihn selten. Das ist in der Tat so. Aber trotz alledem, reden hilft.
Die Demonstranten, die am Tag des offenen Schlosses sich draußen zusammengefunden haben, die sind ja
eigentlich unter falschen Voraussetzungen dort aufgeschlagen. Die haben sich daran erhitzt und aufstacheln lassen, am ersten Kabinettsentwurf, der in einigen Punkten auch bewusst fehlinterpretiert wurde, wie mir scheint.
Herr Minister, wir haben in einer Gruppe in unserer Fraktion mit den Hansa-Fans ein Gespräch geführt,
weil man ganz einfach auch gar nicht wusste, dass es eine Entwicklung gegeben hat und dass zwischen erster und zweiter Kabinettsvorlage ja auch noch einige Veränderungen vorgenommen wurden.
Herr Kramer, ich bin sehr froh, dass der Minister Ihnen in Ihren Auffassungen oft nicht folgt, sonst würden wir nämlich heute hier nicht über das Sicherheits- und Ordnungsgesetz debattieren. Die Forderungen, die Sie hier aufmachen, die würden von uns auf keinen Fall mitgetragen werden. Und wenn Sie hier den finalen Rettungsschuss konkret ansprechen, muss ich Ihnen sagen, wir haben das mit aufgenommen und auch als SPD-Fraktion letztendlich befürwortet, weil es ein Herzensanliegen der Polizei gewesen ist, hier endlich eine Rechtssicherheit herbeizuführen, weil das ist ja keine neue Möglichkeit, sondern es ist eine Ausformulierung im Gesetz, um damit eine Rechtssicherheit zu schaffen.
Es ist ein etwas, wenn hier von Vertrauen in unsere Sicherheitsorgane ist, tatsächlich sogar ein bisschen seltsamer Zeitpunkt hier heute. Wir haben in den vergangenen Wochen leider über viel Kritik und viele Geschehnisse hier reden müssen, die wir uns so nie vorstellen konnten, was schwarze Schafe bei Polizei und SEK betrifft. Da werden wir uns ja auch weiter noch mit den Themen beschäftigen.
Aber ich komme jetzt direkt mal zum Gesetz, genug der Vorworte. Das Sicherheits- und Ordnungsgesetz oder, wie es richtig heißt, Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern bestimmt natürlich die Handlungsspielräume für Polizei und Ordnungsbehörden. Die beschriebenen Befugnisse sind das wesentliche Instrumentarium, Gefahren abzuwehren und damit Rechtsgüter zu schützen, um so eben die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Land zu gewährleisten. Einerseits spielen natürlich die Bekämpfung auch des internationalen Terrorismus, die Abwehr inzwischen hoch technisierter und digitalisierter Organisierter Kriminalität, die Erkennung und Zerschlagung rechtsextremen Terrors, die Verhinderung von menschenfeindlichen Ausschreitungen bei den Demonstrationen und vieles mehr eine wichtige Rolle. Andererseits bekommen der Schutz vor Kriminalität im Internet, aber auch natürlich die total berechtigte Sorge, was Spionage und Überwachung und generell ein gesteigertes Bewusstsein für die informationelle Selbstbestimmung und den Schutz des Privaten im Zeitalter vernetzter Systeme eine immer größere Bedeutung.
Es kommt uns als SPD-Fraktion darauf an, die Erfordernisse einer aktuellen Gefahrenlage stets mit denen der informationellen Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger sorgfältig abzuwägen. Wir wollen also das Sicherheits- und Ordnungsgesetz mit der optimalen Balance zwischen Freiheit und Sicherheit beschließen, denn – der Minister hat es angesprochen – je tiefer behördliches Handeln in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen kann, desto enger sind die Eingriffsvoraussetzungen und die Schutzmaßnahmen, wie beispielweise durch den Fokus auf nur schwerste Delikte und Straftaten oder eben den Richtervorbehalt, auszugestalten. Freiheitsrechte dürfen also nur dort eingeschränkt werden, wo es für die Gefahrenabwehr zwingend erforderlich und aufgrund der Schwere der Straftatbestände verfassungsrechtlich zulässig ist. Eine flächendeckende oder anlasslose Einschränkung von Freiheitsrechten ist nach wie vor ausgeschlossen.
Und das war ja auch eine Kritik hier von Marteria und den Hansa-Fans. Die hatten die Befürchtung, dass durch den Einsatz von Drohnen bei Großereignissen, die nicht dem Versammlungsrecht unterliegen, jetzt ständig Drohnen herumflattern und Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen machen könnten. Das ist nicht so. Um hier für Klarheit zu sorgen, wurde das in der Präambel unter anderem zum SOG einleitend aufgegriffen.
Wir verfolgen auch nicht den Ansatz, der Polizei die maximale Anzahl an Instrumenten an die Hand zu geben. Wir wollen der Polizei genau die richtigen und wirksamen Werkzeuge bieten, und das rechtssicher und so, dass die Persönlichkeitsrechte der Bevölkerung bestmöglich geschützt werden. Bayerische Regelungen, wie die Absenkung der Eingriffsschwelle für polizeiliche Maßnahmen durch die drohende Gefahr, eine Ausweitung des präventiven Gewahrsams, was Herr Kramer oder die AfD ja offensichtlich nach wie vor fordert, Kontaktverbote oder einiges mehr, spielen in unserem SOG keine Rolle.
Das SOG regelt für die Ordnungsbehörden und die Polizei zunächst die Aufgaben und Zuständigkeiten im Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr. Daran ändert sich auch mit der Neufassung nichts. Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes wird in diesen Punkten gar nicht verändert. Auch sieht der Gesetzentwurf keine Änderungen des Gefahrenbegriffs vor. Im Sicherheits- und Ordnungsgesetz wird es also den Begriff der „drohenden Gefahr“ nicht geben. Das SOG soll die Antwort auf das digitale Zeitalter sein und mehr Sicherheit für Mecklenburg-Vorpommern bringen. Polizei und Ordnungsbehörden erhalten die in der heutigen Zeit notwendigen Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr. Mit Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung, die technischen Neuerungen und die aktuelle Sicherheitslage müssen die Länder effizientere Wege finden, um ihrer Aufgabe der Gefahrenabwehr nachkommen zu können.
Der Minister sprach die Anpassungen aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung schon an, ebenso das BKA-Gesetz und die darin zum Ausdruck gekommenen Anpassungsbedarfe. Auch nannte er schon die Erfordernisse anderer gesetzlicher Anpassungen, gerade was auch die EU-Datenschutz-Grundverordnung angeht.
Es sind klarstellende Regelungen und auch tatsächlich zusätzliche Befugnisse im SOG vorgesehen, damit Ordnungsbehörden und Polizei mit Blick auf die aktuelle Sicherheitslage und den Stand der Entwicklungen tech
nischer Art in die Lage versetzt wird, weiterhin Gefahren effektiv abzuwehren. Ziel ist es also, dass der Polizei und den Ordnungsbehörden die notwendigen Befugnisse zur Gewährleistung einer effektiven Gefahrenabwehr zur Verfügung stehen und möglichst auch dabei eine Harmonisierung, wo das möglich ist, mit Blick auf die bestehenden bundes- und landesrechtlichen Regelungen zu erreichen. So soll die öffentliche Sicherheit in der Bundesrepublik insgesamt besser gewährleistet werden. Mecklenburg-Vorpommern ist da natürlich mit betroffen.
Da der Staat die Sicherheit und damit auch die Freiheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten hat, müssen die Sicherheitsbehörden auch bei der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung technisch auf der Höhe der Zeit agieren können. Aber dabei gilt in jedem Fall, und da wiederhole ich mich gern, je tiefer behördliches Handeln in die Rechte des Einzelnen eingreifen kann, desto enger sind die Eingriffsvoraussetzungen und die Schutzmaßnahmen etwa durch Richtervorbehalte auszugestalten. Uns ist natürlich auch bewusst, dass es gerade in Bezug auf Onlinedurchsuchungen und Staatstrojaner weiterhin Diskussionen geben wird. Da werden wir auch nie alle unter einen Hut bekommen. Man kann sicherlich auch über Details sprechen, gerade was diese dafür notwendigen Sicherheitslücken angeht, die ja offengehalten werden, wo man Fragezeichen hinsetzen kann, ob das auf Dauer so sein soll oder ob man das zeitlich begrenzen sollte, was allerdings leider nicht in unserer Macht steht, weil das ja weltweit dann greifen müsste, damit das Sinn macht.
Im Gegensatz zu Polizeigesetzen anderer Länder finden sich die dort vielfach kritisierten Regelungen zum Einsatz automatisierter Gesichtserkennung im öffentlichen Raum oder die Erweiterung der Dauer des polizeilichen Gewahrsams nicht im Gesetzentwurf. Die Eingriffsschwellen wurden auch nicht herabgesetzt. Das war ja auch so eine Diskussion schwerwiegender Art. Während der ursprüngliche Ressortentwurf Befugnisse vorsah, wenn tatsächliche „Anhaltspunkte“ die Annahme rechtfertigen – so war da die Formulierung, zum Beispiel Straftaten begangen werden –, verlangt der Gesetzentwurf, der nun auf dem Tisch liegt nach wie vor, dass „Tatsachen“ vorliegen, die die Annahme rechtfertigen.
Neu aufgenommen in das Gesetz wird eine Evaluierungspflicht. Damit wird die Landesregierung verpflichtet, die im SOG M-V vorgenommenen Änderungen bis zum 31. Dezember 2024 zu evaluieren und dem Landtag über das Evaluierungsergebnis zu berichten. Besonderes Augenmerk ist bei der Evaluierung auf die neu aufgenommenen Befugnisse zu legen.
Noch heute Abend wird der Innenausschuss über das weitere Verfahren beschließen, was mit einer umfassenden Anhörung verbunden sein wird, mit der wir dann auch in die tiefer gehende Diskussion einsteigen werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Peter Ritter, DE LINKE: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst drei Vorbemerkungen.
Ich will hier für mich klar und auch für meine Fraktion deutlich sagen, dass wir Stasi- oder gar Gestapovergleiche im Zusammenhang mit der Gesetzesnovelle des SOG hier in Mecklenburg-Vorpommern nicht teilen
und uns auch nicht unterstellen lassen, dass wir so etwas teilen würden. Ich nehme jedoch für mich sehr wohl in Anspruch, dass ich mich kritisch mit Entwicklungen der Sicherheitspolitik in diesem Land auseinandersetze und damit eben auch mit der Gesetzesnovelle zum Sicherheits- und Ordnungsgesetz, was das Aktionsbündnis übrigens auch tut. Und dem Aktionsbündnis, bestehend aus HansaFans, aus Vertretern der FDP, der GRÜNEN, aus kritischen Juristinnen und Juristen und den Jusos hier in Mecklenburg-Vorpommern, denen allen zu unterstellen, sie würden aufgrund falscher Kenntnis argumentieren, weil sie den aktuellen Gesetzentwurf nicht kennen, das ist eine ebenso falsche wie bösartige Unterstellung,
Liebe Frau Tegtmeier, reden Sie noch mal mit Ihren Vertretern der Jungsozialisten hier im Land! Es hilft niemandem,
Zweitens, Herr Innenminister, haben Sie hier davon gesprochen, wenn es denn um Fälle von Kinderpornografie und so weiter ginge und wir die Verschärfungen des Gesetzes nicht mittragen würden, dann sollen wir auch über die Konsequenzen reden im Land. Über Konsequenzen reden in solchen Fällen, dafür bin ich sehr. Wenn denn zum Beispiel festgestellt wird, dass ein Polizeibeamter Daten missbraucht in einem Verfahren, wo es um Kindesmissbrauch geht, bin ich sehr dafür, über Konsequenzen zu reden.