Protocol of the Session on April 10, 2019

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Aber inwieweit spricht das jetzt gegen einen Antisemitismusbeauftragten?)

Und weiter zum gewalttätigen Antisemitismus in der Statistik, Zitatanfang: „Der gewalttätige Antisemitismus kommt heute nicht von rechts, auch wenn die irreführenden Statistiken etwas anderes sagen.“

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Also wenn es um Linksextremismus geht, dann stimmen die Statistiken, und wenn es um Rechtsextremismus geht, dann nicht?!)

„Wenn ich mich in meinem jüdischen Bekanntenkreis umhöre, dann sagen alle das Gleiche: Gewalt gegen Juden geht ausschließlich von Muslimen aus.“ Zitatende.

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Ganz dünnes Wasser!)

Dem entspricht eine Studie der Universität Bielefeld, wonach 81 Prozent der Opfer antisemitischer Gewaltdelikte angaben, dass die Täter einer muslimischen Gruppe angehört hätten. Dass „Jude“ wieder ein Schimpfwort an deutschen Schulen geworden ist, dass auf Demonstrationen Parolen von Muslimen zu hören sind, wie „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“, „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein“, ist laut und offen propagierter islamistischer Antisemitismus.

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Ja.)

Auch hier haben wir es mit einer über die Jahre vernachlässigten Realität zu tun, die nicht dadurch verschwindet, dass man über sie hinweggeht, weil sie nicht ins multikulturelle Weltbild passt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Eva-Maria Kröger, DIE LINKE)

Nun soll ein Antisemitismusbeauftragter die Welt wieder in Ordnung bringen. Die wohlfeil klingenden Worthülsen der Begründung sagen gleichermaßen alles und nichts. Es soll eine zentrale Stelle mit einem Antisemitismusbeauftragten eingerichtet werden, der beratend den Antisemitismus bekämpft und sich der Anliegen der sich an ihn wendenden Menschen annimmt, und zwar – das kann natürlich nicht fehlen – unter Wahrung der Vertraulichkeit und Beachtung des Datenschutzes. Das ist Symbolpolitik in krasser Vollendung. Es ist, um erneut den Historiker Wolffsohn zu zitieren, „nett gemeint, aber wirkungslos. Antisemitismus ist 3.000 Jahre alt, den wird kein deutsches Amt beseitigen. Nein, der Rechtsstaat muss seine Gesetze anwenden und wir alle müssen helfen, die Regeln unserer Zivilisation durchzusetzen.“

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

„Es ist ja nicht so, als hätten wir zu wenig Erinnerungskultur.“ Zitatende.

Der gewaltbereite Antisemitismus findet vor allem in bestimmten Milieus bestimmter Großstädte statt. In Mecklenburg-Vorpommern ist er nicht, jedenfalls noch nicht, zu Hause. Die Anzahl aller erfassten antisemitischen Straftaten im Lande liegt lediglich im mittleren zweistelligen Bereich. Dennoch ist es richtig, sich mit dem Thema zu befassen. Kein Antisemitismusbeauftrag

ter wird es jedoch schaffen, kritische oder negative Einstellungen in den Köpfen der Menschen, sei es nun gegen Juden, Amerikaner oder gegen wen auch immer, zu vertreiben. Es besteht sogar die Gefahr, dass ein Antisemitismusbeauftragter, der als Gesinnungsüberprüfer wahrgenommen würde, kontraproduktiv wäre. Die Installation eines Problembeauftragten ist oft auch Ausdruck von Hilflosigkeit und erfüllt damit eine Alibifunktion, und dies wird inflationär betrieben.

Mit der Beauftragung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung hat sich die Zahl der Bundesbeauftragten und Koordinatoren der Bundesregierung auf 39 erhöht. Es ist nicht anzunehmen, dass mit der Bestellung von Beauftragten die Probleme grundsätzlich eher gelöst als dass sie nur verwaltet werden. Der Präsident des Zentralrats der Muslime fordert nunmehr einen Bundesbeauftragten gegen Muslimenfeindlichkeit. Wie wollen wir damit umgehen?

Antisemitismus im Sinne einer grundsätzlich feindlichen Einstellung – das ist meine Definition – gegen Juden oder gar eines Hasses gegen Juden ist schlechthin inakzeptabel, und zwar bereits unterhalb einer strafrechtlich relevanten Ebene. Dem entgegenzuwirken, ist allerdings eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die vor allem im Elternhaus und in der Schule erledigt werden muss. Wenn es in der Schule zu Verhaltensauffälligkeiten zum Nachteil eines jüdischen Kindes kommt, und zwar, weil es jüdisch ist, dann ist wie in jedem anderen Fall von Mobbing nicht ein Antisemitismusbeauftragter oder der Staatsschutz gefragt. Dann kommt es auf die gebotenen pädagogischen Maßnahmen von Schule und Elternhaus an, um solchen Entwicklungen rechtzeitig Einhalt zu gebieten, dies allerdings entschlossen und mit Konsequenz.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Eva-Maria Kröger, DIE LINKE)

Wenn Juden Opfer von Gewalt oder sonstigen strafrechtlich relevanten Handlungen werden, dann sind Polizei und Staatsanwaltschaft gefordert. Die Konsequenzen müssen so sein, dass Muslime wie Nichtmuslime sehr schnell lernen, dass Antisemitismus in Deutschland nicht geduldet wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Die Realität sieht leider anders aus.

Beim islamistischen Antisemitismus stellt sich allerdings eine delikate Gerechtigkeitsfrage. Die Täter sind quasi qua Geburt israel- und judenfeindlich und in einem entsprechenden Umfeld sozialisiert. Dafür haben sie, zumindest aus ihrer Sicht, Gründe. Kann, darf und muss das vor Gericht mildernd berücksichtigt werden? Eine schwierige Frage. Die Signalwirkung ist dann jedenfalls nicht so, wie sie für eine wirksame Abschreckung sein sollte. Wenn wir unsere Werte verteidigen wollen, dann müssen wir unmissverständlich klarmachen, dass diese, unsere Werte hier in unserem Land für und gegen jedermann gelten und Kulturfremdheit kein durchgreifender Milderungsgrund sein kann.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Da der israelbezogene Antisemitismus eine immer größere Rolle spielt, ist der Umgang mit Israel ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den Antisemitismus. Offiziell

steht Deutschland an der Seite Israels. Nach Merkel gehört die Sicherheit Israels zur deutschen „Staatsräson“, nach Steinmeier sogar „zur deutschen Identität“. Zu Ende gedacht sind dies sehr gewagte Thesen, die durchaus infrage zu stellen sind.

Aber wie verträgt sich eine solche Nibelungentreue damit, dass die Regierungskoalition und DIE LINKE im Bundestag im März einen von der AfD unterstützten Antrag der AfD abgeschmettert haben, der sich dagegen richtete, dass Israel in der UNO wie der letzte Schurkenstaat behandelt wird? In dem Antrag wurde gefordert, die Bundesregierung soll sich klar von einseitigen, politisch motivierten Initiativen und Allianzen antiisraelisch eingestellter Mitgliedsstaaten distanzieren und besonders den politischen Kräften im Nahen und Mittleren Osten entgegenwirken, die die Sicherheit Israels offen bedrohen. Das wurde abgeschmettert. Beides passt nicht zusammen. Glaubwürdigkeit sieht anders aus.

Ich komme zum Schluss und fasse zusammen: Antisemitismus hat keinen Platz in Deutschland. Aber mit diesem Begriff muss verantwortungsvoll umgegangen werden, insbesondere darf der Holocaust dabei nicht instrumentalisiert werden. Ein verkrampftes Klima, bei dem jede kritische Äußerung zu Juden oder Israel sofort als Verdachtsfall für Antisemitismus gesehen wird, ist der Sache nicht dienlich und eher geeignet, den Antisemitismus zu fördern. Wir brauchen keine neuen Stellen für Symbolpolitik, für die keine Notwendigkeit besteht und die den Steuerzahler viel Geld kosten, dies insbesondere angesichts der realen Situation in Mecklenburg-Vorpommern, die mit Problemstädten wie Berlin nicht vergleichbar ist. Wir brauchen statt eines Antisemitismusbeauftragten einen Abschiebungsbeauftragten für islamistische Gewalttäter. Aber auch den brauchen wir nicht, denn es geht darum, das geltende Recht konsequent anzuwenden, und das geschieht eben nur mangelhaft.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Dabei sollten antisemitische Gewalttaten, egal, von wem sie begangen werden, schwerpunktmäßig im Blick der Strafverfolgungsbehörden stehen. Wenn es aus fachlicher Sicht sinnvoll und zweckmäßig sein sollte, was ich nicht annehme, hier Kräfte zu bündeln oder Behörden personell zu verstärken, dann mag dafür das Geld bereitgestellt werden. Ferner ist darüber nachzudenken, wie die Statistik verbessert werden kann, um die Realität frei von politisch erwünschten Ergebnissen korrekt abzubilden. Das Land könnte ein eigenes Programm für einen Schüleraustausch mit Israel auflegen und, wenn bereits vorhanden, verstärken, um das beiderseitige Verständnis zu fördern.

Ich bin mir sicher, dass sich bei gehörigem Nachdenken noch viele gute und vor allem praktische Vorschläge ergeben, wie dem Antisemitismus zu begegnen ist. Die Bestellung eines Antisemitismusbeauftragten gehört mit Sicherheit nicht dazu. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort die Abgeordnete Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin erst einmal den Freien Wählern/BMV und auch der Fraktion DIE LINKE

sehr dankbar, dass wir diesen Antrag zusammen unterstützen, und möchte an Herrn Förster eingangs einige Worte zu seinem Beitrag richten.

Herr Förster, Sie haben sehr gut angefangen mit der Beschreibung der Situation unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger und was ihnen im deutschen Staate angetan wurde.

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Auch Ihre Aussage, Antisemitismus hat in Deutschland nichts zu suchen, unterstütze ich natürlich vollkommen. Dass Sie im Weiteren Ihrer Rede natürlich wieder beim islamischen Antisemitismus gelandet sind, verwundert nicht wirklich,

(Horst Förster, AfD: Nee, der ist ja auch da!)

ebenso die ganzen Verallgemeinerungen oder das ganze Ablenkungsmanöver weg von Mecklenburg-Vorpommern.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Wir reden ja über einen Beauftragten für uns im Land. Die Schwerpunktsetzung auf die Problemlagen in manchen Großstädten, das war so ein bisschen Vernebelungstaktik, würde ich sagen.

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Ich hätte, als ich 2006 das erste Mal in diesen Landtag gewählt wurde, nicht gedacht, dass ich einmal die Einsetzung eines Antisemitismusbeauftragten hier aus vollem Herzen unterstützen würde.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Ganz im Gegenteil, wir haben an der einen oder anderen Stelle gewollte, beantragte Beauftragte immer nicht befürwortet, sondern abgelehnt. In diesem Fall ist das aber eine ganz andere Geschichte.

Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern nur noch zwei jüdische Gemeinden, in Rostock und in Schwerin/Wismar. Insgesamt sind das nicht mal mehr 1.500 Menschen. Das Thema Antisemitismus stellt insbesondere – und das wurde hier auch schon kritisch angemerkt – in der rechtsextremistischen Szene seit jeher eines der bedeutendsten ideologischen Bindeglieder dar. Das ist es, was hier statistisch zu Buche schlägt. Das können Sie kritisieren und sagen, das glauben Sie jetzt nicht. Aber für Mecklenburg-Vorpommern – bezogen auf die vergleichsweise wenigen Fälle –, denke ich, dass die Aussagen dazu schon recht zutreffend sind, und auch, was den hohen Anteil angeht. Es ist so, dass, wenn man allein von 2015 bis 2018 guckt, es zwar Straftaten auf vergleichsweise niedrigem Niveau sind, aber dennoch haben sich die Fälle verdreifacht. Das stimmt bedenklich. Wenn man dann auch noch weiß, dass es mittlerweile Menschen in Deutschland gibt, und gar nicht mal so wenige, mit jüdischem Glauben, die sich nicht mehr trauen, in der Öffentlichkeit ein Käppi zu tragen,

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

also dann ist mehr Handlungsbedarf zu sehen.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern kein eigenes Programm zur Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus. Gleichwohl haben wir der Bekämpfung von Antisemitismus einen sehr hohen Stellenwert zugemessen, da hier in besonderem Maße die Grundlagen der staatlichen Ordnung und auch die Grundprinzipien unseres friedlichen Zusammenlebens berührt werden. Wir haben die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus fest in den Rahmenplänen unserer Schule verankert. Hinzu kommen die vom Land geförderten Schülerfahrten zu Konzentrationslagergedenkstätten und anderen Orten der Nationalsozialistischen-Diktatur-Geschichte.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Gucken Sie nicht so weit! Da vor Ihnen sitzt einer, der ist total intolerant.)

Die hier beantragte Einsetzung eines Beauftragten ergänzt diese Bestrebungen, weil es uns vor dem Hintergrund der aufwachsenden Gewaltbereitschaft und der aufwachsenden Zahl an antisemitistischen Straftaten dringend geboten erscheint, hier noch mal einen Schwerpunkt zu setzen. Wie die Aufgabengestaltung insgesamt aussieht, haben Sie hier im Vorfeld schon kritisiert, was er denn machen könnte. Aber das wissen Sie doch noch gar nicht, was ihm für eine Aufgabe in das Buch geschrieben wird, wie er seine Tätigkeit auszuüben hat, was wir von ihm letztlich mit der Einsetzung abverlangen. Er oder sie soll sich „unter Wahrung der Vertraulichkeit und der Achtung personenbezogener Daten der Anliegen der sich an sie oder ihn wendenden Menschen an(nehmen)“.